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Oberthulba (Markt
Oberthulba, Kreis
Bad Kissingen) mit Thulba
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Oberthulba bestand eine jüdische Gemeinde bis
1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. In dem
zum Stift Fulda gehörenden Thulba (Oberthulba gehörte zum Hochstift
Würzburg) lebten Juden bereits im 16. Jahrhundert. Aus dem Jahr 1581 liegt ein
Schutzbrief des Deutschmeisters Heinrich von Bobenhausen für die Judenschaft
des Stiftes vor. Die Familien wohnten damals in Brückenau, Hammelburg
und Thulba. 1603 wird unter den Kurgästen in Kissingen
des "Juden Gumpen Frau aus Oberthulba"
genannt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt:
1816 31 jüdische Einwohner (4,8 % von insgesamt 673), 1837 36 (3,8 % von 940),
1867 57 (6,7 % von 847), 1871 64 (7,5 % von 849), 1910 55 (6,1 % von 908).
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Oberthulba auf
insgesamt fünf Matrikelstellen die folgenden jüdischen
Familienvorstände genannt (mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): Jacob
Jüdla Liebenfried (Viehhändler), Jochanan Abraham Schiff (Viehhändler), Mayer
Jochanan Schiff (Viehhändler), Salomon Abraham Schiff (Viehhändler), Jacob
Meyer Schild (Viehhändler).
Die
jüdischen Familien lebten auch nach der Mitte des 19. Jahrhunderts vom Handel mit Vieh und Landesprodukten. Noch 1933
gab es in Oberthulba fünf Händler (davon drei Viehhändler) und einen
Landwirt. Die meisten Familien hatten im Nebenerwerb eine kleine
Landwirtschaft.
An Einrichtungen waren vorhanden: eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule (in einem Schulhaus mit Lehrerwohnung) und ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden im
jüdischen Friedhof in Pfaffenhausen
beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein
jüdischer Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war
(vgl. Ausschreibungstexte unten). Die Gemeinde war dem Bezirksrabbinat Bad Kissingen
zugeteilt.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen
Gemeinde Oberthulba (beziehungsweise gelten als vermisst): Max Distelburger
(geb. 10.12.1889 in Oberthulba, gef. 24.10.1916),
Arnold Löbenfried (geb. 1.1.1895 in Oberthulba, gef. 28.10.1916) und Isidor
Schiff (geb. 13.2.1893 in Oberthulba, gef. 16.4.1917). Ihre Namen stehen auf dem Kriegerdenkmal
für die Gefallenen beider Weltkriege auf dem örtlichen Friedhof Oberthulba
neben der Friedhofskapelle.
In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg konnten sich die weniger gewordenen
jüdischen Familien keinen eigenen Lehrer und Vorbeter mehr leisten.
Glücklicherweise konnte mit dem aus Rimesk (?, ostjüdischer Bereich? oder
Schreibfehler, z.B. für Rieneck?)
stammenden Samuel Kahn ein ehrenamtlicher Vorbeter gewonnen werden.
Um 1924 lebten 42 jüdische Personen am Ort (4,9 % von insgesamt etwa
860 Einwohnern), Die
Gemeindevorsteher waren S. Distelburger, Wolf Schiff und Max Schiff. Der
Religionsunterricht für die damals zwei schulpflichtigen jüdischen Kinder
wurde durch Lehrer Moses Rosenberger aus Hammelburg erteilt (auch 1932 waren es
noch zwei Kinder). 1932 waren die Vorsteher der Gemeinde Felix Schiff (1.
Vors.), Willi Schiff (2. Vors.) und Karl Adler (Schatzmeister).
1933 lebten noch 44 jüdische Personen in Oberthulba. Auf Grund der
Folgen des wirtschaftlichen Boykotts und der zunehmenden Repressionen verarmten
die jüdischen Familien sehr schnell. Ende 1936 wurde den Viehhändlern
verboten, mit den Bauern der Umgebung Geschäfte abzuschließen. Einer der
Viehhändler - Ludwig Distelburger - wurde außerhalb des Ortes beim Besuch
eines Bauernhofes von einem Nationalsozialisten überfallen und durch Messerstiche
schwer verletzt; nach mehrwöchigem Krankenhausaufenthalt konnte er mit seiner
Familie noch in die Vereinigten Staaten emigrieren. Die jüdischen Kinder wurden zunächst weiter durch den
Hammelburger Lehrer unterrichtet. Seit Schuljahresbeginn 1938/39 wurden
die damals vier Kinder dreimal wöchentlich nach Geroda geschickt, wo sie durch
den dortigen Lehrer Kahn unterrichtet wurden. Im Frühjahr 1937 war eine
religiöse Jugendgruppe mit zusammen 31 Personen aus dem Kibbuz
Altona-Blankenese in Oberthulba, um hier eine landwirtschaftliche Ausbildung zu
bekommen. Die Gruppe bereitete sich auf die Auswanderung nach Palästina vor.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge geschändet und deren
Inneneinrichtung zerstört (s.u.), dazu wurden die Fenster der jüdischen
Häuser eingeschlagen, das Mobiliar zertrümmert und auf die Straße geworfen.
Dabei kamen auch Plünderungen vor. Trotz dieser schlimmen Vorkommnisse blieben
vier jüdische Familien bis 1942 am Ort; bis dahin war 16 Personen die
Auswanderung gelungen (USA, England, Südafrika), vier waren am Ort verstorben,
vermutlich mehrere in andere Orte verzogen. Im April wurden 11 der letzten
jüdischen Einwohner über Würzburg nach Izbica bei Lublin deportiert, eine
ältere jüdische Frau wurde über Würzburg in das Ghetto Theresienstadt
verbracht.
Von den in Oberthulba geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Berta Adler geb. Löbenfried (1893), Justin Adler
(1924), Karl Adler (1891), Regina Berney geb. Schiff (1878), Ida Bravmann geb.
Löbenfried (1890), Adolf Distelburger (1887) mit seiner Frau Jeanette
Distelburger geb. Isaak (1881 in Mühlheim) und der Tochter Reni Distelburger
(1919 in Frankfurt), Jettchen Gans geb.
Schiff (1877), Ernestina Goldner geb. Jakob (1872), Betty Rothschild geb. Löbenfried (1903), Milton Rothschild
(1932), Siegfried Rothschild (1894), Adolf Schiff (1888), Benno Schiff (1894), Caroline Schiff geb. Goldner (geb. 1899),
Felix Schiff (1893), Käthe (Keta) Schiff (1930), Karoline Schiff geb. Goldner
(1899), Martha Schiff (1926), Moritz Schiff (1896), Wolf Schiff (1874), Jettchen Stark geb. Schiff (1887), Frieda Vogel geb. Schiff
(1885),
Sophie Vogel geb. Schiff (1882).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1893 /
1904 / 1906 / 1908
Anzeige in der Zeitschrift
"Der Israelit" vom 20.11.1893: "Die Lehrer, Chasan-
(Vorbeter-) und Schochet- (Schächter-) Stelle zu Oberthulba, welche nebst
freier Wohnung 800 Mark einbringt, ist noch unbesetzt. Reflektanten wollen
sich an mich wenden.
Rabbiner Bamberger, Bad Kissingen." |
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Anzeige in der Zeitschrift
"Der Israelit" vom 18. Juli 1904: "Die hiesige Religionslehrerstelle,
verbunden mit dem Amte eines Vorbeters und
Schächters ist alsbald zu besetzen. Fixum Mark 600, garantierte
Nebenverdienste Mk. 300, sowie freier Wohnung und Beheizung. Bewerbungen
seminaristisch gebildeter Bewerber nimmt Unterzeichneter entgegen.
Oberthulba, Unterfranken, 15. Juli (1904).
Abraham Schiff,
Kultusvorstand". |
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Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 6. Juli 1906:
"Die mit der Vorsänger- und Schächterfunktion verbundene Religionslehrerstelle
Oberthulba bei Bad Kissingen ist vakant. Besoldung: 820 Mark. Fixgehalt
und 300 Mark garantierte Nebenverdienste bei freier Wohnung und freiem
Beheizungsmateriale.
Seminaristisch geprüfte Bewerber belieben sich zu wenden an
Abraham Schiff, Kultusvorstand." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Januar 1908:
"Lehrer-Vakanz.
Die mit der Vorbeter- und Schächterfunktion
verbundene Religionslehrerstelle ist zu besetzen. Besoldung: Mark 820
fixer Gehalt; Mark 300 garantierte Nebenverdienste bei freier Wohnung und
Heizung. Bewerbungen nebst Zeugnisabschriften sind zu richten an
Abraham Schiff - Kultusvorstand, Oberthulba bei Bad Kissingen." |
Zum Tod von Lehrer Maier Mayer (1927 - um 1860 einige Jahre Lehrer in Oberthulba)
Artikel
in der "Bayrischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 7. Januar
1927: "Personalien. In Themar, wo ihm kindliche Dankbarkeit
und Liebe ein freundliches Heim geschaffen und einen sorgenfreien,
heiteren Lebensabend bereitet hatten, verstarb am 24. November (18.
Koslew) der Nestor und Mitbegründer unseres Vereins, Maier Mayer, im
Alter von 86 Jahren und 7 Monaten. Er wurde am 22. April 1839 in Aschbach
geboren, erhielt seine Ausbildung in Höchberg und Würzburg und wurde
nach mehrjähriger Tätigkeit als Religionslehrer in Oberthulba und
Giebelstadt in die damals noch blühende Gemeinde Schnaittach berufen, wo
er nahezu ein halbes Jahrhundert in Schule und Gemeinde wirkte, bis er im
Jahre 1914 in den wohlverdienten Ruhestand trat und nach Themar
übersiedelte. Auch in dieser Gemeinde machte er sich besonders verdient,
indem er in gottbegnadeter, körperlicher und geistiger Rüstigkeit in den
Jahren 1916-1918, als sein Schwiegersohn, Lehrer Levinstein, zum
Kriegsdienste eingerufen wurde, dessen anstrengenden Dienst versah. Noch
als 86jähriges fungierte er am Rochhaschanah (Neujahr) und Jomkippur
als Scheliach Zibbur (Vorbeter). Die hohe Verehrung und Liebe, die
ihm aus allen Kreisen entgegengebracht wurde, fand noch besonderen
Ausdruck, als er im Vorjahre mit seiner Gattin unter Teilnahme der ganzen
Gemeinde, ohne Unterschied des Glaubens, der Vertreter aus seinem
vieljährigen Wirkungsorte und der Behörden - der Verband Bayerischer
Israelitischer Gemeinden sei hierbei eigens genannt - das seltene Fest der
diamantenen Hochzeit feiern konnte. Bezirksrabbiner Dr. Weinberg in Neumarkt
verlieh im anlässlich dieser Feier den Chower-Titel. Um den
Heimgegangenen trauern mit der Gattin 10 Kinder, 7 Söhne und 3 Töchter.
An seiner Bahre hielt der Schwiegersohn die Trauerrede, der älteste Sohn,
Lehrer Moses Mayer, widmete dem Vater tief ergreifende Worte des
Abschieds. Möge das Andenken des Zaddik zum Segen sein!
Blumenthal, Neustadt a.d.A." |
Der Schuldienstaspirant Jakob Löbenfried wird
Religionslehrer und Vorsänger in Oberthulba (1867)
Anzeige im "Königlich Bayerischen Kreis-Amtsblatt von
Unterfranken und Aschaffenburg" vom 23. November 1867:
"Durch Regierungs-Entschließung vom 16. November laufenden Jahres ad
Nr. 42119 ist die von der israelitischen Kultusgemeinde Oberthulba,
königlichen Bezirksamts Hammelburg, beschlossene Übertragung ihrer
Religionslehrers- und Vorsängerstelle an den israelitischen
Schuldienstabspiranten Jakob Löbenfried daselbst genehmigt worden. |
Zum Tod des Vorbeters Samuel Kahn (1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Juli 1935: "Oberthulba,
2. Juli (1935). Einen unersetzlichen Verlust hat die kleine Kultusgemeinde
Oberthulba durch den in Frankfurt verstorbenen Samuel Kahn erlitten. Einer
frommen Familie in Rimesk entstammend, hat er immer genau auf die
Einhaltung der Gebote geachtet. Seit vielen Jahren
versah er ehrenamtlich in der Gemeinde die Ämter des Vorbeters (und des) Baal
Tokea (Schofarbläser) und war bemüht, das Minjan in der Gemeinde zu
erhalten, sowie die sonstigen Institutionen zu fördern. Sein Interesse
für das Heilige Land war bewundernswert. Herr Neustädter, Buckingen,
brachte auf dem alten Friedhofe in Pfaffenhausen seine menschlichen und
religiösen Tugenden zum Ausdruck. Seine Seele sei eingebunden in
den Bund des Lebens." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Über den aus Oberthulba stammenden Lehrer und
Kantor Heinrich Schiff
Anmerkung: Heinrich (Heinemann) Schiff ist am 27.Mai 1868 in Oberthulba
geboren. Er besuchte die Präparandenschule in Burgpreppach und ließ sich am
Israelitischen Seminar in Köln zum Lehrer ausbilden. Im Juli 1887 bestand er
die Prüfung als Volksschullehrer im Königlichen Seminar in Boppard in
sämtlichen Fächern für die Volksschule. Seit April 1891 war Heinrich Schiff in
Oppenheim tätig. Er war in der dortigen jüdischen Gemeinde bis 1930 Vorbeter (Kantor), Schochet und
Religionslehrer, dazu jüdischer Religionslehrer an den Schulen der Stadt. In
der NS-Zeit konnte er in die USA emigrieren.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. August 1891 aus der Zeit des
ersten Jahres von Lehrer Schiff in Oppenheim:
"Suche auf 10
Wochen, und zwar vom 25. August bis zum 5. November, gegen gutes Honorar
einen Vertreter, da ich zu einer militärischen Übung eingezogen werde.
Reflektierende müssen Religionslehrer, Vorbeter und wenn möglich
Schochet sein. Sofortige Offerten wolle man an den Unterzeichneten
richtigen.
H. Schiff, Lehrer und Kantor, Oppenheim am Rhein." |
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Anzeige
in der amerikanisch-jüdischen Zeitschrift "Der Aufbau" vom 14. Mai 1948:
"Unser lieber Vater und
Großvater
HEINRICH SCHIFF
(früher Oppenheim, Rhein, Pforzheim, Hamburg) feiert am 27. Mai 1948 seinen
80. Geburtstag.
Die Kinder und Enkelkinder. 2341 Chestnut Street, San Francisco, Calif. |
Literatur: Wolfgang Kemp: |
Zum Tod von Salomon Schiff II
(1937)
Todesanzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3.
Juni 1920: "Statt besonderer Anzeige! Nach langem schweren Leiden
verschied am 21. Mai unser innigstgeliebter Vater, Schwiegervater,
Großvater
Herr Salomon Schiff II. im Alter von 76 Jahren.
Oberthulba (Unterfr.), Frankfurt am Main, New York, den 25. Mai 1920. Die
trauernden Hinterbliebenen."
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Grabstein für Samuel Schiff
(gest. 1937) im jüdischen Friedhof in Pfaffenhausen.
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Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige von Feibel Distelburger (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. August 1901:
"Suche
für meinen Sohn in religiösem Hause (inklusive Kost und
Logis) Stelle als Kaufmannslehrling.
Feibel Distelburger,
Mehlhandlung.
Oberthulba in Bayern." |
Nach 1945 - in den USA: Hochzeitsanzeige von Ludwig
Distelburger und Bertie geb. Reiss (1946)
Anzeige
in der amerikanisch-jüdischen Zeitschrift "Der Aufbau" vom 25.
Oktober 1946:
"Ludwig Distelburger - Bertie Distelburger née Reiss.
Married October 20, 1946
R.F.D. No. 4 Middletown, N.Y.
(formerly Oberthulba, Bayern)
(formerly Catskill, N.Y., Ulrichstein,
Hessen) |
Nach 1945 - in Südafrika: Geburtsanzeige einer Tochter
von Claire (Klara) geb. Distelburger aus Oberthulba (1948)
Hinweis: die genannte Claire Vyth geb. Distelburger war eine Tochter
des unten bei der Synagogengeschichte 1909 als Spender eine Torarolle genannten Salomon
Distelburger (geb. am 5. Februar 1874 in Oberthulba, gest. am 3. April
1941 in Würzburg). Er war verh. mit Sophie geb. ? (geb. am 6.
Dezember 1882), die im Februar 1939 nach Südafrika emigrieren konnte. Die
Tochter Klara (bzw. Claire) Distelburger ist am 28. August 1913 in Oberthulba
geboren und war
in Würzburg nach 1933 (vermutlich bei der Israelitischen
Lehrerbildungsanstalt) als Küchenmädchen tätig. Sie emigrierte 1936
nach Südafrika. Informationen nach Strätz Biographisches Handbuch I S.
123-124.
Anzeige
in der amerikanisch-jüdischen Zeitschrift "Der Aufbau" vom 9.
Juli 1948: "We are happy to announce the arrival of Joyce's baby
sister Sandre Bernice on the 27th of June.
Ernst and Claire Vyth née Distelburger 43, Derrick Avenue,
Cyrildene Johannesburg, South Africa.
Formerly Frankfurt/Main - Calcar / Niederrhein - formerly Oberthulba". |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine erste Synagoge beziehungsweise ein Betsaal
wurde bereits im 18. Jahrhundert eingerichtet (1790 ?). Eine neue Synagoge wurde
1871/72 erbaut. Sie wurde am 13. Adar (22. Februar 1872) durch Distriktsrabbiner
Bamberger aus Bad Kissingen eingeweiht. Die Zeitschrift "Der Israelit"
berichtete:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. März 1872: "In
Oberthulba (Bayern) fand am 13. Adar (22. Februar 1872) die Einweihung der
dortigen, neuerbauten Synagoge statt. Herr Distriktsrabbiner Bamberger aus
Kissingen hielt die Festrede in sehr erhebenden Weise". |
Von außergewöhnlichen Ereignissen in der Geschichte
der Synagoge wird in den überregionalen Zeitungen nur selten etwas aus
Oberthulba berichtet. Immerhin erfährt man aus dem Bericht vom April 1909 von
der Stiftung einer neuen Torarolle für die Synagoge der Gemeinde:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. April 1909:
"Oberthulba bei Bad Kissingen, 22. April (1909). Herr Salomon
Distelburger stiftete unserer Gemeinde eine prachtvoll ausgeführte Sefer
Tora (Torarolle), die am Schabbat Paraschat Schemini (Schabbat mit der
Toralesung Schemini = 3. Mose 3,1-11 47; d.h. am Schabbat, 17. April 1909)
eingeweiht wurde. Herr Rabbiner Dr. Bamberger, der uns an diesem Schabbat
mit seinem Besuche beehrte, hielt zu Ehren des Tages und des Stifters eine
Ansprache, die die Gemeinde begeisterte und dem Gottesdienste ein
festliches Gepräge verlieh. Von einer größeren Feier wurde mit
Rücksicht darauf, dass der Stifter zur Zeit awal (leidtragend)
ist, abgesehen." |
Vor der NS-Zeit wurde die Synagoge letztmals 1931
renoviert.
Regelmäßige Gottesdienste sind in der Synagoge bis zum Sommer 1938 abgehalten
worden. Beim Novemberpogrom 1938 wurden in der Synagoge die
Inneneinrichtung, die Ritualien und Gebetbücher zerstört und verbrannt. Das
Gebäude selbst blieb erhalten. Auf Grund zahlreicher Umbauten ist das Gebäude
jedoch als solches kaum mehr als ehemalige Synagoge erkennbar. Es wird vom
Bayerischen Roten Kreuz als Übungsraum genutzt, 1999 waren in dem Gebäude
vorübergehend auch Kindergartengruppen untergebracht, bis neue Räume für den
Kindergarten Oberthulba eingeweiht werden konnten.
Eine Gedenktafel ist vorhanden und hat die Inschrift: "Dieses
Gebäude diente unseren ehemaligen jüdischen Mitbürgern bis 1938 als Synagoge
und Schule". Eine zweite Tafel hat die deutsche und hebräische
Inschrift: "Der Markt Oberthulba gedenkt seiner jüdischen Bürger, die
unter der NS-Herrschaft Opfer von Verfolgung und Deportation wurden. Zum
ewigen Gedenken - Den jüdischen Personen, die Opfer der Shoa wurden, Einwohner
von Oberthulha, die verfolgt wurden, vertrieben und ermordet unter der
nationalsozialistischen Herrschaft - es sei Ihnen ein ewiges
Gedenken".
Adresse/Standort der Synagoge: Ledergasse 12 (alte
Anschrift Judengasse Gebäude Nr. 113)
Fotos/Abbildungen
Das Gebäude der ehemaligen
Synagoge im Frühjahr 2007
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum
31.5.2007)
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Von der
ehemaligen Synagoge ist nichts mehr zu erkennen - durch Umbauten ist die
Vergangenheit unkenntlich gemacht. |
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Die beiden
Erinnerungstafeln |
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Aus dem
Familienalbum der Familie Distelburger
(Fotos / Dokumente erhalten von Bert Distelburger)
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Hinweis: 1) Lazarus Distelburger
(geb. 1808 in Oberthulba, gest. 1902 in Oberthulba) war der Vater von
Feibel Distelburger.
2) Feibel Distelburger (vgl.
Anzeige oben von 1901) hatte mit seiner Frau Regina sechs Kinder. Drei
davon sind bereits früh verstorben, drei Söhne überlebten die
Kindheit:
3) Seligmann (geb. 1885 in Oberthulba, nannte sich nach der
Emigration in die USA Simon): war in erster Ehe verheiratet mit
Rose geb. Linz (gest. 1929 in Oberthulba und beigesetzt im Friedhof
Pfaffenhausen), war in zweiter Ehe verheiratet mit Thekla geb. Reinstein.
Die Familie konnte in die USA emigrieren.
Adolf (geb. 1887 in Oberthulba): war verheiratet mit Jeanette geb.
Isaak (geb. 1881 in Mühlheim); das Ehepaar wohnte später in Frankfurt,
wo 1919 die Tochter Reni geboren ist; Adolf und Jeanette wurden 1942 in
das Ghetto Theresienstadt deportiert, 1944 in das Vernichtungslager
Auschwitz, wo beide umgekommen sind; Reni Distelburger wurden 1943 von
Berlin aus nach Auschwitz deportiert und ist umgekommen.
Max (geb. 1889 in Oberthulba), im
Ersten Weltkrieg in der Schlacht bei Verdun am 24.10.1916 gefallen (oben genannt).
4) Ein Sohn von Seligmann [Simon] Distelburger und seiner ersten Frau Rose
war Ludwig Distelburger (geb.
1911 in Oberthulba, gest. 1999 in Circleville N.Y.; Heiratsanzeige 1946
mit seiner ersten Frau Bertie Reiss s.o. (früh verstorben); war nach 1945
Viehhändler in Mechanicstown, N.Y.; die beiden Söhne von Seligmann
[Simon] Distelburger waren Bert und Joseph.
5) Bert Distelburger (geb. 1949; vgl. Pressebericht unten) ist in
den USA verheiratet mit Cathy. Das Ehepaar hat drei Kinder: Brian, Rachel und
Lisa und inzwischen drei Enkel Dylan, Shaya und Ami (Stand: Mai
2010).
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Das Haus der
Familie Distelburger in Oberthulba mit der heutigen Anschrift Ledergasse
21 -
am Fenster des Fotos links: Seligmann [Simon] Distelburger |
Ludwig Distelburger
auf einem Bauernhof |
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Rosa (gest. 1929) und
Seligmann [Simon] Distelburger in Oberthulba um 1920 |
Thekla geb. Reinstein (zweite
Frau) und
Seligmann [Simon] Distelburger |
Seligmann [Simon] Distelburger
in Oberthulba |
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Thekla geb. Reinstein und
Seligmann [Simon] Distelburger |
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Karte von 1920,
versandt von
Jeanette Distelburger |
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Karte von
Jeanette Distelburger an ihren Schwiegervater "Herrn Feibel
Distelburger Oberthulba bei Hammelburg", abgeschickt in Frankfurt
am Main am 21. Mai 1920, zwei Tage vor dem Wochenfest (Schawuoth), daher
der Briefschluss: "haltet gut Jontef (= den Feiertag)". Der
Text der ganzen Karte: "Frankfurt am Mai, 21. Mai 1920. Meine Lieben. Noch kurz vor
.?. will ich Euch noch eine Karte schreiben, und hoffen wir unsern jüngsten Brief in Eurem Besitz. Wir hoffen Euch alle gesund und es geht uns, ebenso
(der) lieben Reni Gott lob gut. Der Karton mit den Beizes (= Eier) ist gut angekommen, es war nichts defekt.
(Der) liebe Adolf geht nach Pfingsten auf die Reise und kommt vielleicht nach dorten wenn er in der Nähe sein sollte. Habt ihr das Bild von
unserer lieben Kleinen erhalten? haltet gut Jontef (= den Feiertag) und seid alle recht herzlich gegrüßt von mir ebenso vom lieben Adolf Eure Jeanette".
Hinweis: die genannten Personen: Jeanette, Adolf und die damals erst
einjährige Tochter Reni sind
nach den Deportationen 1942/43 (von Frankfurt bzw. Berlin aus) in
Auschwitz ermordet worden. |
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Einzelne Presseberichte
Juni
2009: Nachkommen der Familie Distelburger
besuchen Oberthulba |
Foto
links: Bert und Cathy Distelburger vor dem Haus ihrer Vorfahren in
Oberthulba.
Artikel in der "Main-Post" vom 23. Juni 2009 (Artikel):
"HAMMELBURG - Auf den Spuren der Vorfahren
(si) Auf den Spuren ihrer Vorfahren wandelten Bert und Cathy Distelburger aus New York im Altlandkreis Hammelburg. Bert Distelburger ist der Sohn beziehungsweise Enkel von Ludwig und Seligmann Distelburger, die bis 1938 ein Viehhandelsgeschäft in der Ledergasse 21 in Oberthulba betrieben. Durch die rechtzeitige Warnung eines Polizisten, bevor im Oktober 1938 die Pässe der jüdischen Bürger eingezogen und mit dem Juden-Stempel gekennzeichnet wurden, gelang damals Vater und Sohn die Flucht nach USA.
Bert Distelburger kann sich lebhaft an seine Kindheit in New York erinnern, als viele Emigranten sein Elternhaus besuchten, die nur in Ausnahmefällen in der fremden Welt zu Wohlstand gekommen waren.
Das erste Ziel der Besucher aus den Staaten war der Friedhof in Pfaffenhausen, wo sie die Gräber der Urgroßeltern und anderer Vorfahren besuchten. Die Grabsteine von sechs Personen der Distelburger Familie sind dort noch zu finden.
Der nächste Anlaufpunkt war Oberthulba und zwar das Distelburger-Haus in der
Ledergasse. Obgleich sich das Haus und die Ledergasse sehr verändert haben, zeigten sich Bert und Cathy Distelburger sehr bewegt. Auch der naheliegende Wäscheplatz an der Thulba, an dem über Jahrhunderte die Distelburger- Frauen Schwerarbeit leisteten, war von großem Interesse. Am Kriegerdenkmal konnte das Ehepaar dem im Ersten Weltkrieg gefallenen Max Distelburger gedenken." |
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Februar 2019:
Beteiligung am "DenkOrt Aumühle"
https://denkort-deportationen.de/ |
Artikel von Isolde Krapf in der
"Main-Post" von 8. Februar 2019: "Bad Kissingen. Warum die Erinnerung
wichtiger denn je ist
Die Würzburger Initiative zum Gedenken an die 2069 deportierten Juden aus
Unterfranken hat in den vergangenen Jahren Kreise gezogen. Es fanden vor Ort
etliche Gedenkveranstaltungen statt. So machten sich zum Beispiel im Mai
2011 mehr als 3000 Menschen, darunter auch etliche aus dem Landkreis Bad
Kissingen, auf den "Weg der Erinnerung": Die Juden mussten nämlich damals,
streng bewacht von der Gestapo, von den Sammelplätzen aus- das war meist der
Platz'sche Garten am heutigen Friedrich-Ebert-Ring– zum Bahnhof Aumühle
laufen. Auch in den Ratsgremien der Kommunen im Landkreis Bad Kissingen
stößt der geplante DenkOrt Aumühle inzwischen auf allgemeines Interesse...
Rucksack vor der Synagoge in Oberthulba. Im Gemeinderat Oberthulba
kam man schnell überein, dass die Kunstschmiede Georg Mützel aus Eibelstadt
zwei Rucksäcke aus Kupferblech anfertigen soll, sagt Bürgermeister Gotthard
Schlereth. Eines dieser Gepäckstücke soll dann vor der ehemaligen Synagoge
in der Ledergasse platziert werden, wenn die geplante Gartenanlage dort
fertig ist. An die Gräueltaten von damals mahnend zu erinnern, hält
Schlereth in einer Zeit, in der Individualisierung und Egoismus zunehmen,
"für wichtiger denn je". Junge Leute hätten jetzt bald keine Bezugspunkte
mehr zu dieser Zeit über ihre eigenen Familien. Deshalb müsse man das
Gedenken an damals hochhalten..."
Link zum Artikel https://www.mainpost.de/regional/bad-kissingen/Warum-die-Erinnerung-wichtiger-denn-je-ist;art766,10173741
. |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 380-382. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 101. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 388-389.
|
| Volker Rieß: Jüdisches Leben in und um Hammelburg.
Katalog zur Ausstellung im Stadtmuseum Herrenmühle 12. Oktober – 10.
Dezember 2000, Hammelburg 2001.
|
| Cornelia Binder und Michael (Mike) Mence: Last Traces /
Letzte Spuren von Deutschen jüdischen Glaubens im Landkreis Bad Kissingen.
Schweinfurt 1992. |
| dieselben: Nachbarn der Vergangenheit / Spuren von
Deutschen jüdischen Glaubens im Landkreis Bad Kissingen mit dem Brennpunkt
1800 bis 1945 / Yesteryear's Neighbours. Traces of German Jews in the
abministrative district of Bad Kissingen focusing on the period
1800-1945. Erschienen 2004. ISBN 3-00-014792-6. Zu beziehen bei den
Autoren/obtainable from: E-Mail.
Info-Blatt
zu dieser Publikation (pdf-Datei). |
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 115. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Oberthulba Lower Franconia.
The 19th century community reached a peak population of 64 in 1871 (total 849),
dropping to 44 in 1933. Most Jews ran auxiliary farms, where a group of
religious youth was sent in 1937 for pioneer training. On Kristallnacht
(9-10 November 1938), the synagogue and Jews homes were vandalized. In the
1936-40 period, 16 Jews left Oberthulba, 13 for the United States. The last 11
Jews were expelled via Wuerzburg at the end of April 1942 and from there
deported to Izbica in the Lublin district (Poland).
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