Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Altenstadt (Stadt Vohenstrauß, Kreis Neustadt an der Waldnaab)
 Jüdische Geschichte 
  

Übersicht:  

bulletZur jüdischen Geschichte in Altenstadt 
bulletAbbildungen  
bullet Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte 
bulletLinks und Literatur   

   

Zur jüdischen Geschichte in Altenstadt           
     
In Altenstadt gab es zu keiner Zeit eine jüdische Gemeinde. Im 19./20. Jahrhundert ließen sich nur wenige jüdische Personen zeitweise am Ort nieder. Zu diesen Personen gehörte seit ca. 1873/74 die Familie von Joachim Kohner und seiner Frau. Die Familie war aus Langendörflos (Dlouhý Újezd) in Tschechien nach Altenstadt zugezogen. Das Ehepaar hatte fünf zwischen 1870 und 1878 geborene Kinder, von denen zwei noch in Langendörflas geboren waren, drei in Altenstadt. Joachim Kohner war als Hausierhändler für Kurzwaren und Stoffe tätig. Die Familie lebte in der Weidener Straße 31 ("Gilchhaus") in Altenstadt. 1882 zog die Familie nach Weiden, wo der Sohn Karl Kohner 1906 ein Schnittwarengeschäft am Unteren Markt eröffnete. Seine Schwester Ernestine lebte als ledige "Privatiere" in der Johannisstraße in Weiden. Von ihren Geschwistern sind zwei Schwestern noch vor 1900 in die USA ausgewandert, eine heiratete nach Franken.      
 
Für Karl und Ernestine Kohner, die in Altenstadt ihre Kindheit verbracht hatten und nach der Deportation umgekommen sind, wurden 2024 in Altenstadt "Stolpersteine" verlegt: für Ernestine Kohner (geb. am 22. Mai 1872 in Langendörflas) sowie für Karl Kohner (geb. am 20. September 1875 in Altenstadt). Die beiden wurden am 23. September 1942 mit dem Transport II/26 nr. 596 von Regensburg (letzte Adresse: Schäfferstraße 8) über Nürnberg in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo Karl am 26. Februar 1943, Ernestine am 21. März 1944 umgekommen ist. Umgekommen sind auch Karl Kohners Ehefrau Rosa geb. Lusberger und ihr Sohn Siegfried. Für sie werden in Weiden Stolpersteine verlegt.

Von den in Altenstadt geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach dem "Gedenkbuch - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Ernestine Kohner (https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de901541) und Karl Kohner (https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de901562).
    
   
    
Abbildungen 

     
 Das "Gilchhaus" in Altenstadt; hier wohnte Ende
des 19. Jahrhunderts Familie Kohner
(Quelle: Stadtarchiv Weiden)
 Todesfallanzeige für Karl Kohner (Theresienstadt) 
Quelle: Institut Terezinské iniciciativy  
 
 

    
   
 
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte       

April 2024: Auf den Spuren der Familie Kohner       
Artikel in der Website der Realschule Vohenstrauß vom 9. April 2024: "Auf den Spuren der Familie Kohner
Am 13.05.2024 werden in Altenstadt bei Vohenstrauß zwei Stolpersteine verlegt, die an Ernestine und Karl Kohner erinnern sollen, welche von den Nationalsozialisten in Theresienstadt ermordet wurden. Die Familie Kohner hatte einige Jahre in der Weidener Straße gewohnt, nachdem sie die böhmische Heimat verlassen hatte.
Welche Spuren es in Tschechien noch zu finden gibt, das galt es, in einer Exkursion herauszufinden. Herr Dr. Schott zeigte den Jugendlichen zwei Friedhöfe, die sie ohne seine Hilfe sicher nicht ohne Weiters gefunden hätten. Jüdische Friedhöfe werden nicht aufgelöst, sie bleiben bestehen, bis die Steine verwittert und versunken sind. Diese Spuren konnte man an den beiden Friedhöfen in Dlouhý Újezd (deutsch Langendörflas) und Pořejov (deutsch Purschau) sehr gut erkennen. Die Jugendlichen suchten die Gräber der Familie Kohner, die noch erhalten sind. Miroslav Křížek, der Bürgermeister von Langendörflas, begleitete die Exkursion und konnte der AG einen umfangreichen Stammbaum der Familie mit auf den Weg geben. Auch bei dem untergegangenen Dorf machte die kleine Gruppe kurz Halt.  "  
Link zum Artikel  
 
Mai 2024: Verlegung von "Stolpersteinen" für Ernestine und Karl Kohner 
Vgl. - Bericht und Fotos in der Website der Stadt Vohenstrauß: https://www.vohenstrauss.de/stadt-amp-buerger/stadt/aktuelles/aktuelles/stolpersteinverlegung-in-altenstadt-bei-vohenstrauss
 
- Bericht und Fotos in der Website der Realschule Vohenstrauß: https://www.realschule-vohenstrauss.de/stolpersteinverlegung-in-altenstadt/
  
Artikel von Christine Ascherl im "Oberpfalz-Echo" vom 3. Mai 2024: "Erste Stolpersteine im Landkreis Neustadt/WN: Erinnerung an Geschwister Kohner
Altenstadt bei Vohenstrauß. Erstmals werden im Landkreis Neustadt/WN Stolpersteine verlegt, die an im Holocaust ermordete Juden erinnern. In Altenstadt bei Vohenstrauß werden Steine für Ernestine und Karl Kohner verlegt.
Die Geschwister starben im Alter von 71 bzw. 66 Jahren im Ghetto Theresienstadt. Ernestine und Karl Kohner hatten ihre Kindheit in Altenstadt bei Vohenstrauß verbracht. Angestoßen wurde die Stolperstein-Verlegung von Realschülern aus Vohenstrauß. Sie hatten sich in einem Geschichtsprojekt mit Lehrerin Doris Thammer und Historiker Dr. Sebastian Schott auf Spurensuche gemacht.
Verlegung am Montag – Interessierte willkommen. Am Montag, 13. Mai, 11 Uhr, ist es nun so weit. Künstler Gunter Demnig kommt selbst zur Verlegung in die Weidener Straße nach Altenstadt bei Vohenstrauß. Er ist Initiator des Projekts Stolpersteine. Interessierte sind herzlich eingeladen. Das Projekt wird unterstützt durch die Stadt Vohenstrauß, den Förderverein der Staatlichen Realschule und verschiedene Privatpersonen. Der Vohenstraußer Bürgermeister Andreas Wutzlhofer ist vor Ort. Eine Delegation der jüdischen Gemeinde aus Weiden nimmt teil. Werner Friedmann, Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Weiden, wird sprechen. Auch der Bürgermeister aus dem tschechischen Dlouhý Újezd (früher Langendörflas), Miroslav Křížek, wird erwartet. Die Realschüler sind ebenfalls eingebunden.
Schüler recherchieren Familiengeschichte. Familie Kohner stammte ursprünglich aus dem böhmischen Langendörflas im Landkreis Tachau. Sie siedelte zwischen 1872 und 1874 nach Altenstadt bei Vohenstrauß über. Zwei der fünf Kinder sind noch in Langendörflas geboren, drei in Altenstadt bei Vohenstrauß. Die Familie lebte im sogenannten Gilch-Haus, benannt nach der gleichnamigen Konditorei. Die fünf Kinder (geboren zwischen 1870 und 1878) verbrachten hier 'eine glückliche Kindheit', so Historiker Schott. Der Vater Joachim verdiente sein Geld als Hausierhändler auf dem Land. Er verkaufte den Bauern Kurzwaren und Stoffe. 1882 zog die Familie nach Weiden. Zehn Jahre später erwarb Joachim Kohner in Weiden das Heimatrecht.
Im Nationalsozialismus schwer gelitten. Von den fünf Kindern blieben nur Karl und Ernestine in der Oberpfalz, zwei Töchter wanderten noch im 19. Jahrhundert in die USA aus, eine heiratete nach Franken. Karl Kohner eröffnete 1906 mit seiner Frau Rosa ein Schnittwarengeschäft am Unteren Markt. Seine Schwester Ernestine lebte als ledige 'Privatiere' in der Johannisstraße. Die Familie litt schwer unter dem Nationalsozialismus. Karl Kohner war wie alle jüdischen Geschäftsinhaber von den Boykottaufrufen der Nationalsozialisten betroffen. 1938 war seine berufliche Existenz endgültig vernichtet. Auch in der Reichspogromnacht erlebte die Familie Angst und Schrecken. Ein brauner Mob wütete in der Innenstadt. Auch Karl Kohner wurde aus der Wohnung geholt und zur Polizei im Alten Rathaus gebracht.
Abschiedsbrief ist noch erhalten. Historiker Schott verwahrt im Stadtarchiv Weiden einen Abschiedsbrief von Ernestine Kohner an ihre Nachbarin und Freundin Maria Reindl in der Johannisstraße. Deren Tochter Martha Stäudle hat den Brief dem Archiv überlassen. Ernestine Kohner nimmt darin Abschied: 'Morgen in der Frühe geht es dahin.' Sie glaubt, ins 'Reichs-Altersheim Theresienstadt' zu kommen. Tatsächlich war das 'Ghetto' Theresienstadt nichts anderes als ein Konzentrationslager. 'Karl Kohner starb bereits fünf Monate nach seiner Deportation im Februar 1943', hat Historiker Schott recherchiert (nachzulesen in 'Oberpfälzer Heimat', Band 67). Der Kaufmann wurde 67 Jahre alt. Seine Schwester Ernestine (71) kam im März 1944 ums Leben.
Ein Sohn kehrt mit US-Army nach Weiden zurück. Karl hatte drei Söhne. Der mittlere Sohn Siegfried war während der NS-Zeit in Weiden geblieben, er wurde im Vernichtungslager Majdanek ermordet. Der älteste Sohn Willy war 1940 in die USA ausgewandert; er starb 1985 in Texas. Interessant ist die Lebensgeschichte des jüngsten Sohnes Justin Kohner (Jahrgang 1912). Er hatte sich 1932 mit Anfang 20 nach Frankreich abgemeldet. Er schloss sich 1937 der Brigade von Hans Beimler im Spanischen Bürgerkrieg an. Als dieser verloren war, kam er zur französischen Résistance, die mit den Alliierten kooperierte. Nach Kriegsende kehrte Justin Kohner mit der US-Army nach Weiden zurück. Im Oktober 1945 ermittelte er gegen Tatverdächtige der Reichspogromnacht."   
Link zum Artikel  
 
Artikel von Christine Ascherl im "Oberpfalz-Echo" vom 13. Mai 2024: "Schüler wollen Zeichen setzen: Erste Stolpersteine im Landkreis Neustadt/WN
Vohenstrauß. In Altenstadt bei Vohenstrauß sind am Montagvormittag die ersten Stolpersteine im Landkreis Neustadt/WN verlegt worden. Der Anstoß kam von einer Schülergruppe der Realschule Vohenstrauß. Anna Reil, Lina Schmal, Sophia Kleber, Anton Bock, Franziska Pschirrer, Sophie Hörig und Magdalena Gissibl waren dabei, als Katja Demnig aus Berlin die Steine verlegte. Sie vertrat ihren Mann, Künstler Gunter Demnig, der die Aktion weltweit 1992 gestartet hatte. Die Schüler wurden von Realschuldirektor Kilian Graber und ihrer Lehrerin Doris Thammer begleitet.
Nach Deportation nach Theresienstadt gestorben. Wer genau hinsieht, sieht es jetzt auf dem Gehweg funkeln: Die Messingplatten erinnern an Ernestine und Karl Kohner. Dabei handelt es sich um Geschwister, die ein gutes Jahrzehnt ihrer Kindheit in dem Haus in der Weidener Straße 31 verbracht haben. Beide starben im Vernichtungslager Theresienstadt, ebenso Karl Kohners Ehefrau Rosa und sein Sohn Siegfried. Für sie sind in Weiden Steine vorgesehen.
Erfreulich: Bei der Verlegung in Altenstadt bei Vohenstrauß säumten – obwohl Montagvormittag – viele Ehrengäste, aber auch interessierte Zuschauer die Straße. Auch eine Abordnung der jüdischen Gemeinde aus Weiden war vor Ort. Aus Tschechien war der Bürgermeister von Dlouhý Újezd (früher Langendörflas), Miroslav Křížek, gekommen. Bürgermeister Andreas Wutzlhofer zitierte den Talmud: 'Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.' Die Stadt Vohenstrauß habe die Stolperstein-Verlegung von Anfang an unterstützt: 'ein deutliches Ja.' Ein Vergessen der schlimmsten Ereignisse der deutschen Geschichte müsse verhindert werden. Das Thema habe für ihn 'hohe Aktualität'.
Federführung bei Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Federführend bei den Stolperstein-Verlegungen ist die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Weiden. Für Vorsitzenden Werner Friedmann ist das individuelle Gedenken wichtig. Der Nationalsozialismus habe die Identität der Holocaust-Opfer auslöschen wollen. Sie werde ihnen hier wieder gegeben: 'Ihre Namen werden in die Straßen und Städte zurückgeholt.' Er honorierte, dass sich die Vohenstraußer Realschüler einbrachten. Auch bei den Stolperstein-Verlegungen in Weiden 2022 und 2023 engagierten sich Sophie-Scholl-Realschülerinnen und Pestalozzi-Schüler. In Weiden sind inzwischen 29 Erinnerungssteine verlegt, weitere folgen im Herbst. Auch aus dem Landkreis Neustadt/WN gäbe es Anfragen.
Schüler recherchierten im Archiv und in Tschechien. 'Das Thema hat uns sehr mitgenommen', erinnerte einer der Schüler in einem gemeinsamen Beitrag. Nationalsozialismus und Judenverfolgung – das gab es weit weg in München und Berlin. 'Aber bei uns in Vohenstrauß? Wir hatten keine Ahnung, ob es bei uns einmal Juden gab oder ob unsere Vorfahren Kontakt zu jüdischen Menschen hatten.' Die Recherchen führten zu Familie Kohner, die aus dem tschechischen Langendörflas stammte, erst nach Altenstadt bei Vohenstrauß übersiedelte und sich schließlich in Weiden niederließ. Karl Kohner betrieb bis zur Reichspogromnacht 1938 ein Schnittwarengeschäft am Unteren Markt. Die Schüler recherchierten im Stadtarchiv in Weiden bei Historiker Sebastian Schott. Sie unternahmen auch eine Exkursion nach Langendörflas.
Private Spende einer Vohenstraußerin. Die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung ist für die Jugendlichen immer noch 'unvorstellbar'. 'Wir möchten ein Zeichen für Demokratie und Frieden setzen.' Unterstützt wurden die Schüler von Lehrerin Doris Thammer. Die beiden Steine sind durch eine private Spende der Vohenstraußerin Silvia Bayerl finanziert worden. Ihre Schwiegertochter Karin nahm am Gedenkakt teil.
Die Geschichte ist nie auserzählt. Stellvertretender Landrat Albert Nickl war aus seiner Heimatgemeinde Speinshart nach Vohenstrauß gefahren: 'ein besonderer Akt'. Ihn trieb die Frage um, ob es auch im westlichen Landkreis Holocaust-Opfer zu beklagen gab. Nickl wusste von jüdischen Mitbürgern, die während der NS-Zeit im Kloster versteckt wurden."  
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Links und Literatur   

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Stand: 30. Juni 2020