Jugendliche im Internet – die neue „Generation Sorglos“?

Schaut man sich die Inhalte und Informationen an, die Kinder und Jugendliche per Facebook, Messenger-App oder YouNow verbreiten, kann man sich als Erwachsener leicht wundern, wie offenherzig hier mit privaten Daten und den Daten von Freunden und Bekannten umgegangen wird. Woran aber liegt es, dass viele Kinder und Jugendliche (anscheinend) keine Probleme darin sehen, auch intimste Informationen im Internet zu veröffentlichen? Warum reagieren Kinder und Jugendliche auf die gut gemeinten Appelle von Eltern und Pädagogen zum Schutz persönlicher Daten vielfach mit Unverständnis?

Eine Antwort liegt bereits in der Struktur Sozialer Netzwerke. Wie oben bereits erwähnt, muss die Privatsphäre ein Stück weit aufgegeben werden, will man sich sinnvoll an Sozialen Netzwerken beteiligen. Eine Studie der Landesanstalt für Medien NRW (Heranwachsen mit dem Social Web, 2., unver. Aufl. 2011, S. 221) ergänzt in diesem Zusammenhang:
„Für externe Beobachter erscheint oft bereits das Offenlegen bestimmter persönlicher Merkmale (wie Beziehungsstatus oder persönlicher Vorlieben) auf Netzwerkplattformen als Preisgeben der eigenen Privatsphäre; dieses Verhalten ist jedoch aus der kommunikativen Situation heraus nachvollziehbar: Nur durch das Ausfüllen eines eigenen Profils können Jugendliche an der Nutzergemeinschaft teilhaben, sich ihrer eigenen Identität und ihres Status innerhalb des Geflechts der online abgebildeten erweiterten Peer-Group bewusst werden und die Möglichkeit der Kommunikation mit den eigenen Freunden und Bekannten eröffnen.“

Darüber hinaus fällt es Jugendlichen – aber auch vielen Erwachsenen – schwer genau abzuschätzen, wer auf die eingestellten Bilder, Daten und Informationen tatsächlich zugreifen kann. Die oben genannte LfM-Studie (Kurzfassung unter www.lfm-nrw.de) ermittelte bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen Fehleinschätzungen bezüglich der Reichweite, Nachhaltigkeit und Dynamik von Social Web-Angeboten. Umgeben von Freunden und Bekannten wähnen sich viele im sicheren Bereich einer geschlossenen Gruppe und sind entsprechend offenherzig. Dass auch der Anbieter oder staatliche Organisationen auf die eingestellten Daten zugreifen und dass Onlinefreunde und Bekannte die Informationen an andere Nutzer weitergeben könnten, wird hierbei häufig missachtet. Und bei einer durchschnittlichen Zahl von 256 befreundeten Community-Mitgliedern ist diese Wahrscheinlichkeit nicht gerade gering (JIM Studie 2014, S. 37ff.). Zudem wird in der jeweiligen Situation nicht immer bedacht, dass die als Momentaufnahme gedachten Informationen auch Jahre später immer wieder im Netz auftauchen können.

Als weitere Herausforderung kommen die durch mobiles Internet und Handykamera stark verkürzten Reflexionszeiten hinzu. So wurden die Zeiten, über mögliche negative oder ungewollte Folgen von verbreiteten Inhalten nachzudenken, noch einmal deutlich verkürzt. Nun können alle Inhalte gleich aus der Situation heraus mit einem Knopfdruck versendet werden (Stichwort „Impuls-Uploads“). Durch Apps wie Snapchat oder Slingshot, bei denen die versendeten Inhalte mit einer bestimmten Haltbarkeit versehen werden können, können Hemmschwellen zusätzlich sinken. (Hierbei ist wichtig zu betonen, dass die Inhalte über Screenshots oder spezielle Apps tatsächlich auch langfristig durch den Empfänger gesichert werden können.) Auch Angebote, mit denen Kinder und Jugendliche live in Echtzeit per Video mit anderen kommunizieren (zum Beispiel das auch als App erhältliche Angebot YouNow, siehe auch "Weitere Informationen"), schaffen im Sinne des Datenschutzes neue Herausforderungen.

Unabhängig von diesen Aspekten wäre auch möglich, dass aktuell eine Generation heranwächst, die den Wert persönlicher Daten anders sieht bzw. die Grenzen zwischen Privat und Öffentlich weiter zieht, als z. B. das Gros der Generation ihrer Eltern (vgl. auch „Fazit“). In diesem Fall müsste erst einmal ganz grundsätzlich versucht werden, eine Sensibilität für den Wert persönlicher Daten zu schaffen, bevor konkrete Tipps zum Datenschutz vermittelt werden. Andernfalls würden diese auf wenig fruchtbaren Boden stoßen – und zwar unabhängig davon, ob mit oder ohne dem berüchtigten „erhobenen pädagogischen Zeigefinger“ präsentiert.

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