Zu den Kapiteln
Kurt Schwippert, Professor an den Kölner Werkschulen, Schöpfer des Ehrenmals der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, gehört mit seinen kraftvoll-strengen Arbeiten zu den bedeutendsten Bildhauern des 20. Jahrhunderts.
Geboren wurde Kurt Ferdinand Schwippert am 18.7.1903 in Solingen im Bergischen Land, wohin seine Eltern um 1900, aus Remscheid kommend, gezogen waren. Sein Vater, Karl Ferdinand Schwippert (geboren 1873), arbeitete dort als Volksschullehrer an der Schule auf der Kraherhöhe, die auch sein vier Jahre älterer Bruder Hans besuchte, der ein bedeutender Architekt wurde. Die Mutter, Hedwig Schwippert geborene Kettniss (geboren 1879), stammte aus Gemünd in der Eifel, wo die Kinder regelmäßig bei den Großeltern ihre Ferien verbrachten und ihre ausgeprägte Liebe zur Natur ihren Anfang nahm. Die Familie war katholisch.
1908 übersiedelte die Familie nach Essen-Altenessen, wo Kurt gemeinsam mit seinem Bruder das Humanistische Gymnasium besuchte. Im selben Jahr übernahm der Vater die Leitung der Gewerbeschule in Essen, die zeitweilig auch Gewerbliche Fortbildungsschule, Kunstgewerbliche Schule und später Handwerker- und Kunstgewerbeschule Essen hieß. Die Bildung seiner Söhne förderte er durch regelmäßige Theater- und Opernbesuche, stundenlange Gespräche über Religion und Philosophie sowie Zeichen- und Malunterricht.
1917 legte Hans das Abitur ab, doch Kurt entschied sich dazu, nach der Mittleren Reife abzugehen und 1921–1923 eine Ausbildung zum Holz- und Steinbildhauer bei Joseph Enseling (1886–1957) an der Kunstgewerbeschule in Essen zu absolvieren, die er im Atelier bei Jakob Wilhelm Fehrle (1884–1974) in Schwäbisch Gmünd vervollständigte. Anschließend folgte 1923-1924 ein Studium an der Kunstakademie in Stuttgart bei Christian Speyer (1855–1929), das er 1924–1927 an der Kunstakademie in Düsseldorf erfolgreich beendete. Noch als Meisterschüler von Richard Langer (1879–1950) erhielt Schwippert dort 1925 durch Vermittlung des Malers Heinrich Nauen (1880–1940) seinen ersten Auftrag, die Gestaltung eines Kriegerehrenmals für die Gemeinde Brüggen. Die Steinguss-Plastik, drei zu einer Kernkomposition vereinte Männer, schwankt zwischen naturalistischen Formen im oberen Teil und expressionistisch-prismatischen Formen im unteren Teil der Körper, nicht untypisch für die frühen Arbeiten Schwipperts. Die als zu modern empfundene Formgebung, verbunden mit der anti-heroischen Aussage, stieß schon bei der Aufstellung auf Ablehnung und führte im Nationalsozialismus zur Einstufung als „entartet“.
1927 wagte Schwippert den Sprung in die freie künstlerische Tätigkeit und führte zunächst ein Atelier in Düsseldorf-Stockum. Aufträge bekam er vorwiegend von Städten und Kirchengemeinden am Niederrhein. Doch sein noch aus der Jugendzeit stammender Wunsch, im Einklang mit der Natur zu leben, veranlasste ihn 1930, ein Atelierhaus im kleinen Örtchen Hünerbach bei Kelberg in der Eifel zu beziehen. Der mitten im Wald gelegene kubische Fachwerkbau wurde nur mit einheimischen Materialien und nur durch Handwerker aus der Umgebung nach den Plänen seines Bruders Hans, mittlerweile schon ein bekannter Architekt, errichtet. Dorthin zog er mit seiner Ehefrau, Erika von Laue (geboren 1896), die er am 30.7.1928 geheiratet hatte; die Ehe blieb kinderlos.
Doch Schwipperts deutlich vom Expressionismus geprägte Bildhauerkunst stand in krassem Gegensatz zur politisch favorisierten Kunst der Nationalsozialisten, was ihn in seiner Kompromisslosigkeit zum Außenseiter werden ließ. Schwipperts Werke wurden nach 1933 als „entartet“ gebrandmarkt, in den Museen beschlagnahmt und aus der Öffentlichkeit entfernt. Seine Großplastiken in Brüggen, Düsseldorf und Duisburg wurden komplett abgebrochen, sein Ehrenmal in Straelen stark beschädigt. Da er mit Berufsverbot belegt worden war, bot der couragierte und kunstsinnige Pfarrer des niederrheinischen Klosters Marienthal, Augustinus Winkelmann (1881–1954), ihm – wie vielen anderen „entarteten“ Künstlern – Arbeitsmöglichkeiten durch Aufträge. So fertigte Schwippert Grabsteine an, und Heinrich Campendonk schmückte die Mönchszellen mit modernen Glasfenstern aus. 1936 hielt Schwippert sich in Rom auf, da er einen Auftrag für die Welt-Presse-Ausstellung des Vatikans erhalten hatte. Es erstaunt, dass Schwippert trotz Ausgrenzung durch die Nationalsozialisten 1938–1939 ein Staatsstipendium des preußischen Kultusministeriums für die Kunstakademie Kassel erhielt. Danach bezog er in Köln-Lindenthal ein Atelier, das jedoch 1942 im Krieg zusammen mit einem großen Teil von Schwipperts Arbeiten zerstört wurde. Schwippert selbst musste in den Jahren 1942–1945 als Soldat ins Feld ziehen.
War der Künstler zunächst nur Kunst Schaffender, wurde er ab 1949 Lehrender: 1949–1956 als Dozent an der Werkkunstschule Münster und 1957–1962 als Leiter der Bildhauerklasse an der Werkkunstschule Wuppertal, die in der späteren Bergischen Universität Wuppertal aufging. 1961 zum Professor ernannt, folgte 1963 seine Berufung als Lehrer für Bildhauerei und Bauplastik sowie Leiter der Bildhauerklasse an die Kölner Werkschulen, wo er bis zu seiner Emeritierung 1968 lehrte. Am 7.5.1983 starb Kurt Schwippert in einem Krankenhaus in Mayen.
Einst von den Nationalsozialisten verfemt, bekam der Bildhauer nach dem Zweiten Weltkrieg durch zahlreiche Ausstellungen von regionaler und überregionaler Bedeutung endlich die Beachtung, die er verdiente. Er wurde als Lehrer und Künstler mit Preisen ausgezeichnet und erlangte wichtige Ehrungen. So erhielt er 1949 den Karl-Ernst-Osthaus-Preis der Stadt Hagen, 1952 den Peter-Cornelius-Preis der Stadt Düsseldorf, wurde 1953 Mitglied des Deutschen Werkbundes, bekam 1968 die Ehrenplakette der Kölner Werkschulen verliehen, 1974 das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland, erhielt 1977 den Kaiser-Lothar-Medaille der Europäischen Vereinigung bildender Künstler aus Eifel und Ardennen, 1978 die Max-Slevogt-Medaille des Landes Rheinland-Pfalz und den Kulturpreis der „Bürgerstiftung Solingen 600“, 1980 das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland und 1982 den Kunstpreis Rheinland-Pfalz.
Gegen jeden Zeitgeist blieb der Bildhauer Schwippert seinem strengen, etwas reduzierten und fast ,klassischen‘ Stil bis ins hohe Alter treu. Auffallend viele seiner Werke sind Unikate oder, um die Form auf unterschiedlichen Materialien zu erproben, in zwei Ausführungen erstellt, einmal in Bronze und einmal in Keramik. Die sonst übliche „Auflage“ mehrerer Abgüsse kommt eher selten vor. Schwippert reduzierte, arbeitete mit sparsamen plastischen Mitteln und konzentrierte sich auf das Wesentliche des Motivs. Sein zentrales Thema war der Mensch, sein künstlerisches Ziel, die Verschmelzung von Mensch und Harmonie. Nach 1950 traten scharfe Grade und Kanten an Stelle der natürlichen Rundungen, Schwipperts Werk gewann an Schärfe, eine zunehmende Geometrisierung und Verfremdung beherrschte nun sein Schaffen. Später fand er jedoch wieder mehr zur runden Form und plastischem Volumen zurück.
Ganz eindeutig gehört Schwippert mit seinen Arbeiten zu den bedeutendsten Bildhauern des 20. Jahrhunderts. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sich die Bundesregierung gerade auf ihn besann, als man in den 1960er Jahren daran dachte, ein Ehrenmal zu errichten, um bei offiziellen Veranstaltungen am Volkstrauertag oder bei Staatsbesuchen Kranzniederlegungen durchführen zu können. Bundespräsident Heinrich Lübke (Amtszeit 1959-1969) empfahl jedoch von vornherein etwas mutlos ein Denkmal in sachlicher Form mit der sehr allgemein gehaltenen Inschrift „Den Opfern der Kriege und der Gewaltherrschaft“, so dass dem Künstler kein großer Spielraum blieb. Schwippert schuf also eine große Bronzetafel, die 1964 vor dem Akademischen Kunstmuseum im Bonner Hofgarten Aufstellung fand (heute auf dem Nordfriedhof). Diese Arbeit Schwipperts, die kaum individuelle Züge seiner Handschrift trägt, zeigt die ganze Ratlosigkeit der noch jungen Bundesrepublik in der Frage, wie man nach den Zeiten des Missbrauchs von Symbolen und Denkmälern durch die Nationalsozialisten eine eigene, neue Erinnerungskultur schaffen könne. Aus Angst vor falschem Pathos fand man keine andere Form, als die einer schlichten Tafel. So wurde ausgerechnet das Denkmal, das zum Höhepunkt in Schwipperts Schaffen hätte werden können, zu einem künstlerisch unbedeutenden.
Werke (Auswahl)
1926 - Kriegerehrenmal, Brüggen, Steinguss, 1937 entfernt, 1957 wiedererrichtet.
1926 - Kriegerehrenmal, Straelen, 1926, Keramik, nach 1933 stark beschädigt, 1944 kriegszerstört.
1929 - Pietà, Klosterkirche Marienthal, Keramik.
1930 - Kriegerehrenmal, Krefeld-Fischeln, Keramik.
1930 - Kriegerehrenmal, Katholische Pfarrkirche St. Peter in Sinzig, Bronze
1930 - Kriegerehrenmal Waldfriedhof Duisburg, Bronze, 1937 abgebaut und ins Ausland verkauft.
1950 - Figurengruppe, Ingenieurschule Hagen, Bronze.
1954 - Auferstehender Christus, Pfarrkirche in Kastel, Bronze.
1956 - Gea (Gaia), Rheinpark Köln-Deutz, Steinzeug.
1959 - Madonna im Strahlenkranz, Pfarrkirche Düsseldorf-Wersten, Eichenholz.
1953 - Morgenwache, Soldatenfriedhof Noyers/Frankreich, Muschelkalk.
1964 - Ehrenmal der Bundesrepublik Deutschland, Bronzetafel, Bonn, Nordfriedhof.
1966/1967 - Auferstehender Christus, Hausen, Mainsandstein.
Literatur
Amtsblatt Kreis Viersen, 61. Jahrgang, 6. Oktober 2005.
Buslei-Wuppermann, Agatha, Hans Schwippert 1899–1973, Diss. Univ., Wuppertal 2006.
Johann, Ernst, Der Bildhauer Kurt Schwippert, Düsseldorf [1950].
Niesen, Josef, Bonner Denkmäler und ihre Erbauer, Bonn 2013.
Venzmer, Wolfgang, Kurt Schwippert. Plastiken – Zeichnungen, Mainz 1980.
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Niesen, Josef, Kurt Schwippert, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/kurt-schwippert/DE-2086/lido/57c94da06086e5.82843469 (abgerufen am 19.08.2024)