Zu den Kapiteln
Hans Keiter aus Mülheim an der Ruhr war ein erfolgreicher Sportler und Olympiasieger 1936 sowie doppelter Weltmeister 1938. Hans Keiter darf man mit Fug und Recht einen Pionier des Handballsports bezeichnen.
Der am 22.3.1910 im Mülheimer Stadtteil Saarn geborene Hans Keiter war von frühester Jugend an ein begeisterter und ambitionierter Sportler. Als Jugendlicher spielte er bei der katholischen DJK Saarn und gehörte damit zu den ersten Handballspielern in Mülheim. Neben seiner Leidenschaft für den Feldhandball pflegte Keiter auch seine Begeisterung für die Leichtathletik. Er war insbesondere ein ehrgeiziger Mittelstreckenläufer und Hochspringer. Nach eigenen Angaben errang er in diesen Disziplinen zwei deutsche Meistertitel. Als geborener Allroundsportler fand er auch Gefallen am Rudern und Turnen. Irgendwann aber musste er sich für eine Disziplin entscheiden und seine vielen Talente auf ein spezielles Ziel ausrichten. Hier setzte sich dann seine Leidenschaft für den Ballsport durch. Seine körperlichen Voraussetzungen, die ihm auch den Spitznamen „Langen“ eingebracht haben, mögen hier ebenso ausschlaggebend gewesen sein wie seine Berufswahl.
Denn am 1.4.1930 war Keiter in den Polizeidienst eingetreten und damit war seiner sportlichen Karriere schon fast der Weg bereitet, denn gerade der Handballsport wurde in den zahlreichen Polizeisportvereinen besonders gepflegt. Hinzu kam die Tatsache, dass Mülheim schon früh eine Handball-Hochburg geworden war und hier überdurchschnittlich viele Talente in den verschiedenen Vereinen dem kleineren runden Leder nachjagten. Die DJK (Mülheim) Styrum wurde bereits 1932 Deutscher Meister der DJK Vereine, die ebenso wie die Turner, die evangelischen Eichenkreuz- und die Arbeitersportvereine ihre Meisterschaften nur unter Ihresgleichen austrugen. Zum erfolgreichsten Handballverein in Mülheim in den dreißiger Jahren sollte allerdings der bürgerliche Rasensportverein Mülheim werden. Daran war Hans Keiter maßgeblich beteiligt, der von der DJK Saarn zum RSV Mülheim gewechselt war und sich mit den Vereinserfolgen auch für höhere Aufgaben empfahl.
Im Jahre 1935 gab er folgerichtig sein Debüt in der Nationalmannschaft. Insgesamt 26 Einsätze im Nationaltrikot sind für Hans Keiter zu verzeichnen, davon bestritt er 22 als Mannschaftsführer, wie man den Mannschaftskapitän bis 1945 nannte. Das Jahr 1936 wurde zu einem ersten Höhepunkt in Keiters Karriere: Mit dem RSV Mülheim kam er bis ins Halbfinale der Deutschen Meisterschaft und anschließend wurde er aus über 200 Aspiranten ins Aufgebot der Nationalmannschaft für die Olympischen Spiele in Berlin berufen. Das erstmals ausgetragene Olympische Handball-Turnier wurde dann zu einem einzigen Triumphlauf der deutschen Mannschaft, die ungeschlagen ins Finale vorstieß. Keiter führte am 14.8.1936 die deutsche Mannschaft in das Olympia-Finale. Bei denkbar ungünstigen Witterungsverhältnissen wurde die Mannschaft Österreichs im Dauerregen mit 10:6 geschlagen. Als Mannschaftsführer und rechter Läufer war Keiter eine der tragenden Säulen in der deutschen Mannschaft und stellte diese Bedeutung auch in den folgenden Jahren unter Beweis. Bei den ebenfalls in Deutschland ausgetragenen Handball-Weltmeisterschaften in der Halle und auf dem Feld im Jahre 1938 gehörte Keiter ebenfalls zu den Mannschaften, die in beiden Wettbewerben jeweils den Titel errang. Er dürfte damit eine der wenigen Persönlichkeiten in der Welt gewesen sein, die in Halle und Feld Titelträger waren. Im Jahre 1938 fand Keiter auch sein privates Glück: Im September heiratete er. Aus der Ehe sind fünf Kinder und 16 Enkelkinder hervorgegangen. Zu diesem Zeitpunkt war Keiter aber schon nicht mehr im Rheinland tätig; nach den Olympischen Spielen 1936 war er zum Polizeisportverein Berlin abkommandiert worden, um dem Hauptstadtklub und Vorzeigeverein der Polizei, der unter sportlichen Defiziten zu leiden hatte, wieder zum Erfolg zu verhelfen. Der Wechsel nach Berlin verhalf Keiter auch zu einem Karrieresprung bei der Polizei, während sich das Ende seiner sportlichen Erfolge anbahnte, denn nach dem Ende des Kriegs war für den 35-jährigen Keiter im zerstörten Deutschland die Karriere als Spieler beendet.
Aber er blieb seiner geliebten Sportart treu und half auf Bitten seines aus gemeinsamen DJK-Zeiten befreundeten Kollegen Willi Daume mit beim Aufbau des Deutschen Handballbundes.
Daume schickte sich an, zum wichtigsten deutschen Sportfunktionär zu werden und in den verschieden Sportverbänden die Weichen für einen geordneten Aufbau zu stellen. Da konnte ein Macher und Organisator wie Keiter äußerst hilfreich sein. Dies geschah jedoch mehr oder weniger ehrenamtlich, denn Keiter blieb im Hauptberuf Polizist bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1970. Nebenbei entwickelte er allerdings ein erstaunliches Pensum an Aktivitäten: Nicht nur, dass er sich in der Verbandsarbeit engagierte, er betätigte sich obendrein als Sportjournalist und engagierte sich bei der Etablierung des Fachorgans „Handballwoche“. In einer Zeit, in der Lizenzierungsverfahren, Papierrationierung und Personalmangel die Presselandschaft prägten, war dies sicherlich kein leichtes Unterfangen und Ausdauer, langer Atem und Standfestigkeit bei Rückschlägen waren dafür vonnöten.
Darüber hinaus setzte Keiter auch im aktuellen Handballgeschehen seine Akzente. Als Vereins- und Verbandstrainer nahm er aktiv Einfluss auf die Entwicklung des Handballsports. Seine Methoden als Motivations- und Überzeugungskünstler waren so legendär, dass er drei Jahre lang vom spanischen Handballverband als Landestrainer verpflichtet wurde. 1952 kehrte er wieder nach Deutschland und nach einem kurzen Intermezzo im Verwaltungsdienst auch wieder zur Polizei zurück. Hier folgten im weiteren Karriereverlauf Verwendungen in Köln, Moers, Bergisch Gladbach und Krefeld. In dieser Zeit wirkte er weiterhin als Trainer. Seine Trainingsmethoden hatten sich in der Zwischenzeit so weit herumgesprochen, dass Keiter auch außerhalb der Handballszene ein Begriff geworden war. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Keiter vermutlich dem Lockruf des größeren Geldes folgte und seinem Handballsport untreu wurde. Engagements im Trainerstab der Fußballer von Rot-Weiß Essen und Rot-Weiß Oberhausen verstärkten noch einmal seinen ausgezeichneten Ruf als Trainer.
Richtig erfolgreich aber blieb Keiter nur bei den Handballern. Mit der Mannschaft des TV Krefeld-Oppum konnte er in den Jahren 1966 und 1968 an seine eigenen Erfolge als Spieler anknüpfen. In beiden Jahren führte er wieder eine Mannschaft zum Titel, in diesem Falle zum Titel eines Deutschen Meisters. Bald danach aber war Schluss für Keiter. Im Jahre 1970 nahm er seinen Abschied bei der Polizei und auch vom aktiven Trainergeschehen sollte er sich bald verabschieden. Wie bei vielen seiner Kollegen aus der Feldhandball-Ära war auch ihm der Aufstieg des Hallenhandballs suspekt. An dieser Entwicklung wollten sie sich nicht beteiligen und zogen sich daher vom aktiven Sportgeschehen zurück. Das bedeutete aber nicht, dass sie nicht weiter am Sport insgesamt und an ihrer Sportart interessiert waren. Von Hans Keiter ist zum Beispiel bekannt, dass er sich noch mit 82 Jahren ins Auto setzte und von Mülheim zu den Olympischen Spielen nach Barcelona fuhr: 56 Jahre nach dem Gewinn der eigenen Goldmedaille! Hans Keiter ist im September 2005 im hohen Alter von 95 Jahren verstorben.
Literatur
Eggers, Erik (Hg.): Handball. Eine deutsche Domäne, Göttingen 2007.
Zeitschrift Polizeisportkurier 6/2005.
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Ohl, Thomas, Hans Keiter, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hans-keiter-/DE-2086/lido/57c93369086342.93842615 (abgerufen am 19.08.2024)