===== aha-1 Personalia 1844-4-28 Ascher b. Binjamin Efraim Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏איש הולך תמים בכל‏‎ ‎‏דרכיו ה״ה אשר בן כ״ה‏‎ ‎‏בנימין אפרים ז״ל נפטר‏‎ ‎‏ט׳ אייר שנת תר״ד לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Hier ruhet Aser Gumpert 1844 Übersetzung Hier ist begraben ein Mann, der lauter wandelte auf all seinen Wegen, es ist Ascher, Sohn des geehrten Herrn Binjamin Efraim, sein Andenken zum Segen, verschieden am 9. Ijar des Jahres 604 der kleinen Zählung. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Aser Gumpert wurde eine sehr schlichte Inschrift gewidmet, die kaum über die nötigsten Angaben hinausgeht: Namen und Sterbedaten, gerahmt von der wie üblich abgekürzten Einleitungsformel und dem Schlusssegen, wie er sich seit dem Mittelalter unter so gut wie jeder (nicht nur hebräischen) Grabinschrift findet. Die Eulogie beschränkt sich auf ein kurzes Psalmzitat, auf die Angabe des Wochentages im Sterbedatum wurde verzichtet. Die deutsche Inschrift auf der Rückseite nennt anstelle des vollen Sterbedatums nur das bürgerliche Sterbejahr, doch wird die Inschrift immerhin von einer kurzen Einleitungsformel überschrieben. Der hier Begrabene trug den biblischen Vornamen Ascher, nach einem der Söhne Jakobs. Dieser Name, der sich vom hebräischen Wort für "Glück" ableitet, wurde auf Deutsch verkürzt zu "Aser". Der Vater trug einen Doppelnamen, zusammengesetzt aus den biblischen Namen Binjamin und Efraim. Der Name Efraim wurde im Mittelalter im deutschen Sprachraum oft mit dem alten deutschen Namen Gumprecht oder Gumpert verbunden, der hier wiederum, abgeleitet vom Vatersnamen, zum bürgerlichen Familiennamen wurde. Zl 2: Psalm 15,2. ===== aha-2 Personalia 1854-12-30 David b. Schlomo Halevi Transkription ‎‏זאת מצבת איש‏‎ ‎‏ד*ורש טוב והולך בתמתו,‏‎ ‎‏ו*בצדק וביושר כל מגמתו,‏‎ ‎‏ד*ב[ק לב?]ו באשתו אהובתו‏‎ ‎‏ה״ה‏‎ ‎‏דוד בן ר׳ שלמה הלוי‏‎ ‎‏נפטר בפתע פתאום בדמי‏‎ ‎‏ימיו ׃ לדאבון אשתו ולאבל‏‎ ‎‏בניו ׃ ביום ש״ק ט׳ טבת תרט״ו‏‎ ‎‏ונקבר בכבוד גדול ביום‏‎ ‎‏ב׳ שלאחריו.‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Übersetzung Dies ist die Stele eines Mannes, der nach Gutem strebte und in seiner Lauterkeit wandelte, auf Gerechtigkeit und Geradheit (zielte) all sein Streben, sein (Herz?) haftete an seiner geliebten Gattin es ist David, Sohn des Herrn Schlomo Halevi, verschieden ganz plötzlich in der Mitte seiner Tage, zum Kummer seiner Gattin und zur Trauer seiner Kinder, am Tag des heiligen Schabbat, 9. Tewet 615, und begraben mit großen Ehren am darauffolgenden Tag 2. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Die Anzahl der Zeilen der gereimten Eulogie (Zln 2-4) wird durch die Buchstaben des Namens-Akrostichons vorgegeben. Die erste Zeile der Eulogie klingt an biblische Zitate an und könnte hier mit der Wendung "er strebte nach Gutem", die in der Bibel mit "für sein Volk" fortgesetzt wird, einen Hinweis auf eine Gemeindefunktion enthalten. (Erwähnungen von Gemeindeämtern und -funktionen finden sich in Ahaus selten.) Die zweite Zeile der Eulogie verwendet mit dem nur einmal in der Bibel vorkommenden Begriff ‎‏מגמה‏‎ ("Absicht") ein Wort, das erst in jüngerer Zeit größere Verbreitung fand, während die dritte durch Erwähnung der geliebten Ehefrau der Eulogie eine intime Note gibt, die in Zln 8-9 noch einmal aufgenommen und ausgeführt wird. Auch solche Formulierungen sind zwar seit dem Mittelalter in hebräischen Grabinschriften bekannt, aber eher selten geblieben, und stehen hier vielleicht unter Einfluss der in jener Zeit auf christlichen Grabmälern bereits üblichen Formulierungen wie "unser innigstgeliebter Vater" etc. Ebenfalls als Einfluss der deutschen Sprache ist die Verwendung von gliedernden Satzzeichen anzusehen: Kommata am Ende der Abschnitte der Eulogie in Zln 2 und 3 sowie ein Punkt am Ende der Inschrift, vor dem Schlusssegen (Zl 11). Zl 1: Die in Ahaus einmalige Einleitung der Grabinschrift lehnt sich durch die Verwendung des biblischen Wortes "Stele" an besonders im Mittelalter beliebte Einleitungsformeln jüdischer Grabinschriften an. Zl 2a: Esther 10,3. Zl 2b: Vgl. Ijob 2,3. Zl 4: Durch die Beschädigung fehlen einige Buchstaben zu Anfang der Zeile. Die Ergänzung erfolgt sinngemäß und anhand der vorhandenen Buchstabenreste. Zln 7-8: Vgl. Jesaja 38,10. David Löwenstein starb im Alter von nur 32 Jahren durch einen "Sturz vom Boden". ===== aha-3 Personalia 1855-11-6 Hanna b. Elieser Transkription ‎‏פ״ט‏‎ ‎‏ה*וד מעשיה הדר פעלה‏‎ ‎‏נ*תיב היראה הלכה רגלה‏‎ ‎‏א*שת חן עטרת בעלה.‏‎ ‎‏ה״ה הנא בת הח״ר אליעזר‏‎ ‎‏ז״ל מתה כ״ה מרחשון שנת‏‎ ‎‏תרט״ז לפ״ק‏‎ ‎‏תמ״ך‏‎ Hier ruhet Hanna Gumpert geb. Leser 1855 Übersetzung Hier ist geborgen Glanz sind ihre Werke, Gefunkel ihre Tat, den Pfad der (Gottes-)furcht beschritt ihr Fuß, holde Gattin, Krone ihres Gatten, es ist Hanna, Tochter des torakundigen Herrn Elieser, sein Andenken zum Segen, sie starb am 25. Marcheschvan des Jahres 616 der kleinen Zählung. Ihre Ruhe sei Herrlichkeit Kommentar Auch hier wird die dreizeilige, gereimte Eulogie (Zln 2-4) durch die Anzahl der Buchstaben des Akrostichons bestimmt. Einen ganz besonderen Rhythmus bekommt die Lobrede durch die Verbindung von jeweils zwei Wortpaaren pro Zeile. Die ersten beiden Zeilen der Eulogie sind aus Wendungen zusammengesetzt, die sich nur selten in Grabinschriften für Frauen finden, und erst in Zl 3 wird auf verbreitetere Formeln zurückgegriffen. Die Inschrift schließt mit der Formel ‎‏תהיה מנוחתה כבוד‏‎, "Ihre Ruhe sei Herrlichkeit", wobei "Herrlichkeit" hier auch für Gott steht. Dieser Jesaja 11,10 entnommene Segenswunsch findet sich schon in der Antike in jüdischen Grabinschriften und gibt dieser Inschrift eine archaische Note, die sie von den übrigen Inschriften dieses Friedhofs abhebt. (Derselbe Segenswunsch wurde später auch unter die Inschrift des Sohnes gesetzt.) Die hier Begrabene trug den biblischen Namen Channa, der jedoch nicht nur in der deutschen Inschrift, sondern auch im hebräischen Text in seiner umgangssprachlichen bzw. eingedeutschten Form "Hanna" erscheint. Zl 2: Vgl. Psalm 111,3. Zl 4a: Sprüche 11,16 (Klingt auch an Sprüche 12,4 an, dem Vers, mit dem die Zeile fortgesetzt wird.) Zl 4b: Sprüche 12,4. Zln 5-6: Laut Sterberegister (s.u.) starb Hanna Gumpert am 5.12.1855, das war der 25. Kislev 616, demnach hätte man sich bei der Abfassung der Inschrift für den Grabstein, der in der Regel ein Jahr nach Ableben aufgestellt wird, um einen Monat geirrt. Zl 6: Wegen der Verwitterung des Steins ist nicht zu entscheiden, ob die Angabe des Monatstags ‎‏כ״ה‏‎ (25.) oder ‎‏כ״ח‏‎ (28.) lautet. Da der Wochentag nicht angegeben ist, der 28. jedoch auf einen Freitag fiel, der als Rüsttag des Schabbat in der Regel genannt ist, ist die Lesung "25. Marcheschvan" (= 6.11.1855) wahrscheinlicher (Siehe dazu auch oben). Zl 8: Vgl. Jesaja 11,10. ===== aha-4 Personalia 1866-11-19 Schlomo b. Awraham SeGal Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏איש ירא אלקים הלך‏‎ ‎‏תמים ופעל צדק ונפטר‏‎ ‎‏בשם טוב י״א כסלו שנת‏‎ ‎‏תרכ״ז לפ״ק כ״ה‏‎ ‎‏שלמה בן אברהם סג״ל‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Übersetzung Hier ist begraben ein gttesfürchtiger Mann, er wandelte lauter und wirkte Wohltun und verschied mit gutem Namen, 11. Kislev des Jahres 627 der kleinen Zählung; der geehrte Herr Schlomo, Sohn des Awraham SeGal. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Die Schreibweise des Gottesnamen in Zeile 2, "elokim" statt "elohim", soll eine Entweihung des von strenggläubigen Juden nur im Gottesdienst und Gebet verwendeten Gottesnamen vermeiden und verweist auf traditionelles Milieu. Die Nennung des Namens erst am Ende der Inschrift ist ungewöhnlich. Hier erfolgte die Umstellung der einzelnen Elemente der Inschrift, da die Eulogie durch "und verschied mit gutem Namen" direkt zum folgenden Sterbedatum überleitet. "SeGaL", die Abkürzung für ‎‏סגן לויים‏‎ /"Fürst der Leviten", ist neben "Halevi"/"der Levite" eine weitere Form des Hinweises auf Abstammung aus dem Priestergeschlecht der Leviten. Zl 2a: Ijob 1,1 u.ö. Zln 2b-3a: Psalm 15,2. Zl 4a: Vgl. Prediger 7,1. ===== aha-5 Personalia 1869-4-3 Pinchas b. Awraham Halevi Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏איש אמונים הולך תמים‏‎ ‎‏מעשיו היו טובים ושלמים‏‎ ‎‏השכים והעריב לתורה ולתפלה‏‎ ‎‏שמו הוא נודע לשבח ולתהלה‏‎ ‎‏הוא‏‎ ‎‏פינחס בן כ״ה אברהם הלמ‏‎ ‎‏נפטר ביום בש״ק‏‎ ‎‏כ״ב ניסן‏‎ ‎‏תרכ״ט לפ״ק‏‎ Übersetzung Hier ist begraben ein Mann von Treue, er wandelte lauter, seine Werke waren gut und vollkommen, früh morgens und spät abends (eilte er) zur Lehre und zum Gebet, sein Name ist bekannt zu Lob und zum Preis, er (ist) Pinchas, Sohn des geehrten Herrn Awraham Halevi, verschieden am Tag, am heiligen Schabbat, 22. Nissan 629 der kleinen Zählung. Kommentar Dies ist die einzige Grabinschrift in Ahaus, die das tägliche Studium und den Gottesdienst in der Synagoge erwähnt. Möglicherweise wurde sie einem Musterbuch entnommen, so findet sich diese Eulogie zum Beispiel in identischer Form auch in dem Andachtsbuch "Tozeoth Chajim" von Seligmann Baer (Rödelheim 1871). Ungewöhnlich ist, dass auf den üblichen Schlusssegen oder eine andere abschließende Formel (siehe z.B. Grabstein 3) verzichtet wurde. Dafür ist das Datum und insbesondere der Sterbetag, an dem zur "Jahrzeit" alljährlich des Verstorbenen gedacht wird, durch seine Alleinstellung in Zeile 9 besonders akzentuiert. Zl 2a: Sprüche 20,6. Zl 2b: Vgl. Psalm 15,2. Zl 4: Babylonischer Talmud, Traktat Berachot 62a. Zl 7: Das Wort "am Tag" ist hier überflüssig. Das letzte Wort der Zeile, der Beiname Halevi, ist verschrieben. Zl 9: Die Inschrift erwähnt nicht, dass der Todestag auf den letzten Tag des Pessachfestes fiel, der Schabbat ist sozusagen wichtiger. ===== aha-6 Personalia 1872-8-23 Aharon b. Awraham Halevi Transkription ‎‏שמר תם וראה ישר כי אחרית לאיש שלום‏‎ ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏א*יש ישר ירא שמים,‏‎ ‎‏ה*לך תמיד בדרך החיים,‏‎ ‎‏ר*דף צדק רעה אמונה,‏‎ ‎‏נ*רדם פה במנוחה נכונה.‏‎ ‎‏ה״ה כ״ה אהרן בן אברהם הלוי‏‎ ‎‏נשמתו יצאה בקדושה במלאות‏‎ ‎‏מספר ימיו שמנים ביום עש״ק‏‎ ‎‏י״ט מנחם אב תרל״ב לפ״ק ונקבר‏‎ ‎‏בשם טוב ביום א׳ שלאחריו.‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Übersetzung Behüte den Lauteren und sieh auf den Redlichen, denn eine Zukunft hat der Mann des Friedens Hier ist begraben ein aufrichtiger, himmelsfürchtiger Mann, immer wandelte er auf dem Wege des Lebens, er strebte nach Gerechtigkeit und hütete den Glauben, hier entschlief er in rechter Ruhe. Es ist der geehrte Herr Aharon, Sohn des Awraham Halevi, seine Seele ging aus in Heiligkeit mit Vollendung der Anzahl seiner Tage, (im Alter von) Achtzig, am Rüsttag des heiligen Schabbat, 19. des Menachem Aw 632 der kleinen Zählung, und er wurde begraben mit gutem Namen am darauffolgenden Tag 1. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Die Inschrift dieses Grabsteins ist optisch klar gegliedert: Unter einem rundbogig abgesetzten Psalmzitat als Motto über der Inschrift rahmen die durch etwas größere Buchstaben hervorgehobenen, zentrierten und wie üblich abgekürzten Einleitungs- und Schlussformeln die eigentliche Inschrift. Die vierzeilige, gereimte Eulogie wird durch ein leichtes Einrücken vom Rand optisch hervorgehoben. Die Anzahl ihrer Zeilen wird durch die Buchstaben des Namensakrostichons vorgegeben, die Zeilenenden sind mit deutschen Satzzeichen (Kommata) versehen, ein Punkt zeigt das Ende der Eulogie an. Der folgende Teil der Inschrift, diesmal wieder rechtsbündig gesetzt, nennt Name und Daten des Verstorbenen und macht erstmals in Ahaus auch eine Altersangabe. Die Formulierungen in der Eulogie könnten auf eine leitende Funktion Aron Löwensteins in seiner Gemeinde deuten. In der Inschrift seines Sohnes wird er mit dem Titel ‎‏חבר‏‎, "toragelehrt", geehrt. Zl 1: Psalm 37,37. Zl 4: Vgl. Sprüche 6,7. Zl 5: Vgl. Jesaja 51,1. Zl 5b: Psalm 37,3; auch mit "verlässlicher Hirte" zu übersetzen und wahrscheinlich als Andeutung eines Amtes in der Gemeinde zu verstehen. Zl 6: "Rechte Ruhe" ist ein Zitat aus dem "El Male Rachamim"-Gebet ("Gott voll Erbarmen"), das zum Gedenken an verstorbene Verwandte rezitiert wird. Zl 10: Menachem, "Tröster", ist ein euphemistischer Name für den Trauermonat Aw, in dem der Zerstörung der beiden Jerusalemer Tempel gedacht wird. Zl 11a: Vgl. Prediger 7,1. ===== aha-7 Personalia 1873-4-15 Fradche b. Schlomo Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏אשה כשרה וצנועה‏‎ ‎‏פראדכא בת שלמה‏‎ ‎‏הנולדה מן רייסכא‏‎ ‎‏אשת כמ״ר משה בן אשר‏‎ ‎‏שבה אל בית אביה‏‎ ‎‏ביום ג׳ ב׳ דחה״מ פסח‏‎ ‎‏שנת ת+נוח ותעמד ל+ג+רלה‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Hier ruhet Rieka Gumpert geb. Rose 1873 F.D.A Übersetzung Hier ist begraben eine tugendhafte und züchtige Frau, Fradche, Tochter des Schlomo, welche geboren wurde von Reis'che, Gattin des geehrten Herrn Mosche Sohn des Ascher, sie kehrte zurück in das Haus ihres Vaters am Tag 3, dem 2. der Zwischenfeiertage von Pessach des Jahres "Sie möge ruhen und auferstehen zu ihrem Lose" (633). Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Der Name "Fradche" leitet sich her von "Freude" und ist seit dem Mittelalter als jüdischer Frauenname belegt. "Rieka" ist Abkürzung bzw. Koseform des bürgerlichen Vornamens Friederike. Somit beginnen jüdischer und bürgerlicher Vorname mit demselben Buchstaben, eine Parallelität, die häufig gewählt wurde. In der deutschen Inschrift wurde der Geburtsname mit "geb. Rose" angegeben, die hebräische Inschrift schreibt "welche geboren wurde von Reis'che". Hier ist zum einen die deutsche Formel "geb." ins Hebräische übersetzt worden, zum anderen in der deutschen Inschrift der Name der Mutter aus seiner Koseform Reis'che = Rös'chen mit "Rose" ins Deutsche "übersetzt", statt des Familiennamens angegeben. (Da der Zeitpunkt der Heirat Riekas vor den staatlichen Gesetzen zur Annahme fester Familiennamen lag, ist davon auszugehen, dass "Rose" nicht ihr Geburtsname, d.h. Familienname ihres Vaters, sondern der Name ihrer Mutter war, wie es auch der hebräischen Inschrift zu entnehmen ist; vgl. auch 3, 12, 18 und 55). Ihr Geburtsname "van Wolbeck" ist entsprechend vermutlich als Herkunftsname zu verstehen: Wolbeck ist heute ein Stadtteil von Münster. Bei dieser dritten erhaltenen deutschen Inschrift wird der Angabe von Name und Sterbejahr erstmals auch ein damals gängiger Segenswunsch beigegeben, hier jedoch bleibt er noch abgekürzt, entsprechend dem Segenswunsch in der hebräischen Inschrift. Zl 4: Die Angabe des Namens der Mutter ist selten. Zl 6: Leviticus 22,13. Zl 8: Vgl. Daniel 12,13. Zl 14: Die Abkürzung ist mit "Friede Deiner Asche" aufzulösen. ===== aha-8 Personalia 1874-5-10 Ester b. Jechiel Transkription ‎‏כפה פרשה לעני וידיה שלחה לאביון‏‎ ‎‏פ״ט‏‎ ‎‏א*שה יראת ה׳ [תפ]ארת בניה,‏‎ ‎‏ס*עדה היה באלקים כל ימיה‏‎ ‎‏ת*פתח ידיה לאביון כן דרכיה‏‎ ‎‏ר*שים, ותמיד שלחה לנצרכיה.‏‎ ‎‏ה״ה האשה הצנועה א״ח מ׳ אסתר בת‏‎ ‎‏החבר רבי יחיאל הלכה לעולמה מספר‏‎ ‎‏ימיה שמונים יום א׳ כ״ג אייר תרל״ד לפ״ק‏‎ ‎‏פה שוכב גופה‏‎ ‎‏ונשמתה עלתה למרומה.‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Übersetzung Ihre Hand öffnete sie dem Armen und ihre Hände reichte sie dem Bedürftigen Hier ist geborgen eine Frau, die den Ewigen fürchtet, Zierde ihrer Kinder, ihre Stütze war bei Gtt all ihre Tage, ihre Hände öffnete sie dem Bedürftigen, und so auch den Mittellosen, und immer reichte sie (ihre Hand) denen, die ihrer bedurften. Es ist die züchtige Frau, eine tüchtige Gattin, Frau Ester, Tochter des torakundigen Herrn Jechiel, sie ging hin in ihre Welt, und ihre Tage zählten achtzig (Jahre), Tag 1, 23. Ijar 634 der kleinen Zählung. Hier ruht ihr Leib, ihre Seele aber stieg empor zu ihrer Höhe. Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Wie viele der älteren Grabmale hier weist auch diese Inschrift eine klare optische Gliederung auf. Über der üblichen abgekürzten Einleitungsformel steht eine dem Verlauf des Rundbogens folgende Kopfzeile, ein beliebtes Zitat aus dem biblischen "Lob auf die tüchtige Gattin" (Sprüche 31,10-31), das hier wie ein Motto über die Eulogie gesetzt ist. Die vier gereimten Zeilen der folgenden Lobrede sind leicht eingerückt und so betont. Sie beginnen jeweils mit einem größer hervorgehobenen Buchstaben des Namens Ester. Mit biblischen Zitaten und Anspielungen, insbesondere auf das "Loblied auf die tüchtige Gattin", das am Freitagabend zu Schabbatbeginn zuhause vom Gatten rezitiert wird, werden die Frömmigkeit und vor allem die Wohltätigkeit Esters gepriesen. Der Eulogie folgen drei Zeilen mit Angabe von Namen und Daten. Die Inschrift schließt mit einem in Ahaus einmaligen, wiederum gereimten Segenswunsch vor der üblichen abgekürzten Schlussformel. Die Inschrift gibt traditionell nur den Vornamen Ester und den Namen ihres Vaters, Jechiel, an, ein Name, dem schon seit dem Mittelalter häufig als Pendant der Name Mich(a)el beigegeben ist. Die amtlichen Unterlagen geben den Namen von Esters Vater entsprechend mit Michel Moses an. Esters Eulogie voller Zitate und Anspielungen auf das "Lob auf die tüchtige Gattin" zeigt an, dass sie verheiratet war, und den amtlichen Quellen ist zu entnehmen, dass sie in die Familie Löwenstein heiratete. Die Inschrift gibt ihr Alter mit achtzig Jahren an, laut Eintrag im Sterberegister starb sie im Alter von 79 Jahren an Altersschwäche. Zl 1: Sprüche 31,20. Zl 3a: Sprüche 31,30. Zl 3b: Vgl. Sprüche 17,6. Zl 4: Die Schreibung des Gottesnamens verweist auf traditionelles Milieu. Zl 5: Der Buchstabe ‎‏ב‏‎ im Wort "dem Bedürftigen" wurde vom Steinmetzen zwar vorgezeichnet, aber nur teilweise ausgearbeitet, ebenso wie das ‎‏מ‏‎ / "Frau" in Zeile 7. Zl 7: Sprüche 12,4; 31,10. ===== aha-9 Personalia 1875-4-9 David b. Ascher Gumpert Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏תם וישר עד יום מותו‏‎ ‎‏בגן עדן תהי נשמתו‏‎ ‎‏ה״ה‏‎ ‎‏כ׳ דוד ב״כ אשר גומפערט‏‎ ‎‏נפטר ע[ש]״ק ד׳ ניסן ונקבר‏‎ ‎‏יום א׳ ו׳ ניסן תרל״ה לפ״ק‏‎ ‎‏תמ״כ‏‎ Übersetzung Hier ist begraben - lauter und aufrecht bis zum Tage seines Todes, im Garten Eden sei seine Seele, es ist der geehrte David, Sohn des geehrten Ascher Gumpert, verschieden (am) Rüsttag des heiligen [Schabbat], 4. Nissan, und begraben (am) Tag 1, 6. Nissan 635 der kleinen Zählung. Seine Ruhe sei Herrlichkeit Kommentar Während beim Vater dreißig Jahre zuvor der schon vor dem Gesetz zur festen Annahme angenommene Familienname Gumpert in der deutschen Inschrift erscheint und in der hebräischen Inschrift dessen Vatersname angegeben wurde, ist dies der älteste erhaltene Grabstein für ein Mitglied der Familie Gumpert, der keine deutsche Inschrift auf der Rückseite trägt. Stattdessen wurde hier erstmals der bürgerliche Familienname "Gumpert" in der hebräischen Inschrift genannt. Zl 2a: Ijob 1,8; 2,3. Zl 8: Vgl. Jesaja 11,10. Derselbe Segenswunsch findet sich auch auf dem Grabmal der Mutter (siehe Kommentar dort 3). ====== aha-10 Personalia 1877-3-7 Bula b. Juda Transkription ‎‏פ״ט‏‎ ‎‏ב*רה ותמה בכל מעשיה‏‎ ‎‏ו*אהובה לכל מכיריה‏‎ ‎‏ל*עניים פרשה ידיה‏‎ ‎‏א*שת חן לבעל נעוריה‏‎ ‎‏ה״ה‏‎ ‎‏האשה הצנועה מרת‏‎ ‎‏בולא בת כ׳ יודה אשת‏‎ ‎‏כ׳ משה לאווענשטיין‏‎ ‎‏נפטרה יום ד׳ כ״ב אדר‏‎ ‎‏ונקברה עש״ק כ״ד בו‏‎ ‎‏שנת תרל״ז לפ״ק‏‎ Hier ruhet die Ehefrau M. Löwenstein Bertha geb. Hartog geb. zu Goch 2. März 1840 gest. zu Ahaus 7. März 1877. Übersetzung Hier ist geborgen - rein und lauter in all ihrem Tun, und geliebt von all ihren Bekannten, den Armen öffnete sie ihre Hände, eine holde Gattin dem Gatten ihrer Jugend, es ist die züchtige Frau, Frau Bula, Tochter des geehrten Juda, Gattin des geehrten Mosche Löwenstein, verschieden (am) Tag 4, 22. Adar, und begraben am Rüsttag des heiligen Schabbat, 24. desselben des Jahres 637 der kleinen Zählung. Kommentar Dieser Grabstein trägt eine der wenigen hebräischen Inschriften, die mit "Löwenstein" den bürgerlichen Familiennamen nennt, und die einzige, die den bürgerlichen Namen Löwenstein anstelle des hebräischen Abstammungsnamens Halevi angibt. Auch ist hier in der hebräischen Inschrift der Gattenname genannt, wie dies in Ahaus nur 5 Mal geschieht, meist erscheint nur der Vatersname. Der Grabstein trägt gleichzeitig die erste ausführliche deutsche Inschrift, welche, wie zu der Zeit üblich, erst den Namen des Gatten angibt, dann den der Verstorbenen und ihren Geburtsnamen, und das ganze eingeleitet durch die Angabe des Familienstandes. Gleichzeitig handelt es sich um die erste deutsche Inschrift, die nicht nur das Sterbejahr angibt, sondern genaue Geburts- und Sterbedaten und sogar Geburts- und Sterbeort nennt. Zl 4: Vgl. Sprüche 31,20. Zl 5a: Sprüche 11,16. Zl 5b: Joel 1,8. Zl 9: Der Name Löwenstein ist gemäß deutscher Orthographie geschrieben. ====== aha-11 Personalia 1877-3-19 Kalonymos b. Schlomo'Halevi Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏איש הולך תמים‏‎ ‎‏היה צדיק באמונתו‏‎ ‎‏חיה אהב צדק והמשרים‏‎ ‎‏היטיב לקרוביו גם לזרים‏‎ ‎‏ה״ה קלונמס בן שלמה‏‎ ‎‏הלוי מת ביום ב׳ ד׳‏‎ ‎‏ניסן ונקבר ביום ה׳ ח׳‏‎ ‎‏בו שנת תרל״ז לפ״ק ׃‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Hier ruhet Karl Löwenstein geb. 1. Mai 1832, gest. 19. März 1877. Übersetzung Hier ist begraben ein Mann, lauter wandelnd war er, gerecht in seinem Glauben lebte er, liebte Gerechtigkeit und Redlichkeit, Gutes erwies er den ihm Nahen wie auch Fremden, es ist Kalonymos, Sohn des Schlomo Halevi, gestorben am Tag 2, 4. Nissan, und begraben am Tag 5, 8. desselben des Jahres 637 der kleinen Zählung. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Der Name Kalonymos, "guter" bzw. "schöner Name", stammt aus dem Griechischen und wurde in der Antike zu einem beliebten jüdischen Namen. Im deutschen Sprachraum wurde er oft zu Klonimos oder zu Kallman verschliffen. Als bürgerliches Pendant wurde hier mit dem unter Juden eher seltenen Karl ein Name gewählt, der mit demselben Anlaut wie der Synagogalname beginnt. Zl 2: Psalm 15,2. Zln 3b-4a: Vgl. Habakuk 2,4. Zl 4b: Vgl. Jesaja 45,19. Zl 7: Die Angabe des Sterbetages ist falsch und muß ‎‏ה׳‏‎ / 5. statt ‎‏ד׳‏‎ / 4. lauten, vermutlich ein Fehler des Steinmetzen. ====== aha-12 Personalia 1878-5-13 Perla Transkription ‎‏פ״ט‏‎ ‎‏פ*אר לבניה‏‎ ‎‏ע*טרת ליודעיה‏‎ ‎‏ר*ק עם ישרים לכתה‏‎ ‎‏ל*עני פרשה פתה‏‎ ‎‏א*שרה תליץ בעדה‏‎ ‎‏ה״ה‏‎ ‎‏מרת פערלא בת כ״ה יודא‏‎ ‎‏אלמנת כ״ה אליעזר הכהן‏‎ ‎‏נפטרה יום ב׳ י׳ אייר‏‎ ‎‏שנת תרל״ח לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Hier ruhet die Ehefrau G.I. Cohen Perle geb. Levi geb. im April 1802 gest. 13. Mai 1878. Übersetzung Hier ist geborgen - Pracht ihren Kindern, Krone denen, die sie kannten, nur mit Aufrechten (war) ihr Wandeln, dem Armen reichte sie ihr Brot, ihr Glück wird für sie Fürsprache einlegen, es ist Frau Perla, Tochter des geehrten Herrn Juda, Witwe des geehrten Herrn Elieser Hakohen, verschieden (am) Tag 2, 10. Ijar des Jahres 638 der kleinen Zählung. Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Klare optische Gliederung. Der Geburtsname "Levi" ist eine jüdisch-deutsche Form des hebräischen Vatersnamen "Juda": Der biblische Stamm Jehuda wird im Jakobssegen (Genesis 49,9) mit einem jungen Löwen verglichen, daher erhält der hebräische Name Jehuda bzw. Juda häufig das deutsche Pendant "Löb", aber auch "Levi", was in diesem Fall nicht auf eine Herkunft aus dem Priestergeschlecht der Leviten verweist. Damit scheint die deutsche Inschrift entsprechend der hebräischen Inschrift nicht den Geburts-, d.h. Familiennamen vor der Heirat, sondern den Vatersnamen in seiner eingedeutschten Form anzugeben (siehe dazu z.B. auch 7 und 18). Perle Cohen hatte geheiratet, bevor 1846 die Annahme fester Familiennamen gesetzlich verordnet wurde. Zl 4: Vgl. Sprüche 14,2. Zl 5: Vgl. Sprüche 31,20. Zl 14: Wie schon zuvor bei Bertha Löwenstein wird auch hier der Familienstand angegeben, doch ist in diesem Fall die hebräische Inschrift genauer, denn Perle war bei ihrem Tod bereits seit 22 Jahren verwitwet. Zl 15: Der abgekürzte Vorname des Gatten ist mit "Gumpert Joseph" aufzulösen. Zl 17: Vor der Einführung der Zivilstandsregister wurden genaue Geburtsdaten häufig nicht festgehalten, so dass später keine exakten Angaben gemacht werden konnten. ====== aha-13 Personalia 1879-12-8 Elieser b. Josef // und am folgenden Tag, Tag 3, 24. Kislev'Hakohen 1879-12-9 Jehuda b. Josef Hakohen Transkription ‎‏הנאהבים והנעימים בחייהם ובמותם לא נפרדו‏‎ ‎‏עוברי בעמק הבכא ראו‏‎ ‎‏פה // ופה‏‎ ‎‏א*מלל פרח ל*א צץ ציץ // י*פה נוף ה*דר הורו‏‎ ‎‏י*דיד אבות ע*נף יפה // ו*חדות אמו ד*רך כל‏‎ ‎‏ז*נח עולמו ר*ך בשנים // הארץ ה*לך אחר אחיו‏‎ ‎‏ה״ה אליעזר בן כ׳ יוסף // ולמחרתו יום ג׳ כ״ד כסלו‏‎ ‎‏הכהן נקטף בעודו // בא המות שנית בחלוני‏‎ ‎‏באבו לדאבון אבותיו // אבותיו המדכאים ויאמר‏‎ ‎‏ביום ב׳ כ״ג כסלו תר״מ לפ״ק // גם אחיו יהודה יעלה‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Übersetzung Die Geliebten und Wohlgefälligen, in ihrem Leben und in ihrem Tode waren sie nicht getrennt Die ihr durchs Jammertal zieht, sehet, hier // und hier welkt die Blume, treibt keine Blüten, // schön von Angesicht, die Pracht seiner Eltern Liebling seiner Ahnen, ein schöner Zweig, // und Freude seiner Mutter, den Weg alles er verwarf seine Welt zart an Jahren, // Irdischen folgte er seinem Bruder, es ist Elieser, Sohn des geehrten Josef // und am folgenden Tag, Tag 3, 24. Kislev Hakohen, er wurde gepflückt noch // stieg der Tod erneut in die Fenster in seiner Blüte zum Kummer seiner Eltern // seiner erschütterten Eltern, und sagte: am Tag 2, 23. Kislev 640 der kleinen Zählung. // Auch sein Bruder JehudaJosef Hakohen wird emporsteigen! Ihre Seelen seien eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Dieser einzige Doppelstein auf unserem Friedhof wurde einem Brüderpaar gesetzt, das an aufeinander folgenden Tagen starb. Überschrieben sind die Inschriften mit einem nicht selten in der Neuzeit auf solchen Doppelsteinen zu findenden Zitat aus dem Klagelied Davids über Saul und Jonathan, meist jedoch für Ehepaare. Einzigartig bleibt in Ahaus die direkte Anrede des Friedhofbesuchers. Während die Eulogie für den älteren Sohn Elieser (Gustav, geb. 19.5.1870) aus biblischen Anspielungen auf die Pflanzenwelt als Sinnbild für das zarte Alter des Kindes zusammengesetzt ist, hebt die Eulogie für den etwas jüngeren Jehuda (das ist Leopold, geb. 17.1.1874) die Erschütterung der Eltern über den Verlust ihres zweiten Sohnes hervor, der seinem Bruder in den frühen Tod folgte. Während das Bild des Todes, der durch das Fenster einsteigt, entsprechend des Jeremia-Zitates häufiger auf Grabsteinen von Kindern und Jugendlichen zu finden ist, bleibt der "sprechende Tod" doch eine große Ausnahme. Die Verbindung der Namen Jehuda und Leopold geht auf den biblischen Jakobssegen zurück: In Genesis 49,9 vergleicht Jakob seinen Sohn Jehuda mit einem Löwen. Daher stammt die häufig zu findende Gleichsetzung des Namens Jehuda mit dem hebräischen Arie ("Löwe") und dem deutschen Löb/Löw, hier schließlich in einer "modernisierten" Form Leopold. Der Synagogalname Elieser wurde in Ahaus häufig mit dem deutschen Namen Gumpert verbunden (siehe z.B. 12), und Gumpert beginnt wiederum mit dem selben Anlaut wie der Name Gustav. Zl 1: 2 Samuel 1,23; dem Klagelied Davids über König Saul und dessen Sohn Jonathan entlehnt. Zl 2: Psalm 84,7; hier auch als Synonym für den Friedhof zu verstehen. Rechts (Elieser): Zl 4a: Vgl. Nachum 1,4. Zl 4b: Vgl. Numeri 17,23. Zl 5b: Vgl. Ezechiel 31,3. Zl 8b-9a: Vgl. Ijob 8,12. Zl 10b: Die Abkürzung "nach der kleinen Zählung" wurde in Ligatur ausgeführt. Links (Jehuda): Zl 4a: Psalm 48,3. Zl 5b-6a: Josua 23,14. Zl 8: Vgl. Jeremia 9,20. Zl 9b-10: Vgl. Richter 1,2. ====== aha-14 Personalia 1882-3-16 Mosche b. Ascher Gumpert Transkription ‎‏משה עלה למרום‏‎ ‎‏פ״ט‏‎ ‎‏מ*כבד היוצר ותורתו‏‎ ‎‏ש*לם כל ימיו ביראתו‏‎ ‎‏ה*לום יישן במנוחתו‏‎ ‎‏עד כי ייקץ משנתו‏‎ ‎‏ה״ה‏‎ ‎‏איש יקר רוח כ״ה משה‏‎ ‎‏בן כ״ה אשר גומפערט‏‎ ‎‏נפטר יום ה׳ כ״ה אדר ונקבר‏‎ ‎‏למחרתו עש״ק כ״ו בו‏‎ ‎‏שנת תרמ״ב‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Übersetzung Mosche stieg auf zur Höhe. Hier ist geborgen, der den Schöpfer und seine Lehre ehrte, vollkommen all seine Tage in seiner (Gottes)furcht, allhier schlafe er in seiner Ruhestatt, bis er auferstehen möge von seinem Schlaf, es ist ein Mann reicher Einsicht, der geehrte Herr Mosche, Sohn des geehrten Herrn Ascher Gumpert, verschieden (am) Tag 5, 25. Adar, und begraben am folgenden Tag, Rüsttag des heiligen Schabbat, 26. desselben des Jahres 642. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Klare optische Gliederung der Inschrift mit einer rundbogigen Kopfzeile, Einleitungs- und Schlussformeln, die durch ihre Größe hervorgehoben werden, sowie einem Akrostichon zu Beginn der gereimten Eulogie, die allerdings - wahrscheinlich aufgrund der Kürze des mit nur drei Buchstaben geschriebenen Namens Mosche - auf vier Zeilen verlängert wurde. Keine andere Inschrift in Ahaus bringt die Hoffnung auf die Auferstehung so deutlich zum Ausdruck wie diese. Wie schon beim 1875 gestorbenen Bruder David (9) fehlt auch hier eine deutsche Inschrift, dafür wird der bürgerliche Familienname in der hebräischen Inschrift angegeben. Wir schließen daraus, dass Moses Gumpert ebenso traditionell fromm war, das heißt regelmäßig die Synagoge aufsuchte und in der Tora sich kundig machte. Zl 1: Vgl. Exodus 19,3. Zl 8: Vgl. Sprüche 17,27. ====== aha-15 Personalia 1884-1-11 Rechle b. Naftali Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏מ׳ רעכלה בת נפתלי‏‎ ‎‏אשת אליעזר בר אשר גומפערט‏‎ ‎‏ממשפחת אייזענבערג מהארן‏‎ ‎‏ה״ה ירא ה׳ חונן דלים וסר מרע‏‎ ‎‏ומת׳ בשם טוב בת ע״ד שנה‏‎ ‎‏עש״ק י״ג טבת ונקברת ט״ו בו‏‎ ‎‏תרמ״ד לפ״ק ׃‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Übersetzung Hier ist begraben Frau Rechle, Tochter des Naftali, Gattin des Elieser Sohn des Ascher Gumpert, aus der Familie Eisenberg aus Horn, sie ist es, (welche) den Ewigen fürchtete, mildtätig zu den Armen war und das Böse mied, und starb mit gutem Namen im Alter von 74 Jahren am Rüsttag des heiligen Schabbat, 13. Tewet, und begraben wurde am 15. desselben 644 der kleinen Zählung. Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Dieser Grabstein ist einer der letzten, der ohne deutsche Inschrift auskommt, doch gibt die hebräische Inschrift zusätzlich zum traditionellen Vatersnamen auch den bürgerlichen Familiennamen und den Herkunftsort an, also Informationen, die sonst Bestandteil der deutschen Inschriften sind. Rechle ist eine deutsch-jüdische Koseform des biblischen Namens Rachel, und entsprechend lautete Rechles bürgerlicher Vorname Regine. Zl 4: Diese Zeile bezieht sich auf Regine selbst und nicht auf ihren Gatten, und gibt damit ihren Geburtsnamen und ihren Herkunftsort an. Ihr Gatte stammte aus der in Ahaus alteingesessenen Familie Gumpert. Zl 5: Hier wurde in ein Zitat nach Ijob (1,8; 2,3) ein weiteres Zitat nach Sprüche 28,8 eingeschoben. Das Ijob-Zitat gehört zwar zum Standardformular hebräischer Eulogien, bleibt aber in der Regel Männern vorbehalten. Darauf ist hier vermutlich auch die falsche Verwendung männlicher statt weiblicher grammatikalischer Formen zurückzuführen. Zl 6: Die Altersangabe hier ist entsprechend den amtlichen Unterlagen als "im 74. Lebensjahr" zu verstehen, denn Regine Gumpert starb im Alter von 73 Jahren. Zl 7: Laut Sterbeurkunde starb Regine Gumpert am 10. Januar um 9 Uhr vormittags. Damit unterscheidet sich die Angabe um einen Tag von der auf dem Grabstein. ====== aha-16 Personalia 1885-3-20 Sprinz b. Jizchak Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏בתולה צנועה וחמודה‏‎ ‎‏דרכי נועם כל דרכיה‏‎ ‎‏בכה כל מכיר ארחותיה‏‎ ‎‏כאשר נאספה בקץ ימיה‏‎ ‎‏ה״ה מרת שפרינץ בת יצחק‏‎ ‎‏נפטרה ביום עש״ק ה׳ ניסן‏‎ ‎‏ונקברה ביום א׳ ז׳ ניסן תרמ״ה לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Übersetzung Hier ist begraben eine züchtige und anmutige Jungfrau, Wege der Lieblichkeit (waren) all ihre Wege, jeder, der ihren Wandel kannte, weinte, als sie versammelt wurde am Ende ihrer Tage, es ist Frau Sprinz, Tochter des Jizchak, verschieden am Rüsttag des heiligen Schabbat, 5. Nissan, und begraben am Tag 1, 7. Nissan 645 der kleinen Zählung. Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Dieser Grabstein ist der letzte in Ahaus, der nur hebräisch beschriftet wurde. Die Eulogie ähnelt stark einer Vorlage im "Tozeoth Chajim" von Seligman Baer (dritte verbesserte Auflage Rödelheim 1871, S. 349). Zl 3: Sprüche 3,17. Zl 5: Diese Formulierung ist der einzige Hinweis darauf, dass es sich bei der hier Betrauerten nicht um ein junges Mädchen, sondern eine alte Frau handelte. Meist wird der Ausdruck "versammelt" ergänzt durch "zu ihrem Volke" (nach Numeri 27,13 und Deuteronomium 32,50) oder "zu ihren Vätern" (nach Richter 2,10). Zl 6: Der schon im Mittelalter belegte Name Sprinz leitet sich wahrscheinlich vom romanischen "Esperanza", "Hoffnung", ab. Zl 8: Das Sterbejahr ist nicht eindeutig zu lesen. Die Jahresangabe lautet entweder ‎‏תרמ״ה‏‎ (645) oder ‎‏תרמ״ח‏‎ (648). In beiden Jahren fiel jedoch der 5. Nissan nicht auf Freitag, sondern Samstag; der 7. Nissan entsprechend auf Montag statt Sonntag. Stimmt die durch die amtlichen Unterlagen vorgenommene Identifizierung, lautet das Sterbedatum Freitag, der 4.! Nissan 645 = 20.3.1885. ====== aha-17 Personalia 1885-6-20 Süss'che b. Essriel Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏האשה היקרה‏‎ ‎‏אשת חיל עקרת הבית‏‎ ‎‏יראת אלהים וחוננת‏‎ ‎‏מרת סיסכה בת עשריאל‏‎ ‎‏מתה ביום ז׳ דתמות‏‎ ‎‏תרמ״ה לפ״ק‏‎ ‎‏ויבך אחריה אשה‏‎ ‎‏וכל מכירי טובה‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Frau M. Löwenstein Settchen geb. Hertz geb. im März 1848 gest. 20. Juni 1885 Übersetzung Hier ist begraben die teure Frau, eine tüchtige Gattin, Walterin des Hauses, gottesfürchtig und mildtätig, Frau Süss'che, Tochter des Essriel, gestorben am Tag des 7. Tammus 645 der kleinen Zählung. Es weinten ihr nach ihr Gatte und alle, die ihre Güte kannten. Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Die hebräische Inschrift lässt sich deutlich in zwei Hälften unterteilen und weist einige Besonderheiten auf. Die Eulogie ähnelt stark Vorlagen, wie sie in den weitverbreiteten Andachtsbüchern zu finden sind, zum Beispiel im Sefer Hachajim - "Israelitischen Andachtsbuch bei Krankheitsfällen, in einem Sterbehause und beim Besuche der Gräber von Verwandten..." von Salomon Ephraim Blogg (erste Auflage Hannover 1848, hier Auflage Hannover 1867/68, S, 311: Grabinschrift "für eine junge Frau"). Der persönliche Teil der Inschrift dagegen enthält einige auffallende Schreibweisen. Der Vatersname in Zl 5 ist insofern ungewöhnlich als er wahrscheinlich verschrieben aus ‎‏עזריאל‏‎ / Esriel ist. Ebenso ungewöhnlich ist die Schreibweise des Monatsnamens in Zl 6: Der Monat Tammus wird mit einem ‎‏ז‏‎ (sain) / stimmhaftem s am Ende geschrieben (‎‏תמוז‏‎), hier jedoch mit einem ‎‏ת‏‎ (tav) / t. Ein solches tav wird aber in der aschkenasischen Aussprache der deutschen und osteuropäischen Juden wiederum zu einem s (z.B. "Schabbat" und Schabbes"), so dass sich die Aussprache wieder der des Monatsnamen Tammus annähert. Durch die andere Schreibweise bekommt das Wort zusätzlich die Bedeutung "du wirst sterben", hier vielleicht eine beabsichtigte Änderung? Möglicherweise wählte man hier die Endung auf tav auch, da die Zeilen 3 und 4 ebenfalls mit diesem Buchstaben enden, und sich so eine Art optischer Endreim ergibt. Zl 3a: Sprüche 12,4; 31,10. Zl 3b: Psalm 113,9. Zl 4a: Vgl. Sprüche 31,30. Zl 4b: Vgl. Sprüche 28,8, dort und meist auch in den Inschriften fortgesetzt mit ‎‏דלים‏‎, "mit den Bedürftigen". Zl 9: Häufiger findet man nur die Wendung ‎‏וכל מכיריה‏‎, "und all ihre Bekannten". Hier kann dieser Ausdruck mit dem Zusatz ‎‏טובה‏‎ auch im Sinne von "alle, die ihr dankbar waren" verstanden werden. Zl 11: Der Gatte hieß Mosche, Moses. ====== aha-18 Personalia 1889-1-17 Bräunsche b. Jizchak Transkription ‎‏פ״ט‏‎ ‎‏האשה היקרה והצנועה‏‎ ‎‏מרת בריינשע בת יצחק‏‎ ‎‏נפטרת ביום ה׳ ט״ו שבט‏‎ ‎‏תרמ״ט לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Wittwe Salm. Löwenstein geb. Bertha Isaac im Juni 18[0]4 gest. am 17. Jan. [1889] Übersetzung Hier ist geborgen die teure und züchtige Frau, Frau Bräunsche, Tochter des Jizchak, verschieden am Tag 5, 15. Tewet 649 der kleinen Zählung. Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Die Angaben von Geburts- und Sterbejahr in der deutschen Inschrift lassen sich nicht mehr vollständig entziffern. Das Geburtsjahr wurde nach den amtlichen Unterlagen, das Sterbejahr entsprechend der Angabe in der hebräischen Inschrift ergänzt. Das "geb." vor der Angabe des Geburtsnamens leitet gleichzeitig die Angabe des Geburtsdatums ein. Dies ist die bisher kürzeste hebräische Inschrift. Sie verzichtet auf eine Eulogie und jede Art von Ausschmückung. Nach zwei schlichten Attributen folgt nur die Angabe der nötigsten Daten: Name, Vatersname und Sterbedatum. Auch die deutsche Inschrift verzichtet auf eine Einleitung oder einen Schlusssegen. Doch die hebräische und die deutsche Inschrift ergänzen sich in ihren Angaben: Die hebräische Inschrift gibt den Vatersnamen an, die deutsche zusätzlich den Gattennamen. Die deutsche Inschrift ergänzt darüber hinaus den Familienstand und das Geburtsdatum. Die Art der Angabe des deutschen Namens ist typisch für die Zeit. Die deutsche Inschrift scheint jedoch entsprechend der hebräischen Inschrift nicht den Geburts-, d.h. Familiennamen vor der Heirat, sondern den Vatersnamen in seiner eingedeutschten Form anzugeben (siehe dazu z.B. auch 3, 12 und 7). Bertha Löwenstein hatte sicherlich geheiratet, bevor 1846 die Annahme fester Familiennamen per Gesetz zur Pflicht wurde. Der Rufname in der hebräischen Inschrift lautet "Bräunsche" oder "Breinsche", eine Koseform von "Bräunche". Bei der Geburt ihrer sechs Kinder ist ihr Name im Geburtsregister jeweils entsprechend mit "Brünette Isaac" angegeben; "bürgerlich" wurde er zum gleich anlautenden "Bertha". Zl 7: Der abgekürzte Name des Gatten lautete Salomon. ====== aha-19 Personalia 1891-6-19 Pinchas b. Mosche Transkription ‎‏[פ״.]‏‎ ‎‏פ*נה ממנו זיו [.־־־]‏‎ ‎‏י*צאה מאתנו [־־־]‏‎ ‎‏נ*פשו חפצה [.־־־]‏‎ ‎‏ח*נך את בניו בת[־־־]‏‎ ‎‏ס*ים בשם טוב ינח[־־־]‏‎ ‎‏פינחס בן משה‏‎ ‎‏הלך לעולמו ביום עש״ק י״ג סיון‏‎ ‎‏ונקבר ביום א׳ ט״ו סיון תר[נ״א לפ״ק]‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ H[ier ruht] Benjami[n Bendix] geb. 26. Augu[st 1807] gest. 19. Juni [1891] Übersetzung [Hier ist begraben -] Es wandte sich von uns der Glanz [---], es verließ uns [---], seine Seele verlangte nach [---], er erzog seine Kinder in [---], [...] mit gutem Namen ruhe ? [---], Pinchas, Sohn des Mosche, er ging hin in seine Welt am Rüsttag des heiligen Schabbat, 13. Sivan, und wurde begraben am Tag 1, 15. Sivan 6[51 der kleinen Zählung]. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Auch diese Inschrift bietet sich dem Betrachter in klarer Gliederung dar. Die sechszeilige, von den Buchstaben des Akrostichons bestimmte Eulogie ist eingezogen, die Angabe der Namen in der folgenden Zeile ist durch weiteren Einzug und größere Buchstaben hervorgehoben. Die auffallende, da aus seltenen Wendungen komponierte Eulogie, die leider nur in Bruchstücken erhalten ist und aufgrund ihrer Eigenständigkeit auch nicht rekonstruiert werden konnte, war vermutlich gereimt, wahrscheinlich auf -enu, "unsere": Wie den Formulierungen in Zln 2 und 3 zu entnehmen ist, sprechen hier die Hinterbliebenen, vielleicht sogar die ganze Gemeinde, gehörte Benjamin Bendix doch zu den Repräsentanten und fungierte als Kantor. Zl 2: Vgl. z.B. die Erklärung von Raschi, dem bis heute bekanntesten Bibel- und Talmudkommentator, R. Schlomo ben Jizchak aus Troyes (1040-1105), zu Genesis 28,10: "Und Jakob zog aus Beerschewa und ging gen Charan". Raschi merkt an, dass es nicht nötig gewesen wäre, den Auszug Jakobs aus Beerschewa zu erwähnen, wenn nicht der Auszug eines Gerechten aus einem Ort großen Eindruck hinterließe, denn solange der Gerechte in der Stadt ist, ist er ihre Herrlichkeit, ihre Pracht und ihr Glanz, und wenn er die Stadt verlässt, dann wendet sich ab von ihr ihre Herrlichkeit, ihre Pracht und ihr Glanz. Zl 1: Hier fehlt wohl nur eine der beiden üblichen Einleitungsformeln. Zln 5-6: Zeilenübergreifendes Wort. Kohelet 12,5. Zl 9: Das Sterbejahr wurde entsprechend der Angabe der Sterbeurkunde im Standesamt Ahaus umgerechnet und ergänzt. Zl 11: Hier fehlt vermutlich nur die übliche Einleitungsformel "Hier ruh(e)t". Zln 12-14: Die Angaben wurden entsprechend den archivalischen Quellen ergänzt. ====== aha-20 Personalia 1894-11-11 Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏א*יש ירא ד׳ פ*אר משפחתו וקהלתו‏‎ ‎‏ר*ך לבב י*שר ותמים באמנתו‏‎ ‎‏מ*עשיו ענו בו צדקתו.‏‎ ‎‏ב*זקנה טובה ושבע ימים‏‎ ‎‏ר*אשו יניח לשנת עולמים.‏‎ ‎‏ד*רור לנפשו ו*לנשמתו‏‎ ‎‏ד*צה וכבוד מנחתו.‏‎ ‎‏נפטר ביום א׳ י״ב מרחשון‏‎ ‎‏ו[נקב]ר ביום י״ד בו תרנ״ה לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Hier ruhet Abraham Gottschalk gest. 11. Nov. 1894 im 79. Lebensjahre. Friede seiner Seele! Übersetzung Hier ist begraben ein Mann, (der) den Ewigen ehrfürchtete, Zierde seiner Familie und seiner Gemeinde, weichen Herzens, aufrecht und lauter in seinem Glauben, seine Werke zeugen von seiner Gerechtigkeit, in gutem Greisenalter und satt an Tagen möge er seinen Kopf zur Ruhe betten zum ewigen Schlafe, Freiheit seinem Geiste und seiner Seele Freude, und Herrlichkeit seine Ruhe, verschieden am Tag 1, 12. Marcheschvan, und begraben am 14. Tag desselben, 655 der kleinen Zählung. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Diese im Ahauser Gesamtbild auffallend lange und auch ungewöhnliche Eulogie wurde für einen Vorsteher der jüdischen Gemeinde verfasst, ein Amt, das wie auch sonst hier dezent angedeutet wird. Über die sieben gereimten Zeilen der Eulogie verteilen sich die markierten Buchstaben des Akrostichons mit Namen und Vatersnamen. Auf eine nochmalige Nennung des Namens wurde verzichtet, was besonders hervorzuheben ist, da sich der Name in der Eulogie sozusagen versteckt und nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist. Auffallend ist auch die Kombination zweier biblischer Namen, Efraim und Abraham, ersterer hier Synagogalname, der zweite bürgerlicher Vorname. Awraham, einer der beliebtesten jüdischen Vornamen seit jeher, ist auch in seiner "deutschen" Form Abraham geläufig. Der Name Efraim wurde hier häufiger mit Gumpert oder Gumpel (siehe z.B. 1 und 37) verbunden, andernorts z.B. auch mit Fisch(el). Auf Hebräisch beginnen jedoch beide Namen mit demselben Buchstaben. Zl 2a: Ijob 1,8; 2,3. Die Schreibung des Gottesnamens mit ‎‏ד׳‏‎ statt ‎‏ה׳‏‎ verweist auf traditionell frommes Milieu. Zl 2b: Hier ist Gottschalks Amt als Gemeindevorsteher angedeutet. Zl 3a: 2 Chronik 23,7. Zl 4: Das letzte Wort der Zeile lässt sich auch mit "Wohltätigkeit" übersetzen. Zl 10: Vgl. Jesaja 11,10. Zl 16: Der deutsche Segenswunsch soll sich vielleicht an Zln 7-8 der hebräischen Inschrift anlehnen. ====== aha-21 Personalia 1895-3-26 Josef b. Elieser Hakohen Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏א*ו*ר*י*ך ידע אל גם תמיך‏‎ ‎‏ש*יאך עלה עוד בשחר ימיך‏‎ ‎‏ר*ק טוב חשקת פקודת צור עולמים‏‎ ‎‏ג*א*ה גאית בו נאיש שבע ימים‏‎ ‎‏יוסף בר עליעזר הכהן הלך‏‎ ‎‏לעלמה ביום ג׳ ראש חדש ניסן‏‎ ‎‏ונקבר ביום עש״ק ה׳ בו תרנ״ה לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Hier ruhet Josef Cohn geb. 26. Nov. 1832 gest. 26. März 1895. Übersetzung Hier ist begraben - dein Licht kannte Gott, auch deine Lauterkeit, deine Größe erhob sich schon in der Morgenröte deiner Tage, nur Gutes begehrtest du (gemäß des?) Gebots des Ewigen Hortes, denn mit Hoheit hast du ihn erhoben? wie? ein Mann, satt an Tagen, Josef, Sohn des Elieser Hakohen, er ging in die Welt am Tag 3, Neumond Nissan, und wurde begraben am Rüsttag des heiligen Schabbat, den 5. desselben, 655 der kleinen Zählung. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Die Diskrepanz zwischen der anspruchsvollen Eulogie und dem Rest der Inschrift, auch mit dem Schreibfehler im Vatersnamen, lässt die Vermutung aufkommen, dass diese beiden Inschriftteile nicht aus einer Feder stammen. Sicher ist, dass die Eulogie in Zln 2-5 ursprünglich für einen Mann namens Uri Schraga verfasst wurde, wie aus dem Namensakrostichon zu Beginn der Zeilen deutlich wird. Möglicherweise stammt sie aus der Inschrift für einen Vorfahren des Josef Cohen, vielleicht wurde sie aber auch einer Vorlage entnommen. Zl 2: Vgl. Deuteronomium 33,8 u.a; durch Anlehnung an die "Urim und Tummim", die heiligen Lose, die zur Ausrüstung der Priester gehörten, wird auf die Abstammung Josefs vom aaronidischen Priestergeschlecht angespielt. Diese Abstammung wird auch durch Josefs Namen "Hakohen" bzw. Cohn ausgedrückt und durch die segnenden Priesterhände, die den Grabstein schmücken, symbolisiert. Zl 3a: Vgl. Ijob 20,6. Zl 4b: Jesaja 26,4. Das Wort ‎‏צור‏‎ bedeutet wörtlich "Felsen", davon abgeleitet auch "Festung", und ist in diesem Sinne ("Festung, feste Burg, Hort dem Gerechten") einer der vielen Gottesnamen. Zl 5a: Vgl. Exodus 15,1 und 15,21. Zl 5b: Genesis 25,29 u.ö. Zl 5: Der erste Buchstabe des vierten Wortes ist verschrieben: Wahrscheinlich muß es ‎‏כאיש‏‎ lauten. Zl 6: Der Vatersname ist verschrieben (‎‏עליעזר‏‎ statt ‎‏אליעזר‏‎). Zl 7: Zu verstehen ist: "ewige Welt" bzw. "seine Welt". Zln 9+10: Der Schlusssegen wird wiederholt, das erste Mal dient er als integraler Bestandteil der Inschrift, der untere, durch größere Buchstaben hervorgehobene Schlusssegen dagegen eher als visuelles Element bzw. Abschluss und "Gegengewicht" zur Einleitungsformel. ====== aha-22 Personalia 1898-9-10 Mosche b. Aharon'Halevi Transkription ‎‏והאיש משה ענו מאוד‏‎ ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏איש הלך תמיד בתם‏‎ ‎‏וביושר מעשה ידיו‏‎ ‎‏באמונה וכשר ה״ה‏‎ ‎‏משה בן [ה]חבר ר׳ אהרן‏‎ ‎‏הלוי הלך לעולמו יום‏‎ ‎‏כ״ג אלול תרנ״ח לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Hier ruhet Moses Löwenstein gest. am 10. Sept. 1898 im 73. Lebensjahre. Friede seiner Seele! Übersetzung Und der Mann Mosche war sehr demütig. Hier ist begraben ein Mann, der stets in Lauterkeit und Aufrichtigkeit wandelte, das Werk seiner Hände (war) in Verlässlichkeit und Tugend, es ist Mosche, Sohn des torakundigen Herrn Aharon Halevi, er ging hin in seine Welt am Tag 23. Elul 658 der kleinen Zählung. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Wie schon mehrfach zuvor, wurde auch hier ein Schriftzitat als Motto über die Inschrift gesetzt, diesmal ein Vers, der sich ab und an in Inschriften für Verstorbene namens Mosche/Moses finden lässt. Unter diesem, dem Bogenverlauf des Schriftfeldes folgendem Vers folgt die durch ihre Größe hervorgehobene Einleitungsformel und dann die Eulogie. Aber im Gegensatz zu den bisherigen, klar optisch gegliederten Inschriften dieses Typus fehlt diesmal ein Akrostichon, die einzelnen gereimten Abschnitte sind zeilenübergreifend, und der folgende Teil mit Name und Daten des Verstorbenen ist nicht deutlich abgesetzt. Auffallend ist, dass bei einer solch "klassischen" Inschrift der Wochentag des Sterbetags nicht angegeben ist, obwohl dieser auf einen Schabbat fiel. Dem Vater wurde hier mit ‎‏חבר‏‎ / chawer / "torakundig" ein Ehrentitel für große (religiöse) Gelehrsamkeit zuerkannt, der in seiner eigenen Inschrift fehlt. Zl 1: Numeri 12,3. Zl 5: Aufgrund des Aufbaus der Eulogie und des Reims wurde das Wort ‎‏כשר‏‎ hier trotz der defektiven Schreibweise als Substantiv (‎‏כושר‏‎) statt als Adjektiv gelesen. Das hier mit "Tugend" übersetzte Wort koscher hat auch die Bedeutung "Tucht", "Tauglichkeit". ====== aha-23 Personalia 1899-3-12 Jette b. Schlomo Halevi Transkription ‎‏[פ״ט]‏‎ ‎‏[יתע בת שלמה הלוי]‏‎ [Hier ruht] [Hen...] Löwen[stein,] geboren 16. August 1870, gestorben 12. März 1899. ‎‏תנצב״ה‏‎ Übersetzung Hier ist geborgen Jette, Tochter des Schlomo Halevi Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Dieses Grabmal ist das älteste in Ahaus mit einer deutschen Inschrift auf der Vorderseite. Darüber hinaus ist es auch das erste, bei dem die hebräische und deutsche Inschrift miteinander kombiniert wurden. Vergleicht man diesen Grabstein mit dem nebenstehenden (24), der nur zwei Monate später ebenfalls für ein Mitglied der Familie Löwenstein gesetzt wurde, fällt die identische Gestaltung auf. Auch hier folgte im Kopffeld der Schrifttafel einer hebräischen Einleitungsformel der jüdische Name mit Vatersname. Danach wurde vermutlich die deutsche Inschrift erneut mit der üblichen deutschen Einleitungsformel "Hier ruht" begonnen, gefolgt vom Vornamen der Verstorbenen. Auf eine Eulogie wurde erstmals verzichtet. Der Vorname in der deutschen Inschrift fehlt heute ganz, in den 1980er Jahren war er jedoch noch teilweise erhalten: "Hen..." (s. Abb. S. 17). Im Geburtsregister ist der Name entsprechend der Angabe in der hebräischen Inschrift mit "Jette" angegeben, bürgerlich lautete er demnach "Henriette". ====== aha-24 Personalia 1899-5-25 Aharon b. Schlomo Halevi Transkription ‎‏פ״ט‏‎ ‎‏אהרן בר שלמה הלוי‏‎ Hier ruht Adolf Löwenstein, geboren 8. April 1878, gestorben 25. Mai 1899. ‎‏תנצב״ה‏‎ Übersetzung Hier ist geborgen Aharon, Sohn des Schlomo Halevi Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar An diesem Mal lässt sich ablesen, wie vermutlich auch die heute nur noch teilweise erhaltene Inschrift des nebenstehenden Grabmals (23) aufgebaut war (siehe Kommentar dort). Wie so häufig wurde auch hier als bürgerlicher Name parallel zum Synagogalnamen Aharon mit Adolf ein Name gewählt, der mit demselben Anfangsbuchstaben beginnt. Adolf, ein Sohn des Kaufmanns Salomon Löwenstein (29), trug den Synagogalnamen seines Großvaters väterlicherseits, Aharon, welcher seinerzeit noch keinen "modernen" Namen wählte, sondern in den standesamtlichen Akten als "Aron" geführt wurde. Ein Enkel des Salomon Löwenstein, Sohn seines Sohnes Hugo, wurde ebenfalls Adolf genannt, was vermuten lässt, dass der Name Aharon in der Familie von Generation zu Generation weitervererbt wurde. ====== aha-25 Personalia 1900-3-8 Elieser Jaakow b. Efraim Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏א*יש תם וישר בחיים‏‎ ‎‏ל*טוב עמד והלך בנעימים‏‎ ‎‏י*מיו היו מעטים וקצרים‏‎ ‎‏ע*שה טוב לכול כל ימי החיים‏‎ ‎‏ז*ה היה זכותו מכל עמלים‏‎ ‎‏ר*צון ה׳ יחיהו לחיי העולמים‏‎ ‎‏אליעזר יעקב ב״ר אפרים‏‎ ‎‏נפטר בש״ט יום ה׳ ז׳ ואדר תר״ס לפ״ק‏‎ ‎‏ונקבר ביום עש״ק ח׳ בו‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Hier ruht Leffmann Gottschalk geb. 12. December 1853 gest. 8. März 1900. Friede seiner Seele. Übersetzung Hier ist begraben ein Mann, lauter und aufrecht im Leben, zum Guten stand er und wandelte in Annehmlichkeit, seine Tage waren wenig und kurz, Gutes erwies er Allen alle Tage des Lebens, dies sei sein Verdienst aller Mühen: der Wille des Ewigen belebe ihn zum ewigen Leben, Elieser Jaakow, Sohn des Herrn Efraim, verschieden mit gutem Namen (am) Tag 5, 7. des zweiten Adar 660 der kleinen Zählung, und begraben am Tag des Rüsttags des heiligen Schabbat, 8. desselben (Monats). Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Auch hier wird die Anzahl der Zeilen der langen, gereimten Eulogie durch die Buchstaben des Akrostichons vorgegeben, die selbstständigen Formulierungen betonen die Lauterkeit und Wohltätigkeit des Verstorbenen in seinem kurzen Leben und enden mit einem Segenswunsch, der die Hoffnung auf das künftige Leben ausdrückt. Der Verstorbene trug als einziger der hier Bestatteten einen Doppelnamen, Elieser Jaakow. Sein in der deutschen Inschrift angegebener Name "Leffmann" geht auf den mittelalterlichen Namen "Lipmann" (= "Liebmann") zurück, der häufig dem biblischen Namen Elieser beigegeben wurde. Zl 2a: Ijob 1,8; 2,3. Zl 3b: Vgl. Ijob 36,11. Zl 4: Vgl. Genesis 47,9. Zl 5: Das hebräische Wort für "Alle", ‎‏כול‏‎, wurde hier wahrscheinlich plene, also mit dem Buchstaben vav für den Vokal "u" geschrieben, um es vom folgenden identischen Wort "alle (Tage)" abzuheben. ====== aha-26 Personalia 1902-8-19 Reis'che b. Jizchak Transkription ‎‏פ״ט‏‎ ‎‏אשת חיל ותפארת בניה‏‎ ‎‏יראת את ה׳ כל ימי חייה‏‎ ‎‏חנכה את בניה בתורותיה‏‎ ‎‏ובדרך הטוב והישר אותם הדריכה‏‎ ‎‏צפתה הליכות ביתה בחכמה‏‎ ‎‏ולחם עצלות כל ימיה לא אכלה‏‎ ‎‏ידיה לעני ולאביון פרשה‏‎ ‎‏ולרבים רוב חסד גמלה‏‎ ‎‏אמנו היקרה ריישכה‏‎ ‎‏בת החבר רבי יצחק‏‎ ‎‏נולדה ביום ה׳ אלול תקפ״ה‏‎ ‎‏ונפטרה בשם טוב ביום ג׳ ט״ז אב‏‎ ‎‏שנת תרס״ב לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Hier ruht Frau B. Bendix gest. am 19 August 5662 im 77. Lebensjahre. Sie ruhe in Frieden. Übersetzung Hier ist geborgen eine tüchtige Gattin und Zierde ihrer Kinder, sie ehrfürchtete den Ewigen alle Tage ihres Lebens, sie erzog ihre Kinder mit ihren Lehren und leitete sie auf den Weg des Guten und Aufrechten, sie wachte über die Hergänge ihres Hauses in Weisheit, und nicht aß sie Brot der Faulheit ihr Lebtag lang, ihre Hände öffnete sie dem Armen und dem Bedürftigen, und vielen erwies sie große Liebesdienste, unsere teure Mutter Reis'che, Tochter des torakundigen Herrn Jizchak, geboren am Tag des 5. Elul 585, und verschieden mit gutem Namen am Tag 3, 16. Aw des Jahres 662 der kleinen Zählung. Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar In dieser hebräischen Inschrift wurden traditionelle Elemente mit zeitgemäßen, aus der deutschen Formelsprache übernommenen Wendungen und Angaben kombiniert. Die auffallend lange, achtzeilige Eulogie wurde aus traditionellen Zitaten und Anspielungen auf das "Lob der tüchtigen Gattin" (Sprüche 31,10-31) zusammengesetzt, mit Betonung der Tugenden der jüdischen Frau als Gattin und Mutter, die ihre Kinder erzieht, über die Hergänge ihres Hauses wacht, stets fleißig auf das Wohl ihrer Familie bedacht, Wohltätigkeit übt und gottesfürchtig ist. Die Einleitung der Angabe von Namen und Daten, "unsere teure Mutter", ist dagegen eher in deutschen Inschriften zu finden, ebenso die Angabe des Geburtsdatums. Beide Elemente fehlen jedoch in der deutschen Inschrift hier, die noch ganz traditionell gehalten ist, statt des Geburtsdatums nur das Alter angibt, auch auf den Vornamen und sogar auf den Geburtsnamen verzichtet. Sogar das Sterbejahr wurde nach dem jüdischen Kalender angegeben, soweit überprüfbar die einzige Angabe dieser Art in Ahaus (allerdings ist die Angabe z.B. auf dem Grabmal des Gatten nicht erhalten). Damit ist diese Inschrift ein Beispiel dafür, dass Neuerungen und "moderne", von der Umgebung übernommene Wendungen und Formen häufig zunächst in das gewohnte Medium, die hebräische Sprache, übersetzt werden, bevor sie in das neue Medium der deutschen Sprache übernommen werden. Andererseits konnten aber auch Elemente des hebräischen Formulars in die deutsche Inschrift eingehen, wie hier die Angabe des Sterbejahrs. Zl 2a: Sprüche 12,4; 31,10. Zl 2b: Vgl. Sprüche 17,6. Zln 6-7: Vgl. Sprüche 31,27. Zl 8: Vgl. Sprüche 31,20. ====== aha-27 Personalia 1908-1-19 Jehuda b. Menachem'Landau Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏איש עניו בכל עניניו‏‎ ‎‏צדיק בכל דרכיו‏‎ ‎‏חסיד בכל מעשיו‏‎ ‎‏ה״ה יהודה ב״ר מנחם‏‎ ‎‏לאַנדויא‏‎ ‎‏נפטר בש״ט יום א׳‏‎ ‎‏ט״ז שבט תרס״ח לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Hier ruht L. Landau gest. den 19. Januar 1908 im 73. Lebensjahre. Übersetzung Hier ist begraben ein Mann, demütig in all seinen Anliegen, gerecht auf all seinen Wegen, fromm in all seinen Werken, es ist Jehuda, Sohn des Herrn Menachem Landau, verschieden mit gutem Namen (am) Tag 1, 16. Schwat 668 der kleinen Zählung. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Die Eulogie wurde vermutlich einem Musterbuch entnommen. Sie findet sich in identischer Form zum Beispiel im "Tozeoth Chajim" von Seligmann Baer (dritte verbesserte und vermehrte Auflage Rödelheim 1871, S. 341). Der Vorname Levi hängt auch hier nicht mit dem Priestergeschlecht der Leviten zusammen, sondern ist eine Ableitung vom deutschen "Löwe" oder "Löb" (vgl. oben bei Stein 12). Levi Landaus Synagogalname lautete Jehuda, denn der biblische Stamm Jehuda wird im Jakobssegen (Genesis 49,9) mit einem jungen Löwen verglichen. Zl 2: Vgl. Numeri 12,3. Zln 3-4: Vgl. Psalm 145,17. Zl 6: Der Familienname wurde mit einem diakritischen Zeichen versehen, um seine richtige Aussprache sicherzustellen, die einzige Angabe dieser Art in Ahaus. Zl 11: Das abgekürzte L. steht für den Namen Levi. ====== aha-28 Personalia 1911-7-23 Mosche b. Awraham'Halevi Transkription Max Löwenstein geb. 2. Aug. 1909 gest. 23. Juli 1911 ‎‏פ״ט‏‎ ‎‏הנער משה‏‎ ‎‏בר אברהם‏‎ ‎‏הלוי נפטר‏‎ ‎‏כ״ז תמוז‏‎ ‎‏תרע״א לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Übersetzung Hier ist geborgen der Knabe Mosche, Sohn des Awraham Halevi, verschieden (am) 27. Tammus 671 der kleinen Zählung. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Max trug den Synagogalnamen seines Großvaters väterlicherseits, Mosche. Als bürgerlichen Namen wählte man mit Max einen moderneren deutschen Namen, der mit demselben Buchstaben wie der hebräische beginnt. Zl 5: Der hebräische Ausdruck ‎‏נער‏‎ / "Knabe" für ein nur zweijähriges Kind ist ungewöhnlich. ====== aha-29 Personalia 1912-3-7 Schlomo b. Aharon Halevi Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏שלמה בר אהרן הלוי‏‎ ‎‏נפטר בשם טוב‏‎ ‎‏י״ח אדר תרע״ב לפ״ק‏‎ Hier ruht Salomon Löwenstein geboren am 23. November 1823, gestorben am 7. März 1912. ‎‏תנצב״ה‏‎ Übersetzung Hier ist begraben Schlomo, Sohn des Aharon Halevi, verschieden mit gutem Namen (am) 18. Adar 672 der kleinen Zählung. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Dies ist (zeitlich gesehen) das erste Grabmal, das sich aufgrund seines Materials und seiner Gestaltung von den bisherigen abhebt. Lassen sich die bisherigen Grabsteine noch als Variationen der "klassischen" Form der schmalhohen, rundbogig abschließenden Stele mit meist floraler Ornamentik sehen, so reduziert sich hier die Form auf ein schlichtes Rechteck mit der Kalligraphie als einzigem Gestaltungselement. Beide Inschriften sind auf die Vorderseite gesetzt und miteinander kombiniert, wie zuvor schon 1899 bei Jette und Adolf Löwenstein (23 und 24), den jung verstorbenen Kindern des hier Bestatteten. Wie bei ihnen, so wurde auch hier auf jede Eulogie verzichtet. Während sich dort die Wahl eines neuen Materials noch auf die eingesetzten schwarzen Glastafeln beschränkt, verdrängt hier schwarzer Kunststein die bisher üblichen Materialien Sandstein oder Muschelkalk. ====== aha-30 Personalia 1912-6-25 Etel b. Mosche Transkription ‎‏פ״ט‏‎ ‎‏אטל בת משה‏‎ ‎‏אשה ישרה‏‎ ‎‏ותמימה במעשיה‏‎ ‎‏נזר היתה לבעלה‏‎ ‎‏וצדקה עשתה כל‏‎ ‎‏ימיה הלכה לעולמה‏‎ ‎‏בחצי ימיה ביום ג׳‏‎ ‎‏י׳ תמוז תרע״ב לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Hier ruht Emilie Gottschalk geborene Steinberg, gestorben am 24. Juni 1912 im 50. Lebensjahre. Übersetzung Hier ist geborgen Etel, Tochter des Mosche, eine aufrechte Frau und lauter in ihren Werken, ein Diadem war sie ihrem Gatten und Wohltätigkeit übte sie all ihre Tage, sie ging hin in ihre Welt zur Hälfte ihrer Tage am Tag 3, 10. Tammus 672 der kleinen Zählung. Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Emilie Gottschalk erhielt einen traditionellen hebräischen Nachruf. Der Eulogie wird hier der Name vorangestellt, ergänzt nur durch die Angabe des Vatersnamens. Nach der Eulogie folgen das Sterbedatum und der traditionelle Schlusssegen. Während die deutsche Inschrift auch Familienname, Geburtsname und Alter angibt, ist im Hebräischen aus den Formulierungen der Eulogie zu entnehmen, dass Emilie verheiratet war. Bei diesem Grabmal fällt die etwas misslungene optische Gestaltung der hebräischen Inschrift auf: Der Zeilenabstand ist unregelmäßig, die Zeilen sind teils mittig, teils rechtsbündig und teils in Blocksatz gesetzt. Offensichtlich hatte der Steinmetz, der diesen Grabstein angefertigt hat, nicht viel Übung mit hebräischen Inschriften, oder seine Vorlage war ungelenk gefertigt. Zln 8-9: Der eintägigen Diskrepanz zur Angabe in der deutschen Inschrift ist zu entnehmen, dass Emilie Gottschalk wahrscheinlich am Abend des 24. Juni starb, nach Beginn des neuen jüdischen Tages. Die amtlichen Unterlagen geben jedoch ebenfalls den 25.6.1912 als Todesdatum an. Zl 14: Das Sterbejahr wurde entsprechend der Angabe in der hebräischen Inschrift ergänzt. ====== aha-31 Transkription Sophia de Jong geb. Steinfeld Kommentar Da die Bestattungen auf diesem Friedhof weitgehend chronologisch vorgenommenen wurden, kommen nur drei Verstorbene für dieses Grabmal infrage. Der Stein steht zwischen den Grabmalen für Emilie Gottschalk (gest. 24.6.1912) und für Aser Gumpert (gest. 15.2.1915). In diesem Zeitraum sind im Standesamt Ahaus nur drei Verstorbene verzeichnet: Sophia de Jong (gest. 7.12.1912), Karl Gumpert (gest. 26.5.1913) und Siegfried Schlösser (gest. 3.9.1914). Karl Gumpert war nur 14 Tage alt geworden und daher ist es unwahrscheinlich, dass ihm ein solches Grabmal gesetzt worden wäre. Siegfried Schlösser starb als Soldat im 1. Weltkrieg im Lazarett Saargemünd und wurde vermutlich nicht in Ahaus beigesetzt. Daher wurde dieser Stein höchstwahrscheinlich für Sophia de Jong gesetzt. ====== aha-32 Personalia 1915-2-15 Ascher b. Mosche Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏אשר בר משה‏‎ ‎‏אוהב שלום ורודף משרים‏‎ ‎‏משביע לרעבים ומבטח לעניים‏‎ ‎‏בצדק הדריך בני ביתו‏‎ ‎‏והנהיג במשרים בני עדתו‏‎ ‎‏ויאריכו ימיו עד ס״ג שנה‏‎ ‎‏ונפטר ביום ב׳ דר״ח אדר תרע״ה לפ״ק‏‎ Hier ruht Aser Gumpert geb. am 30. Juli 1852, gest. am 15. Februar 1915. ‎‏תנצב״ה‏‎ Übersetzung Hier ist begraben Ascher, Sohn des Mosche, er liebt Frieden und strebt nach Redlichkeit, sättigt die Hungrigen und gibt Sicherheit den Armen, in Gerechtigkeit führte er seine Angehörigen, leitete in Aufrichtigkeit seine Gemeindemitglieder, und es währten seine Tage 63 Jahre; er verschied am 2. Neumondstag Adar 675 der kleinen Zählung. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Der hebräischen Eulogie ist zu entnehmen, dass Aser Gumpert das Amt eines Gemeindevorstehers ausgeübt hatte. Zwar erhielt er eine für die Zeit lange Eulogie, doch ist diese eher schlicht zu nennen im Vergleich mit der Eulogie für den 1894 gestorbenen Vorsteher Abraham Gottschalk (20). Die einzelnen Elemente dieser Lobrede lassen sich in den Mustergrabschriften im Baer'schen Gebet- und Erbauungsbuch "Tozeoth Chajim" wiederfinden (dritte verbesserte und vermehrte Auflage, Rödelheim 1871, S. 341, 345), wurden hier aber teilweise umgedreht und leicht abgeändert (s.o., Einleitung, S. 22). Zl 3: Avot I,12. Zl 7: Hier ist die hebräische Inschrift nicht ganz genau: Aser Gumpert starb viereinhalb Monate vor seinem 63. Geburtstag. Vermutlich ist die Formulierung hier zu verstehen im Sinne von "gestorben im 63. Lebensjahre", wie häufig in deutschen Inschriften zu finden. ====== aha-33 Transkription Joseph Cohen Kommentar Nach der geringen Größe des Steins zu schließen, handelt es sich um ein Kindergrabmal. Aufgrund der weitgehend chronologisch angelegten Bestattung wurde es höchstwahrscheinlich für den am 25.3.1915 im Alter von 6 Monaten gestorbenen Joseph Cohen (geb. 19.9.1914) aufgestellt. ====== aha-34 Personalia 1915-6-14 Jekutiel b. Refael Halevi Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏איש עניו בכל עניניו‏‎ ‎‏ה״ה יקותיאל ב״ר רפאל הלוי‏‎ ‎‏נפטר ביום ב׳ תמוז‏‎ ‎‏בשנת תרע״ה לפ״ק‏‎ ‎‏תנ[צב]״ה‏‎ Hier ruht Alex Schlösser geb. 22. März 1843 gest. 14. Juni 1915. Übersetzung Hier ist begraben ein Mann, demütig in all seinen Anliegen, es ist Jekutiel, Sohn des Herrn Refael Halevi, verschieden am Tag des 2. Tammus des Jahres 675 der kleinen Zählung. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Die Eulogie ist hier auf eine Zeile reduziert. Der griechische Name Alexander ist zwar schon seit der Antike auch als jüdischer Name beliebt, hier erscheint er jedoch als "bürgerliches" Pendant zum biblischen, neuzeitlich aber nur relativ selten zu findenden Namen Jekutiel (2 Chronik 4,18). Zl 2: Vgl. Numeri 12,3. ====== aha-35 Personalia 1915-7-10 Rös'che b. Josef Transkription ‎‏פ״ט‏‎ ‎‏ריסכא בת יוסף‏‎ ‎‏נפטרת ביום‏‎ ‎‏כ״ח תמוז תרע״ה‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Hier ruht Frau Regina Landau geb. Plaat geb. 13. Dez. 1851 gest. 10. Juli 1915. Übersetzung Hier ist geborgen Rös'che, Tochter des Josef, verschieden am Tag des 28. Tammus 675. Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Hier findet sich zwar noch eine vollständige hebräische Inschrift, die Angaben sind jedoch auf das Nötigste reduziert: Name, Vatersname und Sterbedatum, gerahmt von den üblichen Einleitungs- und Schlussformeln. Auf eine Eulogie wurde verzichtet, wie schon zuvor bei den mit deutschen Inschriften kombinierten Texten für die Mitglieder der Familie Löwenstein (siehe 23, 24, 29). Der jüdische Name "Röschen" erhielt als Pendant nicht seine hochdeutsche Entsprechung, Rosa, sondern mit Regina einen mit demselben Anfangsbuchstaben beginnenden bürgerlichen Namen, den schon im Mittelalter im romanischen wie im aschkenasischen Raum jüdische Frauen trugen und der hierzulande, nicht nur am Niederrhein, in jüdischen Familien sehr beliebt war. ====== aha-36 Personalia 1919-2-21 Reis'che b. Menachem Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏אשה ישרה ונעימה הלכה‏‎ ‎‏בדרך תמימה עשתה צדקה‏‎ ‎‏כל ימיה והדריכה למישרים‏‎ ‎‏את בניה ה״ה מרת רייסכע‏‎ ‎‏בת מנחם נפטרה יום ו׳ ער״ש‏‎ ‎‏כי תשא כ״א אדר א׳ שנת‏‎ ‎‏תרע״ט לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Hier ruht Ww. A. Gottschalk geb. Landau gest. am 21. Febr. 1919 im 96. Lebensjahre. Übersetzung Hier ist begraben eine aufrechte und angenehme Frau, sie wandelte auf lauterem Wege, übte Wohltätigkeit all ihre Tage und führte zur Redlichkeit ihre Kinder, es ist Frau Reis'che, Tochter des Menachem, verschieden (am) Tag 6, Rüsttag des Schabbat "Wenn du aufnimmst", 21. des ersten Adar des Jahres 679 der kleinen Zählung. Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Die Eulogie dieses Grabsteins wurde vermutlich einem Musterbuch entlehnt. Sie findet sich in nahezu identischer Form im "Tozeoth Chajim" von Seligmann Baer (dritte Auflage Rödelheim 1871, S. 346, Nrn. 17 und 19). Die deutsche Inschrift gibt nicht den bürgerlichen Vornamen der Verstorbenen an, der entsprechend dem hebräischen "Rös'che" Rosa(lie) lautete. Dafür ist er jedoch seltener Weise in der hebräischen Inschrift ihres Sohnes Isaak (55) genannt: "und der Name seiner Mutter (lautete) Rosa" (was eine in Osteuropa sehr viel häufigere Sitte war). Das Grabmal für Rosalie Gottschalk wurde genauso gestaltet wie das ihres 25 Jahre zuvor gestorbenen Gatten und nimmt damit Formen auf, die um diese Zeit in Ahaus schon lange aus der Mode gekommen waren. Zl 7: Rosalie Gottschalk starb am Vorabend des Schabbat, an dem mit der Lesung des Wochenabschnitts Exodus 30,12 begonnen wurde: "Wenn du aufnimmst die Zahl der Gemusterten der Kinder Israels, so gebe jeder ein Sühnegeld seiner Seele dem Ewigen, wenn man sie mustert; dass sie keine Seuche treffe, indem man sie mustert", eine mit Überlegung gewählte Kennzeichnung und Anspielung. Zl 11: Der mit A. abgekürzte Gattenname lautet Abraham. ====== aha-37 Personalia 1919-3-21 Efraim b. Refael Halevi Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏איש ישר בכל דרכיו‏‎ ‎‏ה״ה אפרים בר רפאל הלוי‏‎ ‎‏נפטר ביום ו׳ י״ט אדר שני‏‎ ‎‏בשנת תרע״ט לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Hier ruht Gumpel Schlösser geb. 17. Sept. 1846 gest. 21. März 1919. Übersetzung Hier ist begraben ein Mann, aufrecht auf all seinen Wegen, es ist Efraim, Sohn des Refael Halevi, verschieden am Tag 6, 19. des zweiten Adar des Jahres 679 der kleinen Zählung. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Nicht nur ist die Gestaltung des Grabmals für Gumpel Schlösser identisch mit dem seines vier Jahre zuvor gestorbenen Bruders Alex Schlösser, auch die Anordnung der Inschriften und ihr Aufbau entsprechen sich bis ins Detail. Während für Alex Schlösser als Eulogie jedoch ein wörtliches Zitat nach Numeri 12,3 gewählt wurde, das seine Demut und Bescheidenheit beschreibt, betonte man hier die Aufrichtigkeit Gumpels nicht mehr mit einem wörtlichen Zitat, sondern mit einer dem biblischen Wortschatz entnommenen Wendung, die in Anlehnung an das obengenannte Zitat aus dem 4. Buch Mose/Numeri formuliert wurde. ====== aha-38 Personalia 1919-4-30 Hindel b. Refael Halevi Transkription ‎‏פ״ט‏‎ ‎‏אשה תמימה‏‎ ‎‏בכל דרכיה‏‎ ‎‏ה״ה מרת‏‎ ‎‏הינדל בת רפאל הלוי‏‎ ‎‏נפטרת ביום ל׳ ניסן‏‎ ‎‏תרע״ט לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Hier ruht Frau Helena Cohen geb. Schlösser geb. 28. April 1839, gest. 30. April 1919. Übersetzung Hier ist geborgen eine Frau, lauter auf all ihren Wegen, es ist Frau Hindel, Tochter des Refael Halevi, verschieden am Tag des 30. Nissan 679 der kleinen Zählung.. Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Die Grabsteine von Helena Cohens Brüdern Alex und Gumpel Schlösser (34 und 37) wurden absolut identisch gestaltet, ihres hingegen ist zwar sehr ähnlich, doch nicht ganz wie das ihrer Brüder. Der obere Abschluss ist anders geschwungen, und statt eines Diamantfrieses über der Inschrift ist die Schriftfläche durch ein Eierstab-Ornament gerahmt und die Ränder verziert. Die Inschriften sind denen ihrer Brüder ebenfalls sehr ähnlich, doch gibt es Unterschiede im Detail, wie zum Beispiel der Zeilenumbruch und die jeweiligen Einleitungsformeln (‎‏פ״ט‏‎ statt ‎‏פ״נ‏‎ und "Hier ruhet" statt "Hier ruht"). Auch wurde dem Namen der Verstorbenen ein Titel vorgesetzt ("die Frau") und auf das Wort "des Jahres" verzichtet. Die Eulogie umfasst auch hier nur einen Vers, der denen ihrer Brüder entsprechend aufgebaut ist. ====== aha-39 Personalia 1919-5-15 Naftali b. Elieser Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏איש ירא שמים‏‎ ‎‏ה״ה נפתלי בר אליעזר‏‎ ‎‏נפטר ט״ו באייר‏‎ ‎‏תרע״ט לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Hier ruht Herz Gumpert geb. 4. März 1848 gest. 15. Mai 1919. Übersetzung Hier ist begraben ein himmelsfürchtiger Mann, es ist Naftali, Sohn des Elieser, verschieden 15. im Ijar 679 der kleinen Zählung. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Im Jakobssegen (Genesis 49,21) wird der biblische Stamm Naftali mit einem Hirsch verglichen: "Und Naftali ist ein schneller Hirsch und gibt schöne Rede". Daher findet sich häufig die Parallelität der Namen Naftali, Zwi (hebr. für Hirsch) und Hirsch. Auch der Name Herz leitet sich über die häufige Form Hirz von Hirsch ab, und nicht vom Wort Herz. Auf diesem Grabmal erscheint zum ersten Mal in Ahaus der Davidstern, heute das jüdische Symbol schlechthin. Zl 2: Hier ist der Gottesname ersetzt durch den auf Daniel 4,23 zurückgehenden Begriff "Himmel" im Sinne von Sitz Gottes. Zl 9: Die Lesung der Angabe des Geburtstages und Geburtsjahres ist nicht ganz sicher, die Buchstaben der Inschrift sind an dieser Stelle stark verwittert. Im Geburtsregister ist als Datum der 5.3.1849 angegeben. ====== aha-40 Personalia 1921-3-17 Hanche b. Jaakow Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏הנכא בת יעקב‏‎ ‎‏מתה ביום ז׳ אדר ב׳‏‎ ‎‏שנת תרפ״א לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Hier ruht Johanna Winkler geb. Alexander geb. zu Werther 5. Juli 1863 gest. 17. März 1921. Übersetzung Hier ist begraben Hanche, Tochter des Jaakow, gestorben am Tag des 7. des zweiten Adar des Jahres 681 der kleinen Zählung. Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Herkunftsangaben finden sich in Ahaus nur selten - in deutschen Inschriften nur hier, und bei Johanna Winklers Gatten aus Ibbenbüren (56) und Bertha Löwenstein geb. Hartog aus Goch (10) sowie einmal in einer hebräischen Inschrift, bei Rechle Gumpert geb. Eisenberg aus Horn (15). Zl 10: Im Geburtenregister von Werther steht der 05.07.1861 als Geburtsdatum. ====== aha-41 Personalia 1921-9-11 Transkription ‎‏פ״נ‏‎ Edith Löwenstein geb. 7. Febr. 1907 gest. 11. Septb. 1921. Übersetzung Hier ist begraben Kommentar Dieses kleine Grabmal für eine siebzehnjährige Jugendliche weist als jüdisches Element die hebräische Einleitungsformel auf und geht mit der Reduzierung jüdischer Elemente so weit wie kein anderer Grabstein in Ahaus. ====== aha-42 Personalia 1922-1-19 Schimon b. Mosche Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏איש צדיק וישר‏‎ ‎‏הלך תמיד דרך טובים‏‎ ‎‏דבק נפשו באלהים חיים‏‎ ‎‏שמעון בן משה‏‎ ‎‏מת ביום י״ט טבת‏‎ ‎‏שנת תרפ״ב לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Hier ruht Simon de Jong geb. 7.10.1845 gest. 19.1.1922. Übersetzung Hier ist begraben ein gerechter und aufrechter Mann, er wandelte stets (auf) dem Weg der Guten, seine Seele haftete am lebendigen Gott, Schimon, Sohn des Mosche, gestorben am Tag des 19. Tewet des Jahres 682 der kleinen Zählung. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Zl 2: Vgl. Deuteronomium 32,4. Zl 3: Vgl. Sprüche 2,20. Zl 4: Vgl. Deuteronomium 5,23 ("Stimme des lebendigen Gottes") und Psalm 63,9, wo David Gott in der Wüste preist: "Denn du warst mir ein Beistand, und im Schatten deiner Flügel juble ich. Dir hängt meine Seele nach; mich fasst deine Rechte". ====== aha-43 Personalia 1923-1-24 Gudle b. Elieser'Hakohen Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏אשה יראת ה׳‏‎ ‎‏גודלע בת אליעזר‏‎ ‎‏הכהן‏‎ ‎‏מתה ביום ז׳ שבט‏‎ ‎‏שנת תרפ״ג לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Hier ruht Julchen Cohen geb. 2.11.1831 gest. 24.1.1923. Übersetzung Hier ist begraben eine Frau, die den Ewigen ehrfürchtete, Gudle, Tochter des Elieser Hakohen, gestorben am Tag des 7. Schwat des Jahres 683 der kleinen Zählung. Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Der Name "Gudle" kann auf das deutsche "gut", "die Gute" zurückgehen, aber ebenso sich (durch die im Rheinischen geläufigen Lautverschiebung von "g" zu "j") von "Judle", einer jüdisch-deutschen Form des biblischen Frauennamens "Jehudit"/"Judith" herleiten, womit jüdischer und bürgerlicher Vorname wiederum eine Parallelität durch den gleichen Anfangslaut aufweisen. Zl 2: Sprüche 31,30. ====== aha-44 Transkription Jacob de Jong Kommentar Aufgrund der Gestaltung des Grabmals als Säule, einem verbreiteten Symbol für ein (zu) früh beendetes Leben, handelt es sich vermutlich um den Stein für einen jung verstorbenen Menschen. Dank der streng chronologischen Belegung des Friedhofs ist es das Grabmal für Jacob de Jong, der am 20. Dezember 1924 im Alter von 14 Jahren im Ahauser Krankenhaus verstarb. ====== aha-45 Personalia 1927-2-17 Riwka b. Hunja Hakohen Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏אשה צנועה בכל דרכיה‏‎ ‎‏ישרה ותמימה במעשיה‏‎ ‎‏רבקה בת הוניא הכהן‏‎ ‎‏מתה ביום ט״ו אדר א׳ תרפ״ז לפ״ק‏‎ Hier ruht Rebekkah Löwenstein geb. Cohn geb. 1. Dez. 1840, gest. 17. Feb. 1927. ‎‏תנצב״ה‏‎ Übersetzung Hier ist begraben eine Frau, züchtig auf all ihren Wegen, aufrecht und lauter in ihren Werken, Riwka, Tochter des Hunja Hakohen, gestorben am Tag des 15. des ersten Adar 687 der kleinen Zählung. Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Rebekkah Löwenstein ist eine der wenigen Frauen in Ahaus, die nicht nur einen biblischen Namen trägt, sondern diesen sowohl als jüdischen wie als bürgerlichen Namen beibehalten hat, einmal in seiner hebräischen Form Riwka und einmal in seiner griechisch/lateinischen Form Rebekkah. Bei dem Vatersnamen Hunja handelt es sich vermutlich um eine jüdisch-deutsche Koseform des biblischen Namens (El)chanan. Das Grabmal von Rebekkah wurde zwar nicht dem ihres Gatten identisch gestaltet, doch hat es als einziges hier dieselbe Form der schlichten, hochrechteckigen Stele mit geradem Abschluss. ====== aha-46 Personalia 1927-7-7 Josef b. Efraim Transkription Hier ruht Josef Gottschalk geb. 18. März 1852 gest. 7. Juli 1927. ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏איש תם וישר‏‎ ‎‏הלך תמים ופעל צדק‏‎ ‎‏ירא אלהים כל ימיו‏‎ ‎‏צדיק באמונתו חיה‏‎ ‎‏יוסף בן אפרים‏‎ ‎‏מת בזקנה ושיבה טובה‏‎ ‎‏ביום ז׳ תמוז‏‎ ‎‏ונקבר בשם טוב י׳ ט׳ בו‏‎ ‎‏שנת תרפ״ז‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Übersetzung Hier ist begraben ein lauterer und aufrechter Mann er wandelte lauter und wirkte Wohltat, er ehrfürchtete Gott all seine Tage, ein Gerechter, in seinem Glauben lebt er, Josef, Sohn des Efraim, gestorben in hohem und gutem Greisenalter am Tag des 7. Tammus und begraben mit gutem Namen am 9. desselben im Jahr 687. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Dies ist der erste Grabstein in Ahaus, der auf der Vorderseite nur noch deutsch beschriftet ist, während die hebräische Inschrift auf die Rückseite verdrängt wurde. Waren jedoch in den letzten Jahrzehnten die hebräischen Inschriften immer kürzer geworden, so bot sich nun auf der Rückseite wieder genug Raum für einen langen und ausführlichen hebräischen Text mit einer vierzeiligen Eulogie, die aus beliebten Bibelzitaten zusammengesetzt wurde. Sie wurde vermutlich einem Musterbuch entnommen, denn sie findet sich in identischer Form (bis hin zur Einleitung der Angabe von Sterbe- und Begräbnisdaten) zum Beispiel auch im Sefer Hachajim - "Israelitisches Andachtsbuch" von Salomon Ephraim Blogg (erste Auflage Hannover 1848, vierte verbesserte Auflage Hannover 1866/67, S. 311: Grabschrift "für einen tugendhaften Greis"). Zl 6: Ijob 1,8; 2,3. Zl 7: Psalm 15,2. Zl 9: Habakuk 2,4. Zl 11: Vgl. Genesis 15,15 u.a. Zl 13: Die Worte "am 9. desselben" sind abgekürzt, ihre Lesung ist aufgrund der nur schwach eingravierten Buchstaben schwierig und nicht ganz sicher. ====== aha-47 Personalia 1927-9-8 Bella b. Gerschon Transkription Hier ruht Sibilla Gottschalk geb. Lebenstein geb. 10.11.1856 gest. 2.9.1932 ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏אשה צנועה וישרה‏‎ ‎‏אשר הלכה בכל ימיה‏‎ ‎‏בדרכי ה׳‏‎ ‎‏מרת בילא בת כ׳ גרשון‏‎ ‎‏נפטרה ביום ב׳ דר״ח אלול‏‎ ‎‏תרצ״ב‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Übersetzung Hier ist begraben eine züchtige und aufrechte Frau, welche wandelte an all ihren Tagen auf den Wegen des Ewigen, Frau Bella, Tochter des geehrten Gerschon, verschieden am 2. Neumondstag Elul 692. Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Die Eulogie für Bella hebt ihren frommen und tugendhaften Lebenswandel hervor. Dem seit dem Mittelalter sehr beliebten Namen Bella, der romanischen Ursprungs ist ("die Schöne"), wurde mit Sibilla ein zeitgenössischer bürgerlicher Name zur Seite gestellt, der den Klang des Namens Bella aufnimmt. Wie seit Anfang der 1930er Jahre in Ahaus üblich, wurde auch hier eine längere hebräische Inschrift auf die Rückseite des Grabmals platziert, während sich die deutsche Inschrift auf der Vorderseite auf die nötigsten Angaben beschränkt. ====== aha-48 Personalia 1928-7-18 Jettle b. Jischai Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏אשה זקנה וחשובה‏‎ ‎‏אשת חיל ותמימה‏‎ ‎‏ה״ה מרת יטלה בת ישי‏‎ ‎‏ה״ל ר״ח אב תרפ״ח לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Hier ruht unsere liebe Mutter Frau Jettchen Cohen geb. Elkan geb. 11. April 1845, gest. 18. Juli 1928. Übersetzung Hier ist begraben eine betagte und angesehene Frau, eine tüchtige und lautere Gattin, es ist Frau Jettle, Tochter des Jischai, sie ging in ihre Welt am Neumond Aw 688 der kleinen Zählung. Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Jettchen Cohen ist die erste Frau in Ahaus, die in ihrer hebräischen Inschrift mit den Attributen "betagt" und "angesehen" geehrt wird. Nach ihr wurde nur noch die im darauffolgenden Jahr verstorbene, nur halb so alt gewordene Else Löwenstein als "die Angesehene" bezeichnet. Der Name der Verstorbenen erscheint hier in beiden Inschriften in seiner Koseform, im hebräischen Text in der jüdisch-deutschen Form "Jettle", auf deutsch "Jettchen". Zl 3a: Sprüche 12,4; 31,10. ====== aha-49 Personalia 1929-1-15 Bula b. Zwi Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏דאשה בולה בת צבי‏‎ ‎‏אשת ריל עטרת בעלה היקרה וחשובה‏‎ ‎‏מכל חמדי תבל היתה לבעלה אהובה‏‎ ‎‏וצאצאיה מר יבכון במבחר שנותיה אותם עניבה‏‎ ‎‏בזאת יתנחמו כ השאירה שם טובה‏‎ ‎‏מחסר לדל ותומך לאביון בטובת לבבה‏‎ ‎‏לא נשכחה אף כ אל אדמתה שובה‏‎ ‎‏ביום ד׳ שבט ונקברה ביום ו׳ שבט תרפ״ט לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה ׃‏‎ Hier ruht meine liebe Frau, unsere gute Mutter Else Löwenstein geb. Ostberg geb. 20.5.1884 gest. 15.1.1929 Übersetzung Hier ist begraben die Frau Bula, Tochter des Zwi, eine tüchtige Gattin, Krone ihres Gatten, die Teure und Angesehene (mehr) als alle Köstlichkeiten der Welt war sie von ihrem Gatten geliebt, und ihre Nachkommen weinen bitterlich, in ihren besten Jahren verließ sie sie, mögen sie sich damit trösten, dass sie einen guten Namen hinterließ, Zuflucht dem Armen und Stütze dem Bedürftigen in der Güte ihres Herzens, nicht wird sie vergessen sein, auch wenn sie zu ihrer Erde zurückkehrte am Tag 4. Schwat und begraben wurde am Tag 6. Schwat 689 der kleinen Zählung. Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Else Löwenstein erhielt eine auffallend lange hebräische Inschrift. Die Angaben von Namen und Vatersnamen einerseits und Sterbe- und Begräbnisdaten andererseits rahmen eine sechszeilige, gereimte Eulogie. Sprachlich lehnt sich diese zwar noch an die traditionellen, von Bibelzitaten bestimmten Formulierungen an, findet aber eigene, freiere Wendungen und Ausdrucksmöglichkeiten. Die Verdienste der Verstorbenen werden genannt, die nicht vergessen werden, doch diese fast romantisch zu nennende Eulogie betont in erster Linie die Liebe zwischen den Eheleuten und die tiefe Trauer der Hinterbliebenen, des Gatten und der Kinder, über ihren Verlust. Darin zeigt sich der Geschmack der Zeit, der sich auch in der Gestaltung des Grabmals ausdrückt. Allerdings scheint der Steinmetz wenig geübt gewesen zu sein im Umgang mit der hebräischen Schrift: Ist die kalligraphische Gestaltung auf den ersten Blick noch als gelungen zu bezeichnen, finden sich bei näherem Hinsehen eine ganze Reihe von offensichtlich vom Steinmetzen zu verantwortenden sinnentstellenden Schreibfehlern in der Inschrift. Der bürgerliche Name Else hat auf den ersten Blick keinerlei Verbindung mit dem jüdischen Namen Bula oder Bella (Else-Elisabeth-Beth-Betty-Bella/Bula?) und dürfte familiär tradiert worden sein. Zln 2-8: Steinmetzfehler in folgenden Worten: Zl 2: ‎‏דאשה‏‎ statt ‎‏האשה‏‎; Zl 3: ‎‏ריל‏‎ statt ‎‏חיל‏‎; Zl 4: ‎‏חמדי‏‎ statt ‎‏מחמדי‏‎; Zl 5: ‎‏עניבה‏‎ statt ‎‏עזבה‏‎; Zl 7: ‎‏מחסר‏‎ statt ‎‏מחסה‏‎; Zl 8: ‎‏כ‏‎ statt ‎‏כי‏‎. Zl 2: Der Name ist ungewöhnlich und sollte vielleicht ‎‏בילה‏‎ / Bella statt ‎‏בולה‏‎ / Bula lauten, allerdings ist der Name in dieser Form hier noch einmal belegt: bei Bertha Löwenstein geb. Hartog (10), wo seine Schreibweise mit ‎‏ו‏‎ / vav statt ‎‏י‏‎ / jud durch ein Akrostichon gesichert ist. Zl 3a: Sprüche 12,4. Zl 8b: Vgl. Daniel 11,9. ====== aha-50 Personalia 1929-3-4 Jischai b. Josef Hakohen Transkription ‎‏י*לד בוכה מר על האב‏‎ ‎‏ש*הלך לעולמו לפני ימיו‏‎ ‎‏י*ה יתן רחמים לאשת נעוריו‏‎ ‎‏ה״ה ישי בר יוסף הכהן‏‎ ‎‏נפטר בש״ט יום‏‎ ‎‏כ״ב אדר ראשון תרפ״ט לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Julius Cohen geb. 10. Mai 1876, gest. 4. März 1929. Übersetzung Das Kind weint bitter über den Vater, welcher in seine Welt hinging vor seiner Zeit, der Ewige schenke der Gattin seiner Jugend Erbarmen, es ist Jischai, Sohn des Josef Hakohen, verschieden mit gutem Namen (am) Tag 22. des Ersten Adar 689 der kleinen Zählung. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Für Julius Cohen wurde eine sehr persönlich gehaltene hebräische Inschrift verfasst, die die Trauer des Sohnes über den frühen Verlust des Vaters ausdrückt, hier jedoch in sehr viel schlichterer Form als beim vorhergehenden Stein (49). Sie bedient sich weitaus weniger als früher biblischer Wendungen und verzichtet ganz auf Zitate, greift aber seit langem zum ersten Mal wieder auf die für die frühen Ahauser Inschriften so typischen Stilmittel wie Reim und Akrostichon zurück. Zl 2b: Bei der biblisch nicht belegten Wendung "vor seiner Zeit", hebräisch wörtlich "vor seinen Tagen", handelt es sich möglicherweise um eine Rückübersetzung aus dem Deutschen. Sie wurde hier wegen des Reimes gewählt. Zl 3a: Vgl. Gen 43,14. ====== aha-51 Personalia 1929-6-28 Fradche b. Natan Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏מ׳ פראדכה בת ר׳ נתן‏‎ ‎‏תפארת בעלה ובניה‏‎ ‎‏תמימה וישרה במעשיה‏‎ ‎‏אוהבת שלום כל ימיה‏‎ ‎‏לעני ואביון פרשה ידיה‏‎ ‎‏ויאריכו ימיה עד ע״ו שנה‏‎ ‎‏ונפטרה כ׳ סיון תרפ״ט לפ״ק‏‎ Hier ruht Frau Friederike Gumpert geb. Wolf geb. am 1. Mai 1853 gest. am 28. Juni 1929 ‎‏תנצב״ה‏‎ Übersetzung Hier ist begraben Frau Fradche, Tochter des Herrn Natan, Zierde ihres Gatten und ihrer Kinder, lauter und aufrecht in ihren Werken, Frieden liebend all ihre Tage, dem Armen und Bedürftigen öffnete sie ihre Hände, und ihre Tage wurden lang, (erreichten) 76 Jahre, und sie verschied (am) 20. Sivan 689 der kleinen Zählung. Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Nicht nur die Grabmale für Friederike Gumpert und ihren 14 Jahre zuvor verstorbenen Gatten Aser Gumpert sind identisch gestaltet, auch die jeweiligen Inschriften sind parallel aufgebaut und bedienen sich in ihren Eulogien der überlieferten traditonellen Wendungen und Formeln. Zl 3: Vgl. Sprüche 17,6. Zl 6: Vgl. Sprüche 31,20. Zl 7: Aus den Zehn Geboten, Exodus 20,12. Dort heißt es: "Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit deine Tage lang werden in dem Lande, das der Ewige dein Gott dir gibt". ====== aha-52 Personalia 1929-11-12 Tirza Transkription Frau Alex Schlösser geb. Menke geb. 31.12.1849 gest. 12.11.1929 ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏אשת חיל תפארת‏‎ ‎‏בעלה ותפארת‏‎ ‎‏בניה פעלה טוב‏‎ ‎‏כל ימיה היקרה‏‎ ‎‏מרת תרצה אשת‏‎ ‎‏שלאָסר מתה בשיבה‏‎ ‎‏טובה ביום ט׳ מרחשון‏‎ ‎‏ונקברה ביום י״א‏‎ ‎‏מרחשון תר״צ לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה ׃‏‎ Übersetzung Hier ist begraben eine tüchtige Gattin, Zierde ihres Gatten und Zierde ihrer Kinder, Gutes wirkte sie all ihre Tage, die Teure, Frau Tirza, Gattin des (Herrn) Schlösser, gestorben in hohem Greisenalter am Tag 9. Marcheschvan und begraben am Tag 11. Marcheschvan 690 der kleinen Zählung. Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Der Verzicht auf die Nennung des Vornamens der Verstorbenen war eher im 19. Jahrhundert üblich, weniger Ende der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts. In Ahaus findet sich diese Form noch zweimal, bei der "Witwe A. Gottschalk geb. Landau" (36), die 1919 verstarb, sowie bei der 1902 gestorbenen "Frau B. Bendix" geborene Rosa Corenther (26), wo sogar auf die Nennung des Geburtsnamens verzichtet wurde. In allen drei Fällen handelt es sich um betagte Witwen, die ihre Ehemänner um viele Jahre überlebten. Zl 6a: Sprüche 12,4; 31,10. Zln 7b-8a: Vgl. Sprüche 17,6. Zl 11: Der Buchstabe ‎‏א‏‎ / alef im Namen Schlösser wurde nicht nur mit einem Vokalzeichen geschrieben, um seine Lesung als "o" sicherzustellen, sondern zusätzlich auch mit zwei Punkten versehen, um den deutschen Umlaut "ö" anzuzeigen. Die Angabe des Gattennamen nur mit dem Familiennamen ist ungewöhnlich. Hier ist das hebräische Wort für "Gattin von" vermutlich im Sinne des deutschen "verheiratete..." zu verstehen. Zln 11b-12a: Vgl. Genesis 15,15 u.a. ====== aha-53 Personalia 1930-12-7 Transkription ‎‏פ״נ‏‎ Ehefrau Netta Franken[ha]us geb. Frank geb. 4.1.1846, gest. 7.12.1930. ‎‏תנצב״ה‏‎ Übersetzung Hier ist begraben Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Obwohl Netta Frankenhaus bereits seit fast 50 Jahren Witwe war, als sie starb, legte der Verfasser der Inschrift Wert darauf, sie als "Ehefrau" zu titulieren (statt z.B. als "Witwe"). ====== aha-54 Personalia 1931-3-30 Ascher b. Elieser Transkription Aser Gumpert geb. 26. März 1846 gest. 30. März 1931. ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏איש תם וישר‏‎ ‎‏הלך תמים ופעל צדק‏‎ ‎‏ירא אלהים כל ימיו‏‎ ‎‏ה״ה אשר בן אליעזר‏‎ ‎‏מת בשיבה טובה‏‎ ‎‏ביום י״ב ניסן‏‎ ‎‏ונקבר בשם טוב‏‎ ‎‏שנת תרצ״א‏‎ ‎‏לפ״ק‏‎ Übersetzung Hier ist begraben ein lauterer und aufrechter Mann, er wandelte lauter und übte Gerechtigkeit, ehrfürchtete Gott all seine Tage, es ist Ascher, Sohn des Elieser, gestorben in hohem Greisenalter am Tag des 12. Nissan und begraben mit gutem Namen im Jahr 691 der kleinen Zählung. Kommentar Bei diesem Grabstein wurde die hebräische Inschrift ganz auf die Rückseite verschoben. Zwar ist sie um einiges länger und ausführlicher als die deutsche, doch handelt es sich offensichtlich um eine etwas gekürzte Form einer beliebten Eulogie, wie sie in Musterbüchern zu finden ist, zum Beispiel im beliebten Sefer Hachajim von S.E. Blogg (erste Auflage Hannover 1848, vierte verbesserte Auflage Hannover 1866/67, S. 311, Grabschrift "für einen tugendhaften Greis". Und vgl. auch Grabstein 46). Zl 5: Ijob 1,8; 2,3. Zl 6: Psalm 15,2. Zl 9: Vgl. Genesis 15,15 u.a. ====== aha-55 Personalia 1932-6-28 Jizchak b. Efraim Transkription I. Gottschalk geb. 14.1.1856 gest. 28.6.1932 ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏איש תם וישר‏‎ ‎‏אשר עבד ה׳‏‎ ‎‏בכל ימיו‏‎ ‎‏ר׳ יצחק בן ר׳ אפרים‏‎ ‎‏ושם אמו רוזא‏‎ ‎‏נפטר כ״ד סיון תרצ״ב‏‎ ‎‏תנצב״ה‏‎ Übersetzung Hier ist begraben ein lauterer und aufrechter Mann, welcher dem Ewigen diente all seine Tage, Herr Jizchak, Sohn des Herrn Efraim, und der Name seiner Mutter (lautete) Rosa, verschieden (am) 24. Sivan 692. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Wie schon beim Stein zuvor wurde auch hier die hebräische Inschrift auf die Rückseite verdrängt, ist aber dafür um einiges ausführlicher und länger als die deutsche. Sehr ungewöhnlich und selten ist die Angabe des Namens der Mutter in der hebräischen Inschrift, der hier in seiner "hochdeutschen" Form Rosa erscheint, auf ihrem eigenen Stein dagegen in der Koseform ‎‏רייסכע‏‎ / Reis'che, "Röschen". Zl 1: Der hebräischen Inschrift ist zu entnehmen, dass der abgekürzte Vorname vermutlich mit "Isaak" aufzulösen ist. Zl 5: Ijob 1,8; 2,3. ====== aha-56 Personalia 1937-1-28 Mosche b. Schlomo Halevi Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏דורש טוב לעמו‏‎ ‎‏ופועל צדק בעדתו‏‎ ‎‏ה״ה משה בן שלמה הלוי‏‎ ‎‏מת בט״ז שבט תרצ״ז לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה׃‏‎ Hier ruht Moritz Winkler geb. zu Ibbenbüren 9. Sept. 1864, gest. 28. Jan. 1937. Übersetzung Hier ist begraben - er strebte nach Gutem für sein Volk und wirkte Gerechtigkeit in seiner Gemeinde, es ist Mosche, Sohn des Schlomo Halevi, gestorben am 16. Schwat 697 der kleinen Zählung. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Anfang der 1930er Jahre wurde eine hebräische Inschrift in Ahaus in der Regel auf der Rückseite des Grabmals angebracht. Bedingt vielleicht durch die schweren Zeiten seit Beginn der NS-Herrschaft, oder bestimmt von der Funktion des Verstorbenen als Vorsteher der Gemeinde, findet sich hier die hebräische Inschrift wieder auf der Vorderseite des Grabmals, über der etwas kürzeren deutschen Inschrift. Die beiden Zitate, aus denen hier die Eulogie besteht, finden sich auch in einer Vorlage für eine Grabinschrift eines Gemeindevorstehers im Blogg'schen Andachtsbuch (Sefer Hachajim, erste Auflage Hannover 1848, vierte Auflage Hannover 1866/67, S. 312). Zl 2: Esther 10,3. Zl 3a: Psalm 15,2. ====== aha-57 Personalia 1937-2-9 Gitel b. Jizchak Transkription ‎‏פ״נ‏‎ ‎‏האשה היקרה והנעימה‏‎ ‎‏גיטל בת יצחק‏‎ ‎‏מתה במבחר שנותיה‏‎ ‎‏ויבך אחריה אשה וילדיה‏‎ ‎‏ביום כ״ח שבט ונקברה‏‎ ‎‏ביום ל׳ שבט תרצ״ז לפ״ק‏‎ ‎‏תנצב״ה ׃‏‎ Hier ruht Gertrud Cohen geb. Schönbach 22.6.1898 8.2.1937 Moritz Cohen //Born June 19, 1878 Ahaus/Germany //Died August 28, 1944 - shot cc Kaiserwald Riga/Latvia. Ernst Cohen //Born December 7, 1927 Ahaus/Germany //Died in Transport from cc Stutthof in 1945. Mirjam//Born September 9, 1929 Ahaus/Germany Cohen-Zach //Ghetto & cc Kaiserwald/Riga, cc Stutthof. //Died in Israel October 29, 1990. Übersetzung Hier ist begraben die teure und angenehme Frau, Gitel, Tochter des Jizchak, gestorben in ihren besten Jahren und es weinen ihr nach ihr Gatte und ihre Kinder am Tag des 28. Schwat, und begraben am Tag des 30. Schwat 697 der kleinen Zählung. Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens Kommentar Wie bei dem zweiten Stein aus dem Jahr 1937 (56) wurde auch hier wieder eine längere hebräische Inschrift über eine kürzere deutsche auf die Vorderseite des Grabsteins gesetzt. Dieser Grabstein ist der letzte, der auf dem jüdischen Friedhof Ahaus gesetzt wurde. Den beiden letzten Gräbern des Friedhofs aus den Jahren 1940 (für Jakob Müller) und 1941 (für Therese Minkel) konnten keine Grabsteine mehr gesetzt werden. Zln 6-7: Die deutsche Inschrift gibt den 8. Februar als Sterbetag an, vermutlich starb Gertrud Cohen daher am Abend des 8. Februar, nach Beginn des neuen jüdischen Tages. Zl 12: Das Kreuz als Zeichen für "gestorben" ist selten. Es gehört zum alltäglichen Usus, wird aber auf jüdischen Grabsteinen in der Regel vermieden.