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1. Die Vorläufer: Das Funkhaus Dagobertstraße 38 und das nicht realisierte Funkhaus Decksteiner Weiher (1927-1950/52)
Im Herbst 1926 wurde der Geschäftssitz des Westdeutschen Rundfunks – 1924 in Münster als „Westdeutsche Funkstunde AG“ gegründet – nach Köln verlegt. Hier eröffnete der Sender unter dem Firmennamen „Westdeutscher Rundfunk AG“ (WERAG) am 15.1.1927 sein Programm. Zum Künstlerischen Leiter war im Juli 1926 der Dramatiker und Theaterintendant Ernst Hardt berufen worden. Dem neuen Intendanten wurden Räumlichkeiten im Städtischen Verkehrsamt Unter Fettenhennen in der Nähe des Domes zugewiesen. Hier begann Hardt mit Planungen zum Programm- und Personalaufbau. Als zukünftiges Funkhaus übernahm die Stadt Köln ein Gebäude von der insolventen Schlosserinnung, das sich in der Altstadt-Nord, Dagobertstraße 38 / Ecke Unter Krahnenbäumen befand. Der vierstöckige Bau mit dem charakteristischen Treppengiebel wurde für den Produktions- und Sendebetrieb umgebaut, aus dem Festsaal der Innung wurde der Große Sendesaal.
Da es sich um eine umgebaute Bestandsimmobilie handelte und die rasant steigende Zahl an Hörerinnen und Hörern eine stetige Ausweitung von Redaktionen und Produktion erforderte, war und blieb das Funkhaus Dagobertstraße ein Provisorium. Die Veranstaltung öffentlicher Konzerte war nicht möglich, da die Empore im Großen Sendesaal lediglich Platz für knapp 20 Personen bot. Außerdem fehlte es an ausreichenden Proberäumen für die WERAG-eigenen Ensembles; auch waren die akustischen Verhältnisse in dem dicht bebauten Viertel ungünstig. 1930 attestierte der Reichssparkommissar, der Einsparpotenziale bei den Rundfunksendegesellschaften untersuchte, der WERAG „sehr ungünstige allgemeine Raumverhältnisse.“[1] 1929 wurden die ersten beiden bereits als Funkhäuser konzipierten Gebäude in München von Richard Riemerschmid (1868-1957) und in Berlin von Hans Poelzig (1869-1936) gebaut.
Um 1930 trug sich Intendant Hardt mit dem Projekt eines Funkhausbaus. Gedacht war an eine ruhige Lage im äußeren Grüngürtel im Westen der Stadt Köln. Das Funkhaus sollte nicht nur dem neuesten technischen Standard entsprechen, sondern zudem großzügig dimensioniert und leicht erweiterbar sein. Die Pläne zu einem Neubau wurden jedoch aufgrund der wirtschaftlichen Notlage von der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft vor der beabsichtigten Ausschreibung eines Architektenwettbewerbs im Februar 1933 auf Eis gelegt. Das Funkhaus Dagobertstraße blieb weiter in Betrieb.
Mitte der 1930er Jahre wurden die Pläne für den Bau eines Funkhauses für den gleichgeschalteten „Reichssender Köln“ wieder aufgenommen. Am 7.5.1937 informierte Heinrich Glasmeier über Verhandlungen mit der Stadt Köln über ein Grundstück am Decksteiner Weiher, die kurz vor dem Abschluss standen. Glasmeier, Intendant des Kölner Senders 1933-1937, war kurz zuvor in die neu geschaffene Position einen Reichsrundfunkintendanten berufen worden. Das 75.000 Quadratmeter große Grundstück am Decksteiner Weiher im äußeren Grüngürtel wurde von der Stadt Köln zu günstigen Konditionen angeboten. Im Mai 1938 stimmte der Verwaltungsrat der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft dem Grundstückskauf zu, im Juni 1938 gab das Reichspropagandaministerium Grünes Licht.
Im Februar 1939 wurde ein Architektenwettbewerb für das Funkhaus Decksteiner Weiher ausgeschrieben. Den Ersten Preis erhielt der Kölner Architekt Josef Op Gen Oorth (1895-1973), Zweite Preise gingen an Johannes (Hans) Mehrtens (1892-1976), Aachen, sowie an Friedrich (Fritz) Becker (1882-1973), Düsseldorf. Der Entwurf Op Gen Oorths zu einem Kölner Funkhaus als „Bollwerk des Westens“ wurde 1940 in der Zeitschrift „Bauwelt“ publiziert. Er zeigt eine weitläufige vierflügelige, axialsymmetrische Anlage mit vorspringenden Ecktürmen und drei Innenhöfen. Öffentlich zugängliche Bereiche – wie der Große Sendesaal – und Verwaltungs- und Produktionsbereiche waren klar voneinander abgesetzt und verfügten über getrennte Eingänge. Die von der „Bauwelt“ festgestellten Reminiszenzen an den Schloss- und Wasserburgenbau dürften den persönlichen Vorlieben Glasmeiers, eines früheren westfälischen Adelsarchivars, entsprochen haben. Zugleich aber kritisierte die „Bauwelt“, dass die „spiegelgleiche“ Form des Baus die in der Ausschreibung geforderte leichte Erweiterbarkeit des Komplexes konterkarierte.[2]
Bis 1942 wurde an der technischen Planung zum Funkhaus Decksteiner Weiher gearbeitet. Mit der Stilllegung des Reichssenders Köln 1942 und der Verteilung technischer Ressourcen und der Rumpfbelegschaft auf andere Reichssender wurden die Planungen für ein neues Funkhaus obsolet. In der Dagobertstraße befand sich fortan nur noch eine „Besprechungsstelle“. In der Nacht vom 28. auf den 29.6.1943 wurde das Funkhaus bei Luftangriffen schwer beschädigt.
Im Sommer 1945 erlebte das Funkhaus Dagobertstraße eine Renaissance mit der sukzessiven Wiederherstellung durch die britische Besatzungsmacht. Diese gründete in ihrer Besatzungszone den „Nordwestdeutschen Rundfunk“ (NWDR) mit einer Generaldirektion in Hamburg und einer ihr unterstehenden Dependance in Köln. Am 1.9.1947 übernahm der Schauspieler und frühere Theaterintendant Hanns Hartmann die Intendanz in der Dagobertstraße. Ein Erweiterungsangebot seitens der Stadt Köln, das den chronischen Platzmangel lindern sollte, schlug Hartmann aus. Im Gegenteil formulierte er den selbstbewussten Anspruch auf einen Neubau in exponierter Lage: Am Dom oder gar nicht. Zwischen 1950 und 1952 wurde der Betrieb des NWDR Köln nach und nach von der Dagobertstraße in das neue Funkhaus Wallrafplatz verlegt. Der Giebelbau an der Dagobertstraße wurde abgerissen und machte dem Neubau der Kölner Musikhochschule Platz.
2. Das Funkhaus Wallrafplatz und sein Erweiterungsbau Margarethenkloster (1948-1954)
Im dritten Anlauf gelang schließlich der Bau eines modernen Funkhauses für den (N)WDR Köln, das heutige Stammhaus des Senders am Wallrafplatz 5-7 in zentraler Lage in unmittelbarer Nähe des Domes und fußläufig zum Hauptbahnhof. Intendant Hanns Hartmann favorisierte von Anfang an eine für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des NWDR, Honorarkräfte, Mitwirkende sowie das Publikum leicht erreichbare Innenstadtlage. Dies lief allerdings den Planungen von Rudolf Schwarz, des Generalplaners der Stadt Köln, zuwider, dem ein Kulturzentrum im Süden der Stadt vorschwebte. Hartmann vermochte es letztlich, unter Androhung der Abwanderung von Köln, seine Position durchzusetzen.
Freilich war auch an diesem Standort in der Innenstadt genau wie in der Dagobertstraße mit einem erhöhten Geräuschpegel durch Verkehr – und das Domgeläut – zu rechnen. Das Baugrundstück war ein leicht verkantetes Karree, und aufgrund des nach Kriegsende herrschenden Materialmangels sollte die Ruine des ausgebrannten Hotels Monopol, dessen Bausubstanz noch zu 25 Prozent nutzbar war, in die Planung einbezogen werden. Aus diesem Grunde erfolgte die Planung in Geschossbauweise. Die Eliminierung akustischer Störfaktoren führte zu Kostensteigerungen. Genannt seien Doppelverglasungen, die Schallisolierung des Großen Sendesaales durch eine Schubladen-ähnliche Konstruktion im Inneren des Baues, Dreifachwände sowie die – aus Gründen der Transparenz erwünschten - Glaswände im Erdgeschoss zwischen „Teestube“, Vestibül und Foyer. Mit knapp 17 Millionen DM war das Funkhaus am Ende doppelt so teuer wie geplant. Dies führte nicht nur zu Konflikten mit der NWDR-Generaldirektion, sondern auch zu Kritik in der Öffentlichkeit.
Ende 1947 wurde die Geschäftsleitung des NWDR Köln auf ein Grundstück am Wallrafplatz / Ecke Unter Fettenhennen / An der Rechtschule aufmerksam, das Hartmanns Vorstellungen entsprach.
Am 22.1.1948 wurde der Vorvertrag mit den Eigentümern abgeschlossen, am 8. April folgte die Auftragsvergabe an den Architekten, noch am selben Tag begann die Enttrümmerung des Grundstücks. Das Richtfest auf der ersten Kölner Großbaustelle nach Kriegsende wurde im Februar 1949 begangen. Am 8.10.1951 wurde der Große Sendesaal (heute Klaus-von-Bismarck-Saal) mit einem Konzert des Kölner Rundfunksinfonieorchesters unter der Leitung von Igor Strawinsky (1882-1971) in Betrieb genommen. Die offizielle Einweihung folgte am 21.6.1952 mit einem Festakt in Anwesenheit des Bundespräsidenten Theodor Heuss (1884-1963), des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Karl Arnold, sowie des Generaldirektors des NWDR, Adolf Grimme (1889-1963).
Die Startbedingungen waren gut, wie es sich in Hartmanns Diktum widerspiegelt: Wem hier nichts einfällt, dem ist nicht zu helfen. Mit 16.000 Quadratmeter Fläche, 130 Büros, diversen Studios, neuester Hörfunktechnik, einem Schallarchiv, einem Großen Sendesaal mit 800 und einem Kleinen Sendesaal mit 200 Plätzen war das Funkhaus Wallrafplatz bei seiner Eröffnung eines der modernsten Funkhäuser Europas.
1987 begann die 80 Millionen DM teure umfassende Sanierung, am 10.5.1991 konnte der Große Sendesaal wiedereröffnet werden. 1996 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt.
Den Auftrag zum Neubau des Funkhauses am Wallrafplatz im Jahre 1948 erhielt der 1901 in Essen geborene Architekt Peter Friedrich Schneider (1901-1981). Dieser hatte nach dem Besuch der Oberrealschule 1915-1918 eine dreijährige Lehre zum Maurer bei Krupp und 1919-1922 ein Studium an der Baugewerkschule in Essen absolviert. 1925 studierte er an der Meisterschule des Architekten Peter Behrens (1868-1940) an der Akademie der Bildenden Künste in Wien und trat danach in das Baubüro von Edmund Körner (1874-1940) in Essen ein. Hier war Schneider an der Realisation des Museums Folkwang beteiligt und ab 1930/31 als Oberbauleiter Körners beim Bau der Ford-Werke in Köln. Mit Behrens und Körner sind wichtige Einflüsse auf Schneiders Vorstellung von Architektur benannt. Schneider teilte mit ihnen die Vorstellung des Primats des Künstlerischen in der Architektur vor dem reinen Funktionalismus avantgardistischer Strömungen. Unter dem Dach der Architektur wurde die Schaffung eines Gesamtkunstwerks angestrebt. Schneider verlieh seiner Verehrung von Peter Behrens Ausdruck, indem er seit Ende der 1920er Jahre dessen Vornamen dem seinem hinzufügte.
Das Funkhaus Wallrafplatz mit seinen diversen Erweiterungsbauten sollte die zentrale Rolle in Schneiders Oeuvre einnehmen. Abgesehen vom Industriebau entwarf er Wohnhäuser sowie Hallen- und Kombibäder - unter anderem in Essen und Krefeld - und machte sich als Möbeldesigner einen Namen. Schneider starb am 14.12.1981 in Bad Wörishofen.
Die Schneider in Köln mit dem Funkhausbau gestellte Aufgabe war allein schon aus den eben genannten Gründen „außergewöhnlich schwierig“.[3] Hinzu kamen die verschiedenen Nutzungsarten, die im Funkhaus vereinigt, aber voneinander getrennt werden mussten: der für das Publikum zugängliche Bereich im Erdgeschoss mit dem Eingangsbereich, dem Foyer, der „Teestube“ und den beiden Sendesälen - und die Bereiche für Verwaltung und Redaktionen sowie den Produktionsbetrieb auf der anderen Seite. Aus diesem Grunde musste der Wunsch des Bauherrn nach Transparenz eines Medienbetriebs in einer demokratischen Grundordnung, architektonisch manifestiert in den Fensterbänden des Erdgeschosses und den gläsernen Trennwänden zwischen den öffentlichen Bereichen, mit der Notwendigkeit der Abschottung der Produktion verbunden werden. Alles in allem also eine schwierige Planungsprämisse auf einem Trümmergrundstück mit der Einbeziehung des teilweise aufgehenden Mauerwerks der Hotelruine, auf dem zudem möglichst schnell gebaut werden sollte.
Schneiders Entwurf sah eine vierflügele, flachgedeckte Anlage mit fünf bis sechs Geschossen und einem Staffelgeschoss vor. Sie gruppiert sich um einen Innenhof und umfasst Teile des „Altbaus“ mit der Hotelruine und zwei unmittelbar nördlich und einheitlich durch Travertin verblendet, die Begrenzung von „Altbau“ und „Neubau“ jedoch von außen anhand trennender hoher Mauerbänder wahrnehmbar und folgt dem Prinzip des „Goldenen Schnitts“. Peter Behrens‘ Vorstellung eines Dreiklangs von Rhythmus, Harmonie und Symmetrie ist in Schneiders Bau idealtypisch realisiert. Nach Ute Reuschenberg verleiht dieser Dreiklang „dem Ganzen bei aller Sachlichkeit eine gewisse Eleganz.“[4]
Kunst war für den Architekten Schneider unverzichtbarer Bestandteil des Gebäudes. Von dem Bildhauer Ludwig Gies (1887-1966) stammen die beiden, an Notenköpfe erinnernde Reliefs am Haupteingang, das Harfenrelief an der Zufahrt zur Privatstraße / An der Rechtschule, ein großflächiges, abstraktes Relief an der Fassade des Erweiterungsbaus am Margarethenkloster sowie ein (verschollener) Vorhang für die Bühne des Großen Sendesaales. Auch das ornamentale Schnitzwerk an den Wänden des Großen Sendesaales entstand nach Entwürfen von Gies.
Joseph Enseling (1886-1957) schuf drei – heute nicht mehr in situ befindliche – Bronzemasken dreier Rundfunkpioniere am Hochparterre des Haupttreppenhauses. Der Kölner Grafiker und Plakatkünstler Anton Wolff (1911-1980) wurde mit Wandfresken für die „Künstlerkantine“ im Hochkeller sowie der „Teestube“ (heute Café im Funkhaus) beauftragt. Von Georg Meistermann (1911-1990) stammt ein Treppenhausfenster über mehrere Stockwerke im Erweiterungsbau Margarethenkloster sowie ein Fenster in einem Sitzungssaal. Seinen Ruf als Glaskünstler begründete jedoch das Monumentalfenster im Haupttreppenhaus des Funkhauses, das sich über mehrere Stockwerke erstreckt. Das sechs Meter breite und mehr als 13 Meter hohe abstrakte Buntglasfenster erschließt sich in seiner Gesamtheit erst beim Begehen des gesamten Treppenhauses.
Schneider selbst entwickelte ein abgestuftes Lichtkonzept für das Haus und ein Farbkonzept, das auf die Verwendung von beruhigendem gedecktem Grün und Braun sowie anregendem Gelb setzte. Darüber hinaus entwarf er Beleuchtungskörper und Mobiliar für das Funkhaus und profilierte sich damit auch als Möbeldesigner. Er entwarf Stehlampen, Glaspendelleuchten und sogenannte „Tütenleuchten“ aus gelochtem Messingblech als Wandleuchten, außerdem Schwingsessel, Stahlrohrstühle sowie stapelbare Stühle für die Dachterrasse, die mit farbigen Schnüren aus Kunststoff bespannt waren. Die von der Firma Bremshey produzierten „Spaghettistühle“ wurden zum Verkaufsschlager.
Bei den Planungen im Jahre 1948 schien der Neubau großzügig dimensioniert zu sein, selbst wenn man die Bestrebungen zur Loslösung von der NWDR-Generaldirektion in Hamburg, der Gründung einer selbstständigen Landesrundfunkanstalt für Nordrhein-Westfalen, dem WDR, und damit die Produktion eines ganztägigen Hörfunkprogramms in Rechnung stellte. Diese Überlegungen wurden allerdings durch die rasante technische Entwicklung in nur wenigen Jahren hinfällig. Bereits im Mai 1952 titelte „Die Welt“: „Neues Funkhaus – schon zu klein.“
Die Ursache lag in technischen Neuerungen wie der Entwicklung des UKW-Funks. Im April 1950 hatte der NWDR Köln eine UKW-Frequenz erhalten und konnte nun ein eigenes, 2. Hörfunkprogramm auf Ultrakurzwelle produzieren und ausstrahlen. Ende der 1940er Jahre war auch der kometenhafte Aufstieg des Fernsehens noch nicht abzusehen, das sich nach der Kölner Erstsendung am 25.12.1952 ab der Wende zu den 1960er Jahre zum Leitmedium entwickelte und ungleich größere Produktionsflächen erforderte. Darüber hinaus beanspruchte die 1953 gegründete und bis 1962 im Funkhaus ansässige „Deutsche Welle“ zusätzlichen Platz.
Aus diesem Grunde begannen im August 1952 Ausschachtungsarbeiten zu einem Erweiterungsbau Margarethenkloster / Ecke Privatstraße, der als „Funkhaus für Fernsehen“ dienen sollte. Der Ende 1954 in Betrieb genommene Bau wurde wiederum in Zusammenarbeit mit Peter Friedrich Schneider realisiert.
Eine Baulücke zwischen Funkhaus und Reichardhaus Unter Fettenhennen wurde Ende der 1950er Jahre geschlossen. Dennoch war der Raumbedarf des Senders so groß, dass in der Frühzeit des Fernsehens Studios gemietet sowie zahllose Büroräume in externen Gebäuden erforderlich wurden.
Der Vollständigkeit halber sei auf das ebenfalls vom WDR genutzte Reichardhaus, Unter Fettenhennen 11, vis-à-vis des Kölner Domes, hingewiesen, ein Bau von 1902, der vom Kölner Architekturbüro Kraemer, Sieverts & Partner für den WDR umgebaut wurde. Das Reichardhaus konnte 1985 bezogen werden. Im Zug der Umbauarbeiten wurde die Fassade aus Gründen des Denkmalschutzes unter Mehrkosten in Höhe von 8,5 Millionen DM abmontiert und wiederverwendet. Aus Platzmangel wurde das Haus jedoch um ein verschiefertes, hohes und steiles, letztlich jedoch nicht zur Fassade passendes Mansarddach ergänzt.
3. Der Fernsehstudiobau An der Rechtschule 2 (1959-1965)
1959 erfolgte der nächste Schritt zur Erweiterung des WDR in westlicher Richtung mit dem Gebäude An der Rechtschule 2, gelegen gegenüber dem heutigen Museum für Angewandte Kunst. Der Anfang Februar 1959 begonnene und Ende Mai 1965 in Betrieb genommene 98 Meter lange Bau wurde von Peter Friedrich Schneider speziell für die Fernsehproduktion konzipiert. Es umfasste 95.000 Kubikmeter umbauten Raum. Aus städtebaulichen und Schallschutzgründen wurde 18 Meter in die Tiefe gebaut, so dass an der Fassade An der Rechtschule nur die Hälfte des Baues sichtbar ist. Er beherbergt unter anderem zwei große Fernsehstudios mit 700 Quadratmeter Grundfläche. Die Fernsehstudios A und B umfassen allein drei Geschosse. Die vier Meter hohe, fensterlose Sockelzone ist mit weißem Marmor verblendet und mit einem abstrakten Relief des Bildhauers Karl Hartung (1908-1967) aus dem Jahre 1963 geschmückt. Darüber erheben sich vier teilweise auskragende Obergeschosse. Das Studiogebäude weist nach Ute Reuschenberg „entsprechend seiner Funktion in den Obergeschossen eine dezente, technisch-modernistische Fassadengestaltung auf: Hierfür sorgen eine rasterartig gegliederte Leichtmetall-Glas-Fassade in hellen Grautönen sowie Sonnenblenden aus Metall im Bereich der Auskragung.“[5]
Nach Fertigstellung erntete der WDR für den ästhetisch gelungenen Bau „noch ungeteiltes Lob“, wie der Architekturkritiker Werner Strodthoff schreibt. „Altes Funkhaus und neuer Studiobau bilde(te)n eine schöne, in ihrer architektonischen Sprache kultiviert differierende Einheit. So mochte es getrost weitergehen – tat es aber nicht, wie wir wissen.“[6]
4. Das Archivhaus (1965-1968)
1965 begann der WDR mit einem weiteren Neubau, dem sogenannten „Archivhaus“ im unmittelbaren Anschluss an das Studiogebäude An der Rechtschule. Das Archivhaus liegt an der Ecke An der Rechtschule / Mariengartenstraße und spannt sich über die Tunisstraße (Nord-Süd-Fahrt) zum Appellhofplatz. Eine an der Südseite des Gebäudes vorgehängte Fußgängerbrücke ermöglicht die Querung der vierspurigen Straße in Höhe des Archivhauses.
Realisiert werden sollte es wiederum von Peter Friedrich Schneider. Trotz baureifer Planung wurde das Projekt 1962 von dem neuen WDR-Intendanten Klaus von Bismarck, dem Nachfolger Hartmanns, der dem Sender von 1961 bis 1976 vorstand, wegen „Meinungsverschiedenheiten“ gestoppt. Schneiders Neubauten-Modell von 1957 zeigt einen transparenteren Entwurf für das Archiv-Hochhaus mit einer Glas-Alu-Fassade als der schließlich gebaute Entwurf des Kölner Architekturbüros Doetsch & Klaucke. Dieses hatte bereits in den 1950er Jahren ein Werkstatt- und Garagengebäude für den WDR an der Elisenstraße errichtet.
Das von Paul Doetsch (1911-1981) und Johann-Herbert Klaucke geplante Hochhaus ist bei 56 Metern Höhe, 48 Metern Breite und 16 Metern Tiefe ein nüchterner, mit rötlichem Betonsteinwerk verblendeter Zweckbau, „schießschartenartig verengte Öffnungen signalisieren den notwendigen hermetischen Charakter eines Archivgebäudes […]“.[7] Der Entwurf bricht mit der architektonischen Einheit des Gebäudekomplexes von Schneider, der überwiegend positive Kritiken erhalten hatte.
Auf die Formulierung eines künstlerischen Anspruches wurde verzichtet. Dies gilt sowohl für die Treppenhäuser, für die Schneider ursprünglich Fenster von Georg Meistermann vorgesehen hatte, als auch für einen Farbpylon des Schweizer Designers Karl Gerstner (1930-2017) im Eingangsbereich, auf den aus Kostengründen verzichtet wurde.
Die Planungen zum Archivhaus wurden von Anfang an in Köln von Seiten der Stadtverwaltung, der Presse und der Öffentlichkeit kritisch begleitet. Insbesondere die Höhe des Neubaus und seine städtebauliche Einordnung sorgten für Diskussionen. Von einem „Monsterhaus“ war die Rede, der das Erscheinungsbild der Stadt negativ beeinflussen und die Sicht auf den Dom behindern werde. Aus diesem Grunde sah sich der WDR zu einem Experiment mit zwei Fesselballons veranlasst, die die Höhe und Breite des geplanten Baues veranschaulichen sollten. Angesichts anhaltender Kritik wurde die Höhe von geplanten 82 auf 56 Meter reduziert. Im Mai 1968 konnte das Archivhaus schließlich bezogen werden. Es beherbergt(e) Redaktionen sowie Teile des Archivbereichs mit Büros und Magazinen sowie einer Bibliothek.
Jenseits der Tunisstraße folgten in den 1970er bis 1990er Jahren zahlreiche weitere Neubauten des WDR, unter anderem das Filmhaus, das Vierscheibenhaus, das EDV-Haus, das Haus Breite Straße / Auf dem Berlich oder die WDR Arkaden.
Literatur
Berger, Franz, Das Funkhaus in Köln und seine Gestaltung. Architekt P. F. Schneider, Stuttgart 1955.
Bernard, Birgit, Funkhausarchitektur als Ausdruck eines Paradigmenwechsels in der Vorstellung von „Öffentlichkeit“ – dargestellt am Kölner Funkhausbau (1926-1952), in: Behmer, Markus/Hasselbring, Bettina (Hg.), Radiotage, Fernsehjahre. Interdisziplinäre Studien zur Rundfunkgeschichte nach 1945, Münster 2006, S. 291-305.
Bernard, Birgit, Das Funkhaus Dagobertstraße – für 25 Jahre ein Provisorium, in: Am Puls der Zeit. 50 Jahre WDR, Band 1: Die Vorläufer 1924-1955, hg. v. Petra Witting-Nöthen, Köln 2006, S. 285- 287.
Feldhofer, Felix, „It must be tall, every inch of it tall“: Studien zu Kölner Hochhäusern der Sechziger- und Siebzigerjahre, Magisterarbeit Köln 2016.
Marks, Eva Maria, Der WDR als Element innerstädtischer Entwicklung in Köln, Magisterarbeit Köln 2008.
Nordwestdeutscher Rundfunk (Hg.), Das neue Kölner Funkhaus des Nordwestdeutschen Rundfunks, Hamburg 1953.
Reuschenberg, Ute, „Die Idee des Gesamtkünstlerischen“ in der Nachkriegsmoderne. Das Werk des Architekten P. F. Schneider (1901-1981), 2 Bände, Diss. Ing., Dortmund 2021.
Schneider, Tania, Das Funkhaus am Wallrafplatz von Peter Friedrich Schneider, Magisterarbeit Universität zu Köln 1999.
Strodthoff, Werner, Stürmisches Wachstum. Platznöte eines großen Senders, in: Am Puls der Zeit. 50 Jahre WDR, Band 2: Der Sender: Weltweit nah dran 1956-1985, hg. v. Klaus Katz [u.a.], Köln 2006, S. 369-379.
Westdeutscher Rundfunk (Hg.), Funkhaus Wallrafplatz, Köln 1993.
Westdeutscher Rundfunk (Hg.), WDR Fernsehstudios an der Rechtschule, Köln 1966.
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Bernard, Birgit, Die Gebäude des Westdeutschen Rundfunks in Köln (1927-1968), in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-gebaeude-des-westdeutschen-rundfunks-in-koeln-1927-1968/DE-2086/lido/63f8b47b523567.07842526 (abgerufen am 19.08.2024)