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1. Von der Zerstörung bis zur Wiedereröffnung
Am 17.11.1945, nur ein Jahr nach ihrer Zerstörung und nur sechs Monate nach Kriegsende, wurde die Bonner Universität feierlich wiedereröffnet. Damit war die erste Etappe des universitären Neubeginns vollendet. Doch bis dahin war es ein langer Weg mit vielen Hindernissen. Die Ereignisse des Krieges waren auch an der Universität Bonn nicht spurlos vorübergegangen. Bereits seit dem Wintersemester 1941/1942 war an eine geregelte Durchführung der Vorlesungen nicht mehr zu denken, da die Zahl der Studenten und Dozenten durch die Einziehung zur Wehrmacht deutlich zurückgegangen war und darüber hinaus die Bedürfnisse der Kriegswirtschaft zunehmend Forschung und Lehre beeinflussten. Seit 1944 trat die unmittelbare Bedrohung durch die vorrückenden alliierten Truppen hinzu. Als die militärische Lage für den Westen des Reiches immer bedrohlicher wurde, beschloss Reichserziehungsminister Bernhard Rust (1883-1945), den Lehrbetrieb der linksrheinischen Universitäten mit Ausnahme der jeweiligen Medizinischen Fakultäten im Wintersemester 1944/1945 einzustellen. Zudem begannen die Institute und Seminare sowie einzelne Professoren mit der Auslagerung kostbarer Gerätschaften, Sammlungen oder Bibliotheken.
Am 18.10.1944, am 126. Jahrestag der Universitätsgründung, erfolgte der erste verheerende Luftangriff auf die bislang weitgehend unzerstört gebliebene Stadt Bonn. Dabei wurden das Hauptgebäude der Universität im ehemaligen kurfürstlichen Schloss und das Klinikviertel am Rhein schwer beschädigt. Bei mehreren folgenden Bombenangriffen wurden bis zum Februar 1945 auch das Poppelsdorfer Schloss sowie einige Institute in der Nußallee schwer getroffen. Der gesamte entstandene Schaden wurde 1949 auf etwa 50 Millionen DM geschätzt. Von den insgesamt rund 50 Gebäuden der Universität war nicht eines unbeschädigt geblieben.
Trotz der schweren Zerstörungen wurde der Prüfungsbetrieb auch im Wintersemester 1944/1945 zum Teil aufrechterhalten. Zumindest in der Katholisch-Theologischen und in der Medizinischen Fakultät sind bis April 1945 Promotionsprüfungen nachweisbar. Die Mehrzahl der Studenten und Professoren verließ jedoch nach der Schließung der Universität die Stadt, um der Bedrohung durch die Luftangriffe zu entgehen.
Im Januar 1945 verlegten Rektorat und Kuratorium der Universität ihre Geschäftsstelle nach Adelebsen bei Göttingen. Angesichts der heranrückenden alliierten Truppen verließ schließlich der letzte nationalsozialistische Rektor, der Mineraloge Karl Franz Chudoba (1898-1976), im Frühjahr 1945 Bonn. Zuvor hatte er Theodor Brinkmann (1877-1951), Ordinarius für landwirtschaftliche Betriebslehre, zu seinem Stellvertreter ernannt. Durch die Nachfolge des politisch unbelasteten Brinkmann war die Grundlage für einen Neuanfang nach dem Ende des Nationalsozialismus gelegt. Unmittelbar nachdem amerikanische Truppen am 8./9.3.1945 das Bonner Stadtgebiet erobert hatten, nahm Brinkmann Kontakt zu ihnen auf und bat um Schutz der Universität bei den auf dem rechten Rheinufer noch andauernden Kampfhandlungen. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich nur noch etwa 15 Professoren in Bonn. Nach Kriegsende kehrten die Professoren und Dozenten jedoch schnell an die Universität zurück. Im August waren bereits wieder über 100 Lehrkräfte in Bonn anwesend.
Noch im März richteten die Amerikaner eine provisorische Stadtverwaltung ein, der auch die Aufsicht über die Universität übertragen wurde. Dieser gehörten neben dem späteren Oberbürgermeister Eduard Spoelgen (1877-1975) unter anderem die Professoren Wilhelm Ceelen (1883-1964) und Hans Cloos (1885-1951) an. Die Stadt musste nach dem Willen der Militärregierung auch die finanzielle Trägerschaft der Universität übernehmen, bis diese Aufgabe im Herbst 1945 durch die Organe der neugeschaffenen Nordrhein-Provinz übernommen werden konnte.
Den eigentlichen Beginn des Wiederaufbaus der Universität Bonn markiert der 12.4.1945. An diesem Tag versammelten sich auf Einladung Brinkmanns die Professoren Ethelbert Stauffer (1902-1979, Evangelisch-Theologische Fakultät), Wilhelm Neuß (1880-1965, Katholisch-Theologische Fakultät), Erwin von Beckerath (1889-1964, Rechts- und Staatswissen¬schaftliche Fakultät), Erich von Redwitz (1883-1964, Medizinische Fakultät), Friedrich Oertel (1884-1975, Philosophische Fakultät), Hans Cloos (Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät) und Theodor Brinkmann selbst als Vertreter der Landwirtschaftlichen Fakultät zu der ersten Sitzung einer provisorischen Universitätsleitung. Dieses als Verwaltungsrat bezeichnete Gremium bestand damit aus sieben politisch unbelasteten Professoren, die gleichzeitig als Dekane ihrer Fakultät fungierten.
Noch im Mai 1945 wurde der Verwaltungsrat um den 1934 entlassenen Physiker Heinrich Mathias Konen, den ebenfalls von den Nationalsozialisten vertriebenen Kunsthistoriker Heinrich Lützeler (1902-1988), den Mediziner Wilhelm Ceelen und den Botaniker Johannes Fitting (1877-1970) erweitert, der Hans Cloos als Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät ablöste. Am 1. Juni erfolgte die offizielle Bestätigung des Verwaltungsrats durch die Militärregierung, die diesen beauftragte, Pläne für die Wiedereröffnung der Universität auszuarbeiten. Nach dem Rücktritt Brinkmanns vom Vorsitz des Verwaltungsrats im Juli 1945 wurde Heinrich Konen zum neuen Vorsitzenden gewählt. Damit stand er nach 1929/1930 und 1931 zum dritten Mal an der Spitze der Bonner Universität. Daneben amtierte Konen von 1946 bis 1947 auch als Kultusminister des neugegründeten Landes Nordrhein-Westfalen. Er wurde so eine der prägenden Persönlichkeiten in der unmittelbaren Nachkriegsgeschichte der Universität Bonn.
Bei den Vorbereitungen zur Wiedereröffnung der Universität sah sich der Verwaltungsrat großen Schwierigkeiten gegenüber. Die beiden größten Hindernisse stellten dabei der Wiederaufbau der zerstörten Universitätsgebäude und die Schaffung eines ausreichend großen und für die Militärregierung akzeptablen, das heißt von Nationalsozialisten gereinigten Lehrkörpers dar.
Mit dem Wiederaufbau der Gebäude wurde der bereits in den 1920er Jahren für den Ausbau der Universität verantwortliche Baurat Bernhard Gelderblom beauftragt, dem eine Baukommission unter dem Vorsitz von Heinrich Lützeler zur Seite gestellt wurde. Bis zur Wiedereröffnung konnten viele Universitätsgebäude jedoch nur notdürftig wieder hergerichtet werden. Vorlesungen und Seminare mussten daher vielfach in Notunterkünften, etwa in den Privatwohnungen der Professoren stattfinden. Die Juristische Fakultät musste nach Bad Godesberg verlagert werden, für die Medizinische Fakultät wurde auf dem Gelände der ehemaligen Flakkaserne auf dem Venusberg mit der Errichtung eines neuen Klinikgeländes begonnen.
War schon die bauliche Rekonstruktion der Universität ein Vorhaben, das angesichts der Knappheit des Materials, der Transportkapazitäten und der Arbeitskräfte nur unter größten Schwierigkeiten zu bewältigen war, so erwies sich die Zusammenstellung eines politisch einwandfreien Lehrkörpers als Aufgabe, an der die Wiedereröffnung der Universität zu scheitern drohte. Den Mitgliedern des Verwaltungsrates war klar, dass der bestehende Lehrkörper nicht ohne personelle Veränderungen übernommen werden konnte. Die Alliierten hatten sich auf der Konferenz in Potsdam auf die Entnazifizierung des öffentlichen Lebens verständigt. Jeder Professor und Dozent bedurfte daher der Zulassung durch die Militärregierung, die vom Ergebnis einer politischen Überprüfung abhängig gemacht wurde. Es fehlte in der Frühphase der Entnazifizierung jedoch an konkreten Durchführungsbestimmungen. Aus der dadurch entstehenden rechtlichen Unsicherheit ergaben sich große regionale Unterschiede in der Handhabung des Verfahrens innerhalb der britischen Zone. Deutsche Behörden verstanden es zum Teil, die durch die unklare Rechtslage entstandenen Freiräume als Chance für eine Selbstreinigung zu nutzen. Auch in Bonn ging der Verwaltungsrat der Universität daran, die Reinigung des Lehrkörpers aus eigener Kraft voranzutreiben. Dazu richtete der Verwaltungsrat im Mai 1945 unter der Leitung des Psychologen Siegfried Behn (1884-1970) eine so genannte Nachrichtenkommission ein, die Informationen über das politische Verhalten der Universitätsangehörigen in der NS-Zeit sammeln sollte. Die Nachrichtenkommission begann zunächst mit einem intensiven Aktenstudium. Als sie anschließend mündliche Befragungen von Universitätsangehörigen durchführte, sahen sich die Mitglieder der Kommission dem Unmut ihrer Kollegen ausgesetzt, die befürchteten, dass durch diese Vorgehensweise Denunziationen Vorschub geleistet würde.
Angesichts der angestrebten Wiedereröffnung der Universität zum Wintersemester drängte der Verwaltungsrat im Sommer 1945 bei der Militärregierung auf eine offizielle Beteiligung an der Entnazifizierung, um das schleppende Verfahren zu beschleunigen. Im Einvernehmen mit den Briten richtete der Verwaltungsrat im Juli parallel zur Nachrichtenkommission einen Gutachterausschuss unter der Leitung des Strafrechtlers Hellmuth von Weber (1893-1970) ein. Aufgabe dieses Ausschusses war die Erstellung von Gutachten, die von der Militärregierung als Grundlage für ihre Entscheidung im Entnazifizierungsverfahren dienen sollten. Die ausschließliche Verantwortlichkeit für das gesamte Verfahren behielten sich die Briten jedoch ausdrücklich vor. Trotz der intensiven Bemühungen der Universität, die Entnazifizierung zu beschleunigen, waren viele Verfahren bei Wiedereröffnung der Universität noch nicht abgeschlossen, so dass viele Lehrstühle zunächst unbesetzt bleiben mussten.
Neben Wiederaufbau und Entnazifizierung stellte die Bewältigung der enormen Menge der Studienbewerber die Universität vor eine weitere Herausforderung. Der Kriegseinsatz hatte mehrere Abiturjahrgänge von der Aufnahme eines Studiums abgehalten, die nun gleichzeitig an die Universitäten drängten. Im Oktober 1945 hob die Universität Bonn alle aus der Kriegszeit noch bestehenden Immatrikulationsverhältnisse auf. Damit konkurrierten alle ehemaligen Studenten mit den neuen Studienanwärtern um die Zulassung. Die Zahl der Bewerber lag deutlich über 10.000. Gleichzeitig legte die britische Militärregierung die Höchstzahl der Studenten angesichts der kriegsbedingt nur geringen Kapazitäten der Universität auf 2.500 fest, davon sollten 250 Studienplätze für Displaced Persons reserviert bleiben. Die Auswahl der Studenten stellte die Universität vor große Schwierigkeiten. Während die Militärregierung die politische Unbedenklichkeit forderte, bemühte sich die Universität um fachlich möglichst qualifizierte Bewerber. Daneben sollten auch soziale Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Um allen diesen Kriterien gerecht zu werden, etablierte die Universität ein Punktesystem, das unter anderem die regionale Herkunft, die Schädigung im Nationalsozialismus, die Semesterzahl und die fachliche Eignung berücksichtigte.
Ende August besuchte eine britische Delegation die Universität, um sich über die Fortschritte des Wiederaufbaus und der Entnazifizierung zu informieren. Bei diesem Besuch wurde der zunächst für Mitte Oktober geplante Wiedereröffnungstermin verschoben. Doch allen Schwierigkeiten zum Trotz konnte schließlich am 6.11.1945 der Vorlesungsbetrieb mit 123 Lehrkräften (gegenüber 193 im letzten Kriegssemester) in allen Fakultäten wieder aufgenommen werden. Davon ausgenommen waren nur einige Veranstaltungen der Zahnmediziner sowie die chemischen Praktika, die auf Grund der noch fehlenden Gasversorgung nicht stattfinden konnten. Die feierliche Eröffnung der Universität erfolgte am 17. November mit einem Festakt im Saal des Collegium Leoninum unter Anwesenheit des Chefs der britischen Militärregierung in der Nordrhein-Provinz, General Barraclough (1894-1981), und des Oberpräsidenten der Nordrhein-Provinz, Robert Lehr.
2. Die politische Überprüfung der Professoren und Studenten
Auch nach der Wiedereröffnung der Universität entfaltete sich der Wiederaufbau in dem von der britischen Militärregierung gesteckten Rahmen. Mit Erlass der Directive Nr. 24 wurde im Januar 1946 eine zonenweit einheitliche Rechtsgrundlage für die Entnazifizierung geschaffen, die erstmals eine Beteiligung deutscher Stellen am Verfahren vorsah. Auf Kreisebene wurden Entnazifizierungshauptausschüsse mit Unterausschüssen für bestimmte Berufsgruppen, einzelne Großbetriebe oder Behörden gebildet, die den britischen Entnazifizierungsstellen beratend zur Seite gestellt wurden. An der Universität Bonn wurden drei Unterausschüsse gebildet, je einer für Studenten, für Professoren und Dozenten und für Beamte und Angestellte der Universität. Mit der Neuorganisation des Entnazifizierungsverfahrens sahen Nachrichtenkommission und Gutachterausschuss ihre Tätigkeit als beendet an. Gleichzeitig wuchs die Kritik der Briten an der politischen Überprüfung der Studenten. Die Unzulänglichkeit des Auswahlverfahrens wurde offenbar, als im Januar 1946 Hitlers Luftwaffenadjutant Nicolaus von Below (1907-1983) festgenommen wurde, der sich unter falschem Namen in Bonn eingeschrieben hatte. Die Militärregierung bestimmte daher, dass alle Studenten, auch die bereits immatrikulierten, zum Sommersemester 1946 erneut zugelassen werden mussten.
Um die Durchführung der Entnazifizierung vor Ort zu kontrollieren, setzten die Briten an jeder Universität einen Education Control Officer (ECO) ein. Im März 1946 trat mit Olaf Brann der erste Bonner ECO seinen Dienst an. Er blieb nur wenige Monate in Bonn. Bereits im Juli 1946 stellte er Robert Pender als seinen Nachfolger vor, der ebenfalls nach nur kurzer Amtszeit durch Ronald Gregor Smith (1913-1968) ersetzt wurde. Smith war evangelischer Theologe und als Übersetzer der Schriften Karl Barths (1886-1968) und Martin Bubers (1878-1965) hervorgetreten. Unter Smith etablierte sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Universitätsleitung.
Die strengen Maßstäbe, die auf Druck der Briten bei der Zulassung der Studenten zum Sommersemester 1946 angelegt wurden, traten in den folgenden Semestern zunehmend in den Hintergrund. Im Wintersemester 1946/1947 reduzierte sich durch die Einführung der Jugendamnestie für alle nach dem 1.1.1919 Geborenen die Zahl der zu überprüfenden Studenten um rund 90 Prozent. Die fachliche Eignung wurde durch die Amnestie gegenüber der politischen Unbedenklichkeit gestärkt und trat bei der Auswahl der Studenten nunmehr deutlich in den Vordergrund. Anfang 1947 übertrugen die Briten den deutschen Behörden die Verantwortung im Bildungs- und Erziehungswesen. Trotz dieser Kompetenzübertragung bestand die Militärregierung auf der Einhaltung der von ihr erlassenen Vorgaben, insbesondere in Fragen der Auswahl der Studenten. Dies zeigte sich, als George A. Kirk im November 1947 das Amt des Bonner Erziehungsoffiziers übernahm. Bereits kurz nach seiner Amtsübernahme initiierte Kirk eine Untersuchung des undurchsichtigen Bonner Immatrikulationsverfahrens. Dabei wurde festgestellt, dass die Anzahl der Studenten die durch Numerus clausus geregelte Gesamtzahl deutlich überschritt. Zudem erwies sich die politische Überprüfung der Studenten als unzulänglich, da eine stichprobenartige Untersuchung von Studienbewerbern ergeben hatte, dass sich unter den zugelassenen Studenten zahlreiche politisch Belastete befanden. Die Verantwortung für diese Missstände wurde Rektor Konen zur Last gelegt, der daraufhin am 1.4.1948 von allen Amtspflichten entbunden wurde. Bereits im Dezember 1947 war er auf Druck seiner eigenen Partei vom Amt des Kultusministers zurückgetreten. Noch kurz vor dem Ende seiner Amtszeit hatte ihm die Universität Bonn für seine Verdienste um den Wiederaufbau den Ehrendoktortitel verliehen.
1948 übergaben die Briten das Entnazifizierungsverfahren vollständig in deutsche Hände. Die Landesregierungen verabschiedeten in der Folge eigene Entnazifizierungsgesetze. In Nordrhein-Westfalen wurde das Verfahren so 1949 zu einem Abschluss gebracht. Durch die Entnazifizierung war der Anteil der politisch belasteten Dozenten in allen Bonner Fakultäten deutlich zurückgegangen. Fast 40 Prozent der Ordinarien verloren zumindest zeitweise ihre Stellung, wobei die Unterschiede zwischen den einzelnen Fakultäten beträchtlich waren. Von Entlassungen besonders betroffen waren die Evangelisch-Theologische und die Medizinische Fakultät. Insgesamt betrachtet kann die Entnazifizierung an der Universität Bonn als Erfolg gewertet werden, da der Einfluss der ehemaligen Nationalsozialisten weitgehend zurückgedrängt werden konnte und keinem der Exponenten des Nationalsozialismus die Rückkehr in seine alte Stellung gelang. Die Entnazifizierung hat auch an der Universität Bonn daher maßgeblich zum Gelingen des demokratischen Neubeginns beigetragen.
3. Rückberufung der Emigranten und Erweiterung des Lehrkörpers
In der Zeit des “Dritten Reichs“ wurden über 60 Bonner Hochschullehrer von ihren Stellen verdrängt. Nur ein kleiner Teil der vertriebenen Dozenten kehrte nach dem Krieg wieder an die Universität zurück, insbesondere diejenigen, die den Kontakt zur Universität und ihren ehemaligen Kollegen aufrechterhalten hatten und in der Umgebung Bonns verblieben waren. Zu dieser Gruppe Professoren, die nach dem Krieg häufig Schlüsselpositionen an der Universität wahrnahmen, gehörten neben Konen und Lützeler unter anderem der Keltologe Rudolf Hertz (1897-1965), der Mediziner Hans Gruhle (1880-1958) und der Theologe Friedrich Heyer (1878-1973). Problematischer war der Umgang mit den - meist jüdischen - Emigranten, die nach ihrer Verdrängung Deutschland verlassen hatten. Die Universität bekundete früh ihren Willen, die Emigranten wieder zurückzuberufen. Im Spätsommer 1945 lud die Universität alle 25 emigrierten Hochschullehrer ein, nach Bonn zurückzukehren. Doch verlief die Rückkehr der Emigranten nur sehr schleppend. Dies lag zum einen an der geringen Bereitschaft der Emigranten, ihr neu geschaffenes akademisches und soziales Umfeld zu verlassen, um in ein zerstörtes Land zurückzukehren, aus dem sie wenige Jahre zuvor geflohen waren. Zum anderen standen die Emigranten in zunehmender Konkurrenz mit den aus dem Osten vertriebenen Hochschullehrern. Und schließlich waren viele der Lehrstühle der Emigranten zwischenzeitig neu besetzt worden, so dass mit der Rückberufung die Gefahr einer Doppelbesetzung bestand. Um diesem Problem zu begegnen wurden für rückkehrende Emigranten Gastprofessuren eingerichtet. Von dieser Möglichkeit einer temporären Rückkehr machten mehrere Emigranten Gebrauch. Im Sommersemester 1946 kehrte mit Karl Barth der erste Emigrant für ein Semester nach Bonn zurück. Ende der 40er Jahre folgten der Zahnmediziner Alfred Kantorowicz (1880-1962), der Orientalist Paul Kahle und der Wirtschaftswissenschaftler Herbert von Beckerath (1886-1966) seinem Beispiel. Nur wenige der Emigranten, etwa Max Grünhut (1893-1964) oder Hans von Hentig (1887-1974) kehrten dagegen dauerhaft an die Universität Bonn zurück.
Einen Sonderfall bildete der nach Theresienstadt verschleppte Geograph Alfred Philippson, der auf Initiative des Geologen Hans Cloos zusammen mit anderen Bonner Juden im Juli 1945 mit einem Bus aus Theresienstadt zurück nach Bonn geholt wurde und mit 81 Jahren erneut die Lehrbefugnis an der Universität Bonn erhielt.
Insgesamt konnte durch die Rückberufung der Emigranten der Bedarf an Professoren und Dozenten in der Nachkriegszeit nicht gedeckt werden. Die Entnazifizierung machte für viele belastete Professoren die Rückkehr auf ihre alten Lehrstühle zunächst unmöglich. Durch die Wiedereingliederung von Minderbelasteten und durch Neuberufungen, insbesondere von aus dem Osten vertriebenen Professoren, gelang es der Universität jedoch, bis Ende der 1940er Jahre wieder einen Lehrkörper aufzubauen, dessen Umfang dem Vorkriegsniveau entsprach.
4. Die Studenten der Nachkriegszeit
Während der gesamten Besatzungszeit unterlag die Zahl der Studenten einem von den Briten festgesetzten Numerus clausus. Dieser legte die Gesamtzahl der Studienplätze fest, so dass immer nur so viele Studenten neu immatrikuliert werden konnten, wie die Universität verließen. Nachdem die in den ersten Nachkriegssemestern bevorzugt zugelassenen Examenskandidaten ihr Studium abgeschlossen hatten, war die Zahl der Abgänger naturgemäß klein. Der geringen Zahl zu vergebender Studienplätze stand eine ungebrochen hohe Bewerberzahl gegenüber.
Um dennoch möglichst viele Studenten zulassen zu können, vergab die Universität Studienplatzzusagen für die Mitarbeit in den studentischen Bau- und Einsatztrupps. Der Bautrupp wurde zu Hilfsarbeiten beim Wiederaufbau der zerstörten Universitätsgebäude eingesetzt, während sich der Einsatztrupp um die Reorganisation der Bibliotheken kümmerte. Durch diese Zulassungspolitik vergab die Universität immer eine Anzahl Studienplätze im Voraus ohne zu wissen, wie viele Plätze im nächsten Semester tatsächlich zur Verfügung stehen würden. Dies hatte zur Folge, dass zeitweilig nur Zulassungen zum Bautrupp und keine unmittelbaren Neuimmatrikulationen erfolgen konnten. Erst zum Sommersemester 1949 wurde der Numerus clausus in die Hände der Universität übergeben, die diesen bis zum Beginn der 1950er Jahre in allen Fakultäten mit Ausnahme der Medizinischen abschaffte.
Die Studenten der ersten Nachkriegssemester entstammten zum größten Teil der Generation der Kriegsteilnehmer. 90 Prozent der männlichen Studenten des Wintersemesters 1945/1946 hatten am Krieg teilgenommen. In den folgenden Semestern ging die Zahl der Kriegsteilnehmer kontinuierlich zurück. Mit Verzögerung von einem Semester immatrikulierten sich ab 1946 auch die Studenten aus den Luftwaffenhelferjahrgängen 1926-1928. Diese hatten durch ihren Kriegseinsatz häufig die Schule vorzeitig mit dem Reifevermerk verlassen müssen und waren daher nach dem Krieg gezwungen, zunächst in Sonderkursen ein reguläres Abitur nachzuholen. Seit dem Ende der 1940er Jahre drängte die Gruppe der Kriegskinder, die nicht aktiv am Krieg beteiligt waren, an die Universitäten. In Bonn stellten im Wintersemester 1951/1952 die drei Gruppen jeweils etwa ein Drittel der Studentenschaft. In der Folge verloren die Kriegsteilnehmer und Luftwaffenhelfer innerhalb der Studentenschaft an Bedeutung. Anfang der 1950er Jahre ist damit ein Generationswechsel in der Studentenschaft der Universität Bonn zu beobachten. Die Prägung der Universität durch die Kriegsteilnehmer ging im selben Maße zurück, wie der Einfluss der jüngeren Studentengeneration zunahm.
Das Durchschnittsalter der Studenten lag in den ersten Nachkriegssemestern bei 25 Jahren und damit deutlich höher als vor dem Krieg. Durch die Einführung von Wehr- und Arbeitsdienst sowie durch den Kriegseinsatz war vielen Studenten die Aufnahme eines Studiums verwehrt worden. Zudem begünstigte das Zulassungssystem der Universität ältere und fortgeschrittene Studenten. Erst mit dem Weggang der Kriegsgeneration und dem Zustrom junger Abiturienten sank der Altersdurchschnitt seit dem Ende der 40er Jahre allmählich.
Mit über 23 Prozent lag der Frauenanteil im ersten Nachkriegssemester in Bonn auf dem höchsten Stand zu Friedenszeiten seit Einführung des Frauenstudiums. Zwar hatten die Nationalsozialisten zunächst durch propagandistische Maßnahmen einen deutlichen Rückgang des Frauenanteils bewirkt. Als sich ab Mitte der 30er Jahre jedoch ein Akademikermangel bemerkbar machte, wandelte sich die Haltung der NSDAP zum Frauenstudium. Mit Ausbruch des Kriegs und der Einziehung eines Großteils der männlichen Studenten stieg der Frauenanteil sprunghaft an, bis er im letzten Kriegssemester etwa bei 50 Prozent lag. Nach dem Krieg geriet das Frauenstudium angesichts der knappen Studienplätze jedoch wieder unter den Legitimationsdruck, dem es seit seiner Einführung ausgesetzt war. Doch konnten sich in Bonn die Gegner des Frauenstudiums nicht durchsetzen. Durch die bevorzugte Zulassung von Examenskandidaten, unter denen sich kriegsbedingt viele Frauen befanden, lag der Frauenanteil in den ersten Nachkriegssemestern bei rund einem Viertel der Studentenschaft. Erst in der Folge der Währungsreform kam es im Wintersemester 1948/1949 zu einem deutlichen Rückgang des Frauenstudiums, da gerade Studentinnen angesichts der finanziellen Krise gezwungen waren, ihr Studium vorzeitig zu beenden.
Aufgrund der starken Förderung des Medizinstudiums während des „Dritten Reichs“ war die Nachfrage nach medizinischen Studienplätzen auch nach dem Krieg ungebrochen hoch. Während sich jedoch die Berufsaussichten für Mediziner nach dem Krieg deutlich verschlechterten, bot der sich nunmehr abzeichnende Mangel an Juristen und Volkswirten den Studenten neue berufliche Perspektiven. Es kam so zu einer Umorientierung in der Wahl des Studienfachs. Insbesondere für die männlichen Studenten entwickelten sich die Fächer der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät zu einem Schwerpunkt, während bei den Studentinnen die Wahl meist auf ein Fach der Philosophischen Fakultät fiel. Eine Sonderstellung nahm das Fach Pharmazie ein, das sich mit einem Frauenanteil von zeitweise über 80 Prozent zu einer Domäne des Frauenstudiums entwickelte.
Eine besondere Gruppe unter den Studenten bildeten die Displaced Persons (DPs). Nach Vorgabe der Militärregierung mussten 10 Prozent der Studienplätze für DPs reserviert werden. Die DPs - meist ehemalige Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge oder Kriegsgefangene - waren in eigenen Lagern untergebracht. Sie lebten als Gruppe unter sich und hatten nur wenig Kontakt zu den übrigen Studenten. Mit zeitweilig rund 350 DP-Studenten war die Universität Bonn eine der Hochschulen mit den meisten DPs in Deutschland. Nach und nach verloren die DPs den Sonderstatus, der ihnen in den ersten Nachkriegsjahren zugebilligt worden war. Bis zum Ende der 40er Jahre verließen die meisten DPs die Universität.
5. Studentenvertretung und studentische Vereinigungen
Noch vor der Wiedereröffnung der Universität begannen die Studenten, sich zu organisieren. Im Herbst 1945 meldeten sich einige Medizinstudenten bei Rektor Konen und bekundeten ihre Bereitschaft zur Mitarbeit an einer Studentenvertretung. Im Laufe des Wintersemesters 1945/1946 entstand aus verschiedenen Gruppen engagierter Studenten ein provisorischer Ausschuss, der die Aufgaben einer Studentenvertretung kommissarisch übernahm. Am 25.6.1946 fand die erste AStA-Wahl nach dem Krieg in Bonn statt. Die Zusammenarbeit mit den universitären Gremien gestaltete sich für den AStA nicht einfach. Im Sommer 1947 trat der AStA zum ersten Mal zurück, da er keine Basis mehr für die Zusammenarbeit mit Rektor und Senat sah. Da es dem AStA nicht gelang, eine dauerhafte und regelmäßige Beteiligung im Senat als oberstem universitärem Gremium durchzusetzen, blieb sein Ansehen auch in der Studentenschaft gering. Zudem wurde das Vertrauen der Studenten in ihre Vertreter durch mehrere Skandale erschüttert. Die Entfremdung zwischen Studenten und AStA wurde in den 50er Jahren durch die Dominanz von Korporationsstudenten im AStA verstärkt.
Neben dem AStA als gewählter Studentenvertretung gründete sich in der Nachkriegszeit eine Fülle von studentischen Vereinigungen. In den ersten Jahren nach der Wiedereröffnung nahmen die Studentengemeinden beider Konfessionen eine Sonderstellung ein. Sie erhielten als erste Vereinigungen die Zulassung der Militärregierung und hatten großen Zulauf. Die Katholische Studentengemeinde war mit rund 1.000 aktiven Mitgliedern die größte Bonner Vereinigung der Nachkriegszeit. Bei beiden Gemeinden vollzog sich eine innere Konsolidierung durch den Bau von Wohnheimen und Gemeindezentren zu Beginn der 1950er Jahre. Mit Überwindung der Nachkriegsprovisorien ging jedoch gleichzeitig ein Bedeutungsverlust der Gemeinden einher. Die Sonderrolle, welche die Kirchen in den ersten Nachkriegsjahren eingenommen hatten, trat in den Hintergrund.
Obwohl die Nachkriegsstudenten vielfach als unpolitisch eingeschätzt werden, entstand auch eine Vielzahl politischer Diskussionsgruppen in der Nachkriegszeit. Im Sommer 1946 bildete sich ein Studentenkreis der SPD, aus dem später der Bonner Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) hervorgehen sollte. 1947 entstanden auch der Christlich-Demokratische Hochschulring (CDH, der Vorläufer des späteren RCDS) und die Demokratische Hochschulgruppe (DHG), die sich später in Liberaler Studentenbund Deutschlands (LSD) umbenannte. Alle diese Gruppen standen zwar inhaltlich den entsprechenden Parteien nahe, betonten jedoch ihre politische Unabhängigkeit. Dadurch ergab sich innerhalb der Studentenschaft eine Offenheit für eine enge Zusammenarbeit der Hochschulgruppen über die Parteigrenzen hinweg. Im Laufe der 50er Jahre verstärkten sich jedoch die Gegensätze zwischen den parteipolitischen Gruppen, die sich vor allem an der Haltung zu den Korporationen entzündeten.
Die Briten hatten den Korporationen in den ersten Nachkriegsjahren die Zulassung verweigert, da sie die Studentenverbindungen als mitverantwortlich für den Aufstieg des Nationalsozialismus betrachteten. Diese ablehnende Haltung wurde auch von der Mehrheit der Studenten und Professoren geteilt. Dennoch kam es schnell zu einer Wiedergründung zahlreicher Korporationen - wegen des britischen Verbots jedoch zunächst unter Tarnbezeichnungen. Vielfach standen die neugegründeten Korporationen den alten Verbindungstraditionen skeptisch gegenüber, so dass nicht selten Konflikte zwischen Neuorientierung und Traditionspflege innerhalb der Verbindungen zu Tage traten. Besonders umstritten waren das öffentliche Farbentragen und das studentische Fechten. Mit dem Ende der Besatzungszeit und dem Nachrücken einer jüngeren Studentengeneration kam es Ende der 40er Jahre zu einem Aufschwung des Verbindungswesens in seiner traditionellen Form. 1951 trugen in Bonn erstmals Mitglieder mehrerer katholischer Verbindungen trotz des ausdrücklichen Verbots von Seiten der Universität öffentlich Farben und lösten damit den Bonner Farbenstreit aus. Die Korporationen konnten dabei vor Gericht ihr Recht auf öffentliches Farbentragen erstreiten. Mit Amtsantritt Rektor Paul Martinis begann 1953 eine Phase der Annäherung zwischen Universität und Korporationen. Insgesamt musste das Verbindungswesen nach dem Krieg einen starken Bedeutungsverlust hinnehmen. Hinsichtlich der Mitgliederzahlen konnten die Korporationen nicht mehr an ihre starke Stellung der Weimarer Zeit anknüpfen.
6. Mangel und Not in den Nachkriegsjahren
Die Nachkriegszeit war geprägt durch den Mangel an allen Dingen des täglichen Bedarfs. Eine große Schwierigkeit stellte die Wohnungssituation nach dem Krieg dar. Durch die Zerstörungen des Bombenkriegs hatte Bonn im Innenstadtbereich einen großen Wohnraumverlust zu verkraften. Studienbewerber waren gezwungen, vor der Immatrikulation den Nachweis einer Unterkunft zu erbringen. Bei Wiedereröffnung der Universität bestanden noch keine Wohnheime des Studentenwerks. Die Universität hatte jedoch die Nutzung zweier Verbindungshäuser als studentische Gemeinschafsunterkünfte ermöglichen können. Ein Kuriosum stellte die Unterbringung von Studenten in ehemaligen Luftschutzbunkern dar. In Bonn gab es drei solcher Bunker: in der Trierer Straße in Poppelsdorf, in der Theaterstraße und in Beuel. Die fensterlosen Bunker waren schlecht durchlüftet und bei den häufigen Stromausfällen ohne Beleuchtung. Der Vorteil war eine sehr günstige Miete sowie das Vorhandensein einer Zentralheizung. Die Bunker erfreuten sich trotz der erbärmlichen Wohnverhältnisse einer großen Beliebtheit. Anfang der 50er Jahre begann das Studentenwerk mit der Errichtung eigener Wohnheime. 1952 wurde das Tilmann-Haus eröffnet, 1954 folgte das Carl-Schurz-Haus. Dadurch entspannte sich zu Beginn der 50er Jahre die studentische Wohnungsnot.
Die bestimmende Sorge der Nachkriegszeit war die unzureichende Versorgung mit Lebensmitteln. Das bestehende Rationierungssystem der Grundnahrungsmittel wurde von den Alliierten nach Kriegsende unverändert weitergeführt. Die durch Flüchtlingsströme bedingte Bevölkerungsverdichtung in den Westzonen und der Verlust der Agrargebiete im Osten führten jedoch zu einer Absenkung der Rationen. Die Versorgungslage spitzte sich jeweils im Frühjahr zu und erreichte in Bonn 1947 mit 740 Tageskalorien ihren Tiefpunkt. Bereits zum Wintersemester 1945/1946 wurde eine provisorische Mensa im Haus des Bonner Bürgervereins eingerichtet. Diese wurde zwar mit Produkten der Versuchsfelder der Landwirtschaftlichen Fakultät beliefert, konnte aber an der geringen Grundversorgung nur wenig ändern. Die Lage entspannte sich erst, als ab 1947 die ersten Lebensmittelspenden aus dem Ausland eintrafen. Seit dem Wintersemester 1947/1948 erfolgten regelmäßige Speisungen durch das schwedische Rote Kreuz und die Mennoniten. Außerdem gelang es der Universität 1949, in die Schulspeisung (die so genannte Hooverspende) einbezogen zu werden.
Ab dem Sommer 1948 stabilisierte sich die Versorgungslage allmählich. Zum Symbol der Normalisierung wurde die Eröffnung der Mensa im wiedererrichteten Studentenhaus in der Nassestraße. Seit dem Wintersemester 1949/1950 wurden hier täglich drei verschiedene Gerichte angeboten. Mit dem Ende der Lebensmittelrationierung 1950 war schließlich die Zeit des schlimmsten Mangels vorüber.
Unmittelbare Folge der schlechten Nahrungsmittelversorgung war der besorgniserregende Gesundheitszustand der Studenten. Schlechte Ernährung und beengte Unterbringung förderten das Infektionsrisiko, insbesondere für Tuberkulose. Die Universität bemühte sich früh, einen Überblick über den Gesundheitszustand ihrer Studenten zu erhalten. Im Wintersemester 1946/1947 wurde daher eine erste Reihenuntersuchung durchgeführt. Das Ergebnis war alarmierend: Über die Hälfte der Studenten war untergewichtig, ein Drittel wurde auf Grund ihres Untergewichts als gesundheitlich gefährdet eingestuft. Zudem wurden 69 Fälle von Tuberkulose diagnostiziert. Diese Untersuchungen wurden für die Studenten im ersten und dritten Semester jeweils zu Semesterbeginn wiederholt. Mit Normalisierung der allgemeinen Lebensverhältnisse verbesserte sich auch der Gesundheitszustand der Studenten.
Die Not erstreckte sich auf alle Dinge des täglichen Bedarfs. Besonders der Mangel an Kleidung machte sich in den strengen Wintern der Nachkriegszeit schmerzlich bemerkbar. Viele Studenten besaßen nur ihre alte Wehrmachtsuniform, die sie umgefärbt weitertrugen. Die Kombination von Hunger und Kälte, verschärft durch Kleider- und Kohlenmangel, erschwerte das Studium erheblich. 1948 erreichten die Universität erste Kleidungsspenden. Um die wenigen vorhandenen Kleidungsstücke zu erhalten, richtete die Universität Nähstuben und eine Schusterei ein.
Auch im Hinblick auf die universitäre Lehre erwies sich die Situation der Nachkriegszeit als widrig. Gerade der Mangel an Lehrbüchern erschwerte das Studium. Viele universitäre Bibliotheken waren während der letzten Kriegsmonate ausgelagert worden. Unter den nicht ausgelagerten Beständen waren große Verluste zu beklagen. Allein die Universitätsbibliothek bezifferte ihren Verlust auf rund 25 Prozent des Buchbestandes. Bis zum Frühsommer 1946 war die Rückführung der ausgelagerten Bestände abgeschlossen. Die Bücher wurden provisorisch im Hauptgebäude und in einem Bunker aufgestellt. Erst 1949 konnte das Provisorium im Bunker überwunden werden und der Gesamtbestand wieder zugänglich gemacht werden.
Ende der 40er Jahre begannen sich die Verhältnisse an der Universität Bonn zu normalisieren. Einen ersten Einschnitt in der wirtschaftlichen Situation bildete die Währungsreform. Stand bis 1948 der Mangel an Waren einer komfortablen finanziellen Situation der Studenten gegenüber, da viele aus ihrem Sold Rücklagen gebildet hatten, so kehrte sich dies mit der Währungsreform um. Durch die Abwertung der Ersparnisse und den Anstieg der Preise traten nun Geldsorgen gegenüber den Versorgungsnöten in den Vordergrund. Die Studenten bemühten sich, durch Werktätigkeit dem Geldmangel zu begegnen. Das Werkstudententum wurde zu einem Kennzeichen der Studentenschaft nach der Währungsreform. Bis zur Einführung der Studienförderung nach dem Honnefer Modell Ende der 1950er Jahre bestimmten Geldsorgen nunmehr das Leben vieler Studenten. Langfristig aber bedeutete die Neuordnung der Wirtschaft eine Verbesserung der Versorgungslage. 1949 gelangte mit der Einweihung des Hauptgebäudes und des Studentenhauses in der Nassestraße ein wichtiger Abschnitt des Wiederaufbaus zu einem Abschluss. Im gleichen Jahr nahmen auch die ersten Kliniken auf dem neuen Klinikgelände auf dem Venusberg ihren Betrieb auf. Mit dem Ende der Besatzungszeit erhielt die Universität ihre akademische Freiheit zurück und unterstand nun wieder allein dem Kultusministerium.
Wenn auch die 1950er Jahre noch von Armut und den Nachwirkungen des Kriegs geprägt waren, so hatte an der Universität doch der Alltag Einzug gehalten. Viele kriegsbedingte Provisorien konnten überwunden werden, selbst die Rationierung der Lebensmittel wurde 1951 abgeschafft. Nach Gründung der Bundesrepublik konnten auch die bereits in den ersten Nachkriegsjahren wieder geknüpften Kontakte zum Ausland weiter vertieft werden. Die Zahl ausländischer Studenten in Bonn stieg stark an und für deutsche Studenten wurde ein Studienjahr im Ausland zu einer realistischen Möglichkeit. Die Universität konnte so die nach 1933 entstandene akademische Isolierung Deutschlands allmählich überwinden.
Literatur
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Defrance, Corine, Les alliés occidentaux et les universités allemands 1945-1949, Paris 2000.
George, Christian, Studieren in Ruinen. Die Studenten der Universität Bonn in der Nachkriegszeit 1945-55, Bonn 2010.
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Lützeler, Heinrich, Die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Lützeler, Heinrich (Hg.), Die Bonner Universität. Bauten und Bildwerke, Bonn 1968.
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Schäfer, Karl Theodor, Verfassungsgeschichte der Universität Bonn 1818 bis 1960, Bonn 1968.
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George, Christian, Der Neubeginn der Universität Bonn nach 1945, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/der-neubeginn-der-universitaet-bonn-nach-1945/DE-2086/lido/57d12add6b6c55.94032775 (abgerufen am 19.08.2024)