Zu den Kapiteln
Schlagworte
Edmund Conen war ein deutscher Fußballspieler und –trainer, der insbesondere vor dem Zweiten Weltkrieg als einer der erfolgreichsten Torjäger des Landes in Erscheinung trat. Nach Gerd Müller (1945-2021) weist er bis heute die beste Trefferquote für die Deutsche Fußballnationalmannschaft auf.
„Ed“ wurde am 10.11.1914 in Ürzig an der Mittelmosel als Sohn eines Schneidermeisters geboren. Die Fußball-Faszination wurde ihm gewissermaßen mit in die Wiege gelegt. Seine vier älteren Brüder hatten 1921 gemeinsam mit einem Schwager den örtlichen Fußballclub gegründet. Dass Edmund 1924 ebenfalls Fußballer wurde und das beim SV Ürzig, war nur folgerichtig. Schon bald erwies sich, dass der Steppke vielen seiner Altersgenossen in fußballerischer Hinsicht überlegen war. Und so debütierte er bereits mit 13 Jahren in der ersten Herrenmannschaft des SV.
1928 siedelte die Familie Conen nach Saarbrücken um, wo der Vater ein Lebensmittelgeschäft übernahm. Mit dem Umzug nahm Edmunds Fußball-Karriere an Fahrt auf, während seine Brüder nun allesamt die Stollenschuhe an den Nagel hängten. Beim FV Saarbrücken fand der talentierte Nachwuchskicker in dem Trainer Anton Unseld (gestorben 1932) einen ganz persönlichen Förderer und erhielt den nötigen Feinschliff. Conen arbeitete sich innerhalb kurzer Zeit von der dritten in die erste Jugendmannschaft vor. Sein Auftritt im Vorspiel eines Verbandstreffens Süddeutschland gegen Westdeutschland 1931 war schließlich sein Sprungbrett zu den „Großen“ – Conen erzielte in dieser Partie nicht weniger als sieben Tore und wurde postwendend mit erst 16 Jahren in die 1. Herrenmannschaft des FVS berufen. Die „unbarmherzige Feuertaufe“ gegen den amtierenden Meister VfR Mannheim verlief jedoch enttäuschend. Conen konnte dem Spiel zu keinem Zeitpunkt seinen Stempel aufdrücken, und am Ende gingen die Saarbrücker mit 1:5 unter. Doch bereits in der nächsten Partie gegen Kaiserslautern ließ er sein großes Potenzial aufblitzen. Beim Remis gegen die Pfälzer lieferte der junge Stürmer einen engagierten Auftritt und erzielte seine ersten beiden Pflichtspieltore. Danach war er aus der ersten Elf der Schwarz-Blauen nicht mehr weg zu denken. Am Ende seiner Debüt-Saison 1931/1932 war er mit 33 erzielten Treffern nicht nur süddeutscher Schützenkönig, sondern auch zum gefeierten Publikumsliebling der Saarbrücker Fußballfachwelt avanciert. Vielen blieb dabei vor allem Conens Auftritt im Derby gegen den FK Pirmasens in Erinnerung. Beim triumphalen 3:1-Sieg zeichnete er mit einem lupenreinen Hattrick für alle Treffer der Schwarz-Blauen verantwortlich.
Solche großartigen Leistungen blieben natürlich auch in Berlin nicht verborgen. Und so wurde Conen schon während seiner Premieren-Saison erstmals zu einem Lehrgang für Nationalspieler eingeladen. Bis zum ersten Pflichtspiel-Auftritt im schwarz-weißen Dress sollte es freilich noch ein wenig dauern. Doch Anfang 1934 war es dann so weit: Aus dem Radio erfuhr der 19-jährige Stürmer von seiner Nominierung für das Länderspiel gegen die Ungarn am 14. Januar in Frankfurt am Main. Was folgte, klingt zunächst wie ein Einstand nach Maß. Rund 38.000 Zuschauer, darunter über 1.000 saarländische Fußballfreunde, die in vier überfüllten Sonderzügen in die Mainmetropole angereist waren, verfolgten den Auftritt des deutschen Teams. Sie wurden Zeugen eines souveränen 3:1-Sieges, bei dem Conen sogleich durch einen Flugkopfball sein erstes Länderspieltor gelang. Das Publikum war verzückt. Doch ungleich nüchterner bewertete Reichstrainer Otto Nerz (1892-1949) die Leistung des jungen Angreifers. So ließ er sich gar zu der Äußerung hinreißen, Conen habe an diesem Tag zum ersten und zugleich letzten Mal für Deutschland gespielt. Der junge Edmund entsprach einfach nicht dem Nerzschen Idealtypus des Mittelstürmers in Gestalt eines brutalen „Brechers“. Im Gegenteil verkörperte der Saarländer viel mehr den eleganten, technisch versierten Stürmer moderner Prägung, der nicht nur als eiskalter Vollstrecker glänzte, sondern sich regelmäßig auch ins Mittelfeld zurückfallen ließ, um am Aufbau des eigenen Kombinationsspiels mitzuwirken.
Der Übungsleiter musste jedoch schon bald seinen Irrtum eingestehen. Im Hinblick auf die Weltmeisterschaft 1934 in Italien kam er um den jungen „Rolly“, wie Conen nun von seinen Kollegen in Anspielung auf eine zeitgenössische Romanfigur genannt wurde, nicht mehr herum. Allerdings trugen zum Umdenken des Coaches nicht allein Conens gezeigte Leistungen bei. Es war auch das Verletzungspech anderer Akteure, das Nerz zwang, den Saarbrücker erneut in den Fokus zu nehmen. Rückblickend sollte das Turnier zum absoluten Karrierehöhepunkt Edmund Conens werden. Völlig überraschend landete die deutsche Auswahl, die erstmalig bei einem solchen Weltturnier startete, auf einem guten dritten Platz. Und „Rolly“ nutzte die Chance, auf großer Bühne seine herausragenden Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Bereits im Eröffnungsspiel „zerlegte“ Conen die Belgier quasi im Alleingang und erzielte beim triumphalen 5:2 einen lupenreinen Hattrick. Insgesamt netzte „Ed“ in diesem Turnier viermal und galt mit dieser Ausbeute lange Zeit als einer der Torschützenkönige. Erst 72 Jahre später wurde ihm dieser Titel aberkannt, als nachträglich dem Tschechoslowaken Oldřich Nejedlý (1909-1990) ein weiterer Treffer gutgeschrieben und er damit zum alleinigen Torschützenkönig ernannt wurde. Die internationale Fachpresse schwärmte und wählte den jungen Conen zum Mittelstürmer des Turniers.
Nach der Weltmeisterschaft hielt die Glückssträhne zunächst an. Edmund Conen spielte äußerst erfolgreich für den FV Saarbrücken und konnte am Ende der Saison 1934/1935 den Aufstieg in die Gauliga feiern. Doch kurz darauf erfolgte der große Absturz. Conen erkrankte an einer so genannten Herzneurose, in deren Folge er rund drei Jahre vollständig von der Fußballbühne verschwand. Bei dieser Form der Angststörung kreisen die Gedanken des Betroffenen permanent um den Zustand des eigenen Herzens und die Gewissheit, trotz attestierter Gesundheit an einer schweren Herzkrankheit zu leiden. Es folgten Kuraufenthalte in verschiedenen Bädern, die jedoch allesamt wirkungslos blieben. Schließlich nahm Conen sein Schicksal selbst in die Hand und verordnete sich eine Art Schock-Therapie. Er entschied sich 1938 – obwohl er im Vorjahr aufgrund seiner Krankheit noch freigestellt worden war – bewusst dafür, dem Einberufungsbefehl zum Militär zu folgen: "Jetzt wollte ich das Wagnis unter allen Umständen auf mich nehmen. Entweder ich würde durch den Kommiss wieder ins Leben zurückfinden und ein Kerl werden, oder ich würde an ihm krepieren." Die ersten Monate bei der motorisierten Artillerie in Neckarsulm waren für Conen ein Albtraum, doch er biss sich durch. Und ganz allmählich entwickelte er wieder Vertrauen in den eigenen Körper. Auf dem Kasernenhof trat er erstmals seit Jahren wieder gegen einen Fußball und nahm später gar an einem Spiel seiner Batterie gegen eine Paderborn-Auswahl teil.
Die Nachricht machte die Runde: „Mit dem Edmund ist wieder zu rechnen!“ Und alsbald häuften sich beim Rekonvaleszenten Angebote diverser Großclubs. Conen entschied sich schließlich für die Stuttgarter Kickers, oder viel mehr für deren österreichischen Trainer Ossi Müller (geboren 1904). Dieser erwies sich als feinfühliger, geschickter Psychologe im Umgang mit dem sensiblen Stürmer. Er vermochte, Conens Ehrgeiz aufs Neue zu entfachen und ihn zugleich weiter im Vertrauen in den eigenen Körper zu bestärken. „Ed“ zahlte es dem Übungsleiter auf seine Art zurück: Denn als Conen endlich wieder auf dem Platz stand, schien es beinahe so, als wäre er nie weg gewesen. Mit ihm erklommen die Kickers ungeahnte Höhen. Am Ende scheiterten sie beim Kampf um den Einzug ins Endspiel um die deutsche Meisterschaft nur knapp.
Diese Leistung blieb auch dem neuen Reichstrainer Sepp Herberger (1897-1977) nicht verborgen. Er ermöglichte dem Saarländer schließlich auch ein Comeback im schwarz-weißen Dress. Am 25.6.1939 wurde die Auswahl Dänemarks in Kopenhagen von der deutschen Mannschaft um den Sturmführer Conen souverän mit 2:0 bezwungen. Insgesamt 28 Länderspiele bestritt Conen zwischen 1934 und 1942 für den DFB und erzielte dabei 27 Tore, was einer Trefferquote von 0,96 entspricht. Damit rangiert er noch heute hinter Gerd Müller als zweiteffektivster deutscher Torjäger aller Zeiten. Auch sein letztes Länderspiel war erfolgreich. Dabei wurde das Team der Ungarn am 3.5.1942 nach 1:3-Rückstand noch mit 5:3 besiegt.
Nach Beendigung des Krieges, in dem er in der Eifel in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten war, um danach einige Monate in einem nordfranzösischen Lager zu verbringen, war Conen wieder für die Kickers im Einsatz. Nur 24 Stunden nach seiner Rückkehr stand er bei einem Pokalspiel gegen Sindelfingen wieder auf dem Platz. In den folgenden Jahren ließ „Ed“ seine Karriere bei den Blau-Weißen allmählich ausklingen, ohne jedoch seine legendäre Treffsicherheit einzubüßen. So erzielte er bis 1950 in 143 Oberliga-Spielen „satte“ 68 Tore und war fester Bestandteil des so genannten „Hundert-Tore-Sturms“. Unter diesem Oberbegriff ging die bis heute erfolgreichste Spielzeit der gesamten Kickers-Historie (1947/1948) in die Annalen ein, in der die Degerlocher unfassbare 113 Tore erzielen konnten und nur aufgrund der politischen Umstände nicht an den Ausscheidungsspielen um die Deutsche Meisterschaft teilnehmen durften.
Ab 1952 startete Edmund Conen seine Trainerkarriere. Erste Station war Eintracht Braunschweig, das jüngst vom DFB wegen des Verdachts der Spielmanipulation in die Zweitklassigkeit verbannt worden war. „Aus dieser Eintracht ist etwas zu machen“, war sich der ehemalige Nationalspieler von Beginn an sicher. Und er sollte Recht behalten. Nachdem das Team völlig ungefährdet die Meisterschaft in der Amateurliga Niedersachsen-Ost eingefahren hatte, gaben sich die Blau-Gelben auch in der Aufstiegsrunde keine Blöße und konnten bereits am vorletzten Spieltag nach einem 3:0 über den VfL Wolfsburg die Rückkehr in die Oberliga bejubeln. Auch die folgende Comeback-Saison wurde zu einem Riesenerfolg. Völlig überraschend landete die Eintracht am Ende auf einem starken vierten Rang und hatte – so wie es Conen bereits zum Auftakt der Serie prophezeit hatte – mit dem Abstiegskampf zu keinem Zeitpunkt etwas zu tun. Das sollte auch während der zwei weiteren Spielzeiten so bleiben, die sich „Ed“ bei den Niedersachsen im Sattel hielt. Da sich der Club jedoch ebenso wenig in der oberen Tabellenregion festzusetzten vermochte und Gefahr lief, sich dauerhaft im Mittelmaß zu verlieren, machte Conen nach der Saison 1955/1956 freiwillig seinen Trainerstuhl frei, um den Braunschweigern einen kompletten Neuanfang zu ermöglichen.
Von Braunschweig zog es ihn ins Bergische Land. Dort heuerte er beim Oberligisten Wuppertaler SV Borussia an, den er nach einer durchwachsenen Saison auf den 9. Platz führte. Anschließend betreute er für drei Jahre den Werksclub Bayer 04 Leverkusen, ehe er innerhalb der Stadt zum Verbandsligisten SV Schlebusch wechselte. Seine letzte Station war schließlich der BV 01 Opladen, mit dem er 1970 in die Landesliga Mittelrhein aufstieg. Nach Abschluss seines Trainertätigkeit arbeitete Conen beim Bundesbahn-Ausbesserungswerk in Opladen (heute Stadt Leverkusen). Er verstarb am 5.3.1990 in Leverkusen.
Werke
Edmund Conen erzählt. Erinnerungen des 28fachen Sturmführers der deutschen Nationalmannschaft, Stuttgart 1950.
Literatur
Feldherrn der Fußballschlachten. Die packende Lebensgeschichte berühmter deutscher Mittelstürmer, hg. vom Verlag „Der Kicker“, bearb. v. H. J. Müllenbach/Friedebert Becker, Kassel 1990 (Nachdruck der Ausgabe Berlin 1941).
Online
Eintrag „Conen, Edmund“, in: Munzinger Online/Sport – Internationales Sportarchiv. [Online]
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Kley, Marius, Edmund Conen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/edmund-conen/DE-2086/lido/57c68d574ef257.93344090 (abgerufen am 19.08.2024)