Cash-Flows
Stellen Sie sich vor, daß Ihr Onkel Ihnen versprochen hat, Ihnen in einem Jahr € 10000,- zu schenken. Dabei nehmen wir an, daß der Onkel vollkommen zuverlässig ist, so daß Sie sich auf die Zusage Ihres Verwandten fest verlassen können. Hat dieses Versprechen bereits heute einen Wert, obwohl Sie erst in einem Jahr Geld erhalten werden?
Die Anwort ist: Ja, das Versprechen hat heute einen Wert. Denn Sie könnten heute zur Bank gehen und einen Kredit mit der Laufzeit von einem Jahr aufnehmen und der so beschaffen ist, daß Sie in einem Jahr € 10000,- zurückzahlen müssen. Das Versprechen des Onkels dient dabei als Sicherheit für die Bank. Dadurch erhalten Sie jetzt sofort Geld. In einem Jahr aber erhalten Sie von Ihrem Onkel die € 10000,- und zahlen dieses Geld sofort zur Tilgung ihres Kredits an die Bank. Netto ändert sich dadurch Ihr Kontostand in einem Jahr nicht. Beträgt der Zinssatz für ein Jahr r und ist der Rückzahlungsbetrag A, so beläuft sich die Kreditsumme auf A/(1+r).
Was wir getan haben ist, einen zukünftigen Zahlungsstrom, auch Cash-Flow genannt, mit Hilfe der Bank in einen Zahlungsstrom, der heute fließt, zu transformieren.
Damit haben wir eine der wichtigen Aufgaben von Banken beschrieben: die Transformation von Zahlungsströmen oder Cash-Flows. Mit Hilfe eines Kredits läßt sich ein Cash-Flow, der in einem Jahr fließt, in einen Cash-Flow umwandeln, der heute fließt.
Ein anderes wichtiges Beispiel ist ein Annuitätskredit. Hier wird ein großer Cash-Flow in viele kleinere Cash-Flows, die häufig monatlich über viele Jahre fließen, getauscht. Dieser große Cash-Flow könnte etwa zur Finanzierung einer Immobilie verwendet werden. Wir starten so, daß ein Netto Cash-Flow von Null heute durch zwei große entgegengesetzte Cash-Flows gebildet wird. Der positive Cash-Flow repräsentiert das Geld, das wir von der Bank erhalten, der negative unsere dadurch entstehende Zahlungsverpflichtung. Diesen negativen Cash-Flow transformieren wir nun mit Hilfe eines Annuitätskredits in eine Serie von kleineren zukünftigen Cash-Flows. Dadurch erhalten wir also heute von der Bank Geld und leisten anschließend über einen längeren Zeitraum regelmäßige Rückzahlungen an die Bank.
Die Tatsache, daß sich Cash-Flows transformieren lassen, bietet nicht nur die Möglichkeit, Zahlungsströme an die Bedürfnisse von Investoren anpassen zu können, sondern sie ist auch die Grundlage für ein Verfahren, verschiedene Investitionsalternativen miteinander zu vergleichen. Dazu werden zwei verschiedene Cash-Flow-Strukturen in je einen einzelnen Cash-Flow zum aktuellen Zeitpunkt transformiert. Derjenige mit dem höheren Wert ist zu bevorzugen, wenn nicht noch andere Gesichtspunkte, wie etwa Unsicherheit oder Liquiditätsanforderungen zu berücksichtigen sind.
Die Transformation von Cash-Flows ist daher auch nicht das einzige Verfahren, Investitionen miteinander zu vergleichen! Nähreres erfahren Sie bei uns im Studium der Wirtschaftsmathematik. Hier wird die angesprochene Thematik weitergeführt und es werden Investitionssituationen betrachtet, bei denen die im Beispiel betrachteten Rahmengrößen wie Zins und Laufzeiten nicht mehr deterministische Zahlenwerte sind, sondern Schwankungen unterworfen sein können.