Zu den Kapiteln
Bernhard Ernst war Sport- und Zeitfunkjournalist beim Westdeutschen Rundfunk, er kommentierte maßgebliche Ereignisse des Zeit- und Sportgeschehens von den 1920er bis zu den 1950er Jahren sowohl für den Westdeutschen Rundfunk als auch für den Reichsrundfunk oder die ARD. Ernst machte sich als "Rundfunkpionier" insbesondere um die Entwicklung der frühen Sportreportage im Hörfunk verdient.
Als Sohn des Metzgermeisters Florenz Ernst und seiner Ehefrau Maria, geborene Klute, kam Bernhard Ernst am 8.7.1899 in Münster in Westfalen zur Welt. Die Familie war katholisch. Ernst besuchte die Lambertischule (1905-1909) und das Städtische Gymnasium (1909-1917) in seiner Heimatstadt und legte dort das Kriegsabitur ab, bevor er im Alter von 17 Jahren beim Artillerie-Rekruten-Depot in Münster eingezogen wurde, wo er seine militärische Ausbildung erhielt. Ab März 1918 diente er im Feldartillerie-Regiment 86 an der Westfront, im Oktober 1918 wurde er zum Vizewachtmeister befördert. Mit dem Eisernen Kreuz Zweiter Klasse dekoriert, wurde Ernst im März 1919 demobilisiert.
Er kehrte nach Westfalen zurück und schrieb sich zum Studium der Nationalökonomie an der Universität Münster ein. Hier promovierte er im Jahre 1922 zum Dr. rer. pol. mit der Dissertation „Sportpresse und Sportberichterstattung mit der besonderen Berücksichtigung Westdeutschlands. Eine kritische Studie zur Sportpropaganda“. Schon mit dem Thema der Doktorarbeit ist Ernsts Lebensthema umrissen: der Journalismus, und hier insbesondere der Sport- und Zeitfunkjournalismus.
Schon während des Studiums erwarb sich Ernst erste Sporen als freier Mitarbeiter in den Sportredaktionen verschiedener Tageszeitungen und hospitierte drei Monate in der Lokalredaktion der „Allgemeinen Zeitung“ in Coesfeld. Um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, arbeitete er zudem bei der Provinzial-Feuerversicherung und der Ländlichen Zentralkasse in Münster. 1925 heiratete er Gertrud Fleiter (geboren 1899). Aus der Ehe gingen die Kinder Helga, Gerhard, Günter und Harald hervor.
Im Jahre 1925 bot sich eine neue Chance für Bernhard Ernst, die in einer großen Karriere münden sollte. Im Oktober 1924 war die Westdeutsche Funkstunde AG (WEFAG) zur Verbreitung von Rundfunkdarbietungen in Westdeutschland in Münster gegründet worden. Freilich nicht als Sänger, wie Stoffregen-Büller kolportiert, sondern als Sport- und Nachrichtenredakteur. Die Festanstellung erfolgte zum 1.3.1925. Bei der Verlegung des Geschäftssitzes nach Köln im Herbst 1926 wurde Bernhard Ernst Leiter der Nachrichtenabteilung (spätere Bezeichnung: Zeitgeschehen) bei der Westdeutschen Rundfunk AG (WERAG), wozu auch das Sportressort gehörte. Abgesehen von einer kriegsbedingten Unterbrechung und seiner Einziehung zu einer Propagandakompagnie der Wehrmacht ab April 1940 sollte Ernst bis zu seinem Tod im Jahre 1957 als Sport- und Zeitfunkredakteur beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) tätig sein.
Schon bei der WEFAG machte sich Ernst einen Namen als Sportreporter. So kommentierte er im Jahre 1925 zum Beispiel die erste Liveübertragung eines Fußballspiels im deutschen Rundfunk, die Oberligapartie Preußen Münster gegen Arminia Bielefeld, über eine ins Funkhaus geschaltete Telefonleitung. Ernsts Beitrag zur Entwicklung von Reportageformen des Sportfunks ist nicht hoch genug einzuschätzen: Er sprach ohne Manuskript, bezog Experten als Gesprächspartner in das Geschehen mit ein, experimentierte mit einer Staffelreportage am Nürburgring, bei der verschiedene Reporter das Rennen (mangels Luftbildern) nacheinander kommentierten, sowie mit einem Brusttragestell für das Mikrofon, das beide Hände frei ließ. Dicht am Geschehen platzierte Mikrofone erlaubten es, den sound der jeweiligen Sportart zu übertragen.
„Die Spontaneität, die Bernhard Ernst hier bewies, und seine Experimentierfreude machten den westdeutschen Sender zu einem Sportsender par excelence. Während in anderen Sendegesellschaften noch überlegt wurde, welche Sportart für das Mikrophon am besten geeignet sei, probierte Ernst es einfach aus, Fußball, Sechstagerennen, Autorennen, Boxen, Reiten und vieles mehr – keine Sportart war ausgeschlossen.“[1] Zu Ernsts Tätigkeit als Zeitfunkredakteur gehörten Berichte aus der Region und die Redaktion der Regionalnachrichten, kurzum: „Aktualität“.
Dem Nationalsozialismus stand Bernhard Ernst distanziert gegenüber. Anders als die meisten seiner Abteilungsleiterkollegen beim Reichssender Köln trat er nicht in die NSDAP ein und tat der Form durch seine Mitgliedschaft in der für Journalisten obligatorischen Reichskulturkammer (RKK), der Deutschen Arbeitsfront (DAF), der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) und dem Reichsluftschutzbund (RLB) Genüge. Seinen politischen Standpunkt exakter zu bestimmen, fällt angesichts des Fehlens einer Analyse von Selbstzeugnissen schwer. Während ihm eine deutliche innere Bewegtheit bei seiner Reportage aus Trier anlässlich der Räumung der letzten besetzen Rheinlandzone durch die Franzosen im Sommer 1930 anzumerken ist, zieht er sich in seinem Reportagepart bei der Amtseinführung des NS-Rundfunkintendanten Heinrich Glasmeier durch Propagandaminister Goebbels am 24.4.1933 im Funkhaus in Köln auf eine strikte Sachlichkeit der Berichterstattung zurück.
Bernhard Ernst gehörte neben Paul Laven (1902-1979) in Frankfurt und Alfred Braun (1888-1978) in Berlin zu den beliebtesten und bekanntesten Sportreportern des frühen deutschen Rundfunks. Seine modulationsfähige Stimme wird im „Buch der Ansager“ von 1932 als hell, schnell und energisch charakterisiert.
Bernhard Ernst berichtete im Laufe seiner über 30jährigen Karriere von ungezählten Ereignissen im rheinisch-westfälischen Sendegebiet des Westdeutschen Rundfunks. Er wurde als fachlich versierter und routinierter Sport- und Zeitfunkreportern auch bei der Übertragung von national oder international bedeutsamen Ereignissen der Zeitgeschichte oder sportlichen Großveranstaltungen eingesetzt.
So berichtete er etwa im Juni 1927 vom ersten Rennen auf dem Nürburgring, im April 1930 vom Davis-Cup-Spiel England gegen Deutschland aus London, am 7.8.1934 von den Trauerfeierlichkeiten am Tannenberg-Denkmal für den verstorbenen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1847-1934, Reichspräsident 1925-1934), am 13.1.1935 vom Saarreferendum aus Saarbrücken, im Mai 1935 von der Eröffnung der Reichsautobahn Frankfurt/M – Darmstadt, selbstverständlich von den Olympischen Spielen 1936, am 30.3.1938 vom Empfang Adolf Hitlers (1889-1945) im Kölner Gürzenich oder am 19.7.1952 von der Eröffnung der Olympischen Sommerspiele in Helsinki, um nur einige Beispiele aus dem breiten Spektrum seiner Tätigkeit aus drei Jahrzehnten zu nennen.
Ende 1944 wurde Bernhard Ernsts Kölner Wohnung ausgebombt. Er zog mit seiner Familie über Siegburg ins Bergische Land in die Nähe von Gummersbach.
Als der Rundfunkbetrieb im Kölner Funkhaus Dagobertstraße im Herbst 1945 wiederaufgenommen wurde, war Bernhard Ernst einer der Mitarbeiter der ersten Stunde. Am 26. September um 19.00 Uhr war es Bernhard Ernst, der den Programmbeginn des Westdeutschen Rundfunks über den Sender Langenberg einläutete. Als politisch unbelastet erhielt er die Position des Leiters des „Actuality Departments“ in dem jetzt unter britischer Kontrolle stehenden Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR). 1946 wurde er Leiter der Abteilung „Aktuelles Wort“ und stellvertretender Intendant. Von 1950 bis 1957 war Ernst Chefreporter und Leiter der Abteilung „Reportage.“
Ab 1953 arbeitete Bernhard Ernst beim NWDR auch für das neue Medium Fernsehen als Fernsehreporter. In dieser Eigenschaft kommentierte er unter anderem die Fernsehübertragung des Endspiels der Fußballweltmeisterschaft vom 4.7.1954 in Bern, in dem Deutschland mit 3:2 über Ungarn siegte. Die Tonspur zur Fernsehübertragung ist allerdings nicht erhalten, der spielentscheidende Treffer wird deshalb heute für gewöhnlich mit dem O-Ton der Hörfunkreportage unterlegt. Die legendäre Sequenz Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen – Rahn schießt – Tooooor! Tooooor! Tooooor! Tooooor! stammt von dem NWDR-Reporter Herbert Zimmermann.
Bernhard Ernst starb am 17.10.1957 in Köln. Er wurde auf dem Melaten-Friedhof beigesetzt.
Werke
Sportpresse und Sportberichterstattung mit der besonderen Berücksichtigung Westdeutschlands, Diss. 1922.
Rund um das Mikrophon. Gedanken eines Rundfunkmannes, Lengerich 1948.
Literatur
Mohl, Renate, Der Aufbruch. Der Westdeutsche Rundfunk in der Weimarer Republik, in: Witting-Nöthen, Petra (Hg.), Am Puls der Zeit. 50 Jahre WDR, Band 1. Die Vorläufer 1924-1955, Köln 2006, S. 27-85.
Stoffregen-Büller, Michael, „Hier ist Münster auf Welle 410.“ Die Westdeutsche Funkstunde AG 1924-1926, in: Stoffregen-Büller, Michael (Hg.), Von der Westdeutschen Funkstunde zum WDR. 65 Jahre Rundfunk in Münster, Münster 1989, S. 9-93.
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Bernard, Birgit, Bernhard Ernst, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/bernhard-ernst-/DE-2086/lido/57c6a58c5e35a5.70471658 (abgerufen am 19.08.2024)