Ludwigswinkel in der südlichsten Südwestpfalz, Handynetz: wenig bis gar nicht und wenn dann französisch, so nah an der Grenze befinden wir uns. 2. Tag Dschungelcamp der VG Herxheim. Es ist schwül, die Grillen zirpen, 50 shades of green. Gemeinsam mit Betreuer Seb erwarte ich die Dschungelcamper, die hier ihren Nachmittag verbringen. Von weitem hört man schon den quirligen Haufen, der trotz 8km Wanderung noch erstaunlich fidel um die Ecke kommt. Angeführt von Verbandsgemeinden-Jugendpflegerin Annelene Stripecke, den Abschluss bilden die Teamerinnen Lena, Jana und Anna. Während die Kinder sich die Schuhe von den Füßen streifen und hungrig über die Lunchpakete hermachen, nehmen sich die verschwitzten aber hochmotivierten Betreuer*innen Zeit für ein kleines Interview, um über “ihr Baby”, das Dschungelcamp zu reden.
Auf den Geschmack gekommen
Sie sollen heute im Fokus stehen: Wer sind diese Jugendlichen, die in Zeiten von Ganztag und immer knapper werdenden Freiräumen an einem verlängerten Wochenende freiwillig drei Tage lang mit einer Kinderhorde zelten und morgens um 8 Uhr aufstehen, um den ganzen Tag Kinderprogramm zu stemmen?
Sie sind zwischen 17 und 18 Jahre alt, “Küken” Anna ist 15, sie war letztes Jahr noch als Teilnehmerin dabei, nun ist sie Mini-Betreuerin. Das Dschungelcamp richten sie dieses Jahr mit Unterstützung Annelene Stripeckes zum zweiten Mal aus. Vergangenes Jahr hat es den rheinland-pfälzischen Jugend-Engagement-Preis gewonnen und aktuell ist es für den Deutschen Engagementpreis nominiert. Und trotz nicht allzu rosiger Wetteraussichten kamen die 25 Teilnehmer*innen ziemlich schnell zusammen.
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Zur Jugendarbeit gekommen sind die Ehrenamtlichen über den örtlichen Jugendkeller, bzw. über das “Blättle”, das Mitteilungsblatt. Neben Großprojekten wie dem Dschungelcamp helfen sie auch viel in den Jugendtreffs, und gestalten die Ferienprogramme mit. Sowohl Jana als auch Lena können sich gut vorstellen, beruflich in Richtung Soziale Arbeit zu gehen. Was ihnen gefällt, ist der bunte Mix, die Vielschichtigkeit der Arbeit. Jana: “Ich kann mir jetzt nicht vorstellen, 8 Stunden in ein Büro zu gehen und in einen Computer zu gucken.” Und Lena findet es toll, dass Annelene ihnen die Möglichkeit gibt, überall Einblicke zu erhalten, auch in Planung, Abrechnung, die Arbeitsbereiche hinter den Kulissen.
Fürs Leben lernen und Spielkind bleiben
Über Mentorin Annelene schwärmen sie ohnehin in den höchsten Tönen. Über die Freiräume, die sie ihnen ermöglicht. Darüber, dass sie alles fragen dürfen. Immer. Dass sie Impulse gibt, als Wegweiserin dient, dann aber freie Hand lässt. “Sie versucht immer, uns alles möglich zu machen”, so Jana. Auf die Frage, was sie gelernt haben durch ihr Engagement in der Jugendarbeit, zählen sie einen ganzen Katalog von Kardinaltugenden auf, nach denen sich jeder zukünftige Arbeitergeber die Finger lecken würde: Selbständigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Organisation, das sich Reinversetzen in Andere: Packen die das überhaupt? Können die das schon heben? Selbstbewusstsein, Durchsetzungsvermögen, sich beim Reden vor der großen Kinderschar kurz und knapp auf das Wesentliche beschränken, weil: “wenn ich anfange, denen einen Aufatz zu erzählen, hören die eh nicht mehr zu”,so Jana.
Und längst hat sie der Jugendarbeits-Virus in sämtlichen Lebensbereichen infiziert: Wenn sie Familienspielserien wie “Mein Mann kanns” oder “Schlag den Raab” schauen, analysieren sie die Spiele und schauen, was sich nachbasteln lässt. Jana guckt für ihr Leben gern wieder Kinderprospekte durch auf der Suche nach der neuesten Inspiration. Richtige Spielkinder sind sie, das sagen sie ganz selbstbewusst. Lena: “Zum Spielen bringen durch selber spielen, das ist unsere Devise.” Das sei ja das Schöne an dieser Arbeit, dass man sich nach Herzenlust austoben kann, ohne dass irgendjemand sagt: So etwas tut man aber in dem Alter nicht mehr, das ist doch peinlich.
Im Gegenteil, die Kinder nehmen sehr stark zur Kenntnis, wie stark sich die Teamer*innen einbringen, dass sie vollen Körpereinsatz zeigen, für jeden Spaß zu haben sind. Der kollektive Schmiss der Großen in den Pool mitsamt Klamotten zählt für sie einstimmig zu den Highlights des Camps und hat im zweiten Jahr bereits Tradition.
Nachwuchsarbeit im Zentrum
Nun, wo sich bei ihnen der Schulabschluss nähert, sind sie eifrig dabei, wiederum Nachwuchs “nachzuzüchten” wie sie es selbst nennen. Fragt man in die Runde der teilnehmenden Kinder, dann haben sie viele motivierte Anwärter*innen, die bereits in den Startlöchern stehen, um selbst “Mini-Betreuer” zu werden.
Annelene Stripecke schätzt diesen Teil ihrer Arbeit besonders, die Nachwuchsarbeit, das Kommen und Gehen der Kinder – “wie ein Fluss” sagt sie. Sie macht die Arbeit hier jetzt schon seit 20 Jahren, die Kinder aus ihren Anfangszeiten sind inzwischen um die 30 Jahre alt, zu einigen hat sie immer noch Kontakt. Mit der Zeit sagt sie, hat sich ihre Rolle geändert, sie muss ihr Energielevel berücksichtigen. Und so ist sie inzwischen öfter in der zweiten Reihe anzutreffen, überlässt, wie hier beim Dschungelcamp, verstärkt den jugendlichen Teamerinnen die Rolle der Animation. Und freut sich, wenn ihre Arbeit positive Spuren im Leben der Kinder und Jugendlichen hinterlässt:
“Ich sehe öfter mal Jugendliche, wo ich sage, die hätten vielleicht einen ganz anderen Lebensablauf und dann sagen die plötzlich ‘Ich möchte gerne Sozialarbeiter machen’. Wie die Jana jetzt. Ich habe immer gedacht, die wird irgendwas Technisches, und dann kommen die zu dir und sagen, sie wollen jetzt das, weil das sehr prägend war. Find ich schön.”
Autorin: Johanna Gather