In Merl bestand eine jüdische
Gemeinde bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18.
Jahrhunderts zurück. Erstmals werden 1663 die Juden Wolf und David
in Merl genannt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1808 21 jüdische Einwohner, 1834 29, 1858 17 (von insgesamt 1.148), 1895
12 (von 1419).
Bei den 30 jüdischen Einwohnern im Jahr 1834 hatte es sich um die
folgende jüdische Familien gehandelt: Elias Wolf (mit Frau Schönele geb. Salomon und vier
Kindern), Jakob Daniel (mit Frau Judith geb. Bermann und vier Kindern),
Marx Bermann (mit Frau Judith geb. Hanau und zwei Kindern), Laib Geisel
(mit Frau Hanna geb. Wolf und drei Kindern), Joseph Geisel (mit Frau Mathilde
geb. Wolf und zwei Kindern) sowie um die Einzelpersonen Freudgen Elias, Jakob
Hirsch, Abraham und Nathan Wolf.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verhinderten Abwanderungen eine
größere Zunahme der Zahl jüdischer Einwohner. So verzogen 1862 die Brüder
Samuel und Max Daniel aus Merl nach St. Wendel,
um die seit dem Anschluss an das Bahnnetz günstigere Lage dieser Stadt zum
Aufbau ihrer Existenz zu nutzen.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (beziehungsweise Beträume
s.u.) und zeitweise eine jüdische Schule (Religionsschule). Die Toten der
Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in
Bullay beigesetzt, der ursprünglich Friedhof der jüdischen Gemeinde Merl
war.
1925 lebten noch 12 jüdische Personen in Merl (von insgesamt 1.498
Einwohnern). Dabei handelte es sich um die beiden Familien: 1) Siegfried Geisel
mit Klara geb. Gamiel und zwei Kindern und Mathilde Gamiel, Schwester von Klara
Geisel (Metzgerei Oberstraße 125); 2) Johanna Wolf geb. Freudenthal
(Witwe von Michel Wolf) und die bereits erwachsenen und teilweise verheirateten
und andernorts lebenden Kindern Eduard, Else (verh. Frenkel), Max und Klara
(verh. Levy) (Schneiderei Wolf, Provinzialstraße 115). Der genannte Sohn Eduard
Wolf war in erster Ehe mit Rebecka geb. Frenkel verheiratet, die 1935 auf
tragische Weise bei einem Brandunglück umgekommen ist, in zweiter Ehe seit 1936 mit Johanna geb.
Levy. Zur Lebensgeschichte des Sohnes von Eduard und Rebecka Wolf - Manfred
Wolf - siehe unten.
1933 lebten noch etwa 12 jüdische Personen in Merl. In
den folgenden Jahren ist ein Teil von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom
1938 wurde das Haus des Männermodengeschäftes/Schneiderei Wolf (Provinzialstraße 115) überfallen
und völlig verwüstet. Die letzten jüdischen Einwohner - Siegfried und Klara
Geisel - wurden am 30. April 1942 von Merl aus deportiert. Damit endete die
Geschichte der jüdischen Familien in Merl.
Die Lebensgeschichte von Manfred Wolf (Quelle):
Manfred Wolf kam am 15. Juli 1924 in Merl a.d. Mosel zur Welt. Sein Vater,
Eduard, betrieb dort ein Männermodengeschäft, zur Familie gehörten die
Mutter Rika (Rebecka, geb. Frenkel) und die Großmutter Johanna. Manfreds Kindheit als
einziges jüdisches Kind im Ort war geprägt von Spielen mit seinen Freunden,
dem Kontakt zu den benachbarten Handwerkern, vom Baden in der Mosel. Bei
einem Schulausflug entstand das Foto. Die Familie hielt ein koscheres Haus
und feierte Schabbat, daneben besuchte Manfred wie alle seine Freunde den
katholischen Kindergarten. Ab 1933 weigerte sich der Friseur des Vaters, ihn
weiter zu rasieren, die Hitlerjugend sang antisemitische Schmählieder vor
ihrem Haus. Manfreds Mutter kam 1935 bei einem Brandunfall ums Leben, der
Vater heiratete ein Jahr später erneut. Nach dem 9. November 1938 wurde
Eduard Wolf ins KZ Dachau gebracht, sein Geschäft völlig zerstört. Er wurde
entlassen, und schickte Manfred 1939 in ein Hachschara-Lager bei Köln, um
sich zum Mechaniker auszubilden und auf die Auswanderung vorzubereiten. 1942
sollten Vater und Stiefmutter deportiert werden, am Telefon fragte ihn
Eduard, ob Manfred mitkäme. Der Sohn ahnte, was dies bedeutete, und lehnte
ab. Von seinen Eltern hörte er nie wieder. Aus dem Arbeitslager Paderborn,
in das Manfred mit dem Verbot der Hachschara 1941 gekommen war, wurden alle
Jugendlichen 1943 nach Auschwitz deportiert. Dort wurde Manfred mit einigen
der anderen jungen Männer ins KZ Buna/ Monowitz gebracht. Er musste auf der
Baustelle der I.G. Farben Zwangsarbeit leisten: zunächst unter schwersten
Bedingungen im Zementkommando, wo er sich nach einigen Tagen selbst
verletzte und in den Krankenbau kam. Nach der Entlassung kam er in ein etwas
besseres Arbeitskommando. Sein Kapo Harry nahm ihn mit ins Lager Sosnowitz,
wo er als Dachdecker und in der Munitionsfabrikation arbeiten musste. Der
Todesmarsch im Januar 1945 führte Manfred Wolf zunächst ins KZ Mauthausen,
dann weiter durch Österreich, bis er im KZ Gunskirchen, einem Nebenlager von
Mauthausen, von der U.S. Army befreit wurde. Zu Fuß gelangte er nach
Salzburg, von wo ihn britische Palästina-Truppen über Genua nach Haifa
brachten. Er kam bei seinem Onkel unter und arbeitete als Mechaniker für die
Luftwaffe. 1951 entschied er sich, nach Deutschland zurückzukehren, um sein
Elternhaus wieder in Besitz zunehmen. In Köln traf er Sonja, eine Zionistin,
die aus der 'Ostzone' geflohen war. Nach einem halben Jahr Bekanntschaft
heirateten sie; ihre Tochter Rika kam 1952 zur Welt. Die Wolfs wollten nach
Amerika und kamen am 5. April 1954 in Erie, PA, an. Ihr Sohn Eddie wurde
dort geboren. Heute lebt Manfred Wolf in Los Angeles. Antisemitischen
Ressentiments begegnet er offen: 'Now, I fight back.'".
1853 wird berichtet, dass die Gottesdienste der
jüdischen Gemeinde in zwei Privathäusern abgehalten werden. Einer der beiden
Beträume war im Haus der damaligen Metzgerei Geisel in der Oberstraße
eingerichtet.
Zur jüdischen
Geschichte in Merl gibt es mehrere Fotos in der unten
genannten Darstellung von Angelika Schleindl (online
zugänglich).
Das steinerne Gedenkbuch in
der ehemaligen Synagoge in Zell für
die in der NS-Zeit ermordeten Juden der Gemeinde: auch die
aus Merl
Umgekommenen sind verzeichnet.
Angelika
Schleindl: Spuren der Vergangenheit. Jüdisches Leben im Landkreis
Cochem-Zell. Hg. vom Landkreis Cochem-Zell. Briedel 1996. S. 239-248.
Online
zugänglich - Abschnitt zu Merl.
Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 412 (mit weiteren Literaturangaben).
n.e.
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