Zu den Kapiteln
Franz Greiß war maßgeblich am Wiederaufbau der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Köln nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligt, erwarb sich Verdienste um die Popularisierung der Sozialen Marktwirtschaft und die praktische Umsetzung der katholischen Soziallehre in Wirtschaft und Gesellschaft.
Franz Greiß wurde am 22.4.1905 als ältestes von insgesamt drei Kindern in Worringen (heute Stadt Köln) geboren. Seine Eltern waren der Schneidermeister Wilhelm Greiß (1877-1953) und Ehefrau Christine (1877-1910), geborene Pitzler. Von 1911- 1917 besuchte er die Volksschule in Worringen, der eine fünfjährige Schulzeit auf der Handelsrealschule in Köln folgte, wo er schon in jungen Jahren grundlegende Kenntnisse aus dem Bereich der Wirtschaft erwarb, die ihm für sein weiteres Berufsleben von großem Nutzen sein sollten.
1922, im Alter von 17 Jahren, begann Franz Greiß eine kaufmännische Ausbildung bei der Großspedition Schenker in Köln, die er 1924 mit Erfolg abschloss. Anschließend arbeitete er ein weiteres Jahr bei der Spedition als Kassierer und Expedient. 1926 wechselte Greiß für ein Jahr in die Buchhaltung der Farbenfabriken Bayer in Dormagen. Während dieser Zeit lernte er seine spätere Frau Elisabeth (1906-2000), geborene Mertmann, kennen, die er 1933 heiratete. Aus der Ehe gingen die drei Töchter Marie-Therese, Christa und Barbara hervor.
Neben seiner hauptberuflichen Arbeit begann Greiß im Wintersemester 1925/1926 ein Studium der Volkswirtschaft an der Universität zu Köln. Das Studium brachte er jedoch aus familiären Gründen nie zu einem Ende, sodass er die Universität nach fünf Hochschulsemestern ohne Abschluss, aber mit fundierten volkswirtschaftlichen Kenntnissen verließ. 1927 fing er bei der Glanzstoff-Courtaulds GmbH in Köln-Niehl an, wo er zunächst in der betrieblichen Buchhaltung arbeitete. Wegen seiner herausragenden Leistungen und fundierten Wirtschaftskenntnisse wurde Greiß schon 1932 zum kaufmännischen Leiter des Unternehmens ernannt. In den 1930er Jahren und während des Zweiten Weltkriegs konnte Greiß seine Stellung innerhalb des Unternehmens weiter festigen und ausbauen, sodass man ihm 1945 die Geschäftsführung des Unternehmens übertrug. In dieser Funktion arbeitete Greiß bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 1967.
Aufgrund seiner leitenden Position kontaktierte er kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erstmals die Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Köln, um eine Produktionsgenehmigung für sein Unternehmen, ein so genanntes „Permit to reopen“, zu erhalten. Aus diesem Kontakt entstand eine Verbindung, die Greiß sein Leben lang begleiten sollte. Während dieses Genehmigungsverfahrens lernte Greiß den damaligen IHK-Hauptgeschäftsführer, Bernhard Hilgermann (1896-1981), kennen, der Unternehmer beim Wiederaufbau ihrer Betriebe beriet und unterstütze. Neben diesen beratenden Tätigkeiten war er zugleich auf der Suche nach Unternehmerpersönlichkeiten, die sich für die Wiedererrichtung der IHK und den Wiederaufbau der Kölner Wirtschaft einsetzen wollten. Es gelang Hilgermann, Franz Greiß für eine Mitarbeit in der IHK zu interessieren. Nach einigen Monaten der freien Mitarbeit wurde Greiß zum Beginn des Jahres 1946 durch Hilgermann und den damaligen IHK-Präsidenten Robert Pferdmenges in den Präsidialrat der Kammer berufen. Zwölf Monate später wurde er zum Vizepräsidenten der Kammer ernannt. Aufgrund seines Amtes und seiner guten Kontakte zur britischen Besatzungsmacht avancierte Greiß zu einer wichtigen Schnittstelle zwischen der unternehmerischen Selbstverwaltung und der britischen Militäradministration. Zudem wurde er durch seine Funktion immer mehr zu einem Sprachrohr des Kölner Unternehmertums beim Wiederaufbau der heimischen Wirtschaftsstrukturen. Gerade diesen Aspekt machte er sich auch zu Nutze, um vermehrt auf die Funktion und Bedeutung der regionalen Unternehmer während des Wiederaufbaus der Kölner Wirtschaft hinzuweisen. In einer viel beachteten und nachhaltigen Rede „Der Unternehmer – Objekt der Wirtschaft“, die er am 12.2.1947 in der Kölner Universität hielt, stellte Greiß dem Auditorium seine Vorstellungen eines guten Unternehmers vor. Er hob hervor, dass für ihn ein guter Unternehmer derjenige sei, der durch Zähigkeit und Ausdauer, Durchhalten bei Rückschlägen, Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit und Klugheit sein Unternehmen führt und somit auch zugleich zum Wiederaufbau und zur Stabilität der Wirtschaft beiträgt. Gleichzeitig war sein Vortrag aber auch von einer deutlichen Kritik an der restriktiven Besatzungspolitik der britischen Militäradministration getragen, die er als Hindernis für das Wiedererstarken der regionalen Wirtschaft ansah. Mit dieser nachhaltigen Rede gelang es ihm im Folgenden nicht nur sein Auditorium in der schwierigen Nachkriegs- und Besatzungszeit für einen Wiederaufbau von Heimat und Wirtschaft zu motivieren, sondern auch sein jüngst erworbenes öffentliches Ansehen und seine herausragende Stellung innerhalb der Kölner Wirtschaft weiter zu festigen und sich für höhere öffentliche Ämter zu qualifizieren.
Wenige Monate später wurde Franz Greiß am 5.5.1947 mit 44 Ja-Stimmen bei einer Gegenstimme zum Präsidenten der Kölner IHK gewählt. In den Jahren seiner Präsidentschaft setzte er entscheidende inhaltliche und organisatorische Maßstäbe, die bis heute von Bedeutung für die Kölner Wirtschaft sind. Neben der Wiedereröffnung der Kölner Messe, dem Wiederaufbau des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs (RWWA) und dem Neubau des Kammergebäudes an der Straße Unter Sachsenhausen, forcierte er insbesondere den Auf- und Ausbau von internationalen Wirtschaftskontakten und agierte hierbei als Brückenbauer zu den einst im Krieg verfeindeten europäischen Nachbarstaaten. In diesem Zusammenhang sind insbesondere seine Arbeit bei der Gründung der Deutsch-Belgisch-Luxemburgischen Handelskammer und der Union der Handelskammern des Rheingebietes (heute UECC) hervorzuheben.
Inhaltlich legte er während seiner Präsidentschaftszeit außerdem größten Wert auf die praktische Umsetzung der Gedanken der Sozialen Marktwirtschaft und der katholischen Soziallehre.
Am 6.3.1958 trat Greiß in den „ehrenamtlichen Ruhestand“ und gab den Vorsitz der IHK ab. 1970 würdigte die Vollversammlung der IHK seine Leistung um die Kölner Wirtschaft mit der Ehrenpräsidentschaft der unternehmerischen Selbstverwaltung.
Neben seinem Wirken in der IHK engagierte sich Greiß in zahlreichen weiteren Verbänden des öffentlichen Lebens. 1945 war er unter anderem Mitbegründer des Arbeitgeberverbandes der Chemischen Industrie und der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA). Außerdem gründete er 1949 den Bund Katholischer Unternehmer (BKU), den er bis 1965 als Vorsitzender leitete. Auch hier setzte er sich für die praktische Umsetzung der katholischen Soziallehre und der Sozialen Marktwirtschaft ein. Unterstützt wurde er dabei vom dem „geistigen Vater“ der dynamischen Rente, Wilfried Schreiber (1904-1975), der von 1949- 1958 als BKU-Geschäftsführer tätig war.
Wichtige Impulse für sein Wirken um ein christliches Miteinander in Staat und Gesellschaft erhielt er auch von den Kölner Erzbischöfen Josef Kardinal Frings und Joseph Kardinal Höffner. Verstärkt setzte er sich zudem in der 1952 von ihm gegründeten Interessengemeinschaft „Die WAAGE“ für die Umsetzung der Sozialen Marktwirtschaft ein. Einen Wegbegleiter fand er dafür in Alfred Müller-Armack, mit dem er sich auch für die Universität zu Köln engagierte. Gemeinsam mit Müller-Armack war er maßgeblich an der Gründung des Förderkreises des Instituts für Wirtschaftspolitik und an der Wiedererrichtung des Instituts für Wirtschafts- und Arbeitsrecht beteiligt. Sein Engagement für die Universität Köln wurde 1955 mit der Würde eines Ehrensenators und 1965 mit dem Ehrendoktor der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät anerkannt.
Für seinen Einsatz um die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft wurde Greiß 1969 unter anderem das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Am 3.6.1995 verstarb Franz Greiß im Alter von 90 Jahren in Köln. In Köln-Niehl ist ihm eine Straße gewidmet.
Werke
Wirtschafte wirtschaftlich. Die Rationalisierung als Aufgabe und Verpflichtung, Köln 1954.
Sozialethik und Soziallehre in betrieblicher Praxis, Köln 1982.
Schreiber, Wilfrid, Das Zeitalter des Menschen. Aufsätze und Reden von Franz Greiß, Köln 1955.
Herausgeberschaft
Greiß, Franz/Meyer, Fritz (Hg.), Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. Festgabe für Alfred Müller-Armack, Berlin 1961.
Literatur
Watrin, Christian, In memoriam Franz Greiß, in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik 2 (1995), o. S.
Weise, Jürgen, Franz Greiß, in: Soénius, Ulrich S./ Wilhelm, Jürgen (Hg.), Kölner Personenlexikon, Köln 2008, S. 191.
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Laux-Steiner, Oliver, Franz Greiß, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-greiss/DE-2086/lido/57c6d62c192ba1.81899563 (abgerufen am 19.08.2024)