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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Schopfheim (Kreis
Lörrach)
Jüdische Geschichte
Übersicht:
Zur jüdischen Geschichte
in Schopfheim
Aus Schopfheim wird erstmals 1607 ein Jude genannt: so ist in
Offenburg ist "der Jud von Schopfheim" aktenkundig, der mit elf
Pferden durch Offenburger Territorium reitet, ohne den üblichen Zoll zu
entrichten, was sich die Offenburger nicht einfach gefallen ließen. Auch 1650 ein Jude genannt, der damals
zum Protestantismus übertrat.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zogen einige jüdische Personen /
Familien in der Stadt zu, zunächst die Familien Lazarus Frank aus Nonnenweier,
Josua Hirschel aus Sulzburg und Salomon Bloch aus Lörrach. Eines der ersten
jüdischen Geschäfte am Ort war das Tuchgeschäft eines aus Endingen stammenden
Großonkels von Max Picard.
1888 ist der Arzt, Dichter und Philosoph Max Picard in Schopfheim geboren
(Sohn des Kaufmanns Joseph Picard und seiner Frau Sophie; am Geburtshaus
Hauptstraße 49 befindet sich eine Gedenktafel; Picard starb 1965 in Lugano).
Picard besuchte seit 1894 die Volks- und Realschule in Schopfheim und machte
1906 das Abitur am Humanistischen Gymnasium in Lörrach. Über sein weiteres
Leben und seine Werke siehe den Wikipedia-Artikel
Max Picard. In Schopfheim erinnern u.a. der Dr.-Max-Picard-Platz und das
Pflegestift Dr. Max Picard an
ihn.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1864 8 jüdische Einwohner, 1871 15, 1875 17, 1880 21, 1885 28, 1890
17, 1895 15, 1900 10, 1905 23, 1910 Höchstzahl von 34, 1925 23.
Die jüdischen Einwohner gehörten seit 1895 der Synagogengemeinde in Lörrach
an.
1933 lebten noch 18 jüdische Personen in Schopfheim. Es bestanden noch
die folgenden jüdischen Gewerbebetriebe /Geschäfte: Textilwarengeschäft
Lehmann Hirschel (Hauptstraße 42; Hirschel Lehmann ist 1872 in Schopfheim
geboren; er starb am 22. Januar 1935 in Schopfheim), Manufakturwarenhandlung
Maier Mayer (Hauptstraße 49, vgl. Anzeigen unten; Maier Mayer ist 1859 in
Sulzburg geboren; er starb am 4. Januar 1940 in Schopfheim), Viehhandlung
Salomon Auerbacher (Wallstraße 5; Salomon Auerbacher ist 1862 in
Kippenheim
geboren, war seit 1906 in Schopfheim, wo er am 9. Januar 1936 verstarb; seine
Frau Hilde starb am 29. März 1938) und das Konfektionsgeschäft Isac Picard
(bis 1931 in der Scheffelstraße 7, Isac Picard ist 1857 in
Endingen CH geboren;
er starb am 31. Januar 1931 in Schopfheim). In
den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Einige andere jüdische
Personen sind noch nach 1933 in Schopfheim zugezogen (Berta Grünebaum 1937 aus
Frankfurt, Ehepaar Braunschweig 1939 aus Kirchen).
Von den in Schopfheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Bella Auerbacher (1903),
Friedrike Braunschweig geb. Moses (1882), Samuel Braunschweig (1876), Fanny
Ellendmann (1913), Berta Grünebaum (1885), Klara Hess geb. Picard (1896),
Rudolf (Rudi) Hess (1923), Justizrat Dr. Robert Lindmann (1879), Dr. Herbert
Mayer (1902), Marie (Meta) Mayer geb. Moch (1886), Samuel Moses
(1885).
Berichte aus der
jüdischen Geschichte in Schopfheim
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Zum Tod der Frau des Kaufmanns Maier Mayer aus Schopfheim (1913)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 7. Februar
1913: "Sulzburg (Baden). Ein ansehnlicher Leichenzug bewegte sich am letzten Sonntag durch unser Städtchen. Es galt die sterbliche Hülle der Gattin des von hier stammenden
Kaufmanns Maier Mayer aus Schopfheim zur Erde zu bestatten. Im blühenden Alter von 35 Jahren nach 12jähriger Ehe, musste sie ihre schöne Heimat, ihren lieben Gatten, ihr hoffnungsvolles Söhnchen verlassen, um auf Gottes Ratschluss in eine bessere Welt einzugehen. In gut gewählten Worten schilderte auf dem Friedhofe
Bezirksrabbiner Dr. Eschelbacher-Freiburg die Vorzüge der Verblichenen, welche Lücke die Entschlafene hinterlassen hat. Sie war im wahren Sinne des Wortes eine
Eisches Chajil (tüchtige Frau)." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Einzelpersonen
Anzeige des
Manufakturwarengeschäftes von Maier Mayer (1897)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Oktober 1897:
"Ladnerin-Gesuch.
Für mein Manufakturwaren-Geschäft suche eine Ladnerin, die
schon in einem ähnlichen Geschäfte tätig war. Dieselbe hätte nebenbei
noch meiner kleinen Haushaltung vorzustehen. Offerten mit
Gehaltsansprüchen nebst Zeugnisabschriften sind direkt an mich zu
richten.
M. Mayer, Schopfheim (Baden)."
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Anzeige der Frau von Kaufmann Maier Mayer (1907)
Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 8. Februar 1907: "Mädchen-Gesuch.
Ein williges Mädchen, das bürgerlich kochen kann, findet in meinem
kleinen Haushalt (nur 3 Personen) gut bezahlte Stelle (30-50 Mr. per
Monat).
Frau M. Mayer, Kaufmann, Schopfheim in Baden." |
Fotos
(Historische Fotos aus dem Buch von Ingrid Schubert s.Lit.)
Geschäfte
und Häuser jüdischer
Familien/Personen in Schopfheim
bis nach 1933 |
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Im Eckhaus
Haupt-/Scheffelstraße befand
sich das Geschäft von Hirschel Lehmann |
In der Wallstraße
lag links das Auerbach'sche
Haus mit dem charakteristischen Quadertor |
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Konfektionsgeschäft
von
Pollag-Picard links vor 1908; das
Gebäude und das Nachbargebäude
wurden 1908 abgebrochen
(siehe Foto rechts) |
1908 wurde das
Haus des
Konfektionsgeschäftes Pollag-Picard samt
dem Nachbargebäude abgebrochen und von
J.J. Picard durch ein großes Wohn-
und Geschäftshaus ersetzt |
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Im vierten
Haus von links befand sich das Geschäft von Maier Mayer |
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Denkmal zur
Deportation der
jüdischen Einwohner nach Gurs 1940 |
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Ein
Denkmal zur Erinnerung an die Deportation der jüdischen Einwohner nach
Gurs steht seit 2007 sowohl vor der Alten Kirche St. Michael in Schopfheim
wie auch in der zentralen Gedenkstätte
in Neckarzimmern. |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Oktober 2010:
Gedenken an die Deportation der jüdischen
Einwohner nach Gurs |
Artikel von André Hönig in der "Badischen Zeitung" vom 22.
Oktober 2010 (Artikel):
"'Vom Unglück, das uns betroffen hat'. Wie die neun ermordeten Schopfheimer Juden im Gedächtnis der Stadt bewahrt bleiben.
Sein Mandant beabsichtige, 'in nächster Zeit nach Übersee auszuwandern. Ich ersuche Sie höflich, die erbetenen Urkunden baldmöglichst auszufertigen.'
Absender dieses Briefes ist ein Basler Anwalt. Adressant die Kommunalverwaltung der Markgrafenstadt. Es ist Herbst 1940. Der Mandat, das ist ein gebürtiger Schopfheimer – und Jude. Zum Zeitpunkt dieses Schreibens ist der damals gerade mal etwa 20-Jährige in Gurs eingesperrt, einem Konzentrationslager der Nazis im gerade eben besetzten Frankreich. Jetzt setzt er seine ganze Hoffnung darauf, dass ihn dieses Deutschland, in dem er geboren wurde, in dem er aufwuchs, in dem er aber jetzt nicht mehr erwünscht ist, ja in dem man ihn nur wegen seiner Abstammung verachtet und verfolgt, zumindest gehen lässt.
Wie acht weitere jüdische Schopfheimer wurde er heute vor 70 Jahren, am 22. Oktober 1940, vom Unterdrückungsapparat der Nazis abgeholt. Die Schopfheimer Neun waren nicht allein. 5600 badische Juden wurden an jenem 22. Oktober verschleppt, 62 davon waren aus dem Landkreis Lörrach. In Schopfheim ist von dieser Aktion ein Augenzeugenbericht überliefert:
'Dann kam der Tag..., an dem ein großes Polizeifahrzeug vor dem Hause Wallstraße 5 (Familie Auerbach) stand und Bella und ihre Schwester Klara Auerbach, begleitet von Männern, die Ledermäntel anhatten und Hüte trugen (Geheime Staatspolizei), in diesen Wagen einsteigen mussten. Einer der Ledermäntel-Leute
verteilte das, was an verderblichen Lebensmitteln im Haus war, an die
Kinder, die das Auto neugierig umstanden.'
In Schopfheim gab es nach diesem Tag nur noch eine Person jüdischen Glaubens. Eine Frau, die mit einem Christen verheiratet war, aber noch 1944 von der Geheimen Staatspolizei verhaftet wurde und im Wissen um das ihr drohende Schicksal Selbstmord beging.
Erstmals erwähnt wird ein Jude in den Schopfheimer Quellen 1650. Ein Gastwirt, der zum Protestantismus übertrat. 1875 gab es 17 jüdische Mitbürger, 1925 waren es 23, 1933 noch 18, bis 1940 steigt die Zahl wegen der Evakuierungen am Rhein auf bis zu 40. Einige ziehen vor dem 22. Oktober 1940 weg, einige sterben eines natürlichen Todes und acht wandern noch rechtzeitig in die USA und in die Schweiz aus. Wie eingangs erwähnt, versuchte der junge Schopfheimer, noch von Gurs aus ins Ausland zu gelangen. In dem Lager herrschten furchtbare Zustände. Die Basler Zeitung schrieb damals:
'In dem Sammellager Gurs sterben wöchentlich etwa 45 Menschen.' Überliefert ist auch der Brief einer Schopfheimer Jüdin. Darin heißt es:
'Von dem Unglück, das uns betroffen hat, werdet Ihr durch Frau ...gehört haben. Wir durften nur das Allernotwendigste mitnehmen. Wir wären Euch sehr dankbar, wenn ihr uns Lebensmittel, die man gleich essen kann, schicken könnt....Wenn Du ein paar Schuhe auftreiben könntest, wäre ich Dir sehr dankbar, denn ich habe nur bei mir, was ich anhabe. Entschuldige, wenn ich mich in großer Not an euch wende.' Letztlich warteten die neun vergebens auf Hilfe. Alle wurden entweder in Gurs oder später in den Vernichtungslagern der Nazis in Osteuropa ermordet. Wo und wie genau, ist unklar. In den nach 1945 erstellen sogenannten Erhebungsbögen der Stadt heißt es über das Schicksal der Juden wenig aufschlussreich:
'Unbekannt verschoben.' In Vergessenheit sind die Menschen aber gleichwohl nicht geraten. In der Stadtchronik sowie in Beiträgen in den Jahrbüchern der Stadt ist das, was bekannt ist, festgehalten. Am 22. Oktober 2007 wurde zudem auf Initiative Jugendlicher unter Leitung des damaligen evangelischen Pfarrers Matthias Weber ein Gedenkstein aufgestellt – unverrückbare Erinnerung für alle Zeit im Gedächtnis der Stadt. Er steht vor der Alten Kirche St. Michael, in direkter Nähe des Hauses Wallstraße 5. Sechs der neun Schopfheimer, die am 22. Oktober 1940 verschleppt wurden, hatten hier gelebt. Weitgehend ungehört verhallt ist allerdings der Aufruf von Pfarrer Matthias Weber und Stadtarchivarin Ulla K. Schmid 2007 an Zeitzeugen, sich zu melden und so das vorhandene Wissen zu bereichern.
AN DIE DEPORTATION der jüdischen Mitbürger am 22. Oktober 1940 erinnern die Schopfheimer
'VokaLiesen' Hilke Hänßler, Heinke Hoffmann, Almut Weber-Kapp, Alexandra Kapitz (alle Gesang) und Ursula Müller-Riether (Klavier) mit mehreren Auftritten in den nächsten Tagen. Vorlage sind Lieder und Texte jüdischer Künstler.
'Irgendwo auf der Welt': Konzert am Samstag, 23. Oktober, um 19.30 Uhr in der Kirche St. Agathe Fahrnau. Pfarrer Andreas Ströble wird in diesem Rahmen an die Menschen erinnern, die einst mitten unter uns als Bürger lebten.
Matinee am Sonntag, 24. Oktober, um 11.15 Uhr in der ev. Kirche in Lörrach-Brombach. Pfarrer Michael Hoffmann wird über die Bedeutung der jüdischen Tradition für unsere Gegenwart sprechen.
Konzert am Montag, 25. Oktober, 15 Uhr beim Treff ab 50, im Alten Rathaus Lörrach, Untere Wallbrunnstr. 2." |
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November 2018:
Gedenkveranstaltung zum 80.
Jahrestag des Novemberpogroms 1938 |
Artikel im "Markgräfler Tagblatt" vom 5.
November 2018: "Erinnerung an die Pogromnacht vor 80 Jahren
Schopfheim - An die Reichspogromnacht vor 80 Jahren erinnert die Stadt
in einer Gedenkveranstaltung. In der Nacht vom 9. auf 10. November 1938
fanden überall im Deutschen Reich gewaltsame Übergriffe gegen Juden statt,
organisiert vom damaligen nationalsozialistischen Regime. Synagogen wurden
in Brandt gesteckt, Geschäfte jüdischer Ladenbesitzer zerstört und tausende
jüdischer Mitbewohner misshandelt. In Erinnerung an jene so genannte
'Reichskristallnacht' und in Würdigung der seinerzeit in Schopfheim lebenden
jüdischen Bürger findet am Freitag, 9. November, in der Alten Kirche eine
Gedenkveranstaltung statt. Hierzu lädt die Stadt alle Bürger ein. Die
Veranstaltung beginnt um 18 Uhr und wird auf der Orgel musikalisch umrahmt
durch Bezirkskantor Christoph Bogon. Zur Bedeutung der Reichspogromnacht,
ihrer Vorgeschichte und ihrer Nachwirkungen spricht Professor Hermann
Wiegand aus Mannheim/Heidelberg. In einem Kurzvortrag stellt Museumsleiterin
Ulla K. Schmid den lokalen Bezug zu jener Nacht her und erinnert an die
Schopfheimer Juden, die 1938 in der Stadt gelebt hatten, als respektierte
Bürger mitten unter allen anderen Bewohnern. Zum Abschluss der
Gedenkveranstaltung in St. Michael findet ein kleiner Umtrunk statt."
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