Zu den Kapiteln
Ernst Waldthausen gehörte einer alteingesessenen, weit verzweigten Familie des Essener Bürgertums an, die durch Betätigung im Großhandel mit Schurwolle zu Wohlstand gekommen war und zu der Zeit, als im heutigen Ruhrgebiet dank neuer technischer Verfahren eine massive Ausdehnung des Steinkohlenbergbaues durch Tiefbauschächte und ein Boom der Verhüttung und Verarbeitung von Eisen einsetzte, über flüssiges Kapital verfügte, das in den kapitalhungrigen Branchen des Bergbaues und der Eisen- und Stahlindustrie investiert werden konnte. Er blieb zwar in erster Linie Wollgroßhändler, beeinflusste jedoch auch die Entwicklung neu gegründeter montanindustrieller Unternehmen wie der Arenbergschen AG für Bergbau und Hüttenbetrieb (Essen/Bottrop), die später ein Teil des Rheinstahl-Konzerns wurde, und des Actienvereins Duisburger Hütte. Mit seinem Bruder Julius führte er das ererbte Handelshaus zu beträchtlichem Wachstum und aus dem nationalen Markt für Wolle in den Weltmarkt. Als Präsident der Essener Handelskammer über 35 Jahre engagierte er sich für die Interessen der gesamten industriellen und kommerziellen Wirtschaft des heutigen Essener Stadtgebietes.
Gustav Ernst Waldthausen wurde am 20.5.1811 als zweiter Sohn des Wollhändlers Johann Conrad Waldthausen (1779–1854) und seiner Ehefrau Maria Waldthausen, geborene von Halfern (1782–1814) in Essen geboren und war evangelischen Bekenntnisses. Die aus dem Raum Hameln stammende Familie Waldthausen war seit 1679, als Justus Wilhelm Waldthausen (1655–1728) zugezogen war und eine Anstellung als Apothekergehilfe angenommen hatte, in Essen ansässig. Dieser Essener Neubürger eröffnete schon 1681 eine eigene Apotheke an der Limbecker Straße und stieg bald in die führende Schicht der Stadt auf; 1705 wurde er Mitglied des Stadtrates. Sein Sohn Johann Wilhelm (1707–1792) studierte die Rechtswissenschaften und war wohl zunächst Jurist, eröffnete jedoch später eine Handlung für Kolonial-, Spezerei- und Manufakturwaren. Die dritte Generation vertraten die Brüder Justus (1736–1821) und Wilhelm Waldthausen (1752–1841), die 1779 gemeinschaftlich eine Schurwollhandlung gründeten. Das Unternehmen, das bis 1820 existierte, bezog über Amsterdam spanische und portugiesische Rohwolle und sächsische Rohwolle aus Leipzig und Naumburg. Justus und Wilhelm Waldthausen gehörten 1828 zu den Gründern der Essener Gesellschaft Verein, eines Zusammenschlusses von Honoratioren aus der lokalen Wirtschaft und der höheren Beamtenschaft.
Während der Kontinentalsperre ging der deutsche Wollhandel erheblich zurück, und es war wohl diesem Umstand geschuldet, dass Wilhelm Waldthausen zusammen mit einem Schwiegersohn nebenher eine Farb- und Kolonialwarenhandlung betrieb; er war ferner Mitinhaber der großen Blaufärberei seines Schwagers Johann Jakob Hasten. Am 1.5.1820 wurde die „alte“, seit 1779 bestehende Wollhandlung aufgelöst. Aus ihr gingen zwei neue Wollhandlungen hervor, Justus Waldthausen Söhne, betrieben von einem Sohn, einem Schwiegersohn und einem Enkel Justus Waldthausens, und Wilhelm & Conrad Waldthausen, gegründet von Justus’ Bruder Wilhelm und seinem Sohn Johann Conrad.
Dieses Unternehmen dehnte seine Tätigkeit auch auf den Handel mit fertigen Tuchen aus; dann kamen eine eigene Weberei und eine Färberei hinzu. Die Rohwolle, mit der Vater und Sohn Waldthausen handelten, bezogen sie in den ersten Jahrzehnten nach 1820 größtenteils aus Schlesien und Sachsen, den hauptsächlichen Regionen der deutschen Schafzucht, daneben importierte man Wolle aber wohl auch noch aus Spanien; die Abnehmer waren Tuchfabrikanten in Kettwig (J. W. Scheidt), Werden, Hattingen und dem Bergischen Land. An der Königstraße in Essen wurde ein viergeschossiges Lagerhaus für Wolle gebaut.
Conrad Waldthausens erste Ehefrau Maria von Halfern, die er 1809 geheiratet hatte, entstammte einer Mülheimer Familie und starb bei der Geburt ihres dritten Kindes Maria Louise. Ernst, das zweitälteste Kind, besuchte die lutherische Bürgerschule in Essen und vielleicht auch einige Jahre das Essener Gymnasium, legte jedoch nicht die Abiturprüfung ab. Er lernte den Kaufmannsberuf zunächst bei seinem Vater und Großvater und ging anschließend bei dem Lenneper Tuchfabrikanten von Pollem in die Lehre. Anschließend trat er wie sein zwei Jahre älterer Bruder Julius, der im Kölner Bankhaus Herstatt und bei einem Wollhändler in Aschersleben ausgebildet worden war, 1831 in das väterliche Unternehmen ein. Zu den Pflichten der Brüder gehörten Einkaufsreisen nach Leipzig, das einer der wichtigsten Märkte für Rohwolle war, aber auch die Besuche der Kunden im Bergischen Land. Im selben Jahr 1831 richtete das Unternehmen ein Wolllager in Lennep (heute Stadt Remscheid) ein. Am 1.5.1836 wurden Julius und Ernst von Vater und Großvater als Teilhaber aufgenommen; am 23. August desselben Jahres heiratete Ernst Waldthausen seine 1817 geborene Cousine Amalie Waldthausen, deren Vater Johann Friedrich in Essen eine Färberei betrieb.
1839 starb Amalie Waldthausen bei einer Frühgeburt, die auch das Kind nicht überlebte. Am 5.3.1844 schloss Ernst mit einer anderen Cousine, Helene Sophie Waldthausen (geboren 1825 in Essen), Tochter von Johann Arnold Waldthausen, eine zweite Ehe. Es kamen sieben Kinder zur Welt, zuerst drei Töchter, dann vier Söhne. Die Familie wohnte in einer Villa außerhalb der Essener Altstadt, gleich nördlich des Viehofer Tores.
Nachdem Julius und Ernst Waldthausen als Teilhaber in die Wollhandlung eingetreten waren, nahm die Geschäftstätigkeit von Jahr zu Jahr zu; Rohwolle wurde nun nicht mehr nur in Breslau und Leipzig, sondern auch in Frankfurt a.M., Berlin und im Mansfelder Land eingekauft. Der Absatz der Waldthausen’schen Wolle hatte sich schon um 1825 auf die Industrieregion um Aachen und Düren ausgedehnt, und nun, rund ein Jahrzehnt später, gewann man sogar in Belgien und Frankreich Abnehmer. Kredite erhielt das Unternehmen von national bedeutenden Banken wie von der Heydt, Kersten & Söhne in Elberfeld (heute Stadt Wuppertal), I. D. Herstatt in Köln und Anhalt & Wagner in Berlin. Wohl in den 1840er Jahren wurde der Wollhandlung ein eigenes Bankgeschäft angegliedert, das zunächst die Aufgabe hatte, Devisen anzukaufen, mit denen die Wollimporte aus dem Ausland bezahlt werden sollten; später diente es auch dazu, Kapital in junge Unternehmen des Steinkohlenbergbaues und der Eisen- und Stahlindustrie zu investieren. Am 1.5.1842 zog sich Johann Conrad Waldthausen aus dem Geschäft zurück; die Söhne Julius und Ernst agierten fortan ganz frei. Wahrscheinlich existierte damals schon eine eigene Wollsortiererei in Essen; 1865 bauten die Brüder an der Brunnenstraße eine Wollwaschanlage.
In den 1860er Jahren, als die deutsche Schurwollproduktion mit der Nachfrage nicht mehr Schritt hielt, nahmen Julius und Ernst Waldthausen den Weltmarkt ins Visier. Sie begannen, in London südafrikanische und australische Rohwolle und in Antwerpen südamerikanische Sorten einzukaufen. In Aachen, wo sich der Halbbruder Robert Waldthausen (1821-1883) als Tuchfabrikant etabliert hatte, richtete die Firma eine „Niederlage“ für Rohwolle ein, das dritte große Lager nach den Speichern in Essen und Lennep. Der Kundenkreis weitete sich erneut, man verkaufte Wolle nun auch in der Schweiz, in Italien, Spanien, Schweden und Russland. 1867 stellte Ernst Waldthausen in London einen eigenen Vertreter an, nachdem schon in Königsberg, Danzig und Posen Agenten für das Haus tätig waren. In Wien entstand um diese Zeit ein Depot für die Rohwolle, die man in der österreich-ungarischen Monarchie aufkaufte, in Barcelona ein in Kommission für das Haus Waldthausen betriebenes Wolllager. Als Julius Waldthausen 1873 im Alter von 63 Jahren starb, wurde Ernst Alleineigentümer der Wollhandlung, die ihren Platz an der Spitze ihrer Branche in Deutschland und Europa bis ins 20. Jahrhundert behauptete.
Die Brüder Waldthausen verfügten über Kapital in sehr beträchtlicher Höhe und suchten nach Möglichkeiten, es gewinnbringend anzulegen. Sie mussten nicht lange Ausschau halten, denn im Ruhrgebiet hatte die Suche nach Steinkohle in großem Maßstab eingesetzt, und überall in der „Emscherzone“ des heutigen Reviers wurden Bohrungen unternommen und Mutungen auf Kohle eingelegt. Noch in den 1840er Jahren finanzierten die Brüder Waldthausen im Bezirk des herzoglich arenbergischen Bergregals, im heutigen Stadtgebiet von Bottrop, Bohrungen nach Steinkohle, die auch erfolgreich waren. Sie gaben dem Kohlevorkommen, das entdeckt worden war, nach dem Herzog Prosper Ludwig von Arenberg den Namen Prosper. 1856 gründeten sie mit 26 weiteren Privatpersonen, darunter vier Familienmitgliedern, die Arenbergsche Actien-Gesellschaft für Bergbau und Hüttenbetrieb, die zunächst ein Grundkapital von einer Million Taler hatte. Man begann mit der Abteufe einer Prosper I genannten Schachtanlage bei Bottrop, die hohe Kosten verursachte; die Gesellschaft konnte erst 1867 eine Dividende ausschütten. Ernst Waldthausen, Julius Haniel, Ludwig Huyssen und der Jurist Friedrich Hammacher bildeten den ersten Verwaltungsrat des Unternehmens. Ernst Waldthausen wollte schon 1856 dem Bergwerk ein Hüttenwerk angliedern, um die starke Nachfrage nach Eisen auszunutzen, nahm aber angesichts der 1857 hereinbrechenden, weltweiten Wirtschaftskrise davon Abstand. Die Schachtanlage Prosper der Arenbergschen AG begann 1860/1861 mit der Förderung von Kohle und 1865 mit der Verkokung der Kohle in einer eigenen Kokerei. 1868 löste Ernst Waldthausen Friedrich Hammacher als Vorsitzender des Verwaltungsrates ab. 1879 übernahm sein dritter Sohn Oscar (1854-1906) die kaufmännische und technische Leitung der Zeche.
Bei der 1861 durch Vereinigung der Bergwerke Emma und Blankenstein gebildeten Gewerkschaft Centrum, an der auch Friedrich Grillo beteiligt war, leitete Ernst Waldthausen den Grubenvorstand; er zog sich aber 1875 oder etwas später aus dem 1873 in eine Aktiengesellschaft umgewandelten Unternehmen zurück, weil er es auf längere Sicht als wenig entwicklungsfähig ansah. 1871 ergab sich wieder eine Zusammenarbeit mit Friedrich Grillo, als man in Rauxel die Gewerkschaft Victor ins Leben rief. Ernst Waldthausen fand nach dem Wollhandel im Bergbau eine zweite Passion. Er kümmerte sich bei den Zechen, an denen er beteiligt war, auch um Einzelheiten der Betriebsführung und fuhr oft in die Gruben ein.
Anfang Juni 1848 war er neben Franz und Hugo Haniel, Mathias Stinnes, seinem Vetter Fritz Waldthausen und anderen Mitgründer eines Vereins der Berggewerken in den Bergamtsbezirken Essen, Werden, Broich (Stadt Mülheim an der Ruhr), Hardenberg und Bochum mit Sitz in Essen. Bei der Gründung des Vereins für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund (Bergbauverein) am 17.12.1858, dessen Hauptaufgabe die Formulierung der Brancheninteressen des Ruhrbergbaues war, wurde Ernst Waldthausen in den Vorstand gewählt. Nach der für die Essener Gewerken schmerzlichen Auflösung der Essener Bergschule im Jahr 1863, einer Folge der Aufhebung des Essen-Werdener Bergamtes zwei Jahre zuvor, konnte Waldthausen erreichen, dass in Essen 1869 eine Bergschule „zweiter Klasse“ geschaffen wurde, die in zweijährigen Kursen Steiger ausbildete.
In der 1869 einsetzenden guten Konjunktur der Eisen- und Stahlindustrie schlossen sich Ernst und Julius Waldthausen mit den Duisburger Unternehmern Berninghaus und Brockhoff zusammen, um 1870/1871 den Actienverein Duisburger Hütte zu gründen. Dieses Unternehmen baute auf dem Duisburger Hochfeld ein Puddel- und ein Walzwerk sowie eine Blechschmiede mit einem Presswerk und stellte Kessel- und Spezialbleche her. 1891 ging die Duisburger Eisenhütte im Zuge einer Fusion in der Actiengesellschaft Duisburger Eisen- und Stahlwerke auf. Mit dem bedeutendsten Eisen- und Stahlindustriellen seiner Zeit, Alfred Krupp, war der gleichaltrige Ernst Waldthausen befreundet. Während der Krise von 1857 wurden Ernst und Julius Waldthausen durch eine Kapitaleinlage von 240.000 Talern, die mit 7 Prozent jährlich verzinst wurde, stille Teilhaber an der Gussstahlfabrik Fried. Krupp. Alfred Krupp, der seinen Kredit überspannt hatte und in dringenden Kapitalnöten war, musste den Teilhabern ein Mitspracherecht bei der Geschäftsführung einräumen. Der entsprechende Vertrag wurde zunächst auf vier Jahre befristet. Ernst Waldthausen wollte bei Krupp ein anderes System der Buchhaltung einführen, was Alfred Krupp abwehren konnte. Als der Vertrag mit den Brüdern Waldthausen 1861 ablief, nahm Krupp mit Hilfe seines Bruders Hermann anderweitig Darlehen auf, um die Waldthausens auszuzahlen und wieder Alleinherrscher in seinem Unternehmen zu sein.
Im Revolutionsjahr 1848 eröffnete sich für Ernst Waldthausen ein neues Tätigkeitsfeld, als er zum vierten Präsidenten der acht Jahre zuvor gegründeten Essener Handelskammer gewählt wurde. Er bekleidete das Amt bis zu seinem Tode, 35 Jahre lang, und hat in dieser Zeit die Entwicklung der lokalen und regionalen Industrie wesentlich mitgeprägt. Der Kammerbezirk umfasste 1848 nur die Städte Essen, Werden und Kettwig und wurde 1863 mit dem gesamten Kreis Essen zur Deckung gebracht. Waldthausens Drängen war es zu verdanken, dass die Regierung durch die Einrichtung einer Agentur (1857), dann einer Kommandite der Königlichen Bank (1863) in Essen die Mobilisierung von Kapital, das die örtlichen Industriellen dringend benötigten, erleichterte. Auch die Gründung der Westdeutschen Versicherungs-Actien-Bank durch Waldthausen und andere Industrielle 1865/1866 entsprach einem Bedürfnis der Essener Wirtschaft; Waldthausen führte bis zu seinem Tode den Vorsitz im Aufsichtsrat der Bank. Als Mitglied einer von der Essener Stadtverwaltung eingesetzten Kommission zur Gründung einer Gasanstalt, die Essen versorgen sollte, schuf er die Voraussetzungen für die Etablierung dieses Unternehmens in der Form einer Aktiengesellschaft im Jahr 1855; die Gaserzeugung begann im folgenden Jahr. 1865 hat die Stadt Essen alle Aktien der Gesellschaft erworben.
Bereits 1861 hatte sich Ernst Waldthausen um die preußische Volkswirtschaft so verdient gemacht, dass ihn die Regierung zum Königlichen Kommerzienrat ernannte. Er erhielt diese Auszeichnung neben neun anderen Industriellen aus der Rheinprovinz und als einziger Unternehmer aus dem Ruhrgebiet am 18.10.1861 anlässlich der Krönung Wilhelms I. zum König von Preußen in Königsberg. In den folgenden beiden Jahrzehnten verfocht Ernst Waldthausen als Kammerpräsident noch mehrere Projekte zur Förderung der industriellen Wirtschaft in seinem Kammerbezirk und im gesamten Ruhrgebiet. 1856/1857 sorgte er für die Einbindung Essens in das preußische Telegraphennetz.
Seit 1861 stand er in Verbindung mit der Rheinischen Eisenbahngesellschaft, die eine Bahnverbindung von Köln über das Ruhrgebiet nach Bremen plante; im Sommer 1866 wurde die Teilstrecke von Osterrath am linken Niederrhein zum Bahnhof Essen-Nord in Betrieb genommen. Waldthausen konnte erreichen, dass von Essen-Nord eine Verbindungsstrecke zum Bahnhof Altenessen der Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft gebaut wurde. 1865 initiierte er über die Handelskammer die Gründung einer Börse in Essen, die vor allem mit Bergwerksanteilen (Kuxen) handeln sollte und erst 1880 eine staatliche Bestätigung erhielt. Sie begann mit der Notierung der Kuxe von 14 Gewerkschaften und der Aktien der Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft; 1880 wurden 172 Bergbau– und Industriewerte notiert. In Waldthausens letzten Lebensjahren begann die 1875 gegründete und ebenfalls 1880 bestätigte Düsseldorfer Börse, auf Kosten der Essener Börse nach und nach den Handel mit Aktien von Unternehmen der Ruhrindustrie an sich zu ziehen. Seit 1856 warb Waldthausen gemeinsam mit Friedrich Hammacher, später auch mit William Thomas Mulvany, für den Bau eines „Emscher-Kanals“, der als Abschnitt eines Kanals vom Rhein zur Weser und weiter zur Elbe vom Ruhrorter Hafen bis Dortmund führen sollte. Obwohl die preußische Regierung diesem Projekt gegenüber zeitweilig aufgeschlossen war, konnte es nicht in die Tat umgesetzt werden. Erst sehr viel später gelangte der alte Plan mit dem 1914 eröffneten Rhein-Herne-Kanal und dem südlichsten Abschnitt des Dortmund-Ems-Kanals zur Verwirklichung.
Wie vermutlich alle Mitglieder seiner weit verzweigten Familie war Ernst Waldthausen politisch (rechts–) liberal eingestellt. Sein älterer Bruder Julius und ein Vertreter eines anderen Familienzweiges, Gustav Adolf Waldthausen, waren in der Politik – im engeren Sinne, denn natürlich waren auch die Aktivitäten der Handelskammer Politik – zunächst aktiver als Ernst. Julius war von 1848 bis zu seinem Tode Mitglied der Essener Stadtverordnetenversammlung, Gustav Adolf Waldthausen kandidierte 1867 für den konstituierenden Reichstag des Norddeutschen Bundes, unterlag jedoch einem Mitbewerber; 1872 war er Beigeordneter der Stadt Essen. Der gleichfalls liberale Blaufärber und Gewerke Friedrich Wilhelm Waldthausen gehörte seit 1847 der Stadtverordnetenversammlung an; 1849 trat Martin Wilhelm Waldthausen (1795–1870), ein Vetter zweiten Grades von Ernst Waldthausen, in den Essener Magistrat ein. Nach dem Tode seines Bruders wurde Ernst 1877 in das Stadtparlament gewählt, dem er bis zu seinem Tode angehörte; seine Vaterstadt entsandte ihn auch in den Rheinischen Provinziallandtag.
Ernst Waldthausen erkrankte 1882 schwer und suchte im Winter 1882/1883 vergebens Heilung in Wiesbaden. Er starb am 22.1.1883 in Essen und wurde auf dem alten Friedhof vor dem Kettwiger Tor beigesetzt. Die Erhebung seiner Familie in den Adelsstand hat er nicht mehr erlebt. Die älteren Söhne Ernst (geboren 1851) und Alfred (geboren 1852) übernahmen das Wollhandelshaus Wilhelm & Conrad Waldthausen; der dritte Sohn Oscar (1854–1906) rückte in die Position des Vaters bei der Arenbergschen AG ein. Der jüngste Sohn Bruno wurde Jurist, die Tochter Helene Cappell-Waldthausen (1848–1902) eine bedeutende Kunstsammlerin, deren Vermächtnis in das heutige Folkwang-Museum einging.
Literatur
Mews, Karl, Ernst Waldthausen (1811–1883). Ein Beitrag zur rheinisch-westfälischen Wirtschaftsgeschichte, in: Essener Beiträge 41 (1923), S. 40–54.
van Eyll, Klara, Die Geschichte einer Handelskammer, dargestellt am Beispiel der Handelskammer Essen 1840 bis 1910, Köln 1964.
van Eyll, Klara, Ernst Waldthausen, in: Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien, Band 9, Münster 1967, S. 14–38.
Krawehl, Otto-Ernst, Die Essener Wollhandlung Wilhelm & Conrad Waldthausen unter ihrem ersten Inhaber Johann Conrad Waldthausen (1820–1836), in: Essener Beiträge 116 (2004), S. 103–147.
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Kanther, Michael A., Ernst Waldthausen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/ernst-waldthausen/DE-2086/lido/57c8319c11f639.62911009 (abgerufen am 19.08.2024)