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Ist das FWG das älteste Trierer Gymnasium?
Reflexionen von Schülerinnen und Schülern des Grundkurses Philosophie
MSS 11 2004/05
Der Anlass für die Titelfrage entstammt der Einführung in das Philosophieren zu Beginn des Schuljahres. Woher bekomme ich eigentlich philosophische Probleme? Eine und sicherlich nicht die schlechteste Antwort: aus Kindermund!
Gareth B. Matthews, ein amerikanischer Philosoph und einer der bedeutendsten Vertreter der ‚Kinderphilosophie‘ berichtet in seinem Buch Die Philosophie der Kindheit (Weinheim, Berlin 1995) von einer Technik, auch ältere Kinder (vielleicht auch Erwachsene) zu phantasievollen und einfallsreichen Antworten auf philosophische Fragen zu verleiten. Seine Technik besteht darin, „die Anfänge von Geschichten aufzuschreiben, in denen die Protagonisten, meistens Kinder, allein und ohne Unterstützung von Erwachsenen über irgendeinen philosophischen Gedanken oder irgendein philosophisches Problem stolpern.“ (S. 14)
„Eine geistreiche Diskussion über so verwirrende Fragen wie die Identität in der Zeit“ provoziert Matthews mit dieser (von Otto Neurath abgeschauten) Geschichte:
Freddie zum Beispiel geht an Bord eines alten Schiffes, dessen Planken zu 85 Prozent, wie er erfährt, ersetzt wurden. Während seiner Segeltour ist er stolz, an Deck eines der „ältesten noch seetüchtigen Rahseglers“ herumzulaufen. Als seine ältere Schwester allerdings von dem allmählichen Austausch der einstmals vorhandenen Planken erfährt, macht sie sich über Freddies Angeberei lustig: „Mit 85 Prozent brandneuer Planken dürfte das Schiff wohl kaum noch besonders alt sein und schon gar nicht der älteste noch seetüchtige Rahsegler“, grinst sie höhnisch. (S. 14)
Matthews’ Methode hat in Schulklassen Erfolg: „Schon bald formulieren sie (die Schüler) bemerkenswerte Sätze über die Voraussetzungen beim Schiff, Fahrrad oder menschlichen Körper, um in der Zeit fortzudauern.“ (S. 15)
Unser Geschichtenanfang ist eine Frage: „Ist das FWG das älteste Trierer Gymnasium?“ – Wir erinnern uns: 1561 gegründet, im Laufe seiner Geschichte mehrfach Träger, Gebäude und Standort gewechselt, Lehrer, Schüler und Schülerinnen (letztere erst seit 1956) sowieso; auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die politischen Vorgaben, die Schulgesetze usw. blieben nicht unverändert, nicht einmal der Name begleitete die Schule durch die Zeit: Zum „Friedrich-Wilhelm-Gymnasium“ wurde das ‚Trierer Gymnasium‘ erst 1896. Was also macht die Identität der Schule aus?
Die Schülerinnen und Schüler sprechen selbstbewusst ihre Überzeugung aus, am ältesten Trierer Gymnasium unterrichtet zu werden:
Lukas:
Das FWG war schon das FWG und ist es noch. Das ist meine Ansicht …
Alison:
Ich würde behaupten, dass das FWG die älteste Schule ist, obwohl sie umgezogen ist, also gehe ich [bei Beantwortung der Frage] offensichtlich nicht vom Gebäude aus.
Doch welche Gründe nennen sie für ihre Einschätzung?
Tim:
Die Tradition der Schule (macht) ihre Geschichte aus. Die Sitten und Bräuche der Schule sowie die Art des jeweiligen Lernens (in) einer Schule gehen nicht durch einen Umzug in ein neues Gebäude verloren. Die Geschichte (einer Schule gründet auf) Traditionen und Stolz […]. (Sie lässt sich) nicht an vergänglichem Material festmachen, sondern (nur) an gefühlsmäßigen Bindungen.
Julia:
Die Lehrergenerationen haben mehrfach gewechselt und es gibt auch andere Schüler als bei der Gründung; selbst das Gebäude hat im Laufe der Jahre mehrfach gewechselt.
Jedoch hat sich im Hinblick auf unseren Geist nichts verändert, da das FWG immer noch als Symbol für die ursprüngliche, älteste Schule Triers steht. […] Alles Materielle und „Greifbare“ ist nicht mehr dasselbe, aber das FWG besitzt trotzdem noch den Ruf als „Die älteste Schule Triers“, da es so in unserem Gedächtnis verankert ist.
Die Schülerinnen und Schüler berufen sich also auf den ‚Geist der Schule‘. Sie begreifen die Fortdauer der Einrichtung „FWG“ also offensichtlich nicht als Ergebnis äußerer (materieller) Vorgaben, sondern als ständige Leistung einer Erlebens-, Erzähl- und Erinnerungsgemeinschaft, der sie sich selbst zurechnen. Ich meine: keine schlechte Voraussetzung für eine gedeihliche Schulkultur im Heute des ältesten Trierer Gymnasiums.
M. Reuter, Studienreferendar am FWG |
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