Online-Gewalt ist reale Gewalt
Online-Gewalt beschädigt nicht unmittelbar die Physis einer Person, sondern bedient sich verletzender Worte, Bilder oder Videos: Sie ist eine symbolische Gewalt. Solche Attacken zielen auf das soziale Ansehen, den Ruf oder das Image eines Menschen – und damit auf seine Anerkennung als Subjekt. Durch diese Verletzung des Subjektcharakters wird Betroffenen die Möglichkeit auf ein gelingendes Leben verwehrt.
Shitstorms, Bashing, Trolling
Der Begriff "Shitstorm" beschreibt eine sich verselbstständigende Welle der Entrüstung, die sich emotionalisierend vom sachlichen Kern einer Debatte o. ä. entfernt und sich auf eine persönlichere Ebene zubewegt – bis hin zu bösesten Verletzungen. Unter dem Begriff Bashing sind regelrechte Beschimpfungskriege zu verstehen, die heftige Beleidigungen bis hin zum Kontrollverlust umfassen. Trolling beschreibt ein destruktives, unsachliches und aggressives Kommunikationsverhalten. Trolls – das sind die Akteure – möchten provozieren, Konflikte innerhalb einer Community schüren oder durch falsche Informationen Diskussionen im Web manipulieren.
Allen drei Formen verletzenden Kommunikationsverhaltens ist ein besonderes Charakteristikum gemeinsam: die Gefahr der Eskalation, die letztlich unmittelbar von den Beleidigungen ausgeht. Beleidigungen bergen grundsätzlich die Gefahr der Eskalation, denn durch die ihr innewohnende Provokation fordern sie eine Reaktion: Sie will vom Beleidigten geradezu erwidert werden. So kann eine eskalative Dynamik in Gang kommen.
Der öffentliche Charakter dieser Gewaltformen begünstigt das Entstehen eskalativer Potenziale. So erweitern beispielsweise Soziale Netzwerke den Kreis möglicher kommunikativer Anschlüsse stark: Diese können eskalierend wirken, wenn sie in die Konflikte hineingezogen werden.
Digitale Pranger – Hass-, Gerüchte- und „Schlampen-Seiten“
Auf Hass- oder Gerüchteseiten, die z. B. auf Facebook oder über ein einfach zu handhabendes Blogging-Tool wie Tumblr erstellt werden, werden Fotos/Videos zum Kommentieren oder Verlinken gepostet, mit denen eine Person denunziert wird. Dies können Bilder sein, auf denen das Opfer aus unterschiedlichen Gründen unvorteilhaft erscheinen mag (z. B. Partyfotos), sich in peinlichen Situationen befindet – oder aber durch intime Fotos, die nur für den Partner bestimmt waren. Dazu kommen meist diffamierende Kommentare und Bemerkungen. Auf den so genannten „Schlampen-Seiten“ wird dazu aufgerufen, Fotos und persönliche Informationen über die „größten Schlampen“ einer Gegend einzusenden.
Die Bilder und /oder Infos der Mädchen werden dann auf der Seite veröffentlicht und von Nutzern hämisch kommentiert. Die Mädchen, die hier an den digitalen Pranger gestellt werden, sind dem größtenteils hilflos ausgeliefert. Auch eine eventuelle Löschung der Bilder bringt oft nicht viel: Die Bilder können da längst heruntergeladen und gespeichert worden sein und sich innerhalb kürzester Zeit über andere Wege verbreiten – zum Beispiel über Smartphone (WhatsApp) oder E-Mail. Gemeinsam ist Hass- und Schlampen-Seiten, dass die visuellen Dokumente meist ohne das Wissen der Betroffenen entstehen und anonym gepostet werden. Oft erfahren die Opfer erst dann schmerzlich davon, wenn die Objekte bereits eine Weile kursieren und die Verhöhnung so ihre destruktive Wirkung schon entfaltet hat.