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Der evangelische Religionslehrer Georg Maus wurde früh Mitglied der Bekennenden Kirche. Im Religionsunterricht stellte er getreu seinem christlichen Glauben die Nächstenliebe als unverhandelbar und auch in Kriegszeiten als gültig heraus. Durch Denunziation geriet er in das Räderwerk des NS-Staates, wurde inhaftiert und verurteilt. Er starb auf einem Transport in das KZ Dachau.
Georg Maus war das erste von fünf Kindern von Melchior Anton Maus und dessen Ehefrau Philippine Ulrike Henriette, geborene Engelhard. Ihm folgten die vier Geschwister: Martha (1890), Johannes (1892), Leopold (1897) und Elisabeth (1898). Der Vater war Pfarrer im oberhessischen Bottendorf (heute Gemeinde Burgwald); er taufte seinen Sohn am 5.6.1888. Mit seinen Geschwistern wuchs Georg in Bottendorf behütet auf, erzogen zu Bescheidenheit, da die Einkünfte der Familie eher gering waren. Maus besuchte 1898-1907 das Gymnasium in Rinteln. Er war ein guter Schüler und erhielt als einer der Besten seines Jahrgangs mit 18 Jahren das Reifezeugnis.
Im Sommersemester 1907 begann Maus in Marburg mit dem Studium der Theologie. Er gehörte der Verbindung „Schaumburgia“ an, einer Turnerschaft, die von seinem Vater mitgegründet worden war. Er studierte mit einem Stipendium, das an Auflagen gebunden war, so musste er verschiedene Prüfungen und Fleißarbeiten vorweisen. Als er die mit dem Stipendium verbundenen Anforderungen nicht erfüllte – er genoss offensichtlich zu sehr das Studentenleben –, verlor er dieses. Im Sommersemester 1909 stellte sich Maus der Prüfungskommission, doch bestand er die Prüfung nicht. Er wechselte deshalb zum Wintersemester 1909/1910 an die Theologische Hochschule in Bethel (Stadt Bielefeld), wo er sich jedoch eher als „Brockensammler“ denn als Student betätigte. Seine Studien nahm er von Ostern 1910 bis Ostern 1911 in Göttingen wieder auf, trat erneut zum ersten theologischen Examen an und fiel wieder durch. Daraufhin unterbrach er sein Studium und orientierte sich um: Maus wollte nun Religionslehrer werden. Er wechselte nach Kiel und studierte neben evangelischer Theologie die Fächer Deutsch und Geschichte. Am 1.10.1913 wurde er zum Militärdienst eingezogen und leistete gleich anschließend einen vierjährigen Kriegsdienst.
Zurück in Kiel nahm Maus 1919 seine Studien wieder auf und absolvierte am 9. und 10.12.1920 erfolgreich die Abschlussprüfung für das Lehramt an höheren Schulen. Bereits am 10.1.1921 begann der Vorbereitungsdienst am Gymnasium Philippinum in Marburg. Da ihm das zweite Vorbereitungsjahr erlassen wurde, konnte er am 14.12.1921 die pädagogische Prüfung ablegen, die er mit genügend bestand.
Noch während des Vorbereitungsdienstes hatte er am 3.8.1921 Elisabeth Nies geheiratet, Tochter eines Steuerberaters aus Mülhausen im Elsass. Das Ehepaar hatte drei Kinder: Gerhard (1922), Otfried (1926) und Sigrid (1928). Als Maus‘ Ehefrau 1937 verstarb, nahm sie ihm auf dem Sterbebett das Versprechen ab, ihre Schwester Waltraud zu heiraten. Sie wurde den drei Kindern eine verständnisvolle Mutter.
Nach bestandenem Examen übernahm Maus die Leitung einer Privatschule in Braunfels/Lahn, die zuvor seine Frau geleitet hatte. Allerdings vernachlässigte er die mit dieser Position verbundenen Verwaltungsaufgaben, sodass Zuschüsse nicht rechtzeitig beantragt wurden und die Schule geschlossen werden musste. Für Maus begann eine Odyssee durch zahlreiche Gymnasien im Rheinland: Von Ostern 1925 bis 1936 unterrichtete er an zwölf verschiedenen Schulen (unter anderem Aufbauschule in Wetzlar, Gymnasium in Betzdorf, Reform-Realgymnasium in Köln-Mülheim, Realgymnasium in Düsseldorf-Benrath und Schloss-Gymnasium Rethelschule in Düsseldorf). Erst 1936 fand er am Wuppertaler Hindenburg-Realgymnasium eine erste feste Anstellung. Seine häufigen Versetzungen hingen wohl damit zusammen, dass sein Umgang mit Schülerinnen und Schülern verbesserungswürdig war. Auch praktizierte er einen ungewöhnlichen Unterrichtsstil und pflegte im Religionsunterricht sein persönliches Bekenntnis herauszustellen.
Politisch war Maus konservativ, bis 1933 war er Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), 1933 wurde er Mitglied im NS-Lehrerbund. Allerdings entwickelte sich bei Maus bald eine Distanz zum NS-Regime. In Düsseldorf hatte er Kontakt zu Hellmut Lauffs (gestorben 1985) gefunden, der ihm Predigten von Pfarrern der Bekennenden Kirche (BK) zugänglich machte. In einem kleinen Gesprächskreis wurden diese wie auch Alfred Rosenbergs „Mythus des 20. Jahrhunderts“ oder theologische Grundsatzfragen, wie beispielsweise die Zwei-Reiche-Lehre Martin Luthers (1483-1546), besprochen. Nach der Sportpalastkundgebung im November 1933 in Berlin, auf der die Deutschen Christen ihren wahren Charakter offenbart hatten – sie forderten die Beseitigung des Alten Testaments und der Theologie des „Rabbiners Paulus“ –, wurde Maus im November 1934 in Düsseldorf-Benrath eines der ersten Mitglieder der Bekennenden Kirche. Infolge seiner wachsenden Distanz zum NS-Regime verließ er 1939 den NS-Lehrerbund.
Für Maus war es selbstverständlich, einer Gruppe von Jungen Religionsunterricht bei sich zu Hause anzubieten, als der Religionsunterricht an der Schule nicht länger erteilt werden durfte. Themen waren beispielsweise die Geschichte der Kirche, aber auch die Frage, wie man sich im NS-Staat zu verhalten habe. So wird berichtet, dass er die Jungen darauf vorbereitete, Werbekommandos der Waffen-SS zu begegnen. Die schweren Luftangriffe auf Wuppertal hatten auch gravierende Auswirkungen auf Maus und sein Umfeld. Nach einem Phosphorangriff auf Elberfeld, wo Maus mit seiner Familie wohnte, verlieh er seinem Zorn Ausdruck: „Diese Feuersbrunst ist das rechte Zeichen für das Dritte Reich. Aus den höllischen Flammen ist es gekommen und in Flammen wird es untergehen. Dies schreckliche Feuer ist Gottes Gericht über unsere angeblich so fromme Stadt [...].“[1] Maus wurde daraufhin von einem in der Nähe stehenden Gestapo-Mann zusammengeschlagen. Der Vorfall hatte nur deshalb keine weiteren Folgen, weil nach einer Verordnung parteifeindliche Äußerungen innerhalb von 48 Stunden nach Luftangriffen nicht weiterverfolgt werden sollten.
Nachdem auch er und seine Familie bei einem Luftangriff alles verloren hatten und das Gymnasium zerstört war, wurde er von der Schulverwaltung im September 1943 nach Idar-Oberstein versetzt. Allerdings wurde am dortigen Gymnasium kein Religionsunterricht erteilt, da sich keine Lehrerin und kein Lehrer in dem stark nationalsozialistisch geprägten Ort dazu bereitgefunden hatte. Maus meldete sich am 23. September beim Schulleiter, Oberstudiendirektor Dr. Fischer, zum Dienstantritt. Maus hoffte für seine neue Arbeitsstelle auf eine gedeihliche Zusammenarbeit. Seine Aufnahme fiel jedoch alles andere als freundlich aus. Der stellvertretende Direktor, Oberstudienrat Dr. Fritz Cullmann, der betont antichristlich eingestellt war, erklärte ihm: „Wir können Sie hier ja eigentlich nicht gebrauchen.“[2] Maus verbarg im Unterricht seine christliche Haltung keineswegs. Daher kam es wiederholt zu Spannungen.
Eine erste kritische Situation ergab sich, als Maus am 25.9.1943 von der Abteilung für höheres Schulwesen der Rheinprovinz aufgefordert wurde, zu erklären, weshalb er vier Jahre zuvor aus dem NS-Lehrerbund ausgetreten sei. Maus antwortete, dass er sich „durch die immer deutlicher hervortretende Einstellung des Bundes gegen Christentum und christliche Erziehung“[3] dazu veranlasst gesehen habe. Falls die vorgesetzte Behörde es anordne, werde er die Austrittserklärung zurückziehen. Offensichtlich wurde diese Angelegenheit aber nicht weiterverfolgt. Folgewirksam wurde ein Ereignis vom Februar 1944, als Maus im Religionsunterricht der Unterstufe die Missionsgeschichte behandelte und dabei darauf hinwies, dass Stammesfehden und Blutrache zwischen primitiven Völkern durch die Anerkennung des Gebotes der Feindesliebe Jesu beendet worden seien. In der sich anschließenden Diskussion fragte ihn eine Schülerin, ob denn das Gebot der Feindesliebe auch im Blick auf die Engländer gelte, die doch deutsche Städte bombardierten. Goebbels habe gesagt, man müsse sie hassen. Maus verwies ohne Zögern darauf, dass Jesus die Feindesliebe geboten habe und auch „Dr. Goebbels kann Jesu Gebot nicht aufheben!“ [4]
Dieser Vorfall wurde im April 1944 angezeigt, woraufhin der zuständige Sachbearbeiter in der Abteilung für höheres Schulwesen der Rheinprovinz beim Direktor der Oberschule am 5. April eine Stellungnahme zu diesen Vorgängen einforderte. Fischer suchte zu beschwichtigen. In seinem Antwortschreiben vom 15. April berichtete er, er habe „Maus auf das Unmögliche einer derartigen Stellungnahme hingewiesen und ihm bedeutet, wie dadurch deutsche Kinder nicht nur in innere Konflikte gebracht würden, sondern daß auch die Einheitlichkeit der schulischen Erziehung aufs stärkste damit gefährdet sein würde.“[5] Er habe Maus „angewiesen, sich künftighin derartiger Äußerungen zu enthalten.“ Zudem verwies der Schulleiter darauf, dass Maus eine „orthodox-christliche Einstellung“ habe und dass er ein „bibelgläubiger Christ“ sei, der „in der Weltanschauung des Nationalsozialismus eine ihm fremde Welt“ empfinde.
Maus wurde zu einer Anhörung nach Koblenz vorgeladen und berichtete darüber am 2. Mai seinen Schülerinnen und Schülern, worauf sich eine erneute Debatte über Jesu Gebot der Feindesliebe ergab, in der Maus seinen Standpunkt bekräftigte. Offensichtlich wurde dies erneut den Behörden gemeldet, sodass ihn zwei Gestapo-Beamte am 16. Mai während des Unterrichts verhafteten und ihn zu einem Verhör ins Idar-Obersteiner Stadthaus brachten. Am folgenden Tag wurde er vom Dienst suspendiert, zugleich begannen Vernehmungen seiner Schülerinnen und Schüler. Am 18. Mai wurde er nach Koblenz in Untersuchungshaft gebracht und am 5. Juni erging Haftbefehl gegen ihn, da er gegenüber den Kindern in der Oberschule geäußert habe, „es sei nicht recht gewesen, daß man die Juden aus dem Land getrieben habe“.[6] Zudem wurde er beschuldigt, „über Anordnungen leitender Persönlichkeiten des Staates ketzerische Äußerungen getan zu haben, die genügend waren, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben […].“
Im September 1944 änderte sich die Lage einschneidend: Koblenz erlitt schwere Bombenangriffe und auch das Gefängnis wurde nahezu völlig zerstört. Bei diesem Angriff erlitt Maus eine schwere Verwundung und zog sich eine Blutvergiftung zu, zudem war sein Körper von einer 1942 durchgeführten Magenoperation noch geschwächt. Überraschenderweise wurde dann die Verhandlung an den Volksgerichtshof nach Berlin verlegt. Maus wurde daher am 21.11.1944 in das Gerichtsgefängnis Berlin-Plötzensee überführt. Da die Verletzungen jedoch nicht ausgeheilt waren, kam er zunächst in das Gefängnislazarett Berlin-Moabit. In der Anklageschrift des sechsten Senats des Volksgerichtshofs wurde Maus dann der Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung angeklagt. Dies wurde damit begründet, dass er „in den von ihm abgehaltenen Religionsstunden seine Schüler gegen den Nationalsozialismus einzunehmen und sie in Bezug auf den gegenwärtigen Krieg für pazifistische Gedankengänge zu gewinnen versucht“[7] habe. Diese Begründung ist insoweit überraschend, als Maus sich nie in pazifistischer Weise geäußert hatte, worauf dann die Verteidigung auch hinwies. Weiter wurden die Ereignisse in der Religionsunterrichtsstunde im Hinblick auf die Frage nach der Feindesliebe angeführt und herausgehoben, dass Maus den Vorwurf zurückgewiesen habe, die Juden hätten den Krieg angezettelt. Er habe gesagt, „es sei nicht richtig von Deutschland gewesen, jetzt im Kriege die Juden zum Lande hinauszujagen, denn die Juden arbeiteten doch auch.“[8] Da Anklage wie Verteidigung bei der Verhandlung am 23.11.1944 auf Beweisaufnahmen verzichteten, wurde das Urteil aufgrund der Aktenlage gefällt: Maus wurde „wegen Wehrkraftzersetzung“ zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. In der Urteilsbegründung war dezidiert darauf hingewiesen, dass Maus als Religionslehrer im Zusammenhang mit dem Bibelwort „Liebet Eure Feinde“ Äußerungen getan habe, „die, wie er sich sagen mußte und gesagt hat, geeignet waren, die staatspolitische Einstellung und Entwicklung der Kinder zu gefährden.“ [9]
Da sich alliierte Truppen Berlin näherten, hatten viele der Gefangenen die Hoffnung, befreit zu werden. Dies ließ auch Maus trotz seiner Leiden durchhalten. Allerdings wurden die Inhaftierten am 7.2.1945 abtransportiert, zunächst auf einem Frachtkahn auf der Elbe, dann zu je 60-65 Mann in Güterwagen. Sie sollten ins Konzentrationslager Dachau gebracht werden. In der Nacht vom 14. zum 15.2.1945 verstarb Maus in der Höhe von Plauen; bei Hochstadt am Main wurde der Leichnam aus dem Zug ausgeladen und lag dann mindestens fünf Tage am Bahndamm, ehe er bestattet wurde. 1960 wurden die Überreste von Maus in die KZ-Ehrengedenkstätte Flossenbürg umgebettet.
Maus, der im Religionsunterricht getreu seinem christlichen Glauben die Nächstenliebe als unverhandelbar und als auch in Kriegszeiten gültig herausgestellt hatte, war aufgrund seiner christlichen Überzeugung ins Räderwerk des NS-Staates gekommen. Maus war von Eltern seiner Schülerinnen und Schüler denunziert worden, man hatte ihn inhaftiert und verurteilt.
Heute erinnert in Idar-Oberstein eine kurze Straße an den glaubensfesten Pädagogen.
Literatur
Hermle, Siegfried, Georg Maus, in: Schneider, Thomas Martin/Conrad, Joachim/Flesch, Stefan (Hg.), Zwischen Bekenntnis und Ideologie. 100 Lebensbilder des rheinischen Protestantismus im 20. Jahrhundert, Leipzig 2018, S. 128–131.
Loscher, Klaus/Hahn, Udo: „Ich habe nicht verleugnet.“ Georg Maus: Leben und Wirken eines Religionslehrers im Dritten Reich, Wuppertal 1987.
Lekebusch, Sigrid, „Auch Dr. Goebbels kann Jesu Gebot nicht aufheben.“ Der Leidensweg des Lehrers Georg Maus, in: Norden, Günther van/Schmidt, Klaus (Hg.), Sie schwammen gegen den Strom. Widersetzlichkeit und Verfolgung rheinischer Protestanten im „Dritten Reich“, 2. Auflage, Köln 2007, S. 144–147.
Lekebusch, Sigrid, Maus, Georg Heinrich Ludwig Gottfried, in: Schultze, Harald/Kurschat, Andreas (Hg.), „Ihr Ende schaut an ...“. Evangelische Märtyrer des 20. Jahrhunderts, Leipzig 2006, S. 363–365.
Online
Hermle, Siegfried, Georg Maus, in: https://de.evangelischer-widerstand.de/#/menschen/Maus [24.8.2020]. [Online]
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Hermle, Siegfried, Georg Heinrich Ludwig Gottfried Maus, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/georg-heinrich-ludwig-gottfried-maus/DE-2086/lido/62ebcbec05b016.50328065 (abgerufen am 20.08.2024)