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5. 1 Einwohner- und Häuserzahlen
1501 Musterung der Gewappneten, an die 328 Ratszeichen ausgegeben werden. 1509 sind es 389, 1554 786 (Lau, S. 393; StaN B.01.03, 1509 fol. 39; 1554 fol. 75v; Wisplinghoff I, S. 191)
1563 werden an die Bürger so uff dach martyrum in iren harnesch und ruistunge gegangen 1332 Ratszeichen ausgegeben (ebd. Anm. 48)
1605 Beschreibung und Taxierung der Häuser in der Stadt Neuss (StaN B.01.01 IV B 40f.)
5. 2 Agrarwirtschaft
5. 2 Ackerbau und Viehzucht
Die häufige Nennung von Rottland im Burgbann (z. B. Brandts, Falkenstein 4, 17-19) deutet auf frühe Rodetätigkeit, die wohl (1300) weitgehend abgeschlossen war. (1340) wird letztmalig der Strytforst im Hammfeld erwähnt. 1490 kaufte die Stadt ein Morgen Wald bei Selikum (Lau I 1, S. 162* Anm. 7). Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts besaßen die vor allem Getreide anbauenden Pachthöfe der geistlichen Institutionen einen bedeutenden Teil des Ackerlandes. Sie verfügten über 1.714 Morgen, während 3.119 Morgen auf kleinere Höfe und Gärten verteiltes weltliches Eigentum waren (Tücking, Neuss, S. 195f.).
Nach der Steuer-Deskription von 1670 besaß das Kloster Gnadental das umfangreichste Gut; weiter wurden dort verzeichnet der Nixhof der Regularherren, der z. T. außerhalb von Neuss gelegene Viehhof von St. Quirin, der Kamberger Hof der Klarissen, der Kanonichenhof der Stiftskanoniker und die ursprünglich in erzbischöflichem Besitz befindliche Fetscherei der Kölner Johanniter (LAV NRW R Kk II 1154 II fol. 151; Fabricius II, S. 85) .Zu den weltlichen Besitzern zählten die Herren von Reuschenberg zu Selikum und die Herren Frenz zu Frenz mit dem Heckhof (Brandts, Selikum, S. XXIX-XXXII; LAV NRW R Kk I fol. 146v-147); zu diesen und weiteren Höfen im Burgbann Stenmans, Burgbann; III 4; zur ihrer Lage vgl. Tafeln 2 und 3)
Während der bürgerliche Besitz im 17. und 18. Jahrhundert zurückging (Wisplinghoff I, S. 277), hatte der Umfang der für die Viehzucht wichtigen Gemeindeländereien in dem Maße zugenommen, wie sich der Rhein von der Stadt entfernte. Zunächst hatten die Bürger ihr Vieh im 1346 erstmalig erwähnten Neusser Bruch an der Krur sowie in der Kaarster und der Büttger Gemeindeweide, wo ihnen der Erzbischof 1248 und 1335 ein Mitbenutzungsrecht zuerkannt hatte (III 3), geweidet. Dann gewannen die östlich der Stadt gelegenen Wait (Neusser Weide) und Hamm (Hammfeld) (Tafel 2, Tranchot-v. Müffling; Uraufnahme) zunehmend an Umfang und damit an Bedeutung (Lau, S. 160*).
Das Recht der Bürger zur Kuhhaltung wurde 1681 an den Besitz von drei Morgen Pacht- oder Eigenland geknüpft, 1686 folgte eine ähnliche Einschränkung für die Schafhaltung (ebd. II 210 § 29; S. 111* Anm. 7). Die Bedeutung der Viehzucht für die Neusser Wirtschaft, nicht zuletzt für das Ledergewerbe, spiegelt die seit dem 16. Jahrhundert belegbare Entwicklung der Großviehhaltung wider. 1554: 650 Kühe, 1593: 589 Kühe und 131 Rinder, 1691: 353 Kühe, 1793: 589 Kühe (ebd., S. 178*).
(1799) wurden im neu eingerichteten Kanton Neuss (I 7) angepflanzt Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Buchweizen, Rüben und Flachs sowie Kartoffeln und Möhren. Es gab 600 Stück Hornvieh, keine bedeutenden Schafherden (J. Huck, Landwirtschaft u. Handel im Kanton Neuss um 1799. In: N.er Jb 1994, S. 29-33). Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden zunehmend Zuckerrüben sowie Weißkohl für die um die Mitten des 19. Jahrhunderts entstehende Sauerkrautindustrie angebaut (Kallen, S. 56f., 132-142). 1858 gab es 545 landwirtschaftliche Betriebe (75 bäuerliche und großbäuerliche, 470 Kleinbetriebe), 1925 – bedingt durch die Eingemeindungen (I 7) – 1.059 Betriebe mit einem deutlich gestiegenen Anteil der Kleinbetriebe. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts ging der Anteil der landwirtschaftlich genutzten Fläche von 61% auf 40% im Jahre 2009 zurück (Engels, S. 71-79; Kommunalprofil Neuss, Stadt, www.landesdatenbank.nrw.de). Die Zahl der Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft betrug 2006 398 (0,68%) (ebd.).
5. 2 Fischfang und Jagd
1195 verleiht Erzbischof Adolf I. den Neusser Regulierherren die Fischerei in der Erft (REK II 1493)
1351 Erwähnung des Bela Fischer (Brandts, Falkenstein 191)
1364 trifft die Stadt Vorkehrungen gegen unbefugten Fischfang (de piscibus capiendis in aquis opidi) (Lau II 63)
1373 wirft der Erzbischof den Bürgern vor, unser vysscheryen in dem Ryne boyven Neuss zu schädigen (ebd. 68 § 25). Der Schiedsspruch Erzbischof Kunos von Trier bestätigt die herlicheid der visscherijen unsers herren van Colne, verwirft aber dessen Schadensersatzforderung (ebd. 70 § 25, vgl. auch ebd., S. 163*)
1501 bezeichnet die Stadt es als ihr Privileg, dat onse burger in ind binnen onsen boerban ind amte alle wilt ind wilbraedt vangen ind schieten moegen (ebd. 125 § 23)
1583/84 erwähnt die Stadtrechnung Einkünfte aus der Fischerei in Erft und Rhein (ebd., S. 444)
1590 behält die (kurzlebige) Reformierte Polizeiordnung dem Kurfürst die jagt und vischereien gerechtigkeit vor (ebd. I 7 VIII § 7)
1636 untersagt die Morgensprache, in der Stadt Graben und sonsten unzulessigen Orteren zu fischen. Sie verbietet Fischen und Jagen an Sonn- und Feiertagen (ebd. 210 § 11, 16)
1790 kritisiert die Polizeiordnung, dass jeder der dasigen Bürger frei die Jagd und Fischerei ausübt, und verlangt, besonders die Jagd in der Neusser Bahne zu verpachten (ebd. 249 § 106)
1799 gibt es nur noch zwei Fischer in Neuss (StaN B.01.07, Nr. 6)
Zum Fischamt vgl. III 7
5. 4 Gewerbe und Industrie
5. 4 Mühlen
1195 überträgt Erzbischof Adolf I. dem Regulierherrenkloster die Fischerei in flumine Arnaphe a molendino abatisse Nussiensis usque in rhenum (NrhUB I 549; REK II 1493). 1. Erwähnung der Äbtissinnen- oder Epgesmühle
1289 überlässt Erzbischof Siegfried zwecks Schuldentilgung dem Neusser Bürger Hermann v Kothausen u. a. die Einkünfte molendinorum nostrorum, scilicet Steynmůle [= Stechmühle?] et Byschofsmůle super Arrepam (Erft) (Lau II 16; REK III 3242; vgl. auch ebd. 2855, wo allerdings nur 1 Mühle des Eb erwähnt wird)
1373 wirft Erzbischof Friedrich III. der Stadt Verletzung seines Mühlenregals vor (Lau II 68 § 16). Sie besaß damals vermutlich eine Wind- und eine Rossmühle, in deren Benutzung durch die Bürger der Erzbischof einen Verstoß gegen seine Rechte sah (ebd., S. 152*; Neuss im Wandel, S. 391; kritisch hierzu allerdings Kreiner, S. 401f.)
1445 vererbpachtet Erzbischof Dietrich v Moers der Stadt die Stechmühle oder Stegmühle für einen Zins von 125 oberländischen rheinischen Gulden, den er bald darauf für 2.000 Gulden an die Stadt verkauft (Lau II 83; Druck der Urkunden bei Kreiner, S. 456f., 458-465). Ein Streit mit der Äbtissin von St. Quirin um das von dieser beanspruchte Mühlenrecht wird 1458 durch Vermittlung des Erzbischofs beigelegt
1456 erhält die Stadt vom Erzbischof das Recht, Wasser von der Erft zum Betrieb der Mühlen in den Stadtgraben abzuleiten (Lau II 89; III 3)
1458 erwirbt die Stadt die Helpensteiner Mühle an der Erft oberhalb der Äbtissinnenmühle in Erbpacht (ebd.; Druck: Kreiner, S. 466-469.). Sie wird wie die Stechmühle nach der Herstellung des Erftkanals (I 1 Verkehrsanbindung) nach Neuss verlegt. Nach der Stadtrechnung von 1493 (StaN B.01.03, 1493) gibt es außer der Windmühle auf einem Turm der Stadtbefestigung zwischen Ober- und Zolltor an der Ober- und der Niederpforte je eine Kornmühle, Walkmühlen an der Rhein- und Oberpforte, wo außerdem eine Ölmühle verzeichnet wird; schließlich wird eine Schleifmühle genannt (möglicherweise die im Spätmittelalter errichtete Hamtormühle) (Lau, S. 154*; Tücking, Neuss, S. 226-229; S. Sauer, Archäologische Untersuchungen im mittelalterlichen Stadtkern v. Neuss. In: Von Anfang an. Archäologie in Nordrhein-Westfalen, 2005, S. 260)
1600 Errichtung einer städtischen Lohmühle vor dem Obertor neben der Ölmühle (Tücking, Neuss, S. 227; Lau, S. 157*). 1799 abgebrannt, 1813 nach Wiederaufbau an Privatleute verkauft (Wisplinghoff II, S. 37f.)
1610 erlässt der Rat eine Mühlenordnung (Lau II 200)
(1656) pachtet die Stadt die verfallene Stiftsmühle, die Epgesmühle, mit dem Mühlenbannrecht über das Rheinpfortenkirchspiel. Damit Beendigung der Auseinandersetzungen mit der Äbtissin um dieses Recht. 1714 Abschluss eines Erbpachtvertrags, der die Stadt zur Zahlung von jährlich 14 Malter Roggen verpflichtet (Lau, S. 155*; StaN B.02.01 III F 18f.)
1798 Aufhebung des Mühlenzwangs durch die französische Gesetzgebung (Hansen IV 118) 1804 Gründung der ersten privaten Ölmühle durch Gottfried Schweden (S. Sommer, Mühlen am Niederrhein. Die Wind- u. Wassermühlen d. linken Niederrheins im Zeitalter d. Industrialisierung <1814-1914>, 1991, S. 244)
1813 ordnet Napoleon den Verkauf der Gemeindegüter an, dadurch verliert die Stadt die Walkmühle, die Lohmühle, zwei Ölmühlen am Obertor und eine Ölmühle am Rheintor. Die städtischen Getreidemühlen werden weiterhin verpachtet (Tücking, Neuss, S. 284; Engels, S. 92f.)
1827 werden in Neuss neun Wassermühlen und eine Windmühle betrieben (LAV NRW R Reg. Düsseldorf 386)
1834 setzt die Firma Heinrich Thywissen und Sohn in ihrer Ölmühle an der Brückstraße die erste Dampfmaschine ein (Kallen, S. 65f.; Engels, S. 98; S. Sommer, Mühlen am Niederrhein. Die Wind- u. Wassermühlen d. linken Niederrheins im Zeitalter d. Industrialisierung <1814-1914>, 1991, S. 244)
1836 Sieben Ölmühlen mit zwei Dampfmaschinen (Adelmann, S. 304)
1854 Inbetriebnahme der ersten Dampfmehlmühlen durch Adolf Linden und H. Kratz (Kallen, S. 119-121)
1870 Sechs Dampf- und drei Wassermehlmühlen (ebd., S. 120; vgl. auch Tafel 7, Stadtplan 1873)
1914 Acht Öl- und fünf Mehlmühlen, 1937 fünf Ölmühlen, auf die 12 % der gesamten deutschen Produktion entfallen, sowie drei Mehlmühlen (ebd., S. 102; Engels, S. 100). Nach dem Zweiten Weltkrieg Wiederaufbau der Öl- und Getreidemühlen sowie verwandter Betriebe der Nahrungsmittelindustrie, deren Standort sich zunehmend in den Hafen verlagert. 1950 gibt es fünf Ölmühlen, 1969 zwei Getreidegroßmühlen (ebd., S. 101; Neuss im Wandel, S. 414; St. Lohkamp, Die Entwicklung d. Neusser Wirtschaft nach d. Zweiten Weltkrieg, 2001, S. 35-45). Auch gegenwärtig gehört Neuss zu den führenden Standorten des Nahrungsmittelgewerbes („Food-City Neuss“) (www.neuss.de/wirtschaft/foodcity)
5. 4 Gewerbe und Industrie
Vertreter zahlreicher Handwerke und Gewerbe werden in den Quellen seit dem späten 13. Jahrhundert erwähnt (Erstbelege hier bis 1400 ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
1290 braxator (StaN D.01.F.02 Sammlung Felten Urk 1), 1296 pistor, piscatrix, ligator vasorum (LAV NRW R N Gnadental Urk 5), 1316 textor, Steinmetzer (Brandts, Falkenstein 31), 1326 Olieschleger (ebd. 59), 1330 Henricus de Linteamine, carnifex, calciator, pannicida (Lau II 27), 1331 sartor (Brandts, Falkenstein 91), 1333 lanificus (ebd. 106), 1335 vinitus (Lau II 34), 1337 sarciferus (Brandts, Falkenstein 124), 1341 carpentarius (LAV NRW R N Gnadental Urk 13), 1347 chirotecarius, vitreator (Brandts, Falkenstein 166), 1350 tinctor (ebd. 183), 1352 tondor pannorum (Tuchscherer) (StaN A.01 Schöffenurkunden Karton 37, 1352 XI 5), 1356 lutor (Brandts, Falkenstein 221), 1360 Leiendecker (ebd. 249), 1372 aurifaber (LAV NRW R N Gnadental Urk 22), 1373 pellifex (Brandts, Falkenstein 327), 1390 fullo (ebd. 416)
Braugewerbe
(1255/59) wird in der gefälschten Urkunde Erzbischof Annos II. das der Äbtissin zustehende Grutrecht erwähnt (Lau II 1)
1283 Erwähnung des Fermentarius de … domo fermenti der Äbtissin (StaN B.01.08 Privilegienbuch II fol. 130v-131)
1339 erlässt der Rat mit Zustimmung des Brauamts eine Preisverordnung für Bier (Lau II 38; vgl. auch ebd. 57, 59 § 2)
1388 Erwähnung eines Hoppenbrewers in Neuss (Brandts, Falkenstein 404)
1473 Vergleich zwischen der Äbtissin und den Brauern, der diese zu einer Abgabe an das Stift verpflichtet, wenn sie Keut- oder Hopfenbier herstellen (Tücking, Einrichtungen, S. 328). Diese „Biersteuer“ wird bis 1794 vom Braueramt entrichtet (Lau, S. 16*)
1493 41 Brauer (StaN B.01.03, 1493), 1720 57 (Lau, S. 82*)
1544 wird den Einwohnern des Burgbanns das Brauen untersagt. Im 17. Jahrhundert erlässt der Rat zeitweise ein Importverbot für Bier (Lau, S. 83*)
1785 beschwert sich das Braueramt über unzulässiges Brauen in den Klöstern (LAV NRW R Kk II 2298 II fol. 178)
1821 13, 1914 14 Brauereien (Engels, S. 125 Anm. 281)
Tuch- und Textilgewerbe
(1330) besteht ein Gewandhaus am Büchel (II 5 Gewandhaus), möglicherweise schon 1211
(1339/41) Erwähnung des Wollenamts, auf dessen Veranlassung der Rat für die Herstellung unvorschriftsmäßig angefertigter oder verbotener Tücher Strafen vorsieht (III 7 Zünfte)
1437 wird aus Neuss ein Karren mit Tuch nach Dortmund exportiert (Tücking, Neuss, S. 240). Nach dem dortigen Akzisetarif aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wird Neusser Tuch mit dem niedrigsten Satz belegt (Bömmels, S. 89; Huck, Neuss I, S. 65)
1461 sieht der Amtsbrief der Leinenweber vor, dass auch Frauen der Zunft beitreten können (III 7 Zunft)
1489 erlässt der Rat mit Zustimmung des Wollenamts eine 1495 erweiterte Ordnung für die Tuchherstellung und die Qualitätskontrolle. Die Tücher sollen nach der Bearbeitung durch die Tuchscherer zum Wiegen ins Gewandhaus gebracht werden (Lau II 120f.)
1496 Amtsbrief der Tuchscherer mit Preisfestsetzungen für unterschiedliche Tuche. Sie dürfen die Tücher nicht selbst zur Walkmühle (V 4 Mühlen), zum Färberhaus (verwehuis) oder zum Spülen bringen (ebd. 123)
1498 schreibt der Amtsbrief den Wollwebern vor, dass für die Frankfurter Messe bestimmte Tücher 14 Tage vor Absendung das amtliche Siegel im Gewandhaus erhalten müssen. Geregelt wird auch die Tätigkeit der Tuchscherer (III 7 Zünfte)
1541 wird ein Färberhaus in der Straße Hinterhoven erwähnt (Wisplinghoff I, S. 431)
1568 wird geklagt, dass das Wollenamt vast gefallen sei (Lau, S. 75*)
1582 behält der Amtsbrief der Gewandschneider (III 7 Zünfte) den Amtsgenossen den Kleinverkauf der Tücher vor. Diese setzen neben einheimischen in großem Umfang auch fremde Produkte ab (Wisplinghoff I, S. 432)
1584 bitten 14 Posamentierer, Seidenbereiter, Florettmacher und Seidenfärber um Erteilung eines Amtsbriefs (StaN B.02.01 III D 17, Nr. 14)
1726-60 besteht die Wolltuchfabrik des Martin Marbaise (StaN B.01.01 Rat 1724-1730, S. 153, 158, 197; Lau, S. 177*)
1766 ist der Zuwanderer Wilhelm van Ingen der einzige Färber in Neuss (Wisplinghoff I, S. 431)
1776 gründet Daniel Gerard eine Fabrik für Wolldecken und Kattun (StaN B.01.01 Rat 1771-1780, S. 219, 317, 319; Lau, S. 177*)
1785 erklärt der Rat, die meisten Angehörigen des Wollenamts seien Wollspinner (Wisplinghoff I, S. 429)
1787 Gründung der Baumwollweberei François Carroux und Daniel Gerard (Wisplinghoff II, S. 61)
1787 entsteht die Baumwollweberei von Theodor Dumont (W. Föhl, Die Wiedergeburt d. Neusser Wirtschaft 1800-1805. In: N.er Jb 1958, S. 25-34)
1791 Entstehung der Baumwollspinnerei, Färberei und Siamoseweberei von Theodor Dumont und François Carroux (J. Huck, Landwirtschaft u. Handel im Kanton Neuss um 1799. In: N.er Jb 1994, S. 32)
1806 gibt es – bedingt auch durch Betriebsverlagerungen aus dem Herzogtum Berg – neun Baumwollspinnereien mit 376 Arbeitern, 1811 nur noch drei mit 225 Arbeitern (LAV NRW R Roerdep. 2593 I fol. 35v-36; M. Schultheis-Friebe, Die Französische Wirtschaftspolitik im Roer-Departement 1792-1814, 1969, S. 199)
1806 existieren sechs Baumwollwebereien mit 662 Arbeitern sowie eine Strumpfwirkerei (Bonneterie) mit sechs Arbeitern (LAV NRW R Roerdep. 2593 I fol. 122v, 126; Wisplinghoff II, S. 62). 1813 scheint die Produktion zum Erliegen gekommen zu sein (M. Schultheis-Friebe, Die Französische Wirtschaftspolitik im Roer-Departement 1792-1814, 1969, S. 200)
Nach 1815 Wiederaufleben des Wollgewerbes, das nach 1860 durch die Kunstwollindustrie verdrängt wird (Kallen, S. 165; Engels, S. 85-87)
Ab 1830 Krawattenfabrikation. 1840 vier Fabriken mit 264 Arbeitskräften (Kallen, S. 165-168)
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts Vorherrschen der handwerklichen Textilfabrikation, danach Mechanisierung unter verstärkter Verwendung von Dampfmaschinen (Engels, S. 82-85); vgl. Tabelle Fabriken und gewerbliche Anlagen 1849
1881 gibt es noch vier Handwebstühle für baumwollene und halbbaumwollene Waren, sechs für Sammetwaren, vier für Strumpfwaren (LAV NRW R LA Geilenkirchen 37 fol. 236v)
Ledergewerbe
Seit Anfang d. 15. Jahrhunderts verzollen Neusser Gerber Felle am Düsseldorfer Zoll (LAV NRW R JB I 1428 fol. 6-8v, 11-12v; Lau, S. 174* Anm. 9; Bömmels, S. 121)
1457 Erwähnung eines Loyhus am Markt (Lau, S. 77* Anm. 6)
1493 Amt der Schumacher und Löher erwähnt (StaN B.01.03, 1493)
1600 Errichtung einer Lohmühle vor der Westseite des Obertors (V 4 Mühlen); dort lag auch der städtische Lohhof, 1672 wegen des Zitadellbaus eingezogen und an der Ostseite des Obertors neu angelegt (Tücking, Neuss, S. 163, 191, 255f.)
1626 sieht der erneuerte Amtsbrief für die Schumacher und die Löher vor, dass diese ein Drittel der Abgabe an die Stadt übernehmen (Lau II 206)
1766 erhalten die Rotgerber einen eigenen Amtsbrief. Der Lohhof steht weiterhin beiden Zünften gegen Gebühr zur Verfügung (III 7 Zünfte)
1810 12 Gerbereien mit 30 Arbeitern (LAV NRW R Roerdep. 2593 II fol. 63v)
1853 12, 1874 sieben Gerbereien (Engels, S. 112)
Metallverarbeitung
Das Metall verarbeitende Gewerbe war in Neuss nach Ausweis des Amtsbriefs der Schmiede von 1592 (III 7 Zünfte) sehr differenziert, gewann aber kaum überregionale Bedeutung (Wisplinghoff I, S. 457-461). Die 1803 errichtete Kratzenfabrik, die das Textilgewerbe belieferte, konnte sich nur bis in die 40er Jahre halten (H. Vervier, Geschichtliche Entwicklung d. Industrien u. d. städtischen Industriepolitik in N vom Ende d. 18. Jahrhunderts bis z. Jahre 1914, wiso. Diss. Köln 1920, S. 169f.). 1840 gründeten Heinrich Thywissen und Sohn eine Eisengießerei, deren Beschäftigtenzahl allerdings gering blieb (Engels, S. 107, Tabelle 25, S. 412). Bedeutendere Unternehmen entstanden erst nach Mitte des 19. Jahrhunderts.
1857 Gründung der „Neusser Bergbau- und Hütten-Commandit-Gesellschaft Reiner Broix & Company“. 1860 Inbetriebnahme ihres ersten Hochofens in der Nähe der Mündung der Erft in den Rhein auf Heerdter Boden. 1884 muss der Betrieb eingestellt werden (Kallen, S. 144-154; Engels, S. 107f.)
Mitte d. 19. Jahrhunderts errichtet der Schlosser Ferdinand Kraus eine Maschinenbauwerkstatt, aus der eine Maschinenfabrik mit 1912 403 Arbeitern hervorgeht (Kallen, S. 159; LAV NRW R Reg. Düsseldorf 34280)
1874 Gründung der Schrauben- und Mutternfabrik von Georg Bauer und Christian Schaurte (Kallen, S. 155)
1909 Ansiedlung der landwirtschaftliche Maschinen produzierenden International Harvester Company sowie der Zentralheizungsanlagen herstellenden American Radiator Company im Hafengelände (Engels, S. 106)
Papierindustrie
1870 Gründung der „Neusser Papier- und Pergamentfabrik“(zur Lage vgl. Tafel 7, Stadtplan 1873), der 1874 weitere Fabriken folgen. 1914 beschäftigen vier Firmen 841, 1937 drei Firmen ca. 830 Arbeiter (Kallen, S. 168; Engels, S. 413)
Sonstiges Gewerbe
Weitere Informationen über die Berufs- und Gewerbestruktur, die Betriebe sowie die Branchenaufteilung der Erwerbstätigen entnehmen Sie den Tabellen auf der rechten Seite.
Kreditinstitute
1828 Gründung der Städtischen Sparkasse in Verbindung mit einem Leihhaus im Rathaus, 1994 Fusion mit der Kreissparkasse Grevenbroich, 2002 Aufnahme der Stadtsparkasse Korschenbroich, 2006 der Stadtsparkasse Kaarst-Büttgen in die Sparkasse Neuss (www.sparkasse-neuss.de)
1844 Erwähnung des Bank- und Wechselgeschäfts von Hermann Josef Huppertz
1849 Eröffnung einer Banklombardstelle des Königlichen Bank Comptoirs zu Köln, 1867 Umwandlung in eine Agentur der Preußischen Bank, 1957 Zweigstelle der Deutschen Bundesbank
1850 Wechselgeschäft von Jacob Le Hanne, 1900 von der Düsseldorfer Bank übernommen
1904 Zweigstelle des A. Schaaffhausen’schen Bankvereins, 1929 von der Deutschen Bank übernommen
1906 Gründung der Bank für Handwerk und Gewerbe, jetzt Volksbank Neuss
1910 Zweigstelle der Bergisch-Märkischen Bank, 1914 von der Deutschen Bank übernommen
Heute unterhalten alle größeren Privatbanken Zweigstellen in Neuss (Neuss im Wandel, S. 423f.; Kallen, S. 175-183)
Druckereien und Zeitungen
1821 gründet Leonard Schwann eine Druckerei, 1878 nach Düsseldorf verlegt (Engels, S. 113)
1826-1941 Neußer Intelligenzblatt, hg. von L. Schwann, ab 1848 unter wechselnden Titeln seit 1869 unter dem Titel Neußer Zeitung
1841-68(?) Katholischer Volkskalender, Verlag L. Schwann
1845-59 Rheinisches Kirchenblatt, Verlag L. Schwann
1873 Gründung der Gesellschaft für Buchdruckerei AG
1874-1937 bzw. ab 1949 Neuß-Grevenbroicher Zeitung, 2009 von der Mediengruppe Rheinische Post übernommen
1919-33 Der freie Sprecher. Organ für die sozialdemokratische Partei und die freien Gewerkschaften der Kreise Neuß und Grevenbroich
1930-35 Volksparole, 1935-45 unter dem Titel Rheinische Landeszeitung
1945-49 Neußer Nachrichten (Neuss im Wandel, S. 238f., 272; Engels, S. 231f.; Welfens, S. 171-176)
5. 5 Handel
Frühester Beleg für Neuss als Handelsplatz ist das Privileg für das Kloster Werden von 877, das dieses von jedem Zoll (vectigal), d. h. wohl vornehmlich vom Neusser Marktzoll, befreit (I 3; III 2 Zoll). Auch die Bezeichnung von Neuss als portus, d. h. als Handelsplatz (1050) (I 3) deutet auf seine kommerzielle Bedeutung. Auf frühe Handelsaktivitäten von Neusser Kaufleuten verweisen die ihnen bzw. der Stadt von König und Erzbischof verliehenen Zollbefreiungsprivilegien (III 3; III 2 Zoll) sowie die Erwähnung der Stadt und ihrer Kaufleute im Zolltarif von Koblenz aus dem 11. Jahrhundert (I 3), dem Zollstein von Schmithausen bei Kleve von (1170) (Scholz-Babisch I 1) und am Lobither Zoll seit 1307 (Lau, S. 173* Anm. 1). In der späteren Überlieferung von den klevischen Zollstationen wird Neuss seit dem 16. Jahrhundert erwähnt (Scholz-Babisch I S. 266)
Die wichtigsten Neusser Handelsgüter waren Wein und Getreide (Lau II 68 Art. 10) sowie Mühlsteine, sodann Hering und Salz (zu diesen ebd., 26), die die Kaufleute rheinaufwärts in die Weinanbaugebiete verschifften. Des Weiteren ist zu nennen der Eigenhandel mit Textilien und gegerbten Fellen und schließlich der weit gespannte Viehhandel (ebd., S. 173*f.; Kuske, Eigenart, S. 92f., 97, 147f., 166; Huck, Neuss I, S. 115-136). Neuss war unter den niederrheinischen Städten der wichtigste Wettbewerber, aber auch Geschäftspartner der Handelsmetropole Köln, deren Stapelrecht zu zahlreichen Konflikten führte (Kuske, Eigenart, S. 97-103, 131f.). So beklagte Köln 1461, dat die schifflude van Neuss etliche jair her dairweder [das Stapelrecht] gedain … haint (Kuske II 276), 1489, dass Neusser Bürger einich guet van vischen, hering, buckingen ind anders in Neuss statt in Köln hätten umladen lassen (ebd. 1132), während Neuss Klage über die Handhabung des Kölner Stapels führte (ebd. 1465, 1466)
Die Neusser Handelsverbindungen reichten rheinaufwärts bis Straßburg, rheinabwärts über die niederrheinischen Städte Duisburg und Wesel in die Niederlande bis nach Utrecht und Antwerpen. Einzelne Kaufleute sind in Lübeck und Danzig nachweisbar. Allmählicher Rückgang des Fernhandels seit dem späten 16. Jahrhundert. Auch der im 16. Jahrhundert noch wichtige Weinhandel büßte seit dem 17. Jahrhundert seine Bedeutung ein und deckte im 18. Jahrhundert nur noch den lokalen Bedarf (Wisplinghoff I, S. 313-360; Kuske, Eigenart, S. 89-108; E. Dösseler, Der Niederrhein u. d. deutsche Ostseeraum z. Hansezeit, 1940, Nr.9, Nr. 273; Huck, Neuss II)
Der Handel seit dem 19. Jahrhundert
Seit den 1850er Jahren Aufschwung des Getreide-, Öl-, Vieh-, Kohlen- und Holzhandels durch die Schiffbarmachung der Erft (Engels, S. 126-139). Im 20. Jahrhundert verlagerte sich der wirtschaftliche Schwerpunkt vom Handel auf das verarbeitende Gewerbe der Metall- sowie der Nahrungs- und Genussmittelindustrie (St. Lohkamp, Die Entwicklung d. Neusser Wirtschaft nach d. Zweiten Weltkrieg, 2001, S. 21, 33-45)
Hafen
Einen eigentlichen Hafen erhielt Neuss erst im 19. Jahrhundert durch den Ausbau der Erft zu einem Kanal. Vorher standen dem Schiffsverkehr drei Anlegestellen zur Verfügung: 1. in der Verlängerung des Marktes vor dem Judensteg, 2. an der Kranenpforte und 3. vor dem Rheintor. Sie dürften seit dem Mittelalter bestanden haben und sind auf dem Vogelschauplan von Braun und Hogenberg (Tafel 4) von 1586 zu erkennen. Eine Urkunde von 1303 nennt den portum oppidi Nussiensis (NrhUB III 27). Ein, im 16. Jahrhundert zeitweise zwei Schiffskräne konnten je nach Wasserstand an zum Auskranen geeignete Stellen geschleppt werden, falls erforderlich bis zur Mündung der Erft in den Rhein (Lau, S. 142*, 175*; Huck, Neuss I, S. 147-150). Ein Kranenmeister ist seit 1400 belegt (Lau, S. 142* Anm. 5)
Der seit 1778 diskutierte Plan, die Erft an der Ostseite der Stadt auszubauen und ein Hafenbecken in der Nähe des Rheintors anzulegen, scheiterte an Finanzierungsproblemen (Wisplinghoff I, S. 388). Seit 1814 erneut erörterte Pläne eines Erftkanals konnten erst 1835-38 verwirklicht werden. 1836 wurde Neuss als Sicherheitshafen anerkannt, 1843 als Zoll- und Freihafen. 1871 Errichtung des ersten Dampfkrans (Neuss im Wandel, S. 436). 1893-1908 Ausbau des Erftkanals zu einem Hafenbecken, 1906 Anlage eines großen städtischen Lagerhauses und moderner Kranen. 1887 Inbetriebnahme einer Anschlussbahn vom Bahnhof Neuss zum Erftkanal, 1905-08 Ausbau zur Ring- und Hafenbahn mit Anschluss an die Staatsbahn (Engels, S. 152f., 155-168; 150 Jahre Neusser Rhein- u. Seehafen, 1988). 1909-11 Bau eines zweiten Hafenbeckens auf den Neusser Weiden. Allmählicher Wandel vom Handels- zum Industriehafen (O. Karnau, Auf d. Weg in die Moderne. Neuss – Hafen, Industrialisierung u. Stadtentwicklung um 1900. In: Neusser Jb 1992, S. 23-30). 1912 Anlage eines Floßhafens (später Hafenbecken V) (Tafel 11, Stadtplan 1957; Tafel 2,1, TK 25). 1923-27 Bau des dritten, 1951-56 des vierten Beckens (Lohkamp, S. 46-62 s. o. unter Handel). 2003 Fusion der Häfen Neuss und Düsseldorf. 2009 hatten sie ein Transportaufkommen von 13,5 Millionen Tonnen im Schiffs- und Eisenbahngüterverkehr (www.nd-haefen.de)
5. 5 Wirtschaftliche und soziale Gesamtentwicklung
Die römische Zivilsiedlung war, wie archäologische Zeugnisse zeigen, von Handwerkern und Händlern bewohnt (I 2). Nach den Wikingereinfällen des 9. Jahrhunderts erfolgte der Ausbau von Neuss als Handelsort, der (1050) als portus, als Händlerstadt, bezeichnet wird (I 3; II 2 Siedlungsentwicklung). Ihre Bedeutung belegen die Neusser Kaufleuten verliehenen Zollprivilegien (III 3). Wichtigste Handelsgüter waren Wein und Getreide. Das seit Ende des 13. Jahrhunderts nachweisbare Gewerbe speiste den Eigenhandel mit Textilien und Fellen (V 5 Handel). Das Kölner Stapelrecht hemmte zwar die Entfaltung von Handel und Schiffsverkehr, doch war die Reichsstadt stets ein wichtiger Geschäftspartner. Neusser Kaufleute waren im Rheinhandel, vereinzelt auch im Fernhandel tätig. Der Hanse hat Neuss nie angehört (III 6 Hansezugehörigkeit)
Dank seiner wirtschaftlichen Kraft konnte das seit (1200) als Stadt geltende Neuss ein bedeutendes Maß an Unabhängigkeit von ihrem Stadtherrn, dem Kölner Erzbischof erringen; bei dessen Niederlage im Burgunderkrieg an der Seite Karls des Kühnen fiel der Stadt eine Schlüsselrolle zu. Zu ihrem Aufstieg trug die allerdings kaum quantifizierbare Zuwanderung aus dem ländlichen Hinterland bei. Bis 1500 hatte sie sich von der demographischen Krise des 14. Jahrhunderts erholt. Die seit 1197 nachweisbaren Juden wurden zwischen 1463 und 1475 vertrieben (IV 8). Lombarden und Kawertschen sind in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts nachweisbar. (1400) sind nur noch Geldgeschäfte der Stadt mit einem zeitweise in Köln wohnhaften Lombarden belegt (Huck, Neuss I, S. 183f.; H. Keussen, Zwei Kölner Gesandtschaften nach Rom im 14. Jh., in: Mitt.StaK 12, 1887, S. 88)
Die städtische Führungsschicht bildeten vermutlich aus der erzbischöflichen Ministerialität und den Fernhändlern aufgestiegene Geschlechter, die die Schöffen- und Ratsherrenstellen besetzten (Wisplinghoff I, S. 57f.). Im 15. Jahrhundert wurde die Herrschaft des Patriziats von der Stadtgemeinde angefochten. Die 1460 von Erzbischof Dietrich von Moers erlassene Ordnung setzte eine vierundzwanzigköpfige Vertretung der Bürgerschaft mit weit reichenden Befugnissen ein (III 3; III 6 Vierundzwanziger). Politische und soziale Spannungen, die 1513 ausbrachen und die in den 1540er Jahren durch konfessionelle Konflikte verschärft wurden, haben die bestehende Stadtverfassung nicht mehr verändert. Erst die seit den 1770er Jahren ausgetragenen Streitigkeiten, die auch die herrschenden Familien entzweiten, führten zur Entsendung einer kurfürstlichen Untersuchungskommission und zur Einführung der die Rechte des Landesherrn stärkenden Polizeiordnung von 1790 (K. Müller, Städtische Unruhen im Rheinland d. späten 18. Jh. In: RhVjbl 54, 1990, S. 166, 183, 186f.; III 3).
Ihre Blüte verdankte die städtische Wirtschaft des Mittelalters vor allem der verkehrsgünstigen Lage der Stadt im Schnittpunkt wichtiger Straßenverbindungen und der bis ins 14. Jahrhundert gegebenen Nähe zum Rhein (I 1 Verkehrsanbindung). Sie schlug sich nieder in einer bis ins 16. Jahrhundert andauernden öffentlichen und privaten Bautätigkeit. Von ihr zeugen auch die kirchlichen Bauwerke, vor allem die Stiftskirche St. Quirin, mit ihrer prächtigen, von Geistlichen und Bürgern gestifteten Ausstattung. Wichtigste Grundlage der bis ins 16. Jahrhundert anhaltenden günstigen Wirtschaftskonjunktur war der Handel. Er nahm Getreide und Vieh aus dem fruchtbaren ländlichen Hinterland auf und versorgte dessen Bevölkerung mit zum Teil in Neuss hergestellten Waren, insbesondere Textilien und Metallwaren. Die allmählich in städtischen Besitz übergehenden Mühlen deckten nicht nur den Eigenbedarf, sondern produzierten auch Mehl und Öl für die Ausfuhr (B. Kuske, Eigenart, S. 135)
Der im späteren 16. Jahrhundert einsetzende Rückgang von Handel und Handwerk hing mit den weltwirtschaftlichen Verschiebungen zugunsten der Seehäfen und dem Erstarken der rechtsrheinischen Gewerbegebiete zusammen. In Neuss wurde er verschärft durch den Truchsessschen Krieg und die Brandkatastrophe von 1586, die zu einem erheblichen Bevölkerungsrückgang führte, von dem sich die Stadt erst Ende des 18. Jahrhunderts erholt hat (Wisplinghoff I, S. 190-201; II 2 Brände). Der Abschwung traf allerdings die einzelnen Wirtschaftszweige unterschiedlich hart. Während sich der Getreidehandel im 18. Jahrhundert dank der steigenden Nachfrage eher günstig entwickelte, sah sich die Tuchproduktion auf die Deckung des lokalen Bedarfs beschränkt. Dagegen nahm die Bedeutung von Viehhaltung, Gemüse- und Ackerbau zu. Ob man das Neuss des 17. und 18. Jahrhunderts darum als „Ackerbürgerstadt“ bezeichnen kann, erscheint jedoch fraglich, da der überwiegende Teil der Bürgerschaft weiterhin in Handel und Handwerk tätig war, Landwirtschaft meist nur als Nebenerwerb betrieb (ebd., S. 273). Zudem wurden seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Anstrengungen unternommen, neue Industriebetriebe, insbesondere der Baumwollverarbeitung, anzusiedeln. In der französischen Zeit erlebte diese sogar einen beachtlichen Aufschwung .Säkularisation und Entfestigung trugen erheblich zur Verbesserung der Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt bei, die nun dank einer günstigen Bevölkerungsentwicklung die Bebauung des Burgbanns in Angriff nehmen konnte. Die Einwohnerzahl stieg, wenn man die Eingemeindungen mit berücksichtigt, von 1814 bis 1939 um das Zehnfache. Seit 1963 ist Neuss Großstadt (Engels, S. 2; Neuss im Wandel, S. 345)
In der aus der frühneuzeitlichen Ständegesellschaft sich entwickelnden Klassengesellschaft wuchs die Unterschicht in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf zeitweise fast 90% der Bevölkerung an. Danach ist ein allmählicher Rückgang festzustellen. In der stark differenzierten Mittelschicht dominierten zunächst die Handwerker; im 20. Jahrhundert nahm das Gewicht von mittleren Beamten und Angestellten zu. Zur Oberschicht lässt sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht einmal 1% der steuerpflichtigen Einwohner rechnen. Erst seit der Hochindustrialisierung wurde ihr Anteil größer. In dieser verwandtschaftlich und gesellschaftlich vielfach eng verbundenen Gruppe gaben zunächst Kaufleute und Großbauern, später Industrielle den Ton an. Nicht wenige Familien der Oberschicht entstammten der wohlhabenden Landbevölkerung (Engels, S. 26-43)
Entscheidend für die wirtschaftliche Entfaltung der Stadt seit dem 19. Jahrhundert wurde die 1838 abgeschlossene Kanalisierung der Erft und die spätere Anlage von insgesamt fünf Hafenbecken, wodurch Neuss wieder mit dem Rhein verbunden wurde (V 5 Hafen). Im neuen Hafen siedelten sich Betriebe der Metall-, Papier- und Lebensmittelherstellung an oder verlagerten ihre Fabriken dorthin. Die 2003 erfolgte Fusion mit dem konkurrierenden Düsseldorfer Hafen gab der wirtschaftlichen Entwicklung beider Städte neue Impulse
5. 6 Maße und Gewichte
1375 3 ½ Korn Neusser Massen (Brandts, Falkenstein 343)
1388 450 Malter Hafer Nuyssger Maßes (REK IX 1670; nach J. J. Meyer, Vollständige Verleichungstabellen d. ehemals im Roerdepartement … gebräuchlichen Münzen, Maaßen u. Gewichte mit d. neuen metrischen u. so umgekehrt, 1804, T. 2, S. 82 wog ein N.er Malter 15,58 kg)
(1480) schreibt die Dienstverpflichtung dem neu gewählten Ratsbürgermeister vor, gewicht, bijrmaessen ind wijnmaes zo besien, und zo kirmissen die elen zo besien (Lau II 117 § 115f.)
1605 sieht die Tuchhallenordnung als Tuchmaß Brabansche Ellen vor (ebd. 199)
1634 wird für den Bürgerausschank das kölnische Maß eingeführt (StaN B.01.01 Rat 1634 fol. 24v; vgl. J. J. Meyer, Vollständige Verleichungstabellen d. ehemals im Roerdepartement … gebräuchlichen Münzen, Maaßen u. Gewichte mit d. neuen metrischen u. so umgekehrt, 1804, T. 1, S. 2, 19)
1764 ergeben nach der Fruchtmaßreduktion 100 N.er Malter 106 Malter 4 Viertel Kölnisch (LAV NRW R Jülich-Berg II 30 fol. 134v)
Ansonsten galten bis zum Ende der kurkölnischen Zeit die kurkölnischen Maße: 1 Fuß = 28,76 cm, 16 Fuß = 1 Rute, 1 Quadratfuß = 0,0827 m2, 256 Quadratfuß = 1 Quadratrute = 21,17 m2, 150 Quadratruten = 1 Mg = 31,76 ar (= 4 Viertel = 16 Pinten)
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Müller, Klaus, Rheinischer Städteatlas Neuss. Teil 5: Wirtschafts- und Sozialstruktur, Statistik, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/rheinischer-staedteatlas-neuss.-teil-5-wirtschafts--und-sozialstruktur-statistik/DE-2086/lido/5c8909d84865a1.40005379 (abgerufen am 19.08.2024)