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Oberpfalz
Altenstadt (Stadt
Vohenstrauß, Kreis Neustadt an der Waldnaab)
Jüdische Geschichte
Übersicht:
Zur jüdischen Geschichte
in Altenstadt
In Altenstadt gab es zu keiner Zeit eine jüdische
Gemeinde.
Im 19./20. Jahrhundert ließen sich nur wenige jüdische Personen zeitweise am Ort
nieder. Zu diesen Personen gehörte seit ca. 1873/74 die Familie von Joachim
Kohner und seiner Frau. Die Familie war aus Langendörflos (Dlouhý Újezd) in
Tschechien nach Altenstadt zugezogen. Das Ehepaar hatte fünf zwischen 1870 und
1878 geborene Kinder, von denen zwei noch in Langendörflas geboren waren, drei
in Altenstadt. Joachim Kohner war als Hausierhändler für Kurzwaren und Stoffe
tätig. Die Familie lebte in der Weidener Straße 31 ("Gilchhaus") in Altenstadt.
1882 zog die Familie nach Weiden, wo der Sohn
Karl Kohner 1906 ein Schnittwarengeschäft am Unteren Markt eröffnete. Seine
Schwester Ernestine lebte als ledige "Privatiere" in der Johannisstraße in
Weiden. Von ihren Geschwistern sind zwei Schwestern noch vor 1900 in die USA
ausgewandert, eine heiratete nach Franken.
Für Karl und Ernestine Kohner, die in Altenstadt ihre Kindheit verbracht hatten
und nach der Deportation umgekommen sind, wurden 2024 in Altenstadt
"Stolpersteine" verlegt: für Ernestine Kohner (geb. am 22. Mai 1872 in
Langendörflas) sowie für Karl Kohner (geb. am 20. September 1875 in Altenstadt).
Die beiden wurden am 23. September 1942 mit dem Transport II/26 nr. 596 von
Regensburg (letzte Adresse: Schäfferstraße 8) über Nürnberg in das Ghetto
Theresienstadt deportiert, wo Karl am 26. Februar 1943, Ernestine am 21. März
1944 umgekommen ist. Umgekommen sind auch Karl Kohners Ehefrau Rosa geb.
Lusberger und ihr Sohn Siegfried. Für sie werden in
Weiden Stolpersteine verlegt.
Von den in Altenstadt geborenen und/oder längere Zeit am
Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach
dem "Gedenkbuch
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Ernestine Kohner (https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de901541)
und Karl Kohner (https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de901562).
Abbildungen
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Das "Gilchhaus" in
Altenstadt; hier wohnte Ende
des 19. Jahrhunderts Familie Kohner
(Quelle: Stadtarchiv Weiden) |
Todesfallanzeige für
Karl Kohner (Theresienstadt)
Quelle:
Institut Terezinské iniciciativy
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Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
April 2024:
Auf den Spuren der Familie Kohner
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Artikel
in der Website der Realschule Vohenstrauß vom 9. April 2024:
"Auf den Spuren der Familie Kohner
Am 13.05.2024 werden in Altenstadt bei Vohenstrauß zwei Stolpersteine
verlegt, die an Ernestine und Karl Kohner erinnern sollen, welche von den
Nationalsozialisten in Theresienstadt ermordet wurden. Die Familie Kohner
hatte einige Jahre in der Weidener Straße gewohnt, nachdem sie die böhmische
Heimat verlassen hatte.
Welche Spuren es in Tschechien noch zu finden gibt, das galt es, in einer
Exkursion herauszufinden. Herr Dr. Schott zeigte den Jugendlichen zwei
Friedhöfe, die sie ohne seine Hilfe sicher nicht ohne Weiters gefunden
hätten. Jüdische Friedhöfe werden nicht aufgelöst, sie bleiben bestehen, bis
die Steine verwittert und versunken sind. Diese Spuren konnte man an den
beiden Friedhöfen in Dlouhý Újezd (deutsch Langendörflas) und Pořejov
(deutsch Purschau) sehr gut erkennen. Die Jugendlichen suchten die Gräber
der Familie Kohner, die noch erhalten sind. Miroslav Křížek, der
Bürgermeister von Langendörflas, begleitete die Exkursion und konnte der AG
einen umfangreichen Stammbaum der Familie mit auf den Weg geben. Auch bei
dem untergegangenen Dorf machte die kleine Gruppe kurz Halt. "
Link zum Artikel |
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Mai 2024:
Verlegung von "Stolpersteinen"
für Ernestine und Karl Kohner
Vgl. - Bericht und Fotos in der Website der Stadt Vohenstrauß:
https://www.vohenstrauss.de/stadt-amp-buerger/stadt/aktuelles/aktuelles/stolpersteinverlegung-in-altenstadt-bei-vohenstrauss
- Bericht und Fotos in der Website der Realschule Vohenstrauß:
https://www.realschule-vohenstrauss.de/stolpersteinverlegung-in-altenstadt/
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Artikel von Christine Ascherl im
"Oberpfalz-Echo" vom 3. Mai 2024: "Erste Stolpersteine im Landkreis
Neustadt/WN: Erinnerung an Geschwister Kohner
Altenstadt bei Vohenstrauß. Erstmals werden im Landkreis Neustadt/WN
Stolpersteine verlegt, die an im Holocaust ermordete Juden erinnern. In
Altenstadt bei Vohenstrauß werden Steine für Ernestine und Karl Kohner
verlegt.
Die Geschwister starben im Alter von 71 bzw. 66 Jahren im Ghetto
Theresienstadt. Ernestine und Karl Kohner hatten ihre Kindheit in Altenstadt
bei Vohenstrauß verbracht. Angestoßen wurde die Stolperstein-Verlegung von
Realschülern aus Vohenstrauß. Sie hatten sich in einem Geschichtsprojekt mit
Lehrerin Doris Thammer und Historiker Dr. Sebastian Schott auf Spurensuche
gemacht.
Verlegung am Montag – Interessierte willkommen. Am Montag, 13. Mai,
11 Uhr, ist es nun so weit. Künstler Gunter Demnig kommt selbst zur
Verlegung in die Weidener Straße nach Altenstadt bei Vohenstrauß. Er ist
Initiator des Projekts Stolpersteine. Interessierte sind herzlich
eingeladen. Das Projekt wird unterstützt durch die Stadt Vohenstrauß, den
Förderverein der Staatlichen Realschule und verschiedene Privatpersonen. Der
Vohenstraußer Bürgermeister Andreas Wutzlhofer ist vor Ort. Eine Delegation
der jüdischen Gemeinde aus Weiden nimmt teil. Werner Friedmann, Vorsitzender
der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Weiden, wird
sprechen. Auch der Bürgermeister aus dem tschechischen Dlouhý Újezd (früher
Langendörflas), Miroslav Křížek, wird erwartet. Die Realschüler sind
ebenfalls eingebunden.
Schüler recherchieren Familiengeschichte. Familie Kohner stammte
ursprünglich aus dem böhmischen Langendörflas im Landkreis Tachau. Sie
siedelte zwischen 1872 und 1874 nach Altenstadt bei Vohenstrauß über. Zwei
der fünf Kinder sind noch in Langendörflas geboren, drei in Altenstadt bei
Vohenstrauß. Die Familie lebte im sogenannten Gilch-Haus, benannt nach der
gleichnamigen Konditorei. Die fünf Kinder (geboren zwischen 1870 und 1878)
verbrachten hier 'eine glückliche Kindheit', so Historiker Schott. Der Vater
Joachim verdiente sein Geld als Hausierhändler auf dem Land. Er verkaufte
den Bauern Kurzwaren und Stoffe. 1882 zog die Familie nach Weiden. Zehn
Jahre später erwarb Joachim Kohner in Weiden das Heimatrecht.
Im Nationalsozialismus schwer gelitten. Von den fünf Kindern blieben
nur Karl und Ernestine in der Oberpfalz, zwei Töchter wanderten noch im 19.
Jahrhundert in die USA aus, eine heiratete nach Franken. Karl Kohner
eröffnete 1906 mit seiner Frau Rosa ein Schnittwarengeschäft am Unteren
Markt. Seine Schwester Ernestine lebte als ledige 'Privatiere' in der
Johannisstraße. Die Familie litt schwer unter dem Nationalsozialismus. Karl
Kohner war wie alle jüdischen Geschäftsinhaber von den Boykottaufrufen der
Nationalsozialisten betroffen. 1938 war seine berufliche Existenz endgültig
vernichtet. Auch in der Reichspogromnacht erlebte die Familie Angst und
Schrecken. Ein brauner Mob wütete in der Innenstadt. Auch Karl Kohner wurde
aus der Wohnung geholt und zur Polizei im Alten Rathaus gebracht.
Abschiedsbrief ist noch erhalten. Historiker Schott verwahrt im
Stadtarchiv Weiden einen Abschiedsbrief von Ernestine Kohner an ihre
Nachbarin und Freundin Maria Reindl in der Johannisstraße. Deren Tochter
Martha Stäudle hat den Brief dem Archiv überlassen. Ernestine Kohner nimmt
darin Abschied: 'Morgen in der Frühe geht es dahin.' Sie glaubt, ins
'Reichs-Altersheim Theresienstadt' zu kommen. Tatsächlich war das 'Ghetto'
Theresienstadt nichts anderes als ein Konzentrationslager. 'Karl Kohner
starb bereits fünf Monate nach seiner Deportation im Februar 1943', hat
Historiker Schott recherchiert (nachzulesen in 'Oberpfälzer Heimat', Band
67). Der Kaufmann wurde 67 Jahre alt. Seine Schwester Ernestine (71) kam im
März 1944 ums Leben.
Ein Sohn kehrt mit US-Army nach Weiden zurück. Karl hatte drei Söhne.
Der mittlere Sohn Siegfried war während der NS-Zeit in Weiden geblieben, er
wurde im Vernichtungslager Majdanek ermordet. Der älteste Sohn Willy war
1940 in die USA ausgewandert; er starb 1985 in Texas. Interessant ist die
Lebensgeschichte des jüngsten Sohnes Justin Kohner (Jahrgang 1912). Er hatte
sich 1932 mit Anfang 20 nach Frankreich abgemeldet. Er schloss sich 1937 der
Brigade von Hans Beimler im Spanischen Bürgerkrieg an. Als dieser verloren
war, kam er zur französischen Résistance, die mit den Alliierten
kooperierte. Nach Kriegsende kehrte Justin Kohner mit der US-Army nach
Weiden zurück. Im Oktober 1945 ermittelte er gegen Tatverdächtige der
Reichspogromnacht."
Link zum Artikel |
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Artikel von Christine Ascherl im
"Oberpfalz-Echo" vom 13. Mai 2024: "Schüler wollen Zeichen setzen: Erste
Stolpersteine im Landkreis Neustadt/WN
Vohenstrauß. In Altenstadt bei Vohenstrauß sind am Montagvormittag
die ersten Stolpersteine im Landkreis Neustadt/WN verlegt worden. Der Anstoß
kam von einer Schülergruppe der Realschule Vohenstrauß. Anna Reil, Lina
Schmal, Sophia Kleber, Anton Bock, Franziska Pschirrer, Sophie Hörig und
Magdalena Gissibl waren dabei, als Katja Demnig aus Berlin die Steine
verlegte. Sie vertrat ihren Mann, Künstler Gunter Demnig, der die Aktion
weltweit 1992 gestartet hatte. Die Schüler wurden von Realschuldirektor
Kilian Graber und ihrer Lehrerin Doris Thammer begleitet.
Nach Deportation nach Theresienstadt gestorben. Wer genau hinsieht,
sieht es jetzt auf dem Gehweg funkeln: Die Messingplatten erinnern an
Ernestine und Karl Kohner. Dabei handelt es sich um Geschwister, die ein
gutes Jahrzehnt ihrer Kindheit in dem Haus in der Weidener Straße 31
verbracht haben. Beide starben im Vernichtungslager Theresienstadt, ebenso
Karl Kohners Ehefrau Rosa und sein Sohn Siegfried. Für sie sind in Weiden
Steine vorgesehen.
Erfreulich: Bei der Verlegung in Altenstadt bei Vohenstrauß säumten – obwohl
Montagvormittag – viele Ehrengäste, aber auch interessierte Zuschauer die
Straße. Auch eine Abordnung der jüdischen Gemeinde aus Weiden war vor Ort.
Aus Tschechien war der Bürgermeister von Dlouhý Újezd (früher Langendörflas),
Miroslav Křížek, gekommen. Bürgermeister Andreas Wutzlhofer zitierte den
Talmud: 'Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.' Die
Stadt Vohenstrauß habe die Stolperstein-Verlegung von Anfang an unterstützt:
'ein deutliches Ja.' Ein Vergessen der schlimmsten Ereignisse der deutschen
Geschichte müsse verhindert werden. Das Thema habe für ihn 'hohe
Aktualität'.
Federführung bei Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.
Federführend bei den Stolperstein-Verlegungen ist die Gesellschaft für
Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Weiden. Für Vorsitzenden Werner Friedmann
ist das individuelle Gedenken wichtig. Der Nationalsozialismus habe die
Identität der Holocaust-Opfer auslöschen wollen. Sie werde ihnen hier wieder
gegeben: 'Ihre Namen werden in die Straßen und Städte zurückgeholt.' Er
honorierte, dass sich die Vohenstraußer Realschüler einbrachten. Auch bei
den Stolperstein-Verlegungen in Weiden 2022 und 2023 engagierten sich
Sophie-Scholl-Realschülerinnen und Pestalozzi-Schüler. In
Weiden sind inzwischen 29
Erinnerungssteine verlegt, weitere folgen im Herbst. Auch aus dem Landkreis
Neustadt/WN gäbe es Anfragen.
Schüler recherchierten im Archiv und in Tschechien. 'Das Thema hat
uns sehr mitgenommen', erinnerte einer der Schüler in einem gemeinsamen
Beitrag. Nationalsozialismus und Judenverfolgung – das gab es weit weg in
München und Berlin. 'Aber bei uns in Vohenstrauß? Wir hatten keine Ahnung,
ob es bei uns einmal Juden gab oder ob unsere Vorfahren Kontakt zu jüdischen
Menschen hatten.' Die Recherchen führten zu Familie Kohner, die aus dem
tschechischen Langendörflas stammte, erst nach Altenstadt bei Vohenstrauß
übersiedelte und sich schließlich in Weiden niederließ. Karl Kohner betrieb
bis zur Reichspogromnacht 1938 ein Schnittwarengeschäft am Unteren Markt.
Die Schüler recherchierten im Stadtarchiv in Weiden bei Historiker Sebastian
Schott. Sie unternahmen auch eine Exkursion nach Langendörflas.
Private Spende einer Vohenstraußerin. Die Vernichtung der jüdischen
Bevölkerung ist für die Jugendlichen immer noch 'unvorstellbar'. 'Wir
möchten ein Zeichen für Demokratie und Frieden setzen.' Unterstützt wurden
die Schüler von Lehrerin Doris Thammer. Die beiden Steine sind durch eine
private Spende der Vohenstraußerin Silvia Bayerl finanziert worden. Ihre
Schwiegertochter Karin nahm am Gedenkakt teil.
Die Geschichte ist nie auserzählt. Stellvertretender Landrat Albert
Nickl war aus seiner Heimatgemeinde Speinshart nach Vohenstrauß gefahren:
'ein besonderer Akt'. Ihn trieb die Frage um, ob es auch im westlichen
Landkreis Holocaust-Opfer zu beklagen gab. Nickl wusste von jüdischen
Mitbürgern, die während der NS-Zeit im Kloster versteckt wurden."
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