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Die jüngere Schwester des Schauspielers, Regisseurs und Theaterintendanten Gustaf Gründgens (1899-1963) ist mit ihren Kinderstimmenimitationen „Ich wünsch mir eine kleine Ursula“ und „Wenn ich groß bin, liebe Mutter“ wohl noch im Bewusstsein eines älteren Publikums. Mit diesen beiden Liedern feierte sie in den 1930er und 1940er Jahren ihre größten Erfolge.
Am 23.5.1903 wurde Marita Gründgens in Düsseldorf als zweites Kind von Arnold Gründgens (1872-1943) und seiner Ehefrau Emilie (Emmi), geborene Ropohl (1874-1935) geboren. Die Familie des Vaters stammte aus Aachen, hatte holländischen Einschlag, war weitverzweigt; sie hatte erfolgreiche Kaufleute, Unternehmer und Industrielle gestellt. Ähnlich respektabel war die Familie der aus Köln stammenden Mutter, zu deren Vorfahren Johann Baptist Fuchs (1757-1827), gehörte, 1798 zeitweilig Präsident der französischen Munizipalität Köln, später Advokat und Königlich-preußischer Regierungsrat. Dessen Vater hatte unter anderem das Amt eines kurkölnischen Brückenmeisters inne gehabt. Beide Familien waren katholisch.
Aufgrund finanzieller und wirtschaftlicher Engpässe, entstanden durch Fehlentscheidungen des Vaters, denn „er war nicht der gute Industrielle, für den er sich immer ausgab“, so Sohn Gustaf, zog die Familie mehrere Male zwischen Düsseldorf und Köln hin und her. Trotz dieses unsteten Lebens verbrachten Marita und Gustaf eine fröhliche Kindheit. Marita nahm bereits als Kind Klavierunterricht und erhielt eine Ausbildung zur Pianistin am Konservatorium in Köln. Ihre Gesangsausbildung absolvierte sie bei Johanna Syre.
Das Verhältnis zu ihrem Bruder erwies sich als stabil, denn sie unterstützte ihn beispielsweise dahingehend, dass sie seine Post und Rechnungen erledigte, als er 1923 ein Engagement bei Erich Ziegel (1876-1950) in Hamburg annahm. 1925 bis 1927 war Gustaf Gründgens mit Erika Mann (1905-1969) verheiratet, womit Erika und Marita verschwägert waren; über das Verhältnis der beiden Frauen zueinander ist jedoch nichts bekannt.
Die Auswirkungen der um 1930 in Deutschland einsetzenden Theaterkrise, zu der auch die Streichungen der Subventionen für die Staatstheater gehörten, hinterließen Spuren bei den Künstlern, deren Familien und den Theaterbesitzern. Alle klagten über Geldmangel und Zahlungsschwierigkeiten. Maritas Mutter finanzierte die Familie, indem sie Unterrichtsstunden gab. Marita selbst bemühte sich um ein erstes Engagement, das sie ab 1931 beim Schul- und Kinderfunk der WERAG, der Westdeutschen Funk-Stunde AG (Vorläufer des heutigen WDR) in Düsseldorf bekam.
Neben der Arbeit beim Schul- und Kinderfunk wirkte sie 1931/1932 bei der Winterhilfe der WERAG mit. Sie nahm bei Bunten-Radio-Abenden und an Öffentlichen lustigen Abenden zu Gunsten Notleidender, unter anderem im Kaisersaal der Tonhalle Düsseldorf, im Saalbau Recklinghausen und im großen Saal des Stadtgartens Bad Hamm (Stadt Hamm) teil. Neben Marita Gründgens, die von Josef Breuer (1914-1996) am Flügel begleitet wurde, gehörten zum Programm unter anderem die Sängerinnen und Schauspielerinnen Irene Ambrus (1904-1990), Lotte Werkmeister (1885-1970), das kleine Orchester der WERAG, der Opernsänger Willi Störing (1896-1976), Eugen Rex (1884-1943) mit lustigen Plaudereien sowie Georg Wolff, der „Lachpillenwolf“, mit lustigen Gerichtsszenen. Weiterhin wirkte sie in Hörspielproduktionen mit; so 1931 in Joseph von Eichendorffs (1788-1857) „Feiern“, wo sie die Flora sprach.
Der Sender Radio Stuttgart lud Marita Gründgens für Produktionen ein und ab 1933 - sie konnte nun erste künstlerische Erfolge verzeichnen - wurde sie von verschiedenen Varietés als Sängerin engagiert. Sie war Gast im „Apollo“ in Düsseldorf, im „Flora“ in Hamburg und im Berliner „Wintergarten“, unternahm Tourneen unter anderem mit Barnabas von Géczy (1897-1971), Lale Andersen (1905-1972), Heinz Erhardt (1909-1979), Rosita Serrano (1914-1997) und Maria von Schmedes (1917-2003). Marita Gründgens schrieb neben Liedtexten nun auch parodistische Texte, wie zum Beispiel „Filmsucht“. Sie verwendete dazu das von Friedrich Hollaender (1896-1976) geschriebene Chanson „Ich bin von Kopf bis Fuß“ aus dem Film „Der blaue Engel“ (1929/1930). Vertont wurden ihre Liedtexte unter anderem von Otto Seyfert und J. Schmitz . Weiterhin arbeitete sie als Pianistin und war an circa 40 Plattenproduktionen als Interpretin beteiligt. 1933 heiratete Marita Gründgens einen Herrn Schüssler. Weitere Angaben zur Eheschließung, zum Ehemann wie über den gemeinsamen Sohn fehlen.
1938 sprach Marita Gründgens in einem Rundfunkprogramm Kinderszenen und Parodien von Paul Lacroix, die in dem Buch „Kunterbunt und Kindermund“ im Rufu-Verlag, Köln, publiziert wurden.
Während des Krieges war sie auch als Truppenbetreuerin tätig. In den Nachkriegsjahren konnte Marita Gründgens weiter von ihrem künstlerischen Beruf leben, wenn auch die Auftragslage nicht besonders gut war. Zu Beginn der 1950er Jahre versuchte sie vergebens, im Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR, Vorläufer des heutigen WDR) eigene Sendungen zu etablieren. Sie schrieb Briefe, entwickelte Ideen für eigene Sendungen und fertigte Manuskripte an, die alle abschlägig entschieden wurden. Zu dieser Zeit lebte sie in Bad Harzburg. 1960 zog sie sich von der Bühne zurück. Sie starb am 24.12.1985 in Solingen.
Der gute Durchschnitt (Auszug)
Text: Marita Gründgens, Musik: Otto Seyfert, o. J.
Der gute Durchschnitt
Ich bin ein Mensch wie all die andern, die hier auf dieser Erden wandern.
Ich bin nicht hübsch, doch auch nicht mies, ein bisschen herb, ein bisschen süß.
Ein guter Durchschnitt eben, so schlendre ich durchs Leben.
Doch manchmal, da kommt es so über mich,
da fühl ich, da weiß ich, da könnte ich:
So ganz die ganz große Dame sein, so irrsinnig reich, so unerhört fein.
In gequirlter Milch, da würde ich baden, Armbänder trüge ich an den Waden.
Eine Kammerzofe in zartrosa Livré, sie würde mich kleiden vom Kopf bis zum Zeh.
Ich habe Kleider, ha, Sie werden staunen. Alle passen zu meinen Launen.
So ganz verrückt und so ganz mondän. Ich schwöre, das hat man noch nie geseh´n.
Quellen
Deutschland Radio, Berlin.
Historisches Archiv des WDR, Köln.
Literaturarchiv Marbach, Handschriftenabteilung.
Musik- und Wortdokumentation im Deutschen Rundfunkarchiv, Babelsberg.
Schall- und Notenarchiv des WDR, Köln.
Stiftung Deutsches Kabarettarchiv, Mainz.
Theaterwissenschaftliche Sammlung Schloss Köln-Wahn.
Werke
Kunterbunt und Kindermund. Kinderszenen und Parodien aus dem Rundfunkprogramm von Marita Gründgens, Texte von Dr. Paul Lacroix, 1. Auflage, Köln 1938.
Literatur
Deutsche National-Discographie, hg. von Rainer E. Lotz, Serie 1: Discographie der deutschen Kleinkunst, Band 5 von Klaus Krüger und Rainer E. Lotz, Bonn 1998.
Fox auf 78. Ein Magazin – Rund um die gute alte Tanzmusik, hg. von Klaus Krüger, Heft 27, Winter 2013.
Förster, Evelin. Die Frau im Dunkeln. Autorinnen und Komponistinnen des Kabaretts und der Unterhaltung von 1901-1935. Eine Kulturgeschichte, Berlin 2013.
Riess, Curt. Gustaf Gründgens. Eine Biographie. Unter Verwendung bisher unveröffentlichter Dokumente aus dem Nachlass, Hamburg 1965.
Tondokumente der Kleinkunst und ihre Interpreten 1898-1945, hg. von Berthold Leimbach Göttingen 1991.
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Förster, Evelin, Marita Gründgens, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/marita-gruendgens/DE-2086/lido/57c6d893df8732.42050931 (abgerufen am 19.08.2024)