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Otto Brües war „im Brotberuf" Journalist, nach eigenem Verständnis jedoch mehr Schriftsteller und Dichter, der mit seinem Werk für eine bessere Welt werben wollte.
Ewald Otto Karl Brües wurde am 7.11.1897 in Krefeld geboren und evangelisch getauft. Sein Vater, Ernst Brües, geboren am 9.8.1866 in Viersen, war Chefredakteur der „Krefelder Zeitung"; seine Mutter, Clara Brües geborene Scheuten, war am 1.6.1874 in Krefeld geboren und evangelisch getauft. Sie stammte aus einer alten Kaufmannsfamilie. Otto Brües heiratete 1922 Hilde Robholt. Gemeinsam hatten sie einen Sohn Ulrich (1923 –1943), der im Krieg als vermisst gemeldet wurde, und eine Tochter Eva (1927–2011), die später das Erbe des Vaters sorgsam pflegte.
Von 1906 bis 1915 war Otto Brües Schüler des Humanistischen Gymnasiums in Krefeld und erhielt hier, wie er später häufig betonte, die entscheidende Prägung für sein Leben. Das altsprachliche Gymnasium folgte dem humanistischen Bildungsideal, vermittelte die philosophischen und literarischen Texte der Antike im Urtext und verband sie mit den Grundelementen der christlichen Weltanschauung zu einem in sich geschlossenen, konservativ geprägten Weltbild. So vorbereitet begann Brües im Mai 1915 sein Studium in Bonn.
Die Welt hatte sich da jedoch schon verändert. Der Erste Weltkrieg hatte im Herbst 1914 begonnen. Das Gymnasium hatte Brües 1915 bereits mit dem „Kriegsabitur" verlassen. Im Februar wurde er aus dem Studium gerissen und zum Kriegsdienst an die Westfront geschickt. Nach der Kapitulation und der totalen Niederlage Deutschlands kam er im November 1918 in die Heimat zurück. Die Eltern waren zwischenzeitlich nach Köln gezogen. Dort hatte der Vater eine leitende Stellung bei der „Kölnischen Zeitung" und Anschluss an die Nationalliberale Partei Gustav Stresemanns (1878-1929) gefunden.
Otto Brües setzte 1918 das Studium der Germanistik, der Kunstgeschichte und der Nationalökonomie in Bonn fort, verließ die Universität 1922 ohne Abschluss und nahm eine Stelle als Feuilletonredakteur des „Stadt-Anzeigers" der „Kölnischen Zeitung" an. Er ging davon aus, dass der Beruf des Journalisten materielle und handwerkliche Grundlage für ein höherwertiges Schaffen bieten könne, denn zum Dichter fühlte er sich weiterhin berufen.
Erste Gedichte und eine kurze Erzählung hatte er schon 1917 veröffentlichen können. Danach folgte eine lebenslange Produktionsphase, die ihresgleichen sucht. Eine von Franz Janssen erstellte Werkübersicht listet unter anderem 26 Dramen, 17 Erzählungen, neun Novellen, 14 Romane und neun Gedichtbände auf. In seinem gesamten Werk spiegelt sich einerseits der Wechsel der Zeitläufte; andererseits erkennt man durchgehend den Autor, der von einem Sendungsbewusstsein erfüllt ist, der dem Guten und Wahren zum Durchbruch verhelfen will und der sich den Stilregeln der hohen Literatur verpflichtet weiß.
Eine erste Schaffensperiode des Dichters Otto Brües fiel in die Krisenzeit der Weimarer Republik. Nach dem Zusammenbruch der alten Ordnung wurde dringend eine neue Orientierung gesucht. In dieser Situation besannen sich namhafte Autoren auf den Wertekanon, der seinen Ursprung in der klassischen Literatur und in der idealistischen Philosophie hat, und auf die Kräfte, die in der Gebundenheit der Menschen an ihre Heimat liegen. Es wurde die große Zeit der rheinischen Schriftsteller.
Das Bekenntnis zur rheinischen Heimat war Folge der Abkehr von dem besiegten Berlin, aber auch Trotzhaltung gegenüber den belgischen und französischen Besatzern. Zur Tausendjahrfeier der Rheinlande gab Brües 1925 eine viel beachtete Anthologie heraus: „Der Rhein in Vergangenheit und Gegenwart. Eine Schilderung des Rheinstroms und seines Gebietes, mit besonderer Berücksichtigung von Land und Leuten, Geschichte, Geistesleben und Kunst, Landwirtschaft und Industrie". Es war der Höhepunkt einer reichen Schaffenszeit, in der der ungemein fleißige Kulturredakteur gleichsam nebenher ein literarisches Werk nach dem anderen herausbrachte, immer darauf bedacht, nicht als Heimatdichter oder Provinzautor eingeordnet zu werden. Doch an seine großen Vorbilder – Theodor Fontane (1819-1898) und Wilhelm Raabe (1831-1910) im Bereich der Epik und Stefan George (1868-1933) in der Lyrik – kam er nicht heran. Immerhin war ihm schon 1922 der mit 10.000 Reichsmark dotierte Dramenpreis des Bühnenvolksbundes zugesprochen worden, der für Bekanntheit gesorgt hatte. Im Ganzen blieb Brües jedoch auch nach eigenem Eingeständnis im Mittelbau der Literaturpyramide hängen. Für den rheinischen Kulturraum nahm er allerdings im begrenzten Zeitabschnitt der Weimarer Republik eine Spitzenstellung ein.
In Adolf Hitler (1889-1945) sah Brües zunächst den Mann, der Versailles rückgängig machen sollte. Erst als mit der "Machtergreifung" 1933 die Attacken der Nationalsozialisten auf die Presse und die Autoren existenzbedrohende Züge annahmen, erkannte er wie viele andere bildungsbürgerlich oder christlich orientierte Autoren die unmittelbare Gefahr. Otto Brües schildert in seiner Autobiographie die bedrückende Situation, der er ausgeliefert war. Dort gibt er zu, dass er dem Druck erlegen sei und sich 1937 zur Mitgliedschaft in der NSDAP habe bewegen lassen. Für seine journalistische und literarische Arbeit suchte er konfliktfreie Themenfelder und wich ins Historische und Idyllische aus. Er habe, schreibt er nachträglich, nicht das Zeug zum Märtyrer gehabt. Die meisten, die die Diktatur erlebt hatten, brachten nach dem Untergang des „Dritten Reichs" Verständnis für diese Art der Anpassung auf. Andere allerdings bezweifelten, dass der beschriebene Druck so zwingend und die innere Distanz zum herrschenden Regime so groß waren wie von ihm beschrieben. Immerhin wurde Brües 1942 der „Rheinische Literaturpreis" im Kölner Gürzenich überreicht. Es wäre möglich, aber gefährlich für die ganze Familie gewesen, den Preis abzulehnen. So wurde er zum „Mitläufer".
Das Kriegsende erlebte Brües in Oberbayern, wo die Familie seit 1939 ein „Wiesenhaus" hatte. Dorthin hatten sich Frau Hilde und Tochter Eva im Krieg zurückgezogen. Nach dem Krieg blieb die Familie bis 1951 in Au bei Bad Aibling. In dieser Zeit schrieb Brües den großen Krefeld-Roman „Der Silberkelch", in dem er in vier Büchern die epochalen Umbrüche vom Kaiserreich bis ins Jahr 1946 gestaltet, immer bezogen auf seine Heimatstadt und seine eigene Lebensgeschichte auswertend.
Als dem Journalisten Otto Brües im Januar 1952 in Düsseldorf eine Stelle als Feuilletonredakteur angeboten wurde und als ihm die Heimatstadt Krefeld ein Haus als Wohnsitz bereit stellte, begann eine weitere, letzte Schaffensperiode. In beeindruckenden Essays warb er wieder für die Geschichte, die Kultur und die Kunst am Niederrhein, erinnerte an prägende rheinische Autoren, schrieb seine Erfahrungen als Theaterkritiker, übernahm einen Lehrauftrag am Theaterwissenschaftlichen Lehrstuhl der Kölner Universität und bot den Bühnen das Drama „Nansen. Ein Schauspiel in 2 Teilen" an. Nach der Uraufführung in Krefeld am 16.2.1960 folgten keine weiteren Anfragen.
Als Otto Brües am 18.4.1967 in Krefeld starb, bereitete man ihm ehrende Gedenkfeiern. Im März 1967 war ihm die Ehrenbürgerschaft der Stadt Krefeld angetragen worden. Zugleich erhielt er den Ehrenring der Stadt. Schon 1959 war ihm das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen worden. Doch seinem Werk sprachen Literaturkritiker inzwischen jede Aktualität ab. Auf dem literarischen Markt hatten neue, andere Stimmen das Sagen.
Wäre nicht Eva Brües, die Tochter des Autors, gewesen, so wäre der einst Erfolgreiche und später Geehrte vielleicht ganz aus dem Bewusstsein der Krefelder Bürger verschwunden. Sie aber gab noch Jahre später unveröffentlichte Werke des Vaters heraus – so die sehr lesenswerte Autobiographie „Und immer sang die Lerche". Sie gründete 1993 auch den „Otto-Brües-Freundeskreis. Eine Gesellschaft für Literatur e.V.", und sie vermachte der Stadt Krefeld den Nachlass und den ererbten Besitz von Otto Brües. Das Haus an der Gutenbergstraße, in dem der Autor einen Schreibtisch für seine Tagesarbeit und einen weiteren für sein literarisches Schreiben hatte, ist seit Juni 2012 „Das Niederrheinische Literaturhaus Krefeld".
Werke (Auswahl)
Schloß Moyland. Novelle, Stuttgart 1943, erweiterte Ausgabe Duisburg 1967.
Der Silberkelch. Roman, Kempen 1948.
Und immer sang die Lerche". Lebenserinnerungen, Duisburg 1967.
Mozart und das Fräulein von Paradis, Tübingen 1967.
Literatur
Eßer, Paul, Großer Humanist – kleiner Mitläufer. Otto Brües, in: Jenseits der Kopfweiden. Sprache und Literatur am Niederrhein, Düsseldorf 2002.
Janssen, Franz, Bewahrendes und progressives Wertebewusstsein. Der rheinische Feuilletonist und Erzähler Otto Brües, Dissertation 1991.
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Pelster, Theodor, Otto Brües, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/otto-bruees-/DE-2086/lido/57c58984415fe1.58163019 (abgerufen am 19.08.2024)