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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Strümpfelbrunn (Gemeinde Waldbrunn,
Neckar-Odenwald-Kreis)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
(english
version)
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zur Kurpfalz gehörenden
Strümpfelbrunn bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/40. Ihre Entstehung
geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. Erstmals werden 1757
jüdische Einwohner am Ort genannt: ein Mann, der damals auf Grund großer Armut
von den Abgaben befreit war sowie eine jüdische Witwe.
1825 gab es 60 jüdische Einwohner (11,5 % von insgesamt 520 Einwohnern); die höchste Zahl jüdischer Einwohner wurde um 1836 mit 78
Personen erreicht. Danach ging die Zahl zurück: 1860 73 jüdische
Einwohner, 1875 50, 1900 41, 1925 23.
Die bekannteste, das jüdische Leben am Ort über Jahrzehnte prägende Familie
war die Familie Marx, wie auch aus den unten wiedergegebenen Nachrufen zu
Vertretern dieser Familie hervorgeht. Prominentester Vertreter der Familie war
Rabbiner Dr. Lehmann Marx, der Rabbiner in Berlin, ab 1871 Leiter der
Religionsschule der Israelitischen Religionsgesellschaft bzw. inoffizieller
Rabbiner in Darmstadt
war (ab 1897 offiziell orthodoxes Rabbinat Darmstadt II). Sein Sohn Dr. Moses Marx folgte ihm im
Amt.
An Einrichtungen hatte die Gemeinde eine Synagoge (s.u.), ein rituelles
Bad (ehemals im Hofraitenbereich des späteren Anwesens Dieter Steck in der Kirchenstraße,
1937 verkauft, später abgebrochen). Die Toten der Gemeinde wurden in Hirschhorn
(Hessen) und in Bödigheim (siehe unten
bei Ehepaar Marx) beigesetzt. Die Gemeinde wurde 1827 dem Bezirksrabbinat Bödigheim
zugeteilt; seit dessen Auflösung 1850 gehörte die Gemeinde zum Bezirksrabbinat Mosbach.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der Gemeinde Wolf Adolf Israel (geb.
5.5.1887 in Strümpfelbrunn, gef. 21.8.1917). Sein Name sowie allgemein die Namen der Kriegsteilnehmer 1870/71 und 1914 bis 1918
stehen auf dem Gefallenendenkmal im Zugangsbereich des Ortsfriedhofes
(Familiennamen Israel, Monatt und Dreifuß). Im Ersten Weltkrieg sind außerdem
gefallen: Julius Israel (geb. 6.4.1897 in Strümpfelbrunn, vor 1914 in
Mutterstadt wohnhaft, gef. 4.8.1918) und Nathan Monatt (geb. 6.11.1887 in
Strümpfelbrunn, vor 1914 in Mannheim wohnhaft, gef. 25.8.1915).
Um 1924, als zur Gemeinde etwa 25 Personen gehörten (3,5 % von insgesamt
etwa 700 Einwohner), waren die Gemeindevorsteher Götz Israel und
Heinrich Israel. 1932 waren die Gemeindevorsteher Götz Israel (1.
Vors.), Adolf Monatt (2. Vors.) und Heinrich Israel (3. Vorst.).
Die jüdischen Familien lebten überwiegend vom Viehhandel. Bis zur Zerstörung
im November 1938 bestand auch das bei jüdischen Familien weithin beliebte
Gasthaus "Zum Löwen" (Inhaber Heinrich Israel, beim
Novemberpogrom 1938 demoliert und niedergebrannt; Standort im Bereich des heutigen Hotels "Sockenbacher
Hof" (Kuranlage 4). An
ehemaligen, bis nach 1933 bestehenden Handels- und Gewerbebetrieben
bestanden die Viehhandlung und Landwirtschaft Salomon Bär (Buchener Straße 4),
die Viehhandlung Alex Monatt (Alte Markstraße 20) sowie die Viehhandlung
Heinrich Israel (Alte Marktstraße 36). Ehemalige jüdische Häuser sind:
Familie Bondi - Alte Marktstraße 5 (zur weiteren Geschichte siehe unten bei Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte), Familie Marx - Alte Marktstraße 7, Familie
Götz Israel - Alte Marktstraße 12, Familie Hugo Israel - Alte Marktstraße 33.
1933 wurden noch 19 jüdische Einwohner gezählt. Beim Novemberpogrom
1938 kam es zu schweren Ausschreitungen und Gewalttaten, in deren Verlauf
die Synagoge und die jüdische Wirtschaft "Zum Löwen" niedergebrannt
wurden. Erst danach bemühten sich mehrere der jüdischen Einwohner um
eine Auswanderung vom Ort. Am 1. September 1939 wurden noch 16 jüdische
Einwohner gezählt. Von ihnen konnten drei in die USA, einer nach Argentinien
emigrieren; zwei verzogen in andere Städte, einer verstarb noch am Ort. Die
letzten acht jüdischen Einwohner wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs
deportiert.
Von den in Strümpfelbrunn geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Ida Adler geb.
Israel (1892, siehe Informationen unten in der Literaturübersicht), Ferdinand Bär (1896), Ferdinand Bär (1912), Julchen
Bär geb. Mané (1873), Moses Bär (1902), Salomon Bär (1866), Alfred Bauer
(1905), Rosa Bauer geb. Israel (1902), Auguste Busnac geb. Bär (1894), Eugen Dreifuss (1886), Bertha Friedberg geb. Israel (1896), Heinrich
Israel (1855), Minna Kaufmann geb. Israel (1894), Thekla Kaufmann geb. Monatt (1895), Baruch Marx
(1882), Bertha Mayer (1874), Ella Mayer geb. Israel (1879), Alex(ander)
(Abraham) Monatt (1881), Hedwig Monatt (1892), Josef
Monatt (1851), Karolina Sachs geb. Marx (1885), Klara Sachs geb. Marx (1883).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1884 /
1886 / 1887 / 1890 / 1892 / 1894 / 1900 / 1901 / 1903
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Juli 1884:
"Auskündigung einer Religionsschulstelle
(Nr. 243) Mosbach am
Neckar (Baden). Die mit einem festen jährlichen Gehalte von 700 Mark
freier Wohnung, dem Vorsänger- und Schächterdienst mit den davon
abhängigen Gefällen bei der israelitischen Gemeinde Strümpfelbrunn,
diesseitigen Rabbinatsbezirks verbundenen Religionsschulstelle, ist sofort
zu besetzen. Berechtigte Bewerber wollen ihre diesbezüglichen Zeugnisse
binnen 14 Tagen portofrei anher einsenden. Bewerber ledigen Standes werden
bevorzugt.
Mosbach, den 15. Juli 1884.
Das Großherzogliche Bezirksrabbinat. S. Weil." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Oktober 1886:
"Auskündigung einer Religionsschulstelle.
Die israelitische
Religionsschul-, Vorsänger- und Schächterstelle in Strümpfelbrunn
bei Eberbach, mit welcher ein fester Gehalt von 600 Mark, freie Wohnung,
Schulgeld und verschiedene Gefälle verbunden sind, ist auf 1. Januar 1887
neu zu besetzen. Ein seminaristisch gebildeter, lediger Mann wird von der
Gemeinde bevorzugt. Mit Zeugnisabschriften belegte Meldungen sind binnen 3
Wochen anher zu senden. Heidelberg, den 25. Oktober 1886.
Verwaltung des Bezirksrabbinats Mosbach:
Dr. Sondheimer". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Oktober 1887:
"Vakanz einer Religionsschulstelle.
Die mit einem festen
Gehalt von Mark 600 nebst freier Wohnung, Schulgeld und den sonst
üblichen Nebengefällen verbundene Religionslehrer-, Vorsänger und
Schächterstelle in Strümpfelbrunn (bei Eberbach) ist auf 1. Januar 1888
neu zu besetzen. Seminaristisch gebildete Bewerber (unverheiratete
bevorzugt) wollen ihre mit Zeugnisabschriften belegten Gesuche innerhalb 4
Wochen bei uns einreichen.
Mosbach, 14. Oktober 1887.
Großherzogliche Bezirkssynagoge: Dr. Löwenstein." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Juni 1890:
"Religionslehrerstelle.
Die Stelle eines Religionslehrers,
Vorbeters und Schächters in Strümpfelbrunn, mit welcher ein
fester Gehalt von 650 Mark und ein Nebeneinkommen von etwa 350 Mark
verbunden ist, ist sofort anderweitig zu besetzen. Bewerber ledigen
Standes wollen ihre Meldung mit Zeugnisabschriften baldigst uns
zusenden.
Mosbach, 16. Juni 1890.
Die Bezirks-Synagoge: Dr. Löwenstein." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Mai 1892: "Lehrer-Stelle.
Die mit einem festen Gehalte von 650 Mark nebst freier Wohnung und
Nebengefällen im Betrage von etwa 300 Mark verbundene Religionslehrer-,
Vorsänger- und Schächterstelle in Strümpfelbrunn ist sofort zu
besetzen.
Geeignete ledige Bewerber wollen ihre mit Zeugnisabschriften belegten
Gesuche alsbald der unterzeichneten Stelle zusenden.
Mosbach (Baden), 29. April 1892. Die Bezirkssynagoge Dr. Löwenstein." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Februar 1894:
"Lehrerstelle.
Die mit einem festen Gehalt von 700 Mark und
einem Nebeneinkommen von etwa 300 Mark verbundene Religionslehrer-,
Vorbeter und Schächterstelle in Strümpfelbrunn ist auf 1. Mai
dieses Jahres neu zu besetzen. Geeignete Bewerber, unter denen ledige
bevorzugt werden, wollen ihre mit Zeugnisabschriften belegten Meldungen
baldigst bei uns einreichen.
Mosbach, 12. Februar 1894.
Die Bezirks-Synagoge. Dr. Löwenstein." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Mai 1900:
"Vakanz.
Die mit einem festen Gehalt von 700 Mark, freier
Wohnung und etwa 300 Mark Nebenverdienst verbundene Religionslehrer-,
Vorsänger- und Schächterstelle in Strümpfelbrunn (Baden) ist
baldigst zu besetzen. Bewerber wollen ihre Gesuche sofort an den dortigen
Synagogenrat richten. Mosbach, 20. Mai 1900. Großherzogliche
Bezirkssynagoge: Dr. Löwenstein. |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Mai 1901: "Vakanz.
Die Religionslehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle in
Strümpfelbrunn mit einem festen Gehalt von 700 Mark, freier Wohnung
und etwa 300 Mark an Nebengefällen ist nächstens zu besetzen. Bewerber
wollen ihre mit Zeugnisabschriften (die nicht zurückgesandt werden)
belegten Meldungen baldigst an den Unterzeichneten gelangen lassen.
Mosbach, 1. Mai (1901).
Die Bezirkssynagoge:
Dr. Löwenstein." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. September 1903:
"Vakanz!
Die Religionslehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle
in Strümpfelbrunn mit einem festen Gehalt von 700 Mark, freier
Wohnung und etwa 300 Mark Nebengefällen, ist sofort (spätestens auf 1.
Dezember) zu besetzen. Bewerber wollen ihre Gesuche mit Zeugnisabschriften
(die nicht zurückgeschickt werden) baldigst an den Unterzeichneten
gelangen lassen.
Mosbach, 15. September.
Das Bezirksrabbinat:
Dr. Löwenstein." |
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Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 2. Oktober 1903: "Vakanzen.
Strümpfelbrunn. Lehrer, Vorbeter und Schächter, Mk.
1000 Einkommen und freie Wohnung. Meldungen an Dr. Löwenstein,
Mosbach." |
Bericht zu einem der jüdischen Lehrer: Ahron Rosenblatt, Anfang der
1890er-Jahre Lehrer in Strümpfelbrunn
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. August 1930: "Memmingen,
19. August (1930). Am Sonntag, den 10. August, am 16. Aw schied der
langjährige treu bewährte Lehrer und Kantor unserer Gemeinde, Herr Ahron
Rosenblatt, 61 Jahre alt, von uns. 41 Jahre seines Lebens waren dem Dienst
für Schule und Gotteshaus geweiht. Nach genossener Ausbildung in
Burgpreppach und Würzburg wirkte Ahron Rosenblatt als Religionslehrer in
den Gemeinden Strümpfelbrunn in Baden und Egenhausen bei Ansbach. Im
Jahre 1896 wurde er von der Israelitischen Kultusgemeinde Memmingen zu
ihrem geistigen Führer berufen. In 32jähriger von beispielloser
Gewissenhaftigkeit und hingebungsvollster Berufstreue erfüllter
Tätigkeit hat er mitgebaut an der Aufwärtsentwicklung unserer Gemeinde.
Einer traditionserfüllten Familie entstammend, aus der altehrwürdigen
Kehilloh (Gemeinde) Fürth, war er von tief religiösem Geiste beseelt.
Sein ganzes Leben war beispielgebende Tat.
Die Würdigung seiner Persönlichkeit kam bei der am 12. dieses Monats
stattgefundenen Beerdigung in eindrucksvollster Weise zum Ausdruck. Lehrer
Liffgens schilderte in ergreifender Weise das segensreiche Leben und
Wirken, die Bescheidenheit, Menschenliebe und Menschenfreundlichkeit des
edlen Gatten und Familienvaters, des treuen Führers seiner Gemeinde, des
väterlichen Freundes und Amtsgenossen. Auch im Namen des Jüdischen
Lehrervereins für Bayern und der Bezirkskonferenz Schwaben gab er der
Trauer Ausdruck um den rührigen Kollegen. Der 1. Vorstand der
Kultusverwaltung, Direktor Karl Gerstle, widmete dem treu bewährten
Lehrer seiner Gemeinde, dem hilfsbereiten Freund jeder Familie einen aus
tief bewegtem Herzen kommenden und zu Herzen dringenden Nachruf dankbarer
Verehrung. Für den Bezirkslehrerverein Memmingen nahm dessen Vorsitzender
in erhebenden Worten Abschied von dem teuren Kollegen und langjährigen
Mitglied des Vereins. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Über den Lehrer Hermann Kahn (1898-1900 in
Strümpfelbrunn, danach in Höchst im Odenwald)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juni 1925:
"Höchst, 1. Juni (1925). Am 15. Juni begeht Herr Lehrer
Hermann Kahn das 25jährige Jubiläum seines Wirkens in hiesiger
Jüdischer Gemeinde. Herr Kahn, der von 1898 bis 1900 in Strümpfelbrunn
wirkte, stellte seine ganze Kraft bei Erziehung und Belehrung der Jugend
und im Gotteshause in den Dienst von Thora und Jirah
(Gottesfurcht). Seine Kollegen vom unabhängigen Lehrerverein in Hessen
werteten seine schützungswerte Kraft durch Entsendung in die
Vorstandschaft dieser Organisation. Auch in die Vorstandschaft des neu
gegründeten Gesamtlehrervereins für Hessen wurde Herr Kahn gewählt. -
Möge es Herrn Kahn noch recht lange vergönnt sein, in bisheriger
vorbildlicher Weise weiterzuwirken." |
Lehrer Jacob Kahn löst ein Rätsel in der Zeitschrift "Der Israelit"
(1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Mai 1901: "Auflösung
des Rätsels in Nummer 37....
Richtige Lösungen sandten ein: S. M. Bachrach - Elmshorn, A.S. Kamenetzky,
cand.phil. - Gießen, Jacob Kahn, Lehrer - Strümpfelbrunn, Chaim
Israel - Zürich." |
A. Rabinowitz aus Frankfurt wird Lehrer in
Strümpfelbrunn (1904)
Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 15. Juli 1904:
"Strümpfelbrunn bei Eberbach. Herr A. Rabinowitz aus
Frankfurt am Main ist als Lehrer an die hiesige Gemeinde berufen
worden." |
Strümpfelbrunn als Ort der Erholung
Talmudschüler in Strümpfelbrunn (1921)
Anmerkung: Der Abschnitt wird leicht abgekürzt wiedergegeben.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Oktober 1921:
"Nachsommer in Strümpfelbrunn. Der Sommer neigt sich seinem Ende zu,
die Tage werden kürzer und die Sommerfrischler kehren zu den heimischen
Penaten zurück. Aber Strümpfelbrunn, das seit Jahren beliebt gewordene,
hoch gelegene, waldumgebene liebe Dörfchen im Odenwald hat seine Pforten noch
nicht ganz geschlossen. Eine Schar talmudbeflissener studierender junger
Leute ist für einige Wochen hier eingezogen und hat dem Kurort
Strümpfelbrunn für einige Wochen eine besondere Note aufgeprägt. Aus
Frankfurt, Berlin, Köln und sogar aus der Schweiz sind sie hier
eingetroffen, haben trotz der Schwere der Zeit eine gute jugendfrohe Laune
mitgebracht, aber dabei nicht ihren ernsten Lebenszweck auf den Augen
verloren.
Ein lautes 'Aufstehen Leawoda chawora'! ruft um 6 Uhr morgens in
Schul (d.h. zum Morgengottesdienst). Auf die Wiese neben dem Hotel hat man
Tische und Stühle gebracht und ein lebhafter Pilpul (Diskussion)
über Kidoschin (heilige Themen) hält die Genossen zusammen, bis
um 10 Uhr die inzwischen höher gestiegene Sonne dazu einlädt, die
Schönheiten der Natur zu bewundern, die kräftige, ozonreiche Waldesluft
zu genießen oder auf den grünen Matten sich einem dolce far niente
hinzugeben. Auch der Abend soll nicht ohne Toralernen vorübergehen. Da
ist es der Wochenabschnitt, der ... den Gesprächsstoff für eine Stunde
bildet.
Die Nähe der ernsten Tage (sc. Tage vom Neujahrsfest bis Jom
Kippur) macht sich bemerkbar, denn die schönen Weisen von Kol Nidre
bis Neila mit und ohne Musikbegleitung durchziehen das Haus und
ertönen leise in Wald und Feld. Der Schabbat Paraschat Schefatim
dieses Jahres wird dem Schreiber dieser Zeilen unvergesslich bleiben. ein
aus Frankfurt gebürtiger junger Mann ließ in tief empfundener Weise
Friesländers - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - Nigunim
(Melodien) in der kleinen Strümpfelbrunner Schul (Synagoge) erklingen,
formvollendet und schön, wie es hier nach dem allgemeinen Urteil aller
Strümpfelbrunner Gemeindemitglieder noch nicht gehört worden war. Und
der Freitag abend: er brachte nach Tisch, an dem die religiösen Lieder
gesungen wurden, ein recht gemütliches Beisammensein, wobei lustige und
schwermütige jüdische Lieder erklangen, das 'Pintele Jid' und viele
viele andere. Desgleichen wurde auch der Schabbatausgang verschönt
durch gemeinsamen Gesang..., worunter namentlich eine wunderschöne
Melodie des Eliahu Hanabi hervorgehoben zu werden verdient, woran
sich wieder eine urgemütliche Fidelitas anschloss, bis um Punkt 9 Uhr das
energische 'zu Bett' des Obmanns erschallte. Möge der Strümpfelbrunner
Aufenthalt den Teilnehmern in angenehmer Erinnerung bleiben und vor allem
ihnen zu ihrem weiteren Studium und Wirken ein Omen der Kraft und
Leistungsfähigkeit gewesen sein. A." |
Anzeige für den Höhenluftkurort Strümpfelbrunn
(1927)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Juni 1927:
"Höhenluftkurort Strümpfelbrunn (Odenwald) empfiehlt sich bei
bekannt bester und billigster Verpflegung zum angenehmen Aufenthalt.
Autoverbindung ab Eberbach 5 mal täglich. Bad im Hause." |
Einer der letzten Höhepunkte im jüdischen
Gemeindeleben: Besuch des Mannheimer Klaussynagogenchores in Strümpfelbrunn im
April 1937
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. April 1937: "Strümpfelbrunn,
18. April (1937). Die altehrwürdige Gemeinde Strümpfelbrunn, die vor
einigen Jahren das 100jährige Bestehen feiern konnte, erhielt heute
überraschenden Besuch von einer Abteilung des Mannheimer
Klaussynagogenchors. Nach Abhaltung des Minchagottesdienstes brachten die
Sänger unter Leitung des Dirigenten eine Anzahl liturgischer Gesänge zum
Vortrag, wodurch die Gemeindemitglieder einige erhebende Stunden
verlebten. Die Solis brachte Sigmund Hoffmann in vollendeter Weise zum
Ausdruck. Die Sänger wurden im Gasthaus Israel in bester Weise
bewirtet." |
Berichte zu einzelnen Gemeindemitgliedern
Zum Tod der Frau von Moses Marx geb. Bendheim
(1911)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. August 1911:
"Strümpfelbrunn, Baden, 30. Juli (1911). Heute haben wir auf dem Friedhof
in Bödigheim eine wackere Frau zur letzten Ruhe gebracht. Frau
Moses Marx geb. Bendheim, hat nach kurzem, schwerem Leiden ihre reine
Seele am letzten Schabbat ausgehaucht. In ihr verliert der betagte Gattin
die treue Gefährtin seines Lebens, die mit ihm ein Haus gegründet hatte,
und geführt nach echter, altjüdischer Weise, ein Haus, in dem
Gottesfurcht und Menschenliebe ein Heim gefunden. In diesem Hause waltete
die fromme Frau als selbstlose, überaus bescheidene fromme/gerechte
Frau nicht nur als Gattin, sondern auch als liebevolle Mutter und
hingebende Menschenfreundin. Kein Wunder, wenn sie sich dadurch die hohe
Achtung und Liebe und Verehrung nicht nur aller derer erworben, die ihr
durch die Bande der Verwandtschaft nahe standen, sondern auch in weitestem
Kreise Anerkennung und Verständnis fand. Sie war ihren Kindern ein
leuchtendes Muster altjüdischer Frömmigkeit, Bescheidenheit, der Treue
und des Fleißes. Des Lebens niedrige Sorge blieb ihr fern. Trotzdem war
ihr der Kelch schweren Leidens oft und oft gereicht. Als echte Dulderin
hat sie alles ohne Klagen getragen. Als selbst die heimtückische
Krankheit aufs Lager warf. kam kein Laut des Weges über ihre
Lippen.
Von der Achtung und Verehrung legte beredtes Zeugnis das Leichenbegängnis
ab, dem sich Jung und Alt ohne Unterschied des Bekenntnisses, mit den aus
weiter Ferne herbeigeeilten Verwandten und Freunden anschlossen. An der
Bahre widmete ihr Schwager, Herr Rabbiner Dr. Marx aus Darmstadt, ihr in
bewegten Worten den wohl verdienten, ergreifenden Nachruf. Mögen die
Kinder die Wege verfolgen, die die Mutter ihnen vorangegangen. dann wird
sie wie in der Höhe so auch hier auf Erden weiterleben. Ihre Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod des Ehepaares Samuel Marx und Mina geb. Marx (1927)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. September 1927:
"Strümpfelbrunn, 5. September (1927). In den Elultagen ist unserer
Gemeinde ein Verlust entstanden, dessen Tragweite sich noch gar nicht
ermessen lässt. Am Schabbat Paraschat Reeh (Schabbat mit der
Toralesung Reeh = 5. Mose 11,26 - 16,17, das war Samstag, 27. August 1927)
starb hoch betagt Frau Mina Marx geb. Marx, die in 51jähriger
glücklicher Ehe das Haus ihres Gatten, des Herrn Samuel Marx betreute.
Sie war ein Muster wahrer Herzensgüte und echter Frömmigkeit, die stets
den Frieden geübt und geliebt, niemanden gekränkt, niemanden beleidigt,
niemandem wehe getan, stets einen bescheidenen anspruchslosen Wandel vor
Gott geführt, als ein Muster wahrer Frömmigkeit anderen vorangeleuchtet
hat. Eine große Trauerversammlung, Verwandte von nah und fern und nicht
zum wenigsten die andersgläubige Ortsbevölkerung, umstand den Sarg, an
dem im Hause Rabbiner Dr. Bondi aus Mainz der Trauer beredten Ausdruck
verlieh. Niemand konnte glauben, dass ihr in sichtbarer Rüstigkeit
stehender Gatte ihr am Schabbat Kaddosch Paraschat Schofetim
(Heiliger Schabbat mit der Toralesung 5. Mose 16,18 - 21,3, das war
Samstag, 3. September 1927) schon in die Ewigkeit folgen sollte. Während
der Trauertage ist er in Treue nach ganz kurzem Krankenlager der Frau, mit
der ein langes Leben ihn vereint hatte, gefolgt: die sich geliebt haben im
Leben sind auch im Tod nicht geschieden. Von der Tragik dieses Falles
waren alle ergriffen, die diese Edelmenschen gekannt hatten. Waren doch
Mann und Frau die Letzten der einst zahlreichen Familie Marx, die unseren
Platz in den Kreisen der jüdischen Welt bekannt gemacht hatten. Die
Liebe, die Herr Marx mit seinem älteren, vor wenigen Jahren
heimgegangenen Bruder, dem Rabbiner Prof. Dr. Marx - das Andenken an
den Gerechten ist zum Segen - in Darmstadt verband, war kennzeichnend
für ihn und für seine wahre jüdische Gesinnung. Sein Geradheit
war in allen kreisen der Bevölkerung, aber auch in dem nahen und weiten
Umkreis sprichwörtlich. Seine aufrichtige Liebe zur Tora und zu deren
Trägern machte das Haus Marx zum Mittelpunkt alles Jehudim, die den
herrlich gelegenen Ort aufsuchten. Seine Mildtätigkeit schuf sein Haus zu
einem Haus Abrahams unseres Vaters. Auch an seiner Bahre richtete der
verwandte Rabbiner Dr. Bondi Worte des Gedenkens und der Ermahnung an die
Versammlung, in denen er such aber auf Wunsch des Verblichenen
Beschränkung auferlegen musste. Die ganze jüdische und christliche
Ortsbevölkerung und viele aus der Nähe und Ferne herbeigeeilten Freunde
und Verwandte gaben das letzte Geleit bis zum Dorfausgang, von wo die
irdische Hülle nach dem altehrwürdigen Friedhof
in Bödigheim gebracht und an der Seite der Gattin und im Kreise der
ehemals so großen Familie Marx beigesetzt wurde. Möge Gott die
einzige Tochter, die an der Seite Ihres Gatten in Mainz wohnhaft, ihre
Kinder zur Freude ihrer Eltern zu Kindern der Tora erzogen hat,
trösten und möge er unsere Gemeinde, die so sehr verwaist ist, erhalten
im Andenken an die Frommen, die wir so schmerzlich vermissen, deren
Andenken aber stets wach bleiben wird. Ihre Seelen seien eingebunden in
den Bund des Lebens." |
77. Geburtstag des langjährigen Gemeindevorstehers Götz Israel (1933)
- mit einer Darstellung des traditionellen gottesdienstlichen Lebens der
jüdischen Gemeinde
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Juli 1933: Eine
Landgemeinde und ein Mann. Am 19. Tammus begeht in seltener geistiger und
körperlicher Frisch Herr Götz Israel in Strümpfelbrunn im Odenwald, die
Feier seines 77 Geburtstages. Nur wer die jüdischen Verhältnisse in den
kleinen und kleinsten Landgemeinden aus eigener Erfahrung und Anschauung
kennt, kann das Wirken dieses seltenen Mannes würdigen und verstehen.
Seit langen Jahren ist er der erste Vorsteher unserer Kehilloh
(Gemeinde), die durch ihre vorbildliche jüdische Gestaltung bei allen
Gästen unseres herrliche gelegenen Luftkurortes tiefsten Eindruck
hinterlässt. Dem Wirken von Götz Israel ist es zu verdanken, dass es
stets gelang, wenn auch nicht unter den größten Opfern aller
Gemeindemitglieder, das Minjan aufrecht zu erhalten; ist doch sein
größter Stolz die feierliche und würdige Ausgestaltung des
Gottesdienstes. Immer ist Götz Israel der Erste beim Betreten der
Synagoge und als ihn vor einiger Zeit ein hartnäckiges Leiden
vorübergehend ans Bett fesselte, war es sein größter Schmerz, dass er
nicht nach Schul (= Synagoge) gehen konnte. Den Vorbeterdienst versieht er
ehrenamtlich in traditioneller Weise, die mit ihren kleinsten Minhogim
(liturgischen Traditionen genauestens festgelegt ist, wie er es überhaupt
als einen 'Abfall' ansehen wurde, wenn auch nur eine Kleinigkeit an den
Gebräuchen der Väter geändert würde. Es ist rührend, zu sehen, mit
welcher Liebe und welchem Eifer er die Ausschmückung der Synagoge zu Schewuos
(Schawuot = Wochenfest) vornimmt und dafür sorgt, dass zu Neujahr und Jom
Kippur das Gotteshaus ein würdiges Ansehen erhält. Zur leider so
dringend nötigen Stärkung der Gemeindefinanzen versteigert er jeden
Schabbat und Feiertag die Haftorah (Prophetenlesung) und markiert
den Erlös derselben sowie die Schnodergelder in einem geheimnisvoll
verschlossenen Kasten, der stets die Neugier der Jugend wachruft, mit Wal-
und Haselnüssen. Da hier noch der schöne Minhag (Brauch) gesteht,
täglich 5 Psalmen zu sagen, sodass allmonatlich immer ganz Tehillim
(das Prophetenbuch) beendet wird, hat er sich ein vorbildliches Wissen
hierin angeeignet und kennt alle Psalmen auswendig. Das Stiften von Wein
für Kiddusch und Hawdoloh ist schon seit urdenklichen Zeiten sein
Reservat. Wir wünschen deshalb Götz Israel, dass es ihm vergönnt sein
möge, noch lange zu wirken zum Segen unserer Gemeinde. -th-." |
Zum Tod von Sophie Israel und Malchen Monatt (1934)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Dezember 1934:
"Strümpfelbrunn, 12. Dezember (1934). In den letzten Monaten wurden
zwei betagte Frauen unserer Gemeinde in die Ewigkeit abberufen. Die Frau
unseres Vorstehers Götz Israel, Sophie Israel, und die Gattin des
Herrn Josef Monatt, Malchen Monatt, haben nach einem
arbeitsreichen, in Gottesfurcht und Wohltätigkeit
geführten Leben, ihre Seele ausgehaucht. Sie entstammten frommen Häusern
und haben diese Ideale in ihrer Ehe weitergepflegt. An der Beerdigung
nahmen neben der jüdischen Gemeinde und vielen auswärtigen Verwandten
und Freunden die ganze bürgerliche Gemeinde Strümpfelbrunn teil, ein
Zeichen für das gute Einvernehmen mit der nichtjüdischen Bevölkerung
und für die Beliebtheit der Dahingeschiedenen. Herr Bezirksrabbiner
Greilsheimer, Mosbach, zeichnete
ein getreues Bild dieser frommen Frauen, die eine Zierde unserer
altehrwürdigen, den Traditionen treuen Gemeinde Strümpfelbrunn bildeten.
Ihre Seelen seien eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod von Sophie Straus geb. Marx aus Strümpfelbrunn
(1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Februar 1935: "Michelstadt,
12. Februar (1935). Am 6. Februar wurde Frau Sophie Straus geb. Marx,
Gattin des unvergesslichen Aron Straus - seligen Andenkens - zu
Grabe getragen. Eine unübersehbare Menschenmenge aus nah und fern, Juden
und Nichtjuden, gaben dieser edlen Frau das Geleite. Im streng frommen
Elternhause in Strümpfelbrunn erzogen, hatte sie den Geist von Tora und
Gottesfurcht frühzeitig eingesogen und gleich ihren Geschwistern - von
denen Prof. Rabbiner Dr. Marx (Darmstadt) - das Andenken an den
Gerechten ist zum Segen - eine besondere Zierde war - in treuer
Anhänglichkeit an Gottes Wort und Tradition gelebt und gewirkt. Selbst in
einer für eine Frau ungewöhnlichen Weise kundig des Schriftwortes und
seiner Ausdeutung, war sie beglückt, an der Seite ihres frommen Mannes
die im Elternhaus erworbenen heiligen geistigen Güter erhalten und
bereichern zu können. Sanftmut und Bescheidenheit, Freundlichkeit,
Friedensliebe und Wohltätigkeit zierten diese überaus vornehme Frau. Man
bewunderte ihre hohen Geistesgaben, ihren köstlichen Mutterwitz ebenso
wie ihren edlen Charakter. - Da die Verstorbene sich einen Nachruf am
Grabe verbeten hatte, so zeichnete Herr Rabbiner Dr. Merzbach im
Trauerhause die hehre Gestalt und das geweihte Leben der Verklärten. Ihre
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
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jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Verlobungsanzeige von Thekla Monatt und Willy Gernsheimer
(1925)
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in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Februar 1925:
"Gott sei gepriesen. Thekla Monatt - Willy Gernsheimer -
Verlobte. Strümpfelbrunn Baden - Viernheim / Mannheim. Februar
1925." |
Neujahrswünsche von Familie Heinrich Israel II (1928)
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in der Zeitung "Der Israelit" vom 13. September 1928: "Familie
Heinrich Israel II, Strümpfelbrunn
wünscht allen Freunden und Bekannten sowie unseren werten Gasten
'gute Einschreibung und Versiegelung". |
Verlobungsanzeige von Hella Israel und Salli Kanthal (1928)
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in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Dezember 1928:
"Hella Israel - Salli Kanthal. Verlobte.
Strümpfelbrunn, Odenwald - Köln am Rhein, Mauritius Steinweg
106". |
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge
Bis um 1830 wurden die
Gottesdienste in einem Privathaus abgehalten. 1831 wurde das Obergeschoss dieses
Hauses in der Kirchenstraße zu einem Synagogenraum ausgebaut. Im Erdgeschoss
hatte der Lehrer/Vorbeter seine Wohnung.
Über 100 Jahre war die Synagoge Mittelpunkt des konservativ-orthodox geprägten
jüdischen Gemeindelebens in Strümpfelbrunn. Bis nach 1933 wurden hier
Gebräuche und liturgische Traditionen gepflegt, die in vielen Gemeinden bereits
der Vergangenheit angehörten. Dafür sorgte bis nach 1933 der langjährige
Gemeindevorsteher Götz Israel. Über Einzelheiten hier siehe den nachstehenden
Bericht wie auch den Bericht oben zum 77. Geburtstag von Götz Israel.
1931 konnte das 100-jährige Bestehen des Synagoge gefeiert werden. Damals ist
die Synagoge nochmals gründlich renoviert worden. Zwei Berichte aus diesem Jahr
liegen vor - zum einen über die Feier des Pessach-Festes in Strümpfelbrunn im
April 1931, zum anderen die Feier des 100-jährigen Bestehens der Synagoge im
August 1931:
Zum Pessach-Fest in Strümpfelbrunn im Jahr des
100-jähriges Bestehens der Synagoge (1931)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" 30. April 1931: "Pessach
inmitten des Odenwalds. Der Schnellzug auf der Strecke Stuttgart -
Heidelberg rastet nur wenige Augenblicke in der Station Eberbach.
Wenige Reisende verlassen den Zug. Kurz darauf bin ich in den rein
gehaltenen Straßen dieses Neckarstädtchens. Ein Kraftwagen der
Reichspost bringt uns durch prächtige Waldungen in einer knappen halben
Stunde von dem 130 Meter hoch gelegenen Eberbach nach Strümpfelbrunn,
das umrahmt von dunklen Wäldern, etwa 600 bis 700 Meter hoch liegt. Das
erste Haus dieses Ortes ist das Wirtshaus zum Löwen, das wir besuchen.
Dies ist ein Wirtshaus, wie tausend andere und trotzdem so ganz anders als
andere, denn der Wirt betätigt sich nicht nur in seinem Berufe, sondern
auch in allen anderen Angelegenheiten der Kehillah (Gemeinde).
Diese Kehilla Strümpfelbrunn hat meist nur am Jomtow (Feiertag)
Minjan (Zehnzahl der jüdischen Männer zum Gottesdienst). Als eine
lobenswerte Eigenart ist hervorzuheben, dass hier, entgegen dem 'Minhag'
(Tradition, Gebrauch) der meisten Landgemeinden, während des
Gottesdienstes kein Wort gesprochen wird. Alle Anwesenden sind mit Herz
und Seele bei der Tefilloh (Gebet). Ein Privatmann, der seit
Jahrzehnten vorbetet (gemeint ist der Vorsteher Götz Israel, siehe den
Artikel oben zu seinem 77. Geburtstag), lässt es sich trotz seiner 75 Jahre nicht nehmen,
auch an den Pessachtagen vorzuoren (vorzubeten). Die gleichen Melodien,
wie sie sein Ahne sang. Die Gemeinde feiert in diesem Jahre das
hundertjährige Bestehen ihrer Synagoge. Es lockt den Fremden, durch die
Fenster der Synagoge zu blicken, um das herrliche Bild in sich
aufzunehmen. Eine Eintracht herrscht unter den Mitgliedern, wie man sie
ihresgleichen wohl kaum in anderen Landgemeinden antrifft. Diese drückt
sich besonders darin aus, dass jeder, der zur Tora tritt, jedem
Gemeindemitglied, ob verwandt oder nicht, einen Mischeberach
(Segensspruch) zukommen lässt. Nach dem Gottesdienst geht es wieder zu
unserem Wirt. Er versteht, den Seder in altherkömmlicher Weise mit
lieblichen und vertrauten Melodien zu geben. Die Festtafel in diesem
einfach Dorfgasthof kann von erstklassigen Hotels berühmter Badeorte wohl
kaum übertroffen werden. Ausflüge geben den Cholhamoed-(Halbfeier-)Tagen
einen besonderen Reiz. Einer wird besonders in guter Erinnerung bleiben.
Er führt uns in die wildromantische Wolfsschlucht. Hier rauscht zwischen
hohen nackten Felsenwänden ein reißender Wildbach. Er stürzt immer
tiefer und tiefer, um nach wenigen Kilometern sich in den Neckar zu
ergießen.
Es war ein schönes Fest, das man im Odenwald auf einem
gesegneten Fleck Erde bei tiefreligiösen Menschen und bei allerlei
Kurzweil verbrachte." |
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August 1931: Feier
des 100-jährigen Bestehens der Synagoge |
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. September 1931:
"Strümpfelbrunn im Odenwald, 24. August (1931). Ein seltenes
Jubelfest konnte die hiesige Synagogengemeinde am Sonntag, den 10. Ellul
begehen: die Feier des 100-jährigen Bestehens ihrer jetzigen Synagoge.
Gar vielen Kurgästen ist der idyllische Luftkurort bekannt, und alle
wissen, dass die Mitglieder der hiesigen Gemeinde kein noch so schweres
Opfer gescheut haben, um das Minjan und einen traditionellen Gottesdienst
aufrecht zu erhalten, da Strümpfelbrunn wie leider alle Kleingemeinden
sehr unter der Landflucht zu leiden hatte. Dem Ernst der Zeit entsprechend
wurde eine ganz schlichte Feier veranstaltet, aber trotz der
wirtschaftlichen Depression wurde die Synagoge von innen und außen einer
gründlichen Renovierung unterzogen, die dank der Großzügigkeit des
Badischen Oberrates und anderer Stifter ermöglicht wurde. Es ist eine
Freude, zu sehen, wie das Gotteshaus im Schmucke seines neuen Gewandes
erstrahlt. Das Innere ist in lichten Farben gehalten, die dem Raume ein
freundliches Gepräge geben. Durch Spenden ehemaliger Gemeindemitglieder
wurde das Aussehen noch verschönert. Zur Feier hatte sich eine Anzahl
Gäste aus nah und fern eingestellt. Im Namen des Vorstandes und
Synagogenrats begrüßte Herr Adolf Monatt die Erschienenen. Nach ihm
sprach als Beauftragter des Oberrats Herr Rechtsanwalt Dr. Kaufmann,
Heidelberg. Er überreichte den Herren Götz Israel und Salomon Bär
Ehrenurkunden für ihre langjährige Tätigkeit im Dienste der Gemeinde.
Es war ein erhebendes Bild, als die Vertreter der Ortsgemeinde und der
beiden christlichen Konfessionen sprachen, und alle Redner das gute
Einvernehmen sämtlicher Konfessionen hier betonten. Die Festrede hielt
Herr Bezirksrabbiner Greilsheimer, Mosbach.
Ausgehend von den Kämpfen um die Wende des vorigen Jahrhundert schilderte
er die Entstehung der drei Richtungen im Judentum, um dann auf die
Geschichte der hiesigen Gemeinde einzugehen. Ehrend gedachte er der
verhältnismäßig großen Zahl der gefallenen Kriegsteilnehmer und der
Verstorbenen. Sodann sprach Herr Lehrer Kahn, Höchst
im Odenwald, der früher hier wirkte. Die Herren Lehrer Kahn, Höchst
im Odenwald und Baracker, Mosbach, verschönten mit ihren Gesängen
die Feier. Das Jubelfest macht auf alle einen so nachhaltigen Eindruck,
dass wohl niemand den schönen Tag vergessen wird." |
Nur sieben weitere Jahre bestand die
Synagoge in Strümpfelbrunn als Mittelpunkt des jüdischen Lebens am Ort.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge von
SA-Leuten demoliert. Das Gebäude wurde ausgeräumt und die Kultgeräte,
darunter ein besonders alter und wertvoller Toravorhang aus der jüdischen
Gemeinde Hirschhorn, die Betpulte und die Torarollen auf einer Wiese verbrannt.
Zwei jüdische Männer waren gezwungen die Torarollen auf die Wiese zu bringen.
Eine Samtdecke vom Pult des Vorbeters wurde an einer Stange aus einem Fenster
der Synagoge herausgehängt. Nach den Verwüstungen ist eine Gruppe SA-Leute
durch das Dorf gezogen und hat dabei auf dem aus der Synagoge gestohlenen
Schofar geblasen.
Einige Zeit später wurde die Synagoge von einem Nachbarn für
ca. 1.100 RM gekauft und das Grundstück später als Garten verwendet (hier
heute noch Gartengrundstück am Eingang der Kirchenstraße, hinter Edeka-Markt).
Fotos
Historische Fotos:
Historische Fotos sind nicht bekannt,
Hinweise bitte an den
Webmaster von "Alemannia Judaica", E-Mail-Adresse siehe Eingangsseite |
Fotos nach 1945/Gegenwart:
Fotos um 1985:
(Fotos: Hahn) |
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Grundstück, auf dem ehemals die Synagoge stand; es sind keine Spuren
vorhanden |
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Fotos 2003:
(Fotos: Hahn,
Aufnahmedatum 22.10.2003) |
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Ungefähr dieselbe
Blickrichtung wie oben, nur aus größerer Distanz. Zur Orientierung:
die
zugemauerten Fenster im Erdgeschoss rechts entsprechen den noch offenen
Fenstern im Foto
oben rechts. Das kleine Gartengrundstück davor ist zur
Lager- und Abstellfläche geworden |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Oktober 2010:
Über die Geschichte des Hauses Alte Marktstraße
5 - heutiger Landgasthof Haus Odenwald |
Artikel aus "katzenpfad.de"
(Online Magazin) vom 9. Oktober 2010 (Artikel):
"Landgasthof Haus Odenwald Strümpfelbrunn.
Strümpfelbrunn. (mh) Vom 25.September bis 10. Oktober finden erstmals die Waldbrunner Mostwochen statt. Eine Veranstaltergemeinschaft, der neben dem Katzenpfad Online Magazin auch verschiedene Vereine, die Gemeindeverwaltung sowie die Gastronomen auf dem Winterhauch angehören, hat ein abwechslungsreiches Programm auf die Beine gestellt. Als Medienpartner stellen wir die Teilnehmer in loser Folge in unserem Magazin vor. Nachfolgend informieren wir über den
Landgasthof 'Haus Odenwald', Inh. Andrea und Thomas Hagendorn, Alte Marktstraße 5, Strümpfelbrunn:
Unter dem Eindruck der immer massiver werdenden Verfolgung mit Boykott, beruflicher Entrechtung und den schweren Ausschreitungen und Gewalttaten in der Reichspogromnacht, verkaufte die in der Alten Marktstraße 5 ansässige, jüdische
Familie Bondi ihr Anwesen..."
Infos im Internet: www.mostwochen.de
www.pension-haus-odenwald.de" |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 265-266. |
| Herbert Schultheis: Die Reichskristallnacht in Deutschland nach
Augenzeugenberichten. Bad Neustädter Beiträge zur Geschichte und
Heimatkunde Frankens. Band 3. Bad Neustadt a. d. Saale 1986. S. 114-115. |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007. |
| Leonhard Scherg: "Das
Fotoalbum von Serry Adler aus Urspringen" (pdf-Datei).
Hinweis: die Mutter von Serry Adler war Ida Adler geb. Israel (geb.
1892 in Strümpfelbrunn, Heirat im Juni 1924 in Strümpfelbrunn mit
Friedrich Gustav Adler aus Urspringen; Serry und ihre Eltern wurden 1942
deportiert und wurden ermordet). |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Struempfelbrunn
Baden. Jews are first mentioned in 1757. The community reached a peak
population of 73 in 1860. At the end of the century, most were cattle traders.
In 1933, 19 Jews remained (total population 612). On Kristallnacht (9-10
November 1938) the synagogue and Jewish homes were heavily damaged and the
Jewish guest house was destroyed while Jewish men were sent to the Dachau
concentration camp. Jewish emigration began in 1938. The eight Jews remaining in
October 1940 were deported to the Gurs concentration camp and another three were
deported after leaving Struempfelbrunn. Nine perished in the camps.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
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