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1. Einleitung
Der erste Internationale Eucharistische Kongress hatte vom 28.-30.6.1881 in Lille unter Führung des Weihbischofs von Cambrai, Henri Monnier (1820–1916), und unter dem Motto „Gesellschaftskönigreich Christi“ stattgefunden. Er war auf Betreiben der Laienfrau Emilie Marie Tamisier (1834–1910) mit Unterstützung des 1962 heilig gesprochenen Pierre Julien Eymard (1811–1868) sowie des Bischofs Gaston de Ségur (1820–1880) zustande gekommen. Emilie Marie Tamisier, die schon seit ihrer Kindheit die Eucharistie besonders verehrte, hatte bereits in den 1860er und 1870er Jahren eucharistische Wallfahrten zur Verbreitung der Eucharistieanbetung und zur Abwehr von Säkularisierungstendenzen in Frankreich organisiert. Nachdem der Industrielle Philibert Vrau (1829–1905) die Finanzierung gewährleistet und Papst Leo XIII. (Pontifikat 1878–1903) seine Zustimmung gegeben hatte, konnte der erste Kongress stattfinden. Ihm schlossen sich während des Pontifikats Leos XIII. weitere 13 Kongresse in unregelmäßigen Abständen an. Der erste Eucharistische Kongress auf deutschem Boden war 1907 in Metz, das zu dieser Zeit zum Deutschen Kaiserreich gehörte. Neben Köln (1909) war als weitere deutsche Stadt München im Jahre 1960 Gastgeber (37. Eucharistischer Weltkongress). Seit dieser Zeit ist die Eucharistiefeier - nicht wie bis dahin die feierliche Prozession - Höhepunkt der Versammlung. Im Jahre 2013 ist Köln unter dem Motto „Herr, zu wem wollen wir gehen?“ (Joh. 6,68) Ausrichter eines ersten nationalen Eucharistischen Kongresses.
Die eucharistischen Kongresse wollen die Gläubigen um die Mitte des Glaubens, die Eucharistie, versammeln. Die Eucharistie, die Gegenwart Christi in Gestalt von Brot und Wein (Mt 26,26–28; Mk 14,22–25; Lk 22,15–20; 1 Kor 11,23–26), ist für die katholische Kirche das zentrale Sakrament und wird deshalb besonders verehrt. Die Begegnungen in internationaler Zusammensetzung sollen die „Bedeutung der Eucharistie im Leben der Kirche bewusst machen, ihr Verständnis vertiefen und öffentlich bezeugen, dass Jesus Christus in Gestalt der Eucharistie die Lebensmitte der Kirche und ihre Sendung ist“, so der Sekretär des nationalen Eucharistischen Kongresses 2013, Robert Kleine (geboren 1967).
Während des 18. Internationalen Eucharistischen Kongresses 1907 in Metz hatte der Kölner Erzbischof Antonius Kardinal Fischer den Wunsch geäußert, den übernächsten Kongress im Jahre 1909 in Köln zu veranstalten. Diesem Wunsche entsprach das internationale Komitee mit seinem Präsidenten, dem Bischof von Namur und Abt der Prämonstratenser in Belgien, Thomas Louis Heylen (1856–1941), sodass der Verwirklichung des 20. Internationalen Eucharistischen Weltkongresses vom 4.-8.8.1909 in Köln nichts mehr im Wege stand.
2. Vorbereitung des Kongresses
Zur Vorbereitung des Kongresses, der nach den Worten von Kardinal Fischer den Zweck verfolgte, „in der katholischen Welt die gläubige Andacht zum allerheiligsten Altarssakramente zu vertiefen und zu fördern“, gründete sich am 12.1.1909 unter seinem Vorsitz ein Lokalkomitee, bestehend aus „ungefähr 150 Cölner Herren[!] in den verschiedensten Lebenslagen“. Es bestand aus sieben Kommissionen (Korrespondenz, Finanzen, Liturgie, Ausschmückung und Ordnung, Empfang und Wohnung, Presse und Redner) mit je einem Vorsitzenden an der Spitze. Als Ehrenpräsidenten fungierten der Kardinal selbst und der Kölner Weihbischof Joseph Müller (Episkopat 1903–1921). Zum Präsidenten wurde Generalvikar Peter Carl Aloys Kreutzwald (1850–1918) und zu seinem Vertreter Domkapitular und Kunstsammler Alexander Schnütgen bestellt. Mit den Worten: „Um den Beistand und den Segen des hl. Geistes herabzuflehen auf die Vorbereitung und die Arbeiten des XX. internationalen Eucharistischen Kongresses, der so Gott will, in den Tagen des 4.–8. August c[u]r[rentis] hier stattfinden wird, soll am Sonntag, den 7. Februar c[u]r[rentis], morgens um 9 ½ Uhr, im hohen Dome unter Pontifikal-Assistenz S[eine]r Eminenz, unseres hochwürdigsten Herrn Kardinals und Erzbischofs, ein feierliches Hochamt gehalten werden“ lud Generalvikar Kreutzwald die Mitglieder des Lokalkomitees zur Feier des Gottesdienstes, der die Arbeit des Komitees einleitete. In der ersten Zusammenkunft mit dem Präsidenten des internationalen Komitees am 9.2.1909 zeigte sich Bischof Heylen mit Einteilung und Arbeit der Kommissionen einverstanden. So hatte beispielsweise die Kommission für die Ausschmückung des Domes Kardinal Fischer am 27.3.1909 den Vorschlag unterbreitet, für 25.000 Mark eine elektrische Beleuchtung des Hochchores und der Chorgalerien vorzusehen, außerdem die Vierungspfeiler mit den Wappenschildern des Papstes, des Legaten, des Kölner Erzbischofs und des Domkapitels auszustatten. Trotz der Bedenken des Dompropstes Franz Carl Berlage (1835–1917) gegen eine „solch große Summe“ genehmigte der Kardinal den Vorschlag.
In dem ersten von zwei Hirtenbriefen informierte Kardinal Fischer, für den der Kongress mutmaßlich Höhepunkt seines bischöflichen Wirkens war, am 11.4.1909 die Katholiken der Kölner Erzdiözese und bat um rege Beteiligung, besonders „unseres braven arbeitenden Volkes, der Gesellen-, der Arbeiter-, der Knappenvereine“ am Kongress. Das gelte, so der Kardinal, sowohl für die Ausschmückung der Häuser und Straßen als auch für die Beteiligung an den Versammlungen, Gottesdiensten und der großen sakramentalen Prozession am Abschlusstage. Natürlich ergehe die Einladung auch über die Erzdiözese hinaus an die Angehörigen der Kölner Kirchenprovinz, alle katholischen Mitbrüder im Deutschen Reich, in „Deutsch-Österreich“, der Schweiz und Luxemburg. Sie alle seien willkommen im „heiligen Cöln“ und „deutschen Rom“, wo „die heiligen Könige rasten, wo St. Gereon mit seinen römischen Kriegsleuten, St. Ursula mit ihrer glorreichen Schar den Boden mit Märtyrerblut getränkt“ hätten. Der Kongress, so der Kardinal weiter, sei an erster Stelle ein internationales Fest, für den ganzen Erdkreis bestimmt, zu dem auch alle aus dem Ausland geladen seien. In einem zweiten Hirtenschreiben, datiert vom 26.7.1909, ließ der Kardinal die Gläubigen der Erzdiözese wissen, dass der Papst am 16. Juli den Präfekten der Apostolischen Signatur, Vincenzo Kardinal Vannutelli (1836–1930) zu seinem Legaten und an seiner Statt zum Vorsitzenden des Kongresses ernannt habe. Außer dem Kardinallegaten würden mehrere andere Kardinäle und viele Bischöfe den Kongress durch ihre Teilnahme bereichern. Deshalb bitte er vornehmlich die Kölner Katholiken um Gastfreundschaft gegenüber den Fremden und um rege Beteiligung, besonders an dem Pontifikalamt, das der Kardinallegat im Dom feiern werde. Darüber hinaus äußerte der Kardinal, dass das allerheiligste Sakrament vom 5. bis 7. August in der Ursulinen-Kirche und den Pfarrkirchen St. Kolumba, St. Maria im Kapitol, St. Aposteln, Hl. Herz-Jesu und St. Agnes den ganzen Tag über ausgesetzt sei und besucht werden könne. Außerdem bat er darum, dass recht viele an den Tagen des Kongresses die heilige Kommunion empfangen und während der sakramentalen Prozession Ordnung halten möchten. Neben den beiden Hirtenbriefen informierte die „Kölnische Volkszeitung“ die Bevölkerung in einem Aufruf vom 31.7.1909 über den Kongress und die einschlägigen Planungen und bat ebenfalls um Ausschmückung der Häuser und Straßen.
Inzwischen stand auch das Programm für den Kongress fest. Es war vorgesehen, am Dienstag, dem 3. August, den Kardinallegaten Vannutelli zu empfangen. Am 4. August sollte der Kongress um 16.30 Uhr im Dom eröffnet werden. An den drei folgenden Tagen waren jeweils um 8.00 Uhr ein Pontifikalamt im Dom und um 10.00 Uhr geschlossene Veranstaltungen in deutscher, französischer, englischer, italienischer und spanischer Sprache, Sektionssitzungen für Priester, Jugendseelsorge und Damen und öffentliche Kongressveranstaltungen im Dom geplant. Am Sonntag, dem 8. August, war nach der Generalkommunion im Dom und in allen Kölner Pfarrkirchen sowie dem Pontifikalamt im Dom die feierliche sakramentale Prozession als Abschluss des Kongresses auf 15.30 Uhr angesetzt. Alle Gottesdienste und Prozessionen sollten musikalisch begleitet und der Domchor dazu um alle Kölner Kirchenchöre so verstärkt werden, dass ein Männerchor von 600 Sängern und ein gemischter Chor von 1.500 Mitwirkenden entständen.
Die Kongressteilnehmer erhielten je nach gewünschter Veranstaltung eine Mitglieder-, Teilnehmer- oder Tageskarte (bis zum 31. Juli waren bereits 8.400 Mitglieder- und 2.700 Teilnehmerkarten ausgegeben), die den jeweils unbehinderten Zugang ermöglichen sollte. Dompropst Berlage lehnte allerdings die Verantwortung dafür ab, den Kongressbesuchern die freie Besichtigung des Doms und des Chorumganges zu gewähren, „denn bei meiner langjährigen Erfahrung weiß ich, was ein Conflux im Dom zu bedeuten hat“. Als Erinnerung an den Kongress war eine offizielle Feldpostkarte in Auftrag gegeben worden. Den Erinnerungstext umrahmten die Symbole der Eucharistie: Phönix, Pelikan, Lamm und Löwe. In den Eckfeldern fanden sich die Porträts von Papst Pius X. (Pontifikat 1903-1914), dem Kardinallegaten Vincenzo Vannutelli, Kardinal Fischer und Bischof Heylen. Auf einer anderen Postkarte waren die Eckfelder stattdessen mit den wichtigsten Stätten der eucharistischen Lehre abgebildet: Kölner Dom, Peterskirche, Sionskirche und das Coenaculum, der Abendmahlssaal, in Jerusalem. Eine weitere Postkarte zeigte einige Teilnehmer des Kongresses, neben dem Kardinallegaten Vannutelli unter anderen Bischof Heylen und Kardinal Fischer.
3. Empfang des Kardinallegaten
Als geistliche Ehrengäste nahmen neben Kardinal Vannutelli, der Breslauer Fürstbischof Georg von Kopp (1837–1914), die Erzbischöfe von Mailand und Mecheln, Andrea Carlo Kardinal Ferrari (1850–1921) und Désirée Félicien François Joseph Kardinal Mercier (1851–1926), der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Andreas Franziskus Frühwirth OP (1845–1933), fünf weitere Erzbischöfe, 40 Bischöfe, Titularbischöfe, Vertreter von Kardinälen und Bischöfen sowie Äbte und Prälaten aus der ganzen Welt am Kongress teil.
Am 3.8.1909 traf der Kardinallegat Vannutelli in Köln ein. Schon in Mainz war er von einer Kölner Empfangsdeputation begrüßt und mit der „Frauenlob“ der Köln-Düsseldorfer Dampfschifffahrts-Gesellschaft nach Koblenz geleitet worden. Dort empfing ihn das Kölner Festschiff „Rheingold“, das ihn nach Königswinter, dem ersten Ort der Kölner Erzdiözese brachte. Der Präsident des Lokalkomitees Kreutzwald empfing ihn als Vertreter von Papst Pius X. und dankte ihm für seine Bereitschaft, den Kongress zu eröffnen und zu lenken. Nach der Huldigung durch die Ortsgeistlichkeit setzte das Schiff seine Fahrt nach Köln, flankiert von zahlreichen Motorbooten mit Sängern und Musikkapellen, fort. An den beiden Rheinufern hatte sich ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung eingefunden, um dem Kardinallegaten zuzuwinken. Weiß gekleidete Kinder formierten am Ufer Buchstaben und Wörter, zum Beispiel „V.V.“ (Vincenzo Vannutelli) oder „Pius“. Von Bayenthal an begleitete das Glockengeläute der Kölner Kirchen das Schiff. Am Landesteg in der Kölner Altstadt nahm das Domkapitel den Kardinal in Empfang, um ihn zum Sassenhof zu geleiten. Dort empfingen ihn der Kölner Erzbischof Kardinal Fischer, Weihbischof Müller, die Bischöfe von Ermland (heute Polen), Augustinus Bludau (1862–1930), Kulm (Polen), Augustinus Rosentreter (1844–1926) und Schantung (China), Augustinus Henninghaus (1862–1939) sowie der Kölner Oberbürgermeister Max Wallraf mit Vertretern aus Politik und Verwaltung. Nachdem Kardinal Fischer und Oberbürgermeister Wallraf den Kardinallegaten herzlich willkommen geheißen hatten, eskortierte ihn die Empfangsprozession unter Absingen der Papsthymne „Tu es Petrus“ des Kirchenmusikers Michael Haller (1840–1915) durch „die mit einer dichten Menschenmauer umsäumten Straßen über Heumarkt, Alter Markt und Domhof zum Dom, der in feenhafter Beleuchtung“ strahlte.
4. Verlauf des Kongresses
Am folgenden Morgen, dem 4.8.1909, empfing Vannutelli in feierlicher Audienz mehrere Bischöfe und Äbte sowie Vertreter aus Politik, Verwaltung, Handel und Vereinen. Am Nachmittag des gleichen Tages zog er zusammen mit den Kardinälen Fischer und Ferrari feierlich in den Dom, wo der Präsident des ständigen Kongresskomitees, Bischof Heylen, im Auftrage des Kardinallegaten den Kongress eröffnete. Mit dem Breve von Papst Pius X., das zunächst verlesen wurde, gab Vannutelli der Versammlung offiziell bekannt, dass ihn der Papst zu seinem Legaten ernannt und zur Leitung des Kongresses nach Köln, in ein „Zentrum katholischen Glaubens und Lebens“, entsandt habe. In seiner Eröffnungsrede wies Vannutelli auf die herausragende Bedeutung der Eucharistie als das größte aller Sakramente hin. Er pries Köln als die am besten geeignete Stadt für die Abhaltung eines eucharistischen Kongresses, weil in ihr Männer wie Albertus Magnus, Duns Scotus und Thomas von Aquin (um 1225–1274) gewirkt hätten. Thomas habe in Köln angefangen, „das hehre Mysterium“ der Eucharistie zu betrachten, „um bald darauf jene himmlische Dichtung zu schaffen, die in dem erhabenen Offizium des Altars¬sakramentes enthalten ist“. Hinzu komme, dass Köln die Gebeine der heiligen Dreikönige und der heiligen Ursula mit ihren Gefährtinnen beherberge. Vannutelli schloss seine Rede mit einer Huldigung auf Kaiser Wilhelm II. (Regentschaft 1888-1918), der die Bedeutung der Religionsfreiheit für den Staat erkannt habe.
In seiner Antwort hieß Kardinal Fischer außer dem päpstlichen Legaten, den Mailänder Kardinal Ferrari, „den Freund unserer Cölner Erzdiözese, dessen Sprengel mit dem Cölner aufs engste durch die heiligen Dreikönige verbunden ist“, die übrigen Kardinäle, Bischöfe, Äbte und Besucher des Kongresses aus ganz Europa, Amerika, Afrika und Asien willkommen. „Sie tagen, verehrte Anwesende, an denkwürdiger Stätte, der H[eilige] Vater selber hat es erwähnt in seinem Breve an den hochwürdigsten Kardinallegaten. […] Die Stadt Köln wird seit alten Tagen das heilige Cöln genannt und das deutsche Rom. […] Wahrlich, verehrte Anwesende, Sie befinden sich an denkwürdiger Stätte, in einer Stadt, die reich ist an kirchlichen Überlieferungen, reich, auch heute noch, an kirchlichem Leben, reich, insbesondere auch in der Vergangenheit und in der Gegenwart, an frommer Verehrung des allerheiligsten Sakramentes. So möge die eucharistische Tagung, die wir heute beginnen, unter dem Schutze Gottes einen weiteren Beitrag liefern zum Ruhme der heiligen Cölner Kirche!“, führte er in patriotischen Worten aus. Besonders ging er auf den heiligen Thomas von Aquin ein, der in Köln gelehrt, und der „das Offizium vom h[eiligen] Sakrament geschrieben und in seiner berühmten theologischen Summa die Geheimnisse des h[eiligen] Sakramentes, soweit es dem Menschen möglich ist, so klar, so scharf- und tiefsinnig erläutert hat, wie niemand vor und niemand nach ihm“. Ausdrücklich erwähnte er, dass der Kongress „keinen irgendwie gearteten politischen Anstrich“ habe, sondern eine ausschließlich religiöse Veranstaltung sei, ein Hinweis, der in der politisch unruhigen Zeit vonnöten schien. Oberbürgermeister Wallraf dankte „im Namen meiner katholischen Mitbürger“, dass mit Köln die Stadt mit den drei Kronen im Wappen für den Kongress ausgewählt worden sei.
Der Kongress war geprägt von öffentlichen und geschlossenen Versammlungen, Sektionssitzungen, Andachten und Pontifikalämtern mit Predigten. Den ersten Fachvortrag mit dem Thema „Die h[eilige] Eucharistie als Geheimnis des Glaubens“ hielt der Bonner Theologieprofessor Gerhard Esser (1860–1923). In dem Satz aus 1 Kor 10,16, „Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist die Gemeinschaft des Blutes des Herrn, und das Brot, das wir brechen, ist die Gemeinschaft des Leibes des Herrn“, liege das große Vermächtnis Gottes an seine Kirche, das Geheimnis des Glaubens, so Esser. Dieses Geheimnis zu leugnen, überschreite die Grenzen der Vernunft, „wenn sie der göttlichen Weisheit von ihr frei entworfenen, nur empirisch gegebenen und keineswegs absolut notwendigen Gesetze der Körperwelt entgegenhalten wollte“. „Was wäre auch ein Gott“, fragte Esser weiter, „dessen Tiefen die menschliche Vernunft ausdenken könnte, was wäre ein Gott, der in der Schöpfung sich erschöpft hätte. Welche Unvernunft ist es, den Unendlichen mit dem Maßstabe des Endlichen messen zu wollen?“ In der Eucharistie sei das Geheimnis der Trinität sowie der Menschwerdung und der Tod Christi erfasst. Postulate der naturalistischen Weltanschauung seien mit ihrer protestantischen, der sogenannten kritischen Theologie, „in die Zwangslage versetzt, einen anderen Jesus zu ersinnen, als er in den Evangelien“ stehe. Von dieser Theologie hätten auch die „Modernisten“ Gebrauch gemacht. Die Einsetzungsworte „Das ist mein Leib, das ist mein Blut“ könnten nach allen Regeln der Logik und Grammatik keinen anderen Sinn haben, als dass sie Jesus „wahrhaft und wirklich gegenwärtig machen und die Substanz des Brotes und Weines umwandeln in sein heiliges Fleisch und Blut“.
Den Abschluss des ersten Kongresstages bildete die Abendandacht im Dom, in der der Trierer Bischof Michael Felix Korum über das Leben der ersten Christen und das Brotbrechen (Apg 2, 42) predigte.
Mit der wissenschaftlichen Abhandlung „Der latreutische Kult in der h[eiligen] Eucharistie in seiner historischen Entwicklung und liturgischen Entfaltung“ wurde der Kongress am 5. August mit der „Ersten geschlossenen Versammlung“ im großen Saal des Gürzenichs fortgesetzt. Dem folgten inhaltlich Referate über die Verehrung des allerheiligsten Sakramentes in Köln, den täglichen Besuch des allerheiligsten Sakramentes, die öftere hl. Kommunion, die hl. Eucharistie und die Schuljugend und die erste hl. Kommunion und die regelmäßige Kommunion der Schuljugend verschiedener Redner, in welchen die Bedeutung und die Ausgestaltung der heiligen Eucharistie im Leben der Gläubigen bekräftigt wurden. Parallel zu der geschlossenen Versammlung fanden Sektionssitzungen für Priester in der Kirche St. Maria Himmelfahrt, für die Jugendseelsorge im Saale der „Bürgergesellschaft“ und für Damen im Festsaale des „Fränkischen Hofes“ statt. Am Nachmittag eröffnete Bischof Heylen im Dom die „Zweite öffentliche Versammlung“, in der er die Kardinäle Vannutelli, Fischer und Kopp, der mittlerweile eingetroffen war, begrüßen konnte. Einleitend sprach Albert Meyenberg (1861–1934) über die hl. Eucharistie und die Einheit der Kirche, dem die Vorträge über die sozialen Segnungen des allerheiligsten Sakramentes, die hl. Eucharistie im Organismus der Sakramente, die Eucharistie als Opfer und die hl. Eucharistie und die christliche Vollkommenheit folgten.
Albert Meyenberg (1861-1934), Professor für Pastoraltheologie und Schriftleiter der „Schweizer Kirchenzeitung“, der aus Luzern gekommen war, hielt seine „Pilgerreise“ nach Köln in der Schrift „Ferien-Bilder. Mosaiken von einer Reise zum Eucharistischen Kongreß in Köln“ fest. Darin schildert er nachhaltig seine Eindrücke von dem Kongress, der für ihn schon auf den Schiffen, die den Kardinallegaten von Mainz nach Köln führten, ansetzte. Er berichtet von den Huldigungen, die die Bevölkerung auf beiden Seiten des Rheins dem Vertreter des Papstes entgegenbrachten, dem Empfang in Köln, dem Kongress selbst, den er zu einem „beispiellos schönen, lebendigen Glaubensbekenntnisse der deutschen Katholiken in einem grossartigen internationalen Rahmen“ stilisierte, und der großen Prozession am Schlusstag („Mit dem Goldlicht der Sonne durchwirkt Gebet und Gesang das heilige Köln. Die Grossstadt betet“). Resümierend kommt er zu dem Ergebnis, die Kölner Woche habe „eine wissenschaftliche, eine im engeren Sinne pastorale und eine sakramental-aszetische Seite“ offenbar werden lassen.
Den Tag beschloss die Abendandacht im Dom mit einer Predigt des Rottenburger Bischofs Paul Wilhelm von Keppler (1852–1926).
Mit der „Zweiten geschlossenen Versammlung“, die wegen des großen Zulaufs zweigeteilt im Gürzenich und in der Kirche St. Maria Himmelfahrt stattfand, und dem Referat „Kommunionandenken“ begann der dritte Tag des Kongresses. Der Referent hob die Bedeutung von Andenken in Form eines religiösen Bildes anlässlich der ersten heiligen Kommunion für die Frömmigkeit der Kinder hervor. Der Theologieprofessor Prinz Maximilian von Sachsen (1870–1951) sprach anschließend über die eucharistische Lehre des hl. Kirchenlehrers Cyrillus von Jerusalem (um 313–386). Es folgten Vorträge über Sakramentslieder, die eucharistische Volksliteratur und die aus den mittelalterlichen Zünften hervorgegangenen Sakramentsbruderschaften. In der Kirche St. Maria Himmelfahrt dozierten verschiedene Referenten über Männerkommunion und ihre Förderung durch Arbeiter- und Knappenvereine sowie durch Kongregationen, Arbeitervereine und ihre Beziehung zur hl. Eucharistie und den katholischen Gesellenverein („eine Schule praktischer Religiosität“). Am Nachmittag des gleichen Tages gab es Sektionssitzungen für Priester, ebenfalls in der Kirche St. Maria Himmelfahrt, und für Jugendseelsorge, im Weißen Saale der „Bürgergesellschaft“. Zur „Dritten öffentlichen Versammlung“, auch am 6.8.1909, unter Leitung des Vorsitzenden, Bischof Heylen, „drängten gewaltige Scharen sich wieder zum hohen Dome, der die Menge kaum zu fassen vermochte“. Zu Beginn wurden verschiedene Telegramme verlesen, auch das des deutschen Kaisers:
„S[eine]r Eminenz Kardinal Fischer, Cöln a[m] Rh[ein]
Swinemünde, 6. Aug. 1909.
S[ein]e Majestät, der Kaiser und König lassen Ew[er] Eminenz und dem H[er]rn Kardinal Vannutelli für die übermittelte Huldigung der zum Internationalen Eucharistischen Kongreß in Cöln versammelten deutschen und auswärtigen Katholiken bestens danken und ersuchen Eure Eminenz, den Teilnehmern Allerhöchst Ihren Gruß und die besten Wünsche für gedeihliche Arbeit zum Ausdruck zu bringen.
Auf allerhöchsten Befehl
der Geh[eime] Kabinettsrat in Vertretung v[on] Strempel“.
Sodann referierten diverse Redner über die soziale Bedeutung der hl. Eucharistie, Eucharistie und Caritas, Eucharistie und Kunst wie auch Eucharistie und Glaubensbekenntnis. Das Schlusswort sprach Kardinal Vannutelli. Er dankte allen bisherigen Rednern und den Organisatoren des Kongresses, insbesondere Kardinal Fischer, „der durch seine umsichtige Tätigkeit und seine Mühewaltung gleichsam die Seele des ganzen Unternehmens gewesen“ sei. Der Eucharistische Kongress in Köln, so Vannutelli, stehe in keiner Hinsicht hinter den 19 früheren Tagungen zurück. Er werde dem Papste berichten, „daß man bei der Cölner Tagung weise und rastlos gearbeitet“ habe. Schon jetzt freue er sich darauf, „daß wir übermorgen die h[eilige] Hostie durch die Straßen dieser Stadt tragen“. Den Tag beschloss eine Abendandacht im Dom mit der Predigt des Freiburger Weihbischofs Friedrich Justus Knecht (1839–1921) und dem vierstimmigen „Tantum ergo“ von Michael Haller.
Die „Dritte geschlossene Versammlung“ im Gürzenich und wieder in der Kirche Maria Himmelfahrt eröffnete am 7. August den vierten Tag des Kongresses. Die Teilnehmer hörten Vorträge über die praktische Anleitung, die hl. Messe zu hören, die Hebung des Besuches der Werktagsmesse, den Choral in der hl. Messe, „gemeinsam vom Volke gesungen“, die eucharistischen Prozessionen, den Volksgesang bei der stillen hl. Messe“, die hl. Eucharistie in den bildenden Künsten aller Jahrhunderte und die Erzbruderschaft von der hl. Sühnungsmesse.
Zwischen den Versammlungen und den Sektionssitzungen fand in der Regel ein gemeinsames Mittagessen in der „Bürgergesellschaft“ statt, das von bis zu 1.800 Personen, am Sonntag auch von den Kardinälen, besucht wurde. Am Samstag, dem 7. August, wurden auch die Kölner Schulkinder in den Kongress eingebunden. Für sie gab es eine Andacht im Dom, in der Weihbischof Knecht aus Freiburg predigte. Während des gesamten Kongresses fanden neben den deutschsprachigen ebenfalls fremdsprachige Sitzungen, in Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Niederländisch und Polnisch, statt.
5. Die Schlussprozession
Schlusstag des 20. Internationalen Eucharistischen Kongresses war Sonntag, der 8. August. Er sollte „zum höchsten Fronleichnamsfest, zum eucharistischen Jubeltag“ werden. Der Tag begann um 9 Uhr mit einem Pontifikalamt, das von Kardinallegat Vannutelli in Anwesenheit der Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte und sämtlicher Geistlicher, außerdem des Oberpräsidenten der Rheinprovinz, Clemens von Schorlemer–Lieser, und des Kölner Oberbürgermeisters Wallraf zelebriert wurde. Die Bürger der Stadt Köln hatten dem Wunsch Kardinal Fischers entsprochen und die Straßen, über die die abschließende Prozession ziehen sollte, festlich geschmückt, insbesondere den Domplatz, die Gereonstraße, in der Kardinal Vannutelli im Erzbischöflichen Palais wohnte, und den Neumarkt, wo der Schlusssegen erteilt werden sollte. Die Prozession, an der über 40.000 Personen teilnahmen (Albert Meyenberg spricht in seinen „Ferien-Bildern“ von 60-70.000), zog um 14.30 Uhr aus dem Dom und nahm folgenden Weg: vom Dom zum Andreaskloster, An den Dominikanern, Unter Sachsenhausen, Gereonstraße, Gereonsdriesch, Hohenzollernring, Habsburgerring, Hohenstaufenring, Jahnstraße, Humboldtstraße, Arndtstraße, Mauritiuskirchplatz, Mauritiussteinweg, Im Laach, Neumarkt, Schildergasse, Krebsgasse, Neue Langgasse, Breitestraße, Drususgasse, Wallrafplatz, Domhof, Domkloster, zum Westportal des Domes. Die Teilnehmer waren ermahnt und ausdrücklich darauf hingewiesen worden, es handele sich nicht um einen weltlichen Umzug, sondern um eine eucharistische Prozession, während der man sich angemessen zu verhalten habe. Der Prozession voran gingen die Ministranten mit dem Kreuz. Ihnen folgten in 35 Abteilungen die männlichen Jugendvereine, die Gesellenvereine, die Arbeiter- und Knappenvereine, die Männervereinigungen, die kaufmännischen Vereinigungen, die Teilnehmer aus der Erz- und den sonstigen Diözesen, die Teilnehmer aus fremdsprachlichen Gebieten, die Kölner Innungen, die katholischen Lehrervereine, die Studentenkorporationen, die weiblichen Orden, die männlichen Orden, der Ordensklerus, der Weltklerus, der Domchor, die Geistlichen des Generalvikariates, das Metropolitankapitel, die Äbte, Bischöfe und Erzbischöfe, das Sanctissimum mit Kardinal Vannutelli, die Kardinäle, die Vertreter der Stadt Köln, Reichs- und Landtagsabgeordnete, Kanzler und Dombaumeister des Erzbistums, der ritterbürtige Adel, das permanente und das Lokalkomitee sowie die Kirchenchöre von St. Ursula und St. Maria in der Kupfergasse. Bemerkenswert und aus heutiger Sicht befremdlich, dass Kardinal Fischer es wegen des großen Andrangs als nicht möglich ansah, abgesehen von den weiblichen Orden, Frauen an der Prozession teilnehmen zu lassen.
Die liberale „Kölnische Zeitung“ gab eine eindrucksvolle Schilderung der Prozession:
„Höhepunkt und Ausklang des Eucharistischen Kongresses verdichteten sich in der gestrigen sakramentalen Prozession zu einer Kundgebung des katholischen Glaubens, wie sie zu sehen in solchem äußeren Glanze, solcher farbigen Pracht und imposanten Wucht der Beteiligung nur verhältnismäßig wenig Sterblichen bei kirchlichen Aufzügen in St. Peter in Rom vergönnt ist. Ein solches prunkvolles Seitenstück zu inszenieren konnte nur dem ‚deutschen Rom’ vorbehalten sein, der Hochburg des deutschen Katholizismus, und es konnte nur gelingen, wenn, wie es geschehen, die Bevölkerung selbst durch aktive Anteilnahme dem Bilde Rundung und Rahmen gab. Ganz besonders in den Prozessionsstraßen. Da wehten von den Häusern die Flaggen aller Nationalitäten, Tannengrün zog sich von Fenster zu Fenster, von einer Straßenseite hin zur andern, kleine Altäre waren auf buntfarbigen Teppichen errichtet, vor dem erzbischöflichen Palais entquollen von hohen Säulen papierene Rosen als Blumenfanale, in dunkles Palmengrün gebettet erhob sich die Mariensäule bei St. Gereon, auf den Ringstraßen waren die Kandelaber der elektrischen Bahnen sogar von grünem Tannengewinde umkleidet und die Bäume durch Girlanden verbunden: eine via triumphalis von gewaltigem Eindruck auf die Hunderttausende von Fremden, die gestern nach Köln gekommen waren, und der erhöht wurde durch prunkvolle Altäre an mehrern Kreuzungspunkten der Stadt, insbesondere durch den wunderbar ausgestatteten Riesenaltar auf der Südseite des Neumarktes. Eine unübersehbare Menschenflut durchwogte die Straßen; Fenster, Balkone und Dächer waren dicht besetzt. Es war eine gewaltige Heerschau, die der Katholizismus abhalten konnte und die besonders in ihrem zweiten Teile, der die hohe und niedere Geistlichkeit sowie die religiösen Orden umfaßte, auch auf Andersgläubige einen tiefen Eindruck hinterlassen mußte. Das erste große Erstaunen gilt der Massenwirkung, die um so eindringlicher ist, als sich, sobald man die Prozession von einem festen Standort aus betrachtet, eine Menschenwoge nach der andern aus dem Hintergrunde ablöst und Tausende über Tausende vorüberziehen, aus Köln und Umgebung zunächst die männlichen Jugendvereine, dann die Gesellen-, die Arbeiter- und Knappenvereine aus ganz Rheinland, die Männervereinigungen aus den Kölner Dekanaten und aus der weitern Erzdiözese, die kaufmännischen Vereine und Teilnehmer aus andern deutschen Diözesen. Soweit war das Bild verhältnismäßig einförmig, und nur die endlose Zahl der wehenden Fahnen gab Kunde von der Verschiedenheit der Tausende, die in endlosem Zuge bei glühendem Sonnenbrande vorüberwallten. Das Bild wurde farbenreicher, als die Bergknappen aus dem Ruhrrevier in ihren Kostümen aufzogen, mit Federhut und Pallasch oder in eigenartig geformten Mützen. Hinter ihnen folgten die Ausländer, häufig schon ohne weiteres kenntlich durch charakteristische Äußerlichkeiten. Am stärksten waren die Polen und die Holländer mit ihrer Geistlichkeit vertreten, auch England, Spanien, Italien, Irland und Frankreich hatten Teilnehmer entsandt, und auffällig hoben sich insbesondere die belgischen Fahnen von den übrigen ab, langes dünnseidenes Tuch, das in Art und Farbe an japanische Flaggen erinnerte. Hinter den Abordnungen der Kölner Innungen und den katholischen Lehrervereinen begann ein festlicher Aufzug, wie ihn Köln noch nie zuvor, der Eucharistische Kongreß wohl selten gesehen haben mag. Wem es gelungen ist, Augenzeuge dieses für jeden außerordentlich interessanten und reizvollen Bildes zu sein, wird eine wertvolle Erinnerung für sein ganzes Leben gewonnen haben. In vollem Wichs marschierten die katholischen Studentenkorporationen auf, ausländische Studierende, deutsche katholische Studentenkorporationen mit ihren Chargierten und die Bonner Theologische Vereinigung. In ihren verschiedenen, wenn auch einfachen und unauffälligen Trachten schlossen sich der lebenbejahenden akademischen Jugend die lebenverneinenden Orden an, zuerst die weiblichen Orden, dann die kölnischen und auswärtigen Brudergenossenschaften. Mehr und mehr steigerte sich nun der festlich hohe Eindruck, als der Ordens- und Weltklerus in Ordenstracht oder Chorkleidung vorüberzog, der Kölner Pfarrklerus in golddurchwirkten Pluviale oder in Chormantel, mit den Ministranten, dem Kreuz und der Vertretung des Kirchenvorstandes, dahinter die Ehrenkapläne, Ehrenkämmerer, Geheimkämmerer, Professoren der theologischen Lehranstalten, das Aachener Stiftskapitel, päpstliche Hausprälaten, das Metropolitankapitel, die infulierten Prälaten und Protonotare in Pluviale, Chormantel und Mitra. Die gesamte hohe Geistlichkeit war begleitet von einer Ehrengarde. Im würdevollen Schritt, den goldenen Krummstab in der Hand, in reichen kostbaren Prachtgewändern nahten Äbte, Bischöfe und Erzbischöfe. Gerade dieses Bild ist unvergeßlich. Unter den 14 Äbten, 17 apostolischen Vikaren und Titularerzbischöfen, 40 Bischöfen und vier Erzbischöfen sah man Männer fast jeden Alters, hohe jugendliche Gestalten, denen der goldene Stab ein Feldherrenzeichen war, weißhaarige Greise, die in der Sonnenglut sich müde an den Krummstab lehnten. So weit man sah, nichts als Mitren, leuchtende Krummstäbe und goldstrotzende Gewänder, dann die Kardinäle in cappa magna, vor ihnen das von Maltheserrittern begleitete Sanktissimum. Der päpstliche Legat Vannutelli, mit den Kammerherrn [August] Graf Galen [1866–1912] und [Clemens Heidenreich Franz] Graf Droste-Vischering [1832–1923], ernst, aber freundlich, mit dem Sanktissimum in den Händen, hinter ihm die Kardinäle Fischer, Ferrari und Mercier. Nur die starke innere Kraft des Glaubens kann es vermocht haben, diese durchweg schon im Greisenalter stehenden Herren, beladen und niedergedrückt von ihren schweren Gewändern, den stundenlangen Weg in der glühendsten Sonnenhitze durch enge menschengefüllte Straßen zu überwinden. Katholische Mitglieder der Verwaltung und Vertretung der Stadt Köln, Reichs- und Landtagsabgeordnete, Kammerherren, ritterbürtiger deutscher und ausländischer Adel usw. machten den glänzenden Schluß. Vor dem Riesenaltar auf dem Neumarkt, von wo an tausend Sänger der Kölner Kirchenchöre eine weihevolle Hymne des Domkapellmeisters Monsignore [Karl] Cohen [1851–1938] anstimmten, spendete der greise Kardinallegat den Segen. Und weiter wogte die Prozession zum erhabenen Mittelpunkt des Ganzen, dem gewaltigen Dom.
Am Sonntag vormittag fand im Dom, dessen Chor in feenhafter Beleuchtung erstrahlte, ein feierliches Pontifikalamt statt, das der Kardinallegat Vannutelli zelebrierte und dem auch die hier zurzeit weilenden Kirchenfürsten beiwohnten. In den Reihen der Vertreter der Spitzen der Behörden bemerkte man in erster Linie den Oberpräsidenten der Rheinprovinz, [Clemens] Fr[ei]h[er]r v[on] Schorlemer, der nach dem Pontifikalamte dem Kardinallegaten im Erzbischöflichen Palais einen Besuch abstattete.
Von dem Verkehr kann man sich kaum eine Vorstellung machen. Auf dem Hauptbahnhof haben gestern nicht weniger als 550 Züge verkehrt, vierzig Sonderzüge für den allgemeinen Verkehr, sechzig geschlossene Sonderzüge, die auf provisorische Bahnhöfe [neben dem überlasteten Hauptbahnhof wurden die Züge auf den Bahnhöfen Köln-Gereon, Köln-Ehrenfeld, Köln-Nippes und Köln-Deutz abgefertigt] geleitet wurden. Es ist wohl nicht überschätzt, wenn man den Fremdenbesuch am gestrigen Tage auf eine halbe Million beziffert. Ein umfassender Sanitärsdienst und Hilfswachen in der Stadt waren eingerichtet worden, die in fast fünfhundert Fällen bei Ohnmachten und leichten Verletzungen in Anspruch genommen wurden. Auf dem Hauptbahnhof hatte sich der Verkehr zeitweilig derart gesteigert, daß die Bahnsteigautomaten vorübergehend geschlossen werden mußten.“
6. Das Rahmenprogramm
Als Rahmenprogramm zum Eucharistischen Kongress hatten die Organisatoren für die Dauer der Kongresstage eine Ausstellung in Köln-Deutz eingerichtet, in der neben dem Heribertusschrein („dem besterhaltenen des Mittelalters“), die Kasel und der Hirtenstab des heiligen Heribert sowie „eine stattliche Anzahl von Paramenten“ aus der ehemaligen Deutzer Benediktinerabtei zu sehen waren.
Eine weitere Attraktion bot am 5. August den Kongressgästen – natürlich auch allen Kölnern – die Ankunft des Zeppelin-Luftschiffes Z II. Das Luftschiff war am frühen Morgen des Tages in Frankfurt gestartet und erreichte gegen 10.24 Uhr Köln, nachdem der erste Versuch am 2. August gescheitert war. Es umkreiste zwei Mal in einer Höhe von ungefähr 120 Metern unter Glockengeläute den Dom, um dann im Reichsluftschiffhafen am Butzweiler Hof in Köln-Bickendorf um 11.35 Uhr zu landen. Dort standen Offiziere und 110 Mann des 7. Pionierbataillons bereit, um bei der Landung zu helfen. Für tausende Zuschauer ein unbeschreibliches Ereignis. Ein so großes Flugobjekt mit einer Länge von 136 Metern hatte noch niemand vorher in Köln gesehen. Von Straßen und Plätzen, dem Rheinufer und den Brücken, von Bäumen und sogar von den Dächern ihrer Häuser verfolgen die Menschenmassen die Bewegungen des Luftkreuzers. Die Kölner Schulen waren an diesem Tag zum größten Teil geschlossen, die Kinder hatten schulfrei. Am Butzweiler Hof begrüßten der Kölner Militärgouverneur, General Kurt von Sperling (1850–1914) und Oberbürgermeister Wallraf den damals berühmten Luftschiffkonstrukteur und General der Kavallerie, Ferdinand Graf von Zeppelin (1838–1917), der das Luftschiff nach Köln gesteuert hatte.
Trotz des zu erwartenden großen Besucherandrangs am Schlusstag des Eucharistischen Kongresses richtete der „Kölner Rennverein 1897 e. V.“ am gleichen Tag das „Kölner Sommer-Meeting“ auf der Pferderennbahn im Weidenpescher Park aus. „Unbeschadet der gewaltigen Anziehungskraft, die die Festlichkeit des Eucharistischen Kongresses auf alle Kreise der Bevölkerung ausgeübt hat, war der Besuch am Haupttage [8. August] der Kölner Sommer-Rennen überraschend gut“, schrieb die „Kölnische Volkszeitung“. Hauptattraktion dabei war das mit einem Ehrenpreis ausgestattete Kronprinzessin-Cecilie-Rennen (benannt nach Kronprinzessin Cecilie [1886–1954], der Ehefrau des Kronprinzen Wilhelm von Preußen [1882–1951]).
7. Schluss
Am 11.8.1909 bedankte sich Kardinal Fischer, auch im Namen des Kardinallegaten Vannutelli, der am folgenden Tag aus Köln abreiste, öffentlich bei allen, die zum Gelingen des Eucharistischen Kongresses beigetragen hatten, vornehmlich bei den Mitgliedern des Lokalkomitees, den städtischen Behörden und den Ordnungskräften. Der Vorsitzende des Lokalkomitees, Generalvikar Kreutzwald schloss sich mit einem Dank an das Kölner Metropolitankapitel, insbesondere für die „aufgewendeten erheblichen Mittel“ an. Papst Pius X. sandte am 22.8.1909 ein Breve an Fischer, in dem er ihn und die Kölner Bevölkerung „über den glücklich verlaufenen Eucharistischen Kongress“ beglückwünschte. Ihn habe mit Bewunderung erfüllt, wie viel Tatkraft, Eifer und Umsicht Fischer „auf die Hebung und Förderung des Eucharistischen Kongresses verwendet“ habe. Welche Bedeutsamkeit die Tage des Kongresses für Kardinal Fischer selbst hatten, ergibt sich aus dem Satz, den er in einem seiner Briefe äußerte: „Es wird mir noch auf dem Sterbebett ein Trost und eine Freude sein, daß ich dazu beitragen durfte, dem Heiland diesen Triumph zu bereiten“.
Quellen
Zwanzigster Internationaler Eucharistischer Kongress in Cöln vom 4. bis 8. August 1909. Amtlicher Bericht, hg. im Auftrage des Lokal-Komitees, Cöln 1909.
Zwanzigster Internationaler Eucharistischer Kongress. Cöln vom 4. bis 8. August 1909. Leitsätze der Referate, die in den deutschen Versammlungen des Kongresses gehalten wurden, Cöln 1909.
Kölnische Volkszeitung vom 31.7.–9.8.1909.
Kölnische Zeitung vom 9.8.1909.
Literatur
Meyenberg, A[lbert], Ferienbilder. Mosaiken von einer Reise zum Eucharistischen Kongreß in Köln, Luzern 1910.
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Spiertz, Willi, Der 20. Internationale Eucharistische Kongress vom 4.-8.8.1909 in Köln, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/der-20.-internationale-eucharistische-kongress-vom-4.-8.8.1909-in-koeln/DE-2086/lido/57d1300480b240.56504531 (abgerufen am 19.08.2024)