Holzappel
Holzappel, Isselbach und Langenscheid bildeten eine Bezirksgemeinde. Man nimmt an, daß bereits 1750 Juden in Holzappel wohnten. Von Isselbach weiß man, daß der Erzbischof von Trier bereits 1319 Juden dort ansiedelte. Das geschah aus rein wirtschaftlichem Interesse. Nachkommen dieser Familien, die später zum Teil den Namen Isselbächer annahmen, lebten noch in unserem Jahrhundert. Ein Jakob und ein Isaak Isselbächer gehörten 1933 dem Vorstand der jüdischen Gemeinde an.
Auch in Holzappel lebten wie in den Gemeinden rundum ‘Schutzjuden’. Diesen Schutz ließen sich die Fürsten gut bezahlen. Der Schutzbrief für Isaak Rosenthal aus Holzappel kostete zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts 49 Gulden und 40 Kreuzer. Dafür bekam Isaak Rosenthal ein Dokument mit folgendem Wortlaut:
Wir Friedrich August,
von Gottes Gnaden souveräner Herzog zu Nassau etc.etc.
Bekennen in diesem Brief, daß Wir den Juden
Isaak Rosenthal von Holzappel, Herzoglichen Amtes Nassau
in Unseren Landesherrlichen Schutz nach Holzappel angenommen haben.
Wir vergönnen ihm, daß er sich daselbst niederlasse, alle Nahrungs- und Erwerbsarten treibe, auch alle Rechte geniese, welche ihm die Judenordnung gestattet.
Wir befehlen ihm aber zugleich, daß er allen Landesherrlichen Anordnungen und obrigkeitlichen Befehlen pflichtschuldigst nachkomme; im widrigen Falle aber gewärtige, daß ihm bei dem ersten Übertretungsfalle diese auf seine Lebenszeit, jedoch unter Voraussetzung des Wohlverhaltens, ertheilte Landesherrliche Gnade sogleich entzogen werde.
Wir gebieten demnach Unsern sämmtlichen Ober - und Ämtern, Schultheißen, Ortsvorständen und Unterthanen obgedachten Schutzjuden bei diesen ihm mit Gnaden ertheilten Freiheiten und Rechten gleich andern Unsern Unterthanen zu schützen und zu handhaben, ihn in seinem bürgerlichen Leben, und den ihm gestatteten Handlungs- oder Nahrungs - Gewerben weder mit Worten noch mit der That zu stöhren, noch durch jemand anders stöhren zu lassen.
Urkundlich gewöhnlicher Unterschrift und beigedrückten Herzoglichen Regierungs - Insiegels. Gegeben Wiesbaden ....... 1815
Wie auch in anderen Dörfern war die Zusammensetzung der Synagogengemeinde wechselnd. In der Zeit um 1843 bzw. 1848 bildete man aus den Ortschaften Dörnberg, Eppenrod, Holzappel, Isselbach und Langenscheid eine Gemeinde. Bis 1843 war Eppenrod eine eigene Gemeinde, die auch eine Synagoge besaß. Versuche, Eppenrod wieder zu verselbständigen, wurden behördlich nicht genehmigt.
Zu Beginn der dreißiger Jahre lebten wahrscheinlich noch sieben Familien in Holzappel. Dann wanderten aber zwei Familien nach Südamerika und zwei nach Nordamerika aus. Unter ihnen war auch Adolf Rosenthal, ein Schwerkriegsbeschädigter aus dem 1. Weltkrieg. Von einem weiteren Juden aus Holzappel ist bekannt, daß er im 1. Weltkrieg Kriegsteilnehmer war und daß er mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden war. Für diese Menschen, die 1914 - 18 "ihre Haut zum Markte tragen" durften, mußte der Umschwung bis hin zum Holocaust immer unverständlich bleiben. Wie sehr die Juden mit ihrem Dorf und der Gesellschaft, in der sie lebten verbunden waren, ergibt sich auch daraus, daß sie sich nicht nur an dem Vereinsleben beteiligten sondern auch politisch aktiv waren. Die Holzappeler Juden waren alle Sozialdemokraten. Und die Freiwillige Feuerwehr hatte Siegmund Löwenthal, der Mitglied in vielen Vereinen war, sogar zum Ehrenmitglied ernannt.
Es soll auch an dieser Stelle noch einmal erwähnt werden, die folgenden Zeilen sind nicht typisch für Holzappel, sie sind typisch für die Zeit, die eine Verirrung und Verwirrung menschlichen Geistes hervorbrachte, die es möglich machte niedere Instinkte auszuleben und diese an alten und neuen Vorurteilen festzumachen. Heute erscheint uns das unverständlich. Aber wer kritisch die eigene Zeit betrachtet, wird bescheiden, wenn es um die ethische Entwicklung des Menschen geht.
"Aus dem Gefühl der im November herrschenden Situation heraus, macht der Vorstand den Vorschlag, die 2 Torarollen, die 4 Schofaroth und die Gebetsmäntel aus der Synagoge heraus und in das Haus des X zu schaffen. Was auch am 8.11.1938 geschehen ist. Am 10.11. drang die SA in die Synagoge, demolierte deren Einrichtung, warf die Wimpel, Toramäntelchen und die anderen Ritualien durch die Fenster und trat alles in den Schmutz. Dann wurden die Aushängekästen des ‘Bundes deutscher Mädchen’ an den Synagogenmauern angeschlagen. Der Vorstand der jüdischen Gemeinde hat den Bürgermeister wiederholt um den Synagogenschlüssel gebeten und, nachdem er ihn erhalten hatte, die Ritualien in Synagoge und Hof zusammengesucht und auch in das Haus des X bringen lassen........ Das Torasilber, das von der Familie C gestiftet worden war, wurde behördlich abgeschätzt und bei der Dresdener Bank in Frankfurt deponiert, weil C sich der Behörde gegenüber bereit erklärt hatte, es gegen Devisen auszulösen. Vom Auslande her wurden auch Schritte eingeleitet. Der Krieg machte aber dieser Aktion ein Ende. Die 2 Torarollen, die Megilloth, der silberne Zeiger und die 4 Schofaroth konnten ins Ausland gebracht werden." - Es wird noch geschildert wie Schlägertrupps jüdische Häuser verwüsteten und Menschen zusammenschlugen und dabei auch vor dem Träger des Eisernen Kreuzes 1. Klasse keinen Halt machten.
Ähnliches läßt sich auch von den Juden in Isselbach berichten. Lassekiel schreibt:
"Auch in Isselbach drang die SA in die j.Häuser. Männer und Frauen wurden schwer misshandelt. Als die Eindringlinge in das Zimmer kamen, wo, im Hause des Y, die 2 Torarollen standen, funktionierte das elektrische Licht nicht. So blieben die Torarollen, von denen eine aus Rastatt stammte, verschont. Aus einem anderen Raum aber entnahmen die SA-Leute eine goldene Uhr und etwas über M 500. Fünf Männer kamen nach Bu(chenwald). Isselbacher Bauern brachten den geschädigten Juden Lebensmittel.
Die Fürsorge der Bauern von Isselbach konnte das Ende der letzten Juden von Isselbach nicht verhindern. Vier ältere Ehepaare wurden am 12.2. 1941 in die "Judenhäuser" nach Frankfurt verschickt. Von dort wurden sie in die Konzentrationslager im Osten deportiert und umgebracht. Das war die Art und Weise wie man mit alten Personen und Ehepaaren, die nicht mehr die Kraft hatten zu fliehen oder die in dem guten Glauben waren, daß ihnen nichts geschehen könne, weil sie doch ihre Nachbarn kannten, verfuhr. Unvorstellbar, aber wahr.
Die Synagoge in Holzappel stand in der Hauptstraße, Nr 75. Das Haus trägt heute eine Gedenktafel.
In früheren Jahren wurden die Toten der Bezirksgemeinde auf dem 250 Jahre alten Friedhof in Cramberg beerdigt, der von den Fürsten von Schaumburg den Juden seiner Grafschaft als "ewige Begräbnisstätte" geschenkt wurde. Die Flurbezeichnung für die Flur, an dem der neue Friedhof liegt, heißt ‘im Loch am Schießhaus’.
Der Weg:
Von der Straße nach Charlottenberg zweigt links ein Weg ab. Wenn man diesem folgt, kommt man zu einem kleinen Baumbestand, in dem der Friedhof liegt.
Statistik:
1843 28 Personen
1871 42 Personen
1885 42 Personen
1895 30 Personen
1905 21 Personen
1925 22 Personen
1930 ca. 7 Familien
1932 24 Personen
1938 15 Personen