Zu den Kapiteln
Grete Fluss war eine über die Grenzen des Rheinlandes hinaus bekannte Humoristin und Revuesängerin. Heute in Vergessenheit geraten, galt sie schon vor dem Zweiten Weltkrieg neben Willi Ostermann als die populärste Repräsentantin des Kölner Karnevals. Während ihrer insgesamt mehr als 50-jährigen Bühnenkarriere verlieh sie insbesondere den Kölner Karnevalsrevuen ihr unverwechselbares Gepräge.
Grete Fluss wurde am 6.1.1892 als neuntes von 24 Kindern des Polsterers und Kohlenhändlers Anton Fluss und seiner Frau Ursula im Kölner Armenviertel „Unter Krahnenbäumen“ geboren. Die künstlerische Begabung schien ihr in die Wiege gelegt worden zu sein: Während ihr Großvater eine Tanzschule leitete, trat ihr Vater als Pianist und Geiger bei Volksfesten und Kirmesveranstaltungen auf, um seine große Familie ernähren zu können. Ihre Brüder Willi und Anton (gestorben 1943) wurden als Pianisten bekannt.
Bereits im Jahr 1906 feierte Grete Fluss auf einer Veranstaltung der Karnevalsgesellschaft „Greesberger“ im „Fränkischen Hof“ in Köln eine erfolgreiche Premiere als Liedersängerin. Nach dem Besuch der Volksschule wurde sie 1907 mit ihren Geschwistern Anton und Julia in das Künstlerensemble des Kapellmeisters Heinrich Körfgen aufgenommen. Sowohl an den umjubelten Auftritten im „Colosseum“ in der Schildergasse, als auch am Erfolg des Ensembles außerhalb der Kölner Stadtgrenzen hatte die musikalisch und schauspielerisch hochbegabte Grete Fluss einen wesentlichen Anteil.
Mit ihren beiden Geschwistern trat sie zunächst auch auf Volksfesten auf. Hier lernte sie neben ihrer Schlagfertigkeit auch ihr ausgeprägtes Improvisationstalent zu entfalten und im Spiel mit einem unberechenbaren Publikum eine einnehmende Bühnenpräsenz zu entwickeln, die zeitlebens zu ihrem Markenzeichen werden sollte. Diese Fähigkeiten ließen sie während des Ersten Weltkrieges auch zu einer Pionierin der Truppenbetreuung werden. Bereits ihr erstes Gastspiel bei St. Quentin im November 1915 geriet zu einem vielbeachteten und von der militärischen Führung mit einem Dankschreiben bedachten Erfolg.
Mit ihren Vorträgen und Gesangsauftritten als „Küchenfee“, „Schutzweib“ oder „Blitzmädel“ hatte sich Grete Fluss schon ab 1910 ihren festen Platz im bis dahin männerdominierten Kölner Karneval erkämpft. Sie überzeugte aber nach wie vor auch als Vertreterin der leichten Unterhaltung, der Operette und des Schlagers. Erst 1917 legte sie sich auf Anraten des als „Fliegentütenheinrich“ bekannt gewordenen Humoristen Paul Beckers (1878-1965) endgültig auf das komödiantische Genre fest.
Nach dem Ersten Weltkrieg boten ihr die „kölschen Revuen“ eine ideale Bühne, um ihre schauspielerischen, tänzerischen und gesanglichen Fähigkeiten zu kombinieren und in unverwechselbarer Weise auszuspielen. Auch auf die inhaltliche Konzeption der Revuen nahm Grete Fluss gemeinsam mit dem befreundeten Autor Engelbert Sassen und dem Komponisten Fritz Hannemann (1868-1932) maßgeblichen Einfluss. Bereits 1913 nach Berliner und Pariser Vorbild ins Leben gerufen, avancierten die Revuen in den 1920er Jahren zum Ersatz für die durch die Besatzungsmächte verbotenen traditionellen Karnevalssitzungen. Die zwischen Neujahr und Aschermittwoch zunächst im „Kristallpalast“ in der Severinstraße und ab 1926 im Theater „Groß Köln“ in der Friesenstraße täglich stattfindenden Vorstellungen bildeten eine regionaltypische Mischform von Varieté und Karnevalssitzung, die nicht zuletzt dank Grete Fluss zu Glanzpunkten in der Geschichte des Kölner Karnevals gerieten.
Ihren ersten, vielumjubelten Revueauftritt feierte Grete Fluss 1919 als Hauptdarstellerin in „Jan un Griet“ im „Metropol“ in der Kölner Apostelnstraße. 1930 wurde „Die Fastelovendsprinzessin“ uraufgeführt, in der sie die Titelrolle spielte und mit dem von Willi Ostermann komponierten Titel „Och, wat wor dat fröher schön doch in Colonia“, der inoffiziellen Hymne der Stadt Köln, zu begeistern wusste. Zu den Höhepunkten zählte auch ihre parodistische Interpretation des „sterbenden Schwans“ in der Revue „Dat singende klingende Köln“ aus dem Jahr 1931. Im kollektiven Gedächtnis blieb überdies die Revue "Rund öm de Freud" von 1949 fest verankert, die im Zirkus Williams stattfand und bei der sie die Besucher mit einer Reiteinlage auf einem Elefanten begeisterte. Bis 1956 wirkte sie in insgesamt 30 Revuen mit. In ihren Rollen als „Mutter Colonia“, „Haremsdame“, „Madam Butterfly“, „Negerin“, „Aphrodite“ oder als „Petronell von der Damenkapell“ überzeugte sie dabei stets als Verkörperung und Botschafterin rheinischer Lebensfreude.
Außerhalb der „fünften Jahreszeit“ unternahm Grete Fluss seit den 1920er Jahren ausgedehnte Deutschlandtourneen. Nicht zuletzt dank ihrer vielbeachteten Gastspiele in der „Scala“ und im „Wintergarten“ in Berlin galt sie in der Weimarer Republik als eine der populärsten Künstlerinnen ihrer Zeit. Die nationale Presse feierte sie unter anderem als „übersprudelnde rheinische Humoristin“, als ein „wahres Kind des lebenslustigen gemütvollen Rheinlandes“ und als „Deutschlands besten weiblichen Komiker.“
Im Laufe ihrer Karriere arbeitete sie erfolgreich mit zahlreichen bedeutenden Autoren und Komponisten ihrer Heimatstadt zusammen. Zu ihnen zählen Hans Jonen (1892-1958), Franz Chorus (gestorben 1952), Gerhard Ebeler (1877-1956) sowie Hubert Ebeler (1866-1946), der 1910 für den Text ihres ersten Mundartliedes „Ech ben et Flusse, Flusse Griet“ verantwortlich zeichnete.
Auch nach 1945 bildete Grete Fluss das Herzstück der Kölner Revuen, die nun im Varietétheater „Tazzelwurm“ stattfanden und durch ihr Zusammenwirken mit dem Komponisten Gerd Jussenhoven eine weitere Blütezeit erlebten. Ihr umjubelter Auftritt als „Mutter Colonia“ im Jahr 1949 anlässlich des ersten Rosenmontagszuges nach dem Zweiten Weltkrieg belegte ihre große Popularität. Wie bei den vom Stellungskrieg zermürbten Soldaten von St. Quentin im Jahr 1915, so gelang es ihr nun auch unter der traumatisierten Bevölkerung ihrer zerstörten Heimatstadt neue Zuversicht zu verbreiten.
Anlässlich ihres 65. Geburtstages am 6.1.1957 feierte die Revue „Stell dich jeck“ im Kölner Kaiserhof eine begeisterte Premiere. 50 Jahre nach ihrem ersten Auftritt begann sich Grete Fluss danach schweren Herzens von der Bühne zurückzuziehen. Nachdem sie mehrfach ihren Rücktritt erklärt hatte, kehrte sie im Jahr 1962 letztmalig für ein Gastspiel in der Revue „Do sidder paff“ auf die Bühne zurück.
Im Privaten zeichnete sich Grete Fluss durch eine akribische und zielstrebige Vorbereitung ihrer Auftritte sowie zeitlebens durch eine ebenso disziplinierte wie sparsame Lebensführung aus. Als begeisterte Strickerin hatte sie sich darüber hinaus schon in jungen Jahren ein Hobby zugelegt, das zu ihren extrovertierten Auftritten einen bemerkenswerten Kontrast bildete.
Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie an der Seite ihres Ehemannes und Agenten Ludwig Westkamp (gestorben 1976) in Unkel, wo sie schon seit den 1930er Jahren neben ihrer Kölner Wohnung am Hohenzollernring ein Haus besaß. Hier verstarb sie am 27.7.1964 nach längerer Krankheit. Beigesetzt wurde sie unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und in Anwesenheit zahlreicher Weggefährten auf dem Unkeler Friedhof.
Literatur
Key, Willi, 50 Jahre Grete Fluss, Köln 1956.
Meyer, Werner, Grete Fluss (1892-1964). Sängerin, Humoristin und Schauspielerin, in: Geschichtsverein Unkel e.V. (Hg.), Das Buch der Unkeler Künstler, Unkel 2011, S. 54-61.
Schmidt, Gérard, Kölsche Stars, Köln 1992, S. 63-71.
Schmidt, Klaus, Grete Fluss, in: Soénius, Ulrich S./Wilhelm, Jürgen (Hg.), Kölner Personenlexikon, Köln 2008, S. 159.
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Thomann, Björn, Grete Fluss, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/grete-fluss-/DE-2086/lido/57c6be4bd71db9.26173756 (abgerufen am 19.08.2024)