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"Synagogen im Vogelsbergkreis"
Nieder-Ohmen mit
Merlau (Gemeinde
Mücke, Vogelsbergkreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Nieder-Ohmen bestand eine kleine jüdische
Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 16./18. Jahrhunderts
zurück. 1578-80 sind zwei Juden genannt; 1770 lebten sechs jüdische
Familien am Ort. Die im benachbarten Merlau lebenden jüdischen
Personen (1828: Liebmann
Wolf, Herz Bauer und Jakob Wolf mit Familien) gehörten zur Gemeinde in
Nieder-Ohmen.
1861 waren es 70 Personen (6 % von insgesamt 1.162 Einwohnern).
Die höchste Zahl jüdischer Einwohner wurde 1871 mit 109 Personen
erreicht (9 % der Gesamtbevölkerung). Danach ging die Zahl durch Aus- und
Abwanderung zurück (1910: 82 Personen).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Schule (Religionsschule), ein rituelles Bad und einen Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl.
Ausschreibungen der Stelle unten).
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Emil Roth (geb.
7.1.1897 in Nieder-Ohmen, gef. 31.10.1918), Hermann Roth (geb. 20.8.1884 in
Nieder-Ohmen, gef. 6.10.1884) und Jakob Roth (geb. 3.5.1874 in Nieder-Ohmen,
gef. 11.12.1919). Außerdem ist gefallen: Leopold Roth (geb. 27.12.1879 in
Nieder-Ohmen, vor 1914 in Breitenbach am Herzberg wohnhaft, gef.
26.3.1916),
Um 1925 - als noch 70 Personen der jüdischen Gemeinde
angehörten (4,1 % von insgesamt ca. 1.500 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher
Emanuel Frank (siehe Berichte zu seinem 60.
Geburtstag und zu seinem Tod unten), Jacob Roth II und Moritz Roth. Zur Gemeinde
in Nieder-Ohmen gehörten weiterhin die in Merlau
lebenden jüdischen Personen (1925 9, 1932 6 Personen). Um 1925 erhielten noch
sieben schulpflichtige jüdische Kinder durch ein Gemeindeglied Religionsunterricht
(1932 11 Kinder, Unterricht durch den inzwischen angestellten Religionslehrer
Jakob Bick). Als
Schochet war Adolf Roth tätig. Die Gemeinde gehörte zum orthodoxen
Bezirksrabbinat mit Sitz in Gießen. 1932 waren die Gemeindevorsteher Emanuel
Frank (1. Vorsitzender), Jacob Roth IV und Maier Stern.
Nach 1933 ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder (1933: 69 Personen) auf Grund der Folgen des
wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert.
Von den in Nieder-Ohmen geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Auguste Aaron geb. Stern (1869), Emmy Abraham geb. Frank (1901),
Hedwig Abraham geb. Frank (1899), Johanna Bär geb. Roth (1876), Bertha Paula
Baum geb. Stern (1893), Bertha Bettelheiser geb. Roth (1877), Martha Bick geb.
Strauss (1891), Jenny (Jettchen) Frank geb. Roth (1891), Rosa Frank geb. Frank
geb. Frank (1878), Siegfried Frank (1907), Berta Fröhlich geb. Roth (1874),
Rosa Fuld geb. Stern (1892), Ferdinand Justus (1877; mit Ehefrau Ida geb.
Fleischhauer und Tochter Hannelore von Hamburg deportiert), Klara Justus geb. Wertheim
(1881), Rosalie Kisch geb. Frank (1871),
Ephraim (Fritz, Fischel) Pickholz (1918), Paula
Rabe geb. Roth (1898), Cecilia (Zilly) Roth geb. Stern (1895), Abraham Roth
(1881), Cäcilie Roth geb. Stern (1895), Jakob Roth (1870), Leopold Roth (1887),
Moses Roth (1877), Pauline Roth (1879), Salomon Roth (1879), Sara Roth geb.
Kapenberg (1870), Bertha Stern geb. Justus
(1909), Doris Stern (1921), Hedwig Stern geb. Roth (1902), Hedwig Stern (1936), Julius Stern
(1906), Meier Stern (1891), Moritz Stern (1890), Siegbert
Stern (1926), Toni Stern (1889), Friedel Wolf (1927).
Hinweis: die in einigen Listen auf der Liste der Opfer des Holocaust genannte
Karola (Carola) Stern (geb. 8. März 1925 in Nieder-Ohmen) hat die NS-Zeit
überlebt und konnte nach der Befreiung durch die US-Armee im Juli 1946 in die
USA emigrieren.
Vgl. "Oral history interview with Carol Stern Steinhardt": https://collections.ushmm.org/search/catalog/irn504861
(Foto erhalten von Carol Stern Steinhardt über Monika
Felsing)
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Lehrer-, Vorbeter und Schächterstelle 1867 / 1893 / 1904
(Hilfsvorbeter)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Oktober 1867:
"Für israelitische Lehrer.
Die israelitische Gemeinde Nieder-Ohmen
(Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen), welche einen Gehalt von 250
bis 300 Gulden (ohne Akzidenzien) zusichern kann, beabsichtigt einen
Lehrer anzunehmen.
Reflektanten wollen ihre Offerten an den Vorstand obiger Gemeinde franco
gelangen lassen." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. November 1893:
"Die hiesige Stelle eines Religionslehrers mit einem Gehalt von
600-650 Mark jährlich, ist zu besetzen, bevorzugt werden Unverheiratete.
Reflektierende wollen sich an den Unterzeichneten wenden.
S. Frank,
Niederohmen (Oberhessen)." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. August 1904:
"Suchen für bevorstehenden Jom Kippur einen
Hilfsvorbeter.
Reflektanten wollen sich unter Angabe ihrer Anspruche baldmöglichst
melden.
Der Vorstand der israelitischen Religionsgemeinde Nieder-Ohmen
(Oberhessen)." |
Berichte zu einzelnen
Personen aus der Gemeinde
60. Geburtstag von Gemeindevorsteher Emanuel Frank (1929)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Mai 1929:
"Nieder-Ohmen (Oberhessen), 14. Mai (1929). Am 10. Ijar (20.
Mai) begeht Herr Emanuel Frank seinen 60. Geburtstag in voller körperlicher
und geistiger Frische. Fast zwei Jahrzehnte steht er an der Spitze unserer
Gemeinde und gehört in des Wortes wahrhaftem Sinne zu den echten mit den öffentlichen
Bedürfnissen in Treue Beschäftigten. So klein auch die Gemeinde ist, sie
zählt 72 Seelen, hat sich Herr Frank um deren religiöse Erhaltung große
Verdienste erworben. In würdiger Weise versieht er den Gottesdienst und
es ist eine seltene Ausnahme, wenn ein Gemeindemitglied dem Minjan fern
bleibt...
Weit über die Grenzen unserer Provinz hinaus ist Herr Frank aus
(hebräisch und deutsch) als ein Wächter des alten, überlieferten
Judentums bekannt. In diesem Geiste hat er seine Kinder erzogen und sein
Haus ist durch die Mitarbeit seiner gleichstrebenden Gattin zu einem
wahrhaften Abrahamszelt geworden. Mit Glück und Stolz blicken wir zu ihm
empor und sind froh, ihn zu den Unsrigen zählen zu dürfen. Gott
vermehre seine Tage und seine Jahre im Guten!" |
70. Geburtstag von Markus Frank
(1931)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Dezember 1931: "Nieder-Ohmen
(Oberhessen), 6. Dezember (1931). Am 31. Dezember begeht Herr Markus
Frank seinen 70. Geburtstag in körperlicher Rüstigkeit und geistiger
Frische. vor einigen Monaten zog er von Düsseldorf nach hier in sein
Geburtshaus, wo er bei Verwandten den Lebensabend zuzubringen gedenkt. (Alles
Gute) bis 120 Jahre." |
Zum Tod des langjährigen Gemeindevorstehers Emanuel Frank (1937)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Januar 1937:
"Brandoberndorf, 5. Januar (1937). Im Alter von 68 Jahren starb
Emanuel Frank, eine der Persönlichkeiten, wie sie mit dem Rückgang der
Landgemeinden leider immer weniger werden. In Nieder-Ohmen, wo Familie
Frank beheimatet war, war der Heimgegangene annähernd 30 Jahre Vorsteher
der jüdischen Gemeinde, und mehr als das: er war Vater und Führer der
Gemeinde auch in der späteren langen lehrerlosen Zeit. Er war der
Ehrenvorbeter und der Baal Kore und hielt die Traditionen der Gemeinde mit
einer Liebe und Treue rein und aufrecht bis zuletzt, bis er, sozusagen als
'letzter Mann', als der 'Kapitän' das nicht mehr zu rettende Schiff
verließ. Erst vor einem Jahre entschloss er sich mit schwerem Herzen,
zusammen mit seinem inzwischen ebenfalls verstorbenen Vetter M. Frank
seine geliebte Gemeinde zu verlassen und zu seinen Kindern nach
Brandoberndorf zu ziehen. Der verdiente Mann folgt nun der treuen Gattin,
die ihm schon vor sieben Jahren in den Tod vorangegangen ist und mit der
er ein echtes jüdisches Heim der Frömmigkeit und Gastlichkeit geführt
hat, in dem Kinder in gleichem Geiste großgezogen wurden, in die
Ewigkeit. Er wird in seinem Kreise als einer der Männer der Wahrheit
unvergessen bleiben. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Berichte aus dem
jüdischen Gemeindeleben
Junge Nationalsozialsten werden wegen Ausschreitungen gegen jüdische Familien
verurteilt (1936)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. April 1936: "Gießen.
Das Schöffengericht verurteilte sechs jüngere Männer, die am 15. und
16. September in Niederohmen mehrere Genster und Türen bei
jüdischen Einwohnern beschädigten und Einrichtungsgegenstände in der
Synagoge zerstörten, wobei nach Schätzung der Gemeinde ein Schaden von
RM 5.000.- entstanden ist, zu je drei Wochen bis zwei Monaten Gefängnis. Strafmildernd
wirkte, dass sie an dem Abend sinnlos betrunken waren. Die
Untersuchungshaft wurde ihnen angerechnet." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Geburtsanzeige einer Tochter von Moritz Stern und Paula
geb. Freudenberger (1927)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Oktober
1927: "Gott sei gepriesen.
Die glückliche Geburt eines
kräftigen Madels zeigen hoch erfreut an
Moritz Stern II und Frau
Paula geb. Freudenberger. Niederohmen.
Am Tag nach Jom Kippur (= 7. Oktober 1927)". |
Verlobungsanzeige für Emmy Frank und Ferdinand Abraham
(1921)
Anmerkung: Die am 31. Januar 1901 in Nieder-Ohmen geborene Emmy Abraham geb.
Frank und der am 30. August 1897 in Brandoberndorf geborene Ferdinand Abraham
emigrierten nach Holland, wurden jedoch am 20. Juli 1943 ab Westerbork in das
Vernichtungslager Sobibor deportiert, wo sie umgekommen sind.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. April 1922:
"Statt
Karten!
Emmy Frank - Ferdinand Abraham. Verlobte.
Nieder-Ohmen
(Hessen) - Brandoberndorf im Taunus." |
Verlobungsanzeige von Hedwig Frank und Nathan Abraham (1921)
Anmerkung : Die am 24. April 1899 in Nieder-Ohmen geborene Hedwig
Abraham geb. Frank und der am 6. Oktober 1894 in Brandoberndorf geborene Nathan
Abraham wurden 1942 von Frankfurt in das Ghetto Theresienstadt deportiert, von
hier im September beziehungsweise Oktober 1944 nach Auschwitz. Sie wurden beide
in Auschwitz ermordet.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Juni 1921:
"Hedwig Frank - Nathan Abraham. Verlobte.
Nieder-Ohmen Kreis Alsfeld - Brandoberndorf
im Taunus.
Lag B'Omer 5681 (= 26. Mai 1921)." |
Zur Geschichte der Synagoge
Die Gemeinde hatte - spätestens seit dem 18. Jahrhundert - eine Synagoge. 1827
brannte diese ab. Doch wusste man sich in der Gemeinde zu helfen. Da Handelsmann
Löb Stern gerade sein Haus umbaute, jedoch nicht die nötigen Geldmittel hatte,
stellte man dem ihm das aus dem abgebrannten Synagogengebäude noch verwendbare
Bauholz zur Verfügung unter der Bedingung, dass in seinem Haus ein Betsaal
eingerichtet werde. Ein Vertrag wurde aufgesetzt, der zwischen der jüdischen
Gemeinde (mit den Gemeindegliedern in Nieder-Ohmen und Werlau) und der Familie
Stern alles Weitere regeln sollte. In einem Bericht aus der Zeitschrift
"Der Israelit" vom 21. September 1929 ist dieser Vertrag
abgedruckt:
Ein alter Vertrag. Mitgeteilt von Lehrer Freudenberger
in Flieden. Vor 100 Jahren brannte die alte Synagoge in Niederohmen bei Alsfeld
ab. Es fehlte der kleinen Gemeinde an den Mitteln, sich den Luxus eine Neubaus
zu gestatten. Schnell ist Rat geschaffen. Der unbemittelte Handelsmann Löb
Stern ist genötigt, sein Haus umzubauen. Allein auch er verfügt nicht über
die hierzu erforderlichen Gelder. Darlehnskassen kannte man damals nicht in der
dortigen Gegend. Aus den Trümmern des alten Gotteshauses ist noch ein
beträchtliches Quantum Bauholz gerettet. Man stellt dieses dem Löb Stern zur
Verfügung, dass er in dem umgebauten Wohnhause der Judenschaft Niederohmens ein
Betlokal einrichte. Nach längerer Unterhandlung kommt untenstehender Vertrag,
der heute ein lokalhistorisches Interesse beanspruchen kann, zustande. Einige
Monate später begeben sich auch die drei Mitglieder der zur Gemeinde
Niederohmen zählenden Nachbargemeinde Werlau zum Notar in Grünberg, um ihre
Rechte an dem neuen Betlokal zur Geltung zu bringen.
Nach heute (sc. 1929) besteht fraglicher Vertrag zu Recht. Für das Recht, das
Betlokal zu benützen und als Abfindung an den Steuern zahlt die Gemeinde
alljährlich an den jetzigen Besitzer, den Kaufmann Adolf Stern eine
Pauschalsumme von sage und schreibe: drei Mark.
Der Vertrag lautet: Unterm heutigen Datum hat sich die Judenschaft in
Niederohmen mit dem Löb Stern in Vergleich gesetzt.
1. Verspricht der Löb Stern die Synagoge, wo von jeher die Judenschaft in
Benutz gehabt haben, die Männerschul und die Weiberschul zu einer Männerschul
zu machen.
2. Der Botten (sc. Boden, künftig Empore) aber, wo über die
Männerschul und über die Weiberschul ist, wird zu einer Weiberschul genommen
und an die andern Kammern hat die Judenschaft kein Anteil zu machen, so weit hat
die Judenschaft den Botten, so groß die Schule ist, das übrige gehört dem
Löb Stern.
3. Hingegen verspricht die Judenschaft dem Löb Stern den ganzen Oberbau in
Stand zu halten und die Hälfte Monatsgeld und andere sonstige Lasten und
Abgaben, was auf dem Haus sind, an den Löb Stern zu entrichten.
4. Verspricht die Gemeinde dem Löb Stern, wenn die Spare darauf sind, muss der
Löb Stern, das dritte Teil an Dach zahlen, es mag gedeckt werden mit Stroh oder
mit Ziegel. Fernerhin im Stand, nämlich den dritten Teil.
5. Hingegen hat die Judenschaft den Eingang durch dem Löb Stern seinem Unterbau
zu gehen in der Schul. Die Treppe aber von dem Unterbau, wo in der Schul geht,
muss Löb Stern und die Judenschaft zusammen machen lassen.
6. soll Gott verhey (verhüte) ein Feuerbrand geben, dass die Schul verbrennt,
fällt die Hälfte Geld von der Feuerkasse der Judenschaft zu, und das Geld muss
wieder zur Synagoge angewend werden. Dieser Kontrakt ist beiden Teilen
vorgelesen worden und hernach Eigenhändig unterschrieben.
Niederohmen am 19. November 1827
Jakob Roth, Vorsteher, Feist Heß, Moses Spier, David Stern, Salomon Stern, Seligmann
Stern, Mendel Stern, Löb Stern.
Cont. Grünberg am 13. Februar 1828.
Erscheinen: Die Merlauer jüdischen sämtlichen Einwohner, namentlich Liebmann
Wolf, Herz Bauer und Jakob Wolf und erklärten auf Verlesung vorstehender
Verhandlungen und Vergleichs (5), dass sie, als zur Niederohmer jüdischen
Schulgemeinde gehörige Mitglieder den abgeschlossenen Vergleich in allen seinen
Teilen genehmigten und anerkennen wollten, welches der erschienene
Judenvorsteher Jakob Roth von Niederohmen verreptiert. |
Der mit der Familie Stern abgeschlossene Vertrag hatte bis in die
1930er-Jahre hinein Gültigkeit. Das Haus der Familie Stern blieb über 100
Jahre lang zugleich
Synagoge der jüdischen Gemeinde. Der Betsaal hatte eine Frauenempore. Insgesamt
waren 50 Männer- und 35 Frauenplätze vorhanden.
Am 12. November 1927 konnte die jüdische Gemeinde mit einer Feier das
100jährige Synagogenbaujubiläum begehen. Dazu erschien ein Bericht in der
Zeitschrift "Der Israelit":
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. November 1927: "Niederohmen,
1. November (1927). Am 12. November dieses Jahres feiert die jüdische
Gemeinde Niederohmen das 100jährige Synagogenbau-Jubiläum. Es sind
umfassende Vorbereitungen zu einer würdigen, schlichten Feier getroffen.
Just 100 Jahre sind es her, dass die nur wenigen Mitglieder der Gemeinde Niederohmen
und Merlau mit dem Handelsmann Löb Stern in Niederohmen vertraglich
vereinbarten, wonach dieser gegen eine geringe Entschädigung sich
verpflichtet, in seinem gerade umzubauenden Wohnhause einige Räume als
Synagoge einzurichten. Die Rechte und Pflichten der beiden Kontrahenten
wurden in dem Vertrage genau festgesetzt und bestehen noch heute voll zu
Recht. Die Gemeinde hat sich Gott sei Dank inzwischen wesentlich
vergrößert, die Räume sind leider nicht entsprechend gewachsen.
Hoffentlich finden sich bald die gütigen Wohltäter, die es der recht
religiösen, emporstrebenden Gemeinde ermöglichen, ein der jetzigen
Besucherzahl entsprechendes, würdiges Gotteshaus zu errichten." |
In der NS-Zeit wurde die Inneneinrichtung des Betraums bereits
im September 1935
durch betrunkene Jugendliche demoliert (siehe Bericht
oben). Dabei wurden auch die Torarollen geschändet, weswegen die
Gemeindeglieder ein Fasten ansetzten und (bis zum November 1938) täglichen
Gottesdienst durchführte. 1937 wurde das Synagogengebäude an eine
nichtjüdische Familie verkauft. Die jüdische Gemeinde konnte freilich den
Betsaal weiterhin benützen. Dennoch wurden beim Novemberpogrom 1938 die
Fensterscheiben eingeworfen, die Inneneinrichtung zerstört und die
Kultgegenstände auf die Straße geworfen. Nach 1938 wurde das Haus zu einem Wohnhaus
umgebaut (nach 1945 zeitweise auch mit Apotheke).
Dabei wurden zahlreiche Veränderungen vorgenommen, wie Eingangsvorbau mit
Terrasse, neues Dach, neue Fenster usw., wodurch das ursprüngliche Aussehen des
Synagogengebäudes verloren ging.
Adresse/Standort der Synagoge: Elpenröterstraße 34-35 / Am Eck
3-5
Fotos
(Quelle: links Arnsberg Bilder s. Lit. S. 156; Mitte und
rechts: Altaras s. Lit. S. 110)
Das
Synagogengebäude in Nieder-Ohmen |
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Die ehemalige Synagoge um 1970 |
Die ehemalige
Synagoge im September 1985 |
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Andernorts entdeckt |
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Grabstein (mit
Levitenkanne) für David Roth aus Niederohmen (22.8.1854 -
25.9.1939)
im jüdischen
Friedhof an der Eckenheimer Landstraße in Frankfurt am Main. |
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Familienbilder
von Ruth Stern Gasten
(erhalten von Ruth Stern Gasten
über Monika Felsing) |
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Ruth Stern Gasten
im Alter von zwei und vier Jahren; ihre
Oma Fannie Stern geb. Nussbaum (auf Foto rechts) ist
1935 nach Südafrika emigriert) |
Nach der
Emigration in den USA: die sechsjährige Ruth
mit ihrer fünfjährigen Cousine Helene
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Hirsch Stern (1847-1930),
Großvater von Ruth Stern-Gasten,
war verheiratet mit Röschen geb. Andor (1859-1925);
die beiden hatten fünf Kinder* (siehe unten);
Hirsch Stern war Viehhändler
|
Nieder-Ohmen 1935
vor der Scheune von Familie Joseph Stern:
Karola Stern und ihre Kousive Elfriede Roth
sowie Trudy (Nachname unbekannt)
|
Eltern von Ruth
Stern Gasten (Foto von 1939)
Joseph Stern und Hanna geb. Nussbaum (geb. 1898 in Ulmbach)
(weitere Informationen bei Ulmbach)
Über Joseph Stern eingestellt: A
Biography of Joseph Stern,
written by his daughter, Ruth Stern Gasten (2017,
pdf-Datei)
|
*Über
die fünf Kinder von Hirsch und Röschen Stern: Toni (geb. 1889 in
Nieder-Ohmen, zuletzt in der Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn, im Juni
1942 über Koblenz-Köln-Düsseldorf in das Vernichtungslager Sobibor
deportiert und ermordet), Meier (geb. 1891 in Nieder-Ohmen, wohnte
in Nieder-Ohmen, war als Viehhändler tätig, wohnhaft zuletzt in
Frankfurt am Main, von wo er im Oktober 1941 in das Ghetto Lodz deportiert
wurde, umgekommen/ermordet); Bertha Paula verheiratete Baum
(geb. 1893 in Nieder-Ohmen, wohnte in Frankfurt; im September 1942 über
Kassel-Chemnitz in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie im Februar
1943 umgekommen ist); Albert (nach New York/USA ausgewandert), Joseph
(siehe oben, konnte 1939 in die USA emigrieren). |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
November 2011:
Gedenkveranstaltung zum Novemberpogrom 1938 |
Artikel im "Gießener Anzeiger"
vom 12. November 2011: "'Jeder hätte von den Gräueln wissen
können'.
Nieder-Ohmen. Lesung aus den Tagebüchern Friedrich Kellners bei
Gedenkveranstaltung an die Reichspogromnacht in
Nieder-Ohmen...."
Link
zum Artikel. |
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November 2011:
In Nieder-Ohmen werden "Stolpersteine"
verlegt |
Artikel in der "Gießener
Allgemeinen" vom 11. November 2011: "Stolpersteine werden in
Nieder-Ohmen verlegt...."
Link
zum Artikel |
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April 2012:
In Nieder-Ohmen wird am 30. Juni 2012 ein erster
"Stolperstein" verlegt - weitere folgen |
Artikel im "Gießener Anzeiger"
vom 20. April 2012:
Am 30. Juni wird ein Stolperstein verlegt (Gießener Anzeiger, 20.04.2012)
Der erste "Stolperstein" wird am 30. Juni 2012 vor dem Haus
der Familie Schmulbach in der Obergasse 2 verlegt. In diesem Sommer sollen
noch weitere sechs Stolpersteine vor dem Haus der Familie Kornmann im Eck
13 verlegt. |
Artikel im "Gießener Anzeiger"
vom 25. April 2012: "Am 30. Juni wird ein Stolperstein verlegt.
Mücke. Haupt- und Finanzausschuss stimmte ohne Diskussion zu.
Am 30. Juni wird ein Stolperstein verlegt (Gießener Anzeiger, 25.04.2012) |
Artikel in der
"Oberhessischen Zeitung" vom 25. April 2012:
Am 30. Juni wird ein Stolperstein verlegt (Oberhessische Zeitung, 25.04.2012) |
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Juli
2012: Über die Verlegung von
"Stolpersteinen" in Nieder-Ohmen |
Artikel im "Gießener
Anzeiger" vom 25. Juli 2012: "Stolpersteine erinnern an Nieder-Ohmener Juden.
Nachkommen der Familie Stern kamen zur Verlegung. (in). Stolpersteinen zur Erinnerung an einstige jüdische Bewohner des Dorfs wurden in Nieder-Ohmen verlegt. Pfarrvikarin Lea Winkel dankte der protestantischen Kirchengemeinde Nieder-Ohmen als Träger des Projekts und dem Projektteam, Pfarrer Alexander Janka, Irmgard Gückel und Uwe Langohr. Die Aktion sei eine traurige Erinnerung an die grauenhaften Geschehnisse der Schoa, aber diese Erinnerung sei wichtig.
In der Obergasse wurde ein Stein für Klara Justus verlegt, die im Februar 1943 in Auschwitz ermordet wurde.'Im
Eck' erinnern Stolpersteine nun an Bertha Stern, geborene Maier und Berta Stern, geborene Justus, die im April 1943 in Theresienstadt umgebracht wurden, sowie an Julius Stern und die Kinder Beate, Hedwig und Jakob, die in Minsk ermordet wurden..."
Link zum Artikel: Stolpersteine erinnern an Nieder-Ohmener Juden (Gießener Anzeiger, 25.07.2012) |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. 2 (Abschnitt zu Nieder-Ohmen fehlt) |
| ders.: Die jüdischen Gemeinde in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 156. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 110-111. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 266-267. |
| Heinrich Reichel: Juden in Nieder-Ohmen. 1998.
Das
Buch schildert die Geschichte der Juden in Nieder-Ohmen seit dem 16.
Jahrhundert bis 1938. Es lebten hier ständig 70 - 80 Juden. Schicksale und
der Verbleib der ehemaligen jüdischen Mitbürger sind nachzulesen. |
| Klaus-Konrad Tromsdorf: Juden in Oberhessen. Online
zugänglich. |
| Aus Nieder-Ohmen stammt die Holocaust-Überlebende
Hilda Stern-Cohen (geb. 1924), von deren Gedichten und Prosatexten Veröffentlichungen
vorliegen, u.a.
Hilda Stern-Cohen: Genagelt ist meine Zunge. Lyrik und Prosa einer
Holocaust-Überlebenden.
Nähere Informationen. |
| Gleichfalls
aus Nieder-Ohmen stammt die Holocaust-Überlebende Ruth Stern Gasten (geb.
1933), die das Buch verfasste: An Accidental American: Memories of an
Immigrant Childhood. Taschenbuch 2010. 182 S. Xlibris, Cork 2010. ISBN 13:
978-1450043922.
Link
zu Amazon.
An Accidental American recalls life in Hitler's Germany, as seen through the eyes of a young girl who later escapes to the United States with her parents. The book tells of kind neighbors, an unforgettable ocean voyage, and bedbugs in Chicago, among other
memories.
Link: Presseartikel
(Jweekly.com vom 23.1.2014) mit Foto von Ruth Stern Gasten.
Link: Presseartikel von Carol Graham vom 14. Dezember 2017: "'An
Accidental American:' A Journey from Germany to the USA..." |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Nieder-Ohmen Hesse. Established
in the 18th century, the community numbered 109 (9 % of the total) in 1871 and
was affiliated with Giessen's Orthodox rabbinate. Members observed a fast after
the desecration of their Torah scrolls in 1935 and attended daily services until
1938, a year after the synagogue's forced sale. By September 1940, 45 Jews had
emigrated; almost as many perished in the Holocaust.
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|