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"Synagogen im Kreis Groß-Gerau"
Erfelden (Stadt
Riedstadt, Kreis Groß-Gerau)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Erfelden bestand eine jüdische Gemeinde bis 1937. Jüdische Familien
lebten seit dem 17. Jahrhundert am Ort. Aufgrund der Kriegswirren des
Dreißigjährigen Krieges verlor der damals ansässige Jud Süßkind 1632
seinen gesamten Besitz: das Vieh und sein gesamter Hausrat wurden ihm gestohlen.
Frau und Kinder waren ihm wenigstens geblieben. Auch die Vorfahren der
bekanntesten jüdischen Familie in Erfelden - Familie Sternfels - waren bereits
früh am Ort: der 1705 geborene Itzig der Jud baute 1731 eine Hofreite in
Erfelden.
Bis zum 19. Jahrhundert blieb die Zahl der jüdischen Familien am Ort vermutlich
immer gering. Auch Anfang des 19. Jahrhunderts (1814) waren nur drei jüdische
Familien am Ort. So wurde eine selbständige jüdische Gemeinde erst 1875
in Erfelden begründet. Damals lebten acht jüdische Familien am Ort.
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich im 19. Jahrhundert wie
folgt: 1814 drei jüdische Familien, 1828 25 jüdische Einwohner, 1861 35 (4,3 %
von insgesamt 815 Einwohner), 1880 50 (5,8 % von 866), 1900 44 (4,3 % von
1.9024), 1910 46 (3,9 % von 1.165).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule und
ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof
in Groß-Gerau beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde
war ein Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und
Schochet tätig war. Die Stelle musste häufig ausgeschrieben werden: Lehrer Elias
Lippmann, zu dem ein Artikel vorliegt (siehe unten), war immerhin sechs
Jahre in der Gemeinde (1896-1902). Die jüdische Gemeinde gehörte zum
orthodoxen Rabbinat Darmstadt II.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Gustav Sternfels
(geb. 28.5.1872 in Erfelden, gef. 9.12.1917), Isidor Sternfels (geb. 29.8.1894
in Erfelden, gef. 5.4.1915), Max Sternfels (geb. 10.5.1887 in Erfelden, gef.
13.10.1918, beigesetzt im jüdischen Friedhof
Groß-Gerau).
Um 1924, als noch 26 jüdische Einwohner gezählt wurden (2,1 % von
insgesamt etwa 1.244 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Julius
Sternfels, Max Sternfels und Meier Sternfels. Damals gab es drei schulpflichtige
Kinder in den jüdischen Familien, die ihren Religionsunterricht durch Lehrer
Jakob Strauß aus Griesheim
erhielten (1932: vier Kinder). An jüdischen Vereinen gab es einen Beerdigungsverein
für Erfelden und Umgebung, 1924/32 unter Leitung von Julius Sternfels. 1932
wurden 31 jüdische Einwohner gezählt. 1. Vorsteher der Gemeinde war weiterhin
Julius Sternfels, 2. Vorsteher Isidor Mayer.
Um 1930 lebten die folgenden jüdischen Familien in Erfelden: Familie
Isaak Kahn (Rindsmetzgerei und Viehhandel, Bahnhofstraße 3), Familie Isidor May
(Viehhäutehandlung, Bahnhofstraße 10), Familie Abraham Sternfels (de Itzig,
Pferdehandel, Spezereihandel, Wilhelm-Leuschner-Straße 65), Familie Abraham
Sternfels (Rindsmetzgerei und Spezereihandel, Wilhelm-Leuschner-Straße 40),
Familie Julius Sternfels (Vorsteher der Gemeinde, Manufakturwarengeschäft und
Getreidehandel, Wilhelm-Leuschner-Strasse 18), Familie Simon (Handel mit Vieh,
Butter und Öl, Bahnstraße 22), Martha und Jenny Sternfels (Neugasse 61).
1933 lebten noch 26 jüdische Personen am Ort (2,0 % von 1.292). In
den folgenden Jahren sind alle jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. 1935 waren die jüdischen
Inhaber von Handlungen und Leben gezwungen, ihre Geschäfte zu schließen. 1939 lebten keine
jüdischen Personen mehr am Ort.
Von den in Erfelden geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Selma Fleisch geb. Sternfels (1892), Settchen Joseph
geb. Sternfels (1865), Rosa Loesermann
geb. Sternfels (1871), Adolf Sternfels (1885), August Sternfels (1874), Sally Sternfels
(1900). Rosa (Rusa) Säsermann geb. Sternfels (1871).
Literarische Erinnerung: Der Schriftsteller Ernst
Glaeser (1902-1963 wikipedia-Artikel)
verfasste 1928 den Roman 'Jahrgang 1902'- In diesem beschrieb der
Schriftstellen einen jungen Juden aus Erfelden, seinen 1901 geborenen
Schulfreund Julius Sternfels (Pseudonym Leo Silberstein). Die beiden hatten
gemeinsam die Bürgerschule in Groß-Gerau besucht, die heutige
Prälat-Diehl-Schule. Julius Sternfels war Sohn des Erfelder Manufakturwaren- und
Getreidehändlers Julius Sternfels (geb. 1877, vgl. Anzeige unten).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers, Vorbeters und Schochet 1885 /
1887 / 1889 / 1892 / 1907 / 1909 / 1911
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. August 1885: "Die Stelle
eines Schächters, Vorbeters und Religionslehrers in hiesiger Gemeinde ist
zum sofortigen Eintritt vakant. Fester Gehalt Mark 600. Nebeneinkünfte
ca. Mark 300. Reiseentschädigung wird nicht vergütet.
Erfelden am Rhein, 24. Juli 1885. Der Vorstand." |
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Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Februar 1887: "Ein Lehrer,
Kantor und Schächter wird für unsere Synagogengemeinde gesucht. Gehalt
Mark 550 bei freier Wohnung. Nebeneinkünfte ca. Mark 250. Russen und
Polen sind ausgeschlossen.
Erfelden am Rhein, 31. Januar 1887. Der Vorstand Meier Sternfels I." |
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Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. November 1889: "Die hiesige
Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle soll bis 1. Dezember
dieses Jahres besetzt werden. Gehalt 550 Mark, freie Wohnung und Heizung
und 300 Mark Nebenverdienste. Ledige Bewerber werden bevorzugt.
Erfelden bei Darmstadt. Der Vorstand: Meier Sternfels". |
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Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. August 1892: "Die
Religionslehrer-, Kantor- und Schächterstelle dahier ist sofort zu
besetzen. Gehalt Mark 550. Nebeneinkommen Mark 200 nebst freier Wohnung
und Heizung. Ledige Bewerber wollen Offerten und Zeugnisse an den
Unterzeichneten einsenden.
Erfelden am Rhein, 15. August 1892. Der Vorstand M. Sternfels I." |
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Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. November 1892: "Die
Religionslehrer-, Kantor- und Schächterstelle dahier ist zu besetzen.
Gehalt Mark 550, Nebeneinkommen Mark 300 nebst freier Wohnung und Heizung.
Bewerber wollen Offerten und Zeugnisse einsenden.
Erfelden am Rhein bei Darmstadt, 7. November 1892. Der Vorstand M.
Sternfels I." |
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Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. April 1907: "Die hiesige
Religionslehrer, Kantor- und Schächterstelle ist gleich oder später zu
besetzen. Gehalt Mark 800, Nebeneinkommen mindestens Mark 400, nebst
freier Wohnung und Garten. Seminaristisch gebildete oder geprüfte
Religionslehrer wollen sich unter Einreichung von Zeugnisabschriften
melden. –
Erfelden am Rhein bei Darmstadt.
Der Vorstand: Meier Sternfels I." |
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Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Juni 1909: "Wir suchen gleich
oder alsbald einen geprüften Religionslehrer, Kantor und Schochet. Gehalt
Mark 700, Mark 2-300 garantiertes Nebeneinkommen nebst freier Wohnung.
Bewerbungen erbitten an den Vorstand gelangen zu lassen.
Erfelden bei Darmstadt.
Der Vorstand Meier Sternfels I." |
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Ausschreibung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 15. September 1911:
"Frankfurt am Main. Vakanzen. - Erfelden, Lehrer Kantor
und Schächter per 1. November, Einkommen 1150 Mark; ..." |
Anerkennung für Lehrer Elias Lippmann zum Abschied von Erfelden 1902
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. März 1902: "Erfelden, 14.
Adar. Eine freudige Überraschung wurde heute, am Purim, dem Herrn Lehrer
Elias Lippmann seitens der hiesigen Gemeinde zuteil. Im Namen der Gemeinde
überreichte ihm der erste Vorsteher, Herr M. Sternfels I., einen
prachtvollen silbernen Pokal zum Geschenk. Herr Lippmann war bei unserer
Gemeinde sechs Jahre als Kantor, Schochet und Lehrer tätig und war er als
streng-frommer Jehudi und Sohn der
Tora sowie durch seine treue Pflichterfüllung im Amte, sehr geachtet
und beliebt, und wird sein Scheiden aus der hiesigen Gemeinde allseitig
bedauert. Wir wünschen ihm das beste Glück zum weiteren Fortkommen." |
M. Hall wird als Volksschullehrer definitiv angestellt
(1915)
Meldung
aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. April 1915: "Erfelden,
8. April (1915). Das Großherzogliche Ministerium zu Darmstadt hat Herrn
M. Hall die Rechte eines Volksschullehrers mit definitiver Anstellung
verliehen. Derselbe ist schon seit Monaten an der hiesigen Volksschule
angestellt und unterrichtet in allen Fächern." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. September 1915: "Aus
Hessen. Die hessische Regierung hat in der jüngsten Zeit wieder zwei
jüdischen Religionslehrern die Rechte eines Volksschullehrers verliehen,
so Herrn Kollegen Halle in Erfelden (Starkenburg) und vor einigen
Tagen Herrn Kollegen Bauer in Gedern
(Oberhessen). Ist damit auch der
großen Menge der Religionslehrer nicht geholfen, so hat immerhin die
Regierung ihren guten Willen gezeigt." |
Berichte aus dem jüdischen
Gemeindeleben
Die Gemeinden Wolfskehlen, Goddelau und Erfelden
schaffen gemeinsam einen Leichenwagen an und weihen diesen zur zur Beisetzung
von Salomon Montag aus Goddelau ein (1885)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 13. Januar 1885: "Darmstadt, im Dezember (1885). Es
ist als eine recht erfreuliche Tatsache zu verzeichnen, dass selbst in
kleinen jüdischen Landgemeinden, wo man noch den überlieferten Satzungen
und Bräuchen mit gewissenhafter Treue anhangt, man in jüngster Zeit
bestrebt ist, manchem heiligen Brauche die veraltete Missgestalt
abzunehmen, ihn in ein modernes Gewand zu kleinen und auf diese Weise dem
Sinne für Anstand und Schicklichkeit Rechnung zu tragen. Ein Beispiel
hierzu lieferten dieser Tage die kleinen jüdischen Gemeinden Wolfskehlen,
Goddelau und Erfelden. In
der Provinz Starkenburg bestehen nämlich ungefähr 5 bis 6 israelitische
Friedhofsverbände, von welchen an manchem 10 bis 15 oder gar noch mehr
Landgemeinden partizipieren, und von diesen liegen die meisten stundenweit
von dem gemeinschaftlichen Begräbnisplatze entfernt. Tritt in einer
solchen Gemeinde ein Todesfall ein, so wird der Verstorbene, nachdem sein
Tod vom Arzte konstatiert und die Erlaubnis, ihn zu begraben, erteilt
worden ist, in einen Sarg (Oron) gelegt, dieser auf einen Wagen geladen
und unter Begleitung der Verwandten, Freunde, Glaubensgenossen etc. bis
zum Begräbnisplatze gefahren und daselbst begraben. Dieser Wagen besteht
gewöhnlich in einem sogenannten Leiterwagen, manchmal aber auch in einem
Mistwagen. Eine Leiche, auf einen solchen Wagen gesellt, bietet wahrlich
einen ganz widerlichen Anblick dar, der noch vergrößert wird, wenn
dieselbe stundenlang im Regenwetter transportiert wird. Da haben sich denn
jüngstens die oben erwähnten 3 Gemeinden, deren gemeinschaftlicher
Begräbnisplatz bei dem Kreisstädtchen Groß Gerau liegt,
zusammengeschart, aus eigenen Mitteln die erforderliche Summe Geldes
aufgebracht, und mit dieser einen bedeckten, mit schwarzem Tuche
überzogenen Totenwagen sowie auch einen schwarzen Anzug für den Fuhrmann
angekauft. Herr M. Sternfels aus Erfelden bewilligte
überdies 2 schwarze Decken für die Pferde. Und am Sonntag, den 21.
dieses Monats wurde der erste Tote, Salomon Montag aus Goddelau,
in dieser modernen Bestattungsart zu Grabe gebracht. Sowohl seitens der
Juden wie der Christen wurde diese Neuerung mit Beifall aufgenommen, und
bereitet den dortigen Israeliten desto mehr Ehre, als, wie man hört, die
meisten nicht zu den Reichen gezählt werden können, aber sich dennoch
bereit fanden, dem Fortschritt dieses Geldopfer zu bringen. - Es gibt
allerdings noch viele Orthodoxe, die in solcher Neuerung eine Nachahmung
fremder Sitten erblicken und sie daher für unerlaubt halten. Aber
möchten sie doch des Ausspruches des Talmuds eingedenk sein, dass die
Israeliten zwar die fremden törichten Sitten meiden, dagegen die
vernünftigen und löblichen nachahmen sollen. Und man wird doch
wahrlich die Sitte, die Totenbestattung in einer schönen anständigen
Form zu verrichten und dadurch ihr Ansehen und ihre Wertschätzung zu
erhöhen, zu den löblichen rechnen müssen.
Am Grabe des verstorbenen Salomon Montag hielt Rabbiner Dr. Landsberger
eine ergreifende Rede; während des Leichenzuges läuteten die Glocken der
Kirche." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Auszeichnung für den Vorsteher der jüdischen Gemeinde
Liebmann Stier (1912)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 29. November 1912: "Darmstadt. Liebmann Spier,
1. Vorsteher der israelitischen Religionsgemeinde Assenheim-Bruchenbrücken
und Meier Sternfels I., 1. Vorsteher der israelitischen
Religionsgemeinde Erfelden, erhielten das Allgemeine Ehrenzeichen
mit der Inschrift 'Für langjährige treue Dienste' am Bande des
Verdienstordens. |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige des Manufaktur- und Kolonialwarengeschäftes
Julius Sternfels (1903)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
9. April 1903:
"Lehrlingsstelle
in meinem am Schabbos und Jomtof (Feiertag) geschlossenen Manufaktur- und
Kolonialwaren-Geschäft per 20. April oder 1. Mai unter günstigen
Bedingungen offen. Kost und Logis frei im Hause.
Julius Sternfels, Erfelden am
Rhein." |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst besuchten die jüdischen Einwohner in Erfelden
die Synagoge in Wolfskehlen. An die
Einrichtung einer Synagoge in Erfelden machte
sich die Gemeinde erst nach der Loslösung von der Gemeinde in Wolfskehlen 1875.
Man konnte in der Neustraße das Gebäude einer früheren Bäckerei erwerben,
das zu einer Synagoge umgebaut wurde. Für die Frauen wurde keine Empore
eingebaut, sondern eine Abteilung im Erdgeschoss mit separatem Eingang
eingerichtet. Auffallend sind die Spitzbogenfenster, da gotische Stilelemente im
Synagogenbau sehr selten sind. Das Gebäude hat einen
quadratischen Grundriss und ist nicht unterkellert. Insgesamt handelte es sich bei der Synagoge in Erfelden
um eine charakteristische Dorfsynagoge.
Am 6. Dezember 1877 konnte die Synagoge in Anwesenheit des orthodoxen
Rabbiners von Darmstadt, Dr. Marx eingeweiht werden.
1927 wurde das 50jährige Jubiläum
gefeiert.
Das Synagogengebäude wurde 1937 von der
jüdischen Gemeinde an Philipp Glock III verkauft und wenig später zu einem Wohnhaus umgebaut.
In den Jahrzehnten nach 1945 geriet das ehemalige Synagogengebäude in einen immer schlechteren Zustand.
1989 gründeten
Bürgerinnen und Bürger einen "Förderverein jüdische Geschichte und
Kultus im Kreis Groß-Gerau" , der das Gebäude im Juni 1989 kaufte und in
langwieriger Arbeit von 1989 bis 1993 restaurierte. Im August 1993 konnten die Arbeiten
abgeschlossen werden. Bereits 1991 hatte der Förderverein einen
Denkmalschutzpreis erhalten.
Am 18. Mai 1994 wurde die ehemalige Synagoge als Kultur- und
Begegnungszentrum eingeweiht. An der Feier nahmen auch der hessische
Ministerpräsident Hans Eichel und Landesrabbiner Chaim Lipschitz teil.
(Foto links: Mitglieder des Fördervereines vor der restaurierten
Synagoge; Quelle: Förderverein)
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Adresse/Standort der Synagoge: Neugasse
43
Fotos / Darstellungen
Historischer Plan und Foto
(Quelle: Altaras s.Lit.) |
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Plan zum Umbau der Synagoge
in
ein Wohnhaus (1938) |
Das Synagogengebäude vor der
Restaurierung (1988) |
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Einweihung der
restaurierten Synagoge am 18. Mai 1994
(Foto: Ernst Standhartinger; Quelle)
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Von rechts nach
links: Landesrabbiner Chaim Lipschitz, Ministerpräsident Hans Eichel,
Pfarrer Walter Ullrich (Vorsitzender des Fördervereins), verdeckt:
Landrat Enno Siehr |
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Die ehemalige Synagoge 2007
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 6.7.2007) |
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Das
Synagogengebäude von der Neugasse aus gesehen |
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Veranstaltungshinweis |
Hof rechts der Synagoge |
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Innenaufnahmen
(Quelle: Förderverein)
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Innenraum mit dem
aus der Synagoge in Biebesheim
stammenden Parochet (Toraschreinvorhang) |
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Chanukkaleuchter in einer der
Vitrinen |
Rundfenster |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Mai 2010:
Foto-Ausstellung zu jüdischen Friedhöfen in der
ehemaligen Synagoge |
Artikel in der "Frankfurter Neuen
Presse" vom (Artikel):
"Fotos von jüdischen Friedhöfen
Gerau. Mörfelden-Walldorf/Kreis Groß-Gerau. In der ehemaligen Synagoge von Erfelden zeigen die Fotografen Renate Mollowitz, Heinz Jürgen Huxhorn und Hans-Jürgen Enkelmann vom Fotoclub-Mörfelden Walldorf insgesamt 28 Werke, die sie auf jüdischen Friedhöfen aufgenommen haben.
Die Idee für eine Ausstellung war im vergangenen Sommer in Wageningen entstanden, der holländischen Partnerstadt von Mörfelden-Walldorf, und zwar auf Anregung vom ehemaligen Stadtrat Hans-Jürgen Vorndran, der die Gruppe dorthin begleitete...". |
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Januar 2016:
Gedenkveranstaltung zum
Holocaust-Gedenktag in der ehemaligen Synagoge Erfelden |
Artikel von Anke Mosch in echo-online.de vom
29. Januar 2016: "Riedstadt. Taten von unvorstellbare Monstrosität.
SHOA In der ehemaligen Erfelder Synagoge stellt Walter Ullrich Täter und Opfer gegenüber
ERFELDEN - In einer Shoa-Gedenkveranstaltung stellte Walter Ullrich am Mittwochabend in der ehemaligen Synagoge das Schicksal eines jüdischen Mädchens aus der Ukraine einer Täterbiografie gegenüber.
Einen nachdenklichen Abend wünschte Walter Ullrich, Vorsitzender des Fördervereins jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau, am Mittwochabend den Besuchern der Shoa-Gedenkveranstaltung in der ehemaligen Erfelder Synagoge. Den gab es: Lange, nachdem der Vortragende am Ende der Lesung still seinen Platz verlassen hatte, schauten die Zuhörer erschüttert ins Leere, war niemanden nach Rede zumute..."
Link zum Artikel: Taten von unvorstellbare Monstrosität (Echo Online, 29.01.2016) |
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März 2018:
Jahresversammlung des Fördervereins jüdische
Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau in der ehemaligen Synagoge
Erfelden |
Artikel von Detlef Volk in main-spitze.de
vom 22. März 2018: "Das Gedenken steht beim Förderverein jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau an erster Stelle
ERFELDEN - Gedenktage mit Leben zu erfüllen, das ist eine der Kernaufgaben des Fördervereins jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau.
'Wir bemühen uns, andere Formen des Gedenkens zu finden', sagte Vorsitzender Walter Ullrich in der Hauptversammlung. Dazu kamen am Dienstag 20 Mitglieder in der ehemaligen Synagoge zusammen.
Das Gebäude hat der Verein gekauft und saniert. Es dient als Dokumentationszentrum und Versammlungsraum. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, verbliebene Zeugnisse jüdischer Kultur aufzufinden, zu dokumentieren und die Erinnerung daran
wachzuhalten.
Wichtige Besuche in den Lagern. Ein wichtiger Punkt der Vereinsarbeit sind Besuche in Gedenkstätten. Ullrich schilderte in der Versammlung seine Eindrücke aus Sobibor und Theresienstadt.
'Theresienstadt ist völlig anders', schilderte Ullrich. Die Stadt diente den Nazis als Vorzeigeobjekt.
Beim Gedenktag am 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz, hieß es
'Die Quellen sprechen'. Es wurde eine Auswahl von Dokumenten aus den Jahren 1933 bis 1945 vorgetragen.
Einmal im Jahr wird ein Besuch mit Führung auf dem jüdischen Friedhof in Groß-Gerau angeboten.
Intensiv werde sich mit dem Thema Stolpersteine befasst, so Ullrich. Im Mai wurde der letzte Stolperstein in
Leeheim verlegt, für Erfelden gibt es 35 Steine. Deren Verlegung werde bis 2020 dauern, kündigte der Vorsitzende an. Die Stolpersteine erinnerten nicht nur an Nazi-Opfer, sondern sorgten auch für Diskussionen.
'Ich finde es gut, dass kontrovers geredet wird', so Ullrich. Kritisch sieht er allerdings die Verweigerung in
Biebesheim, Dornheim, und
Wallerstädten, mit teilweise kuriosen Begründungen.
'Die wollen an die Sache nicht ran', bedauert Ullrich. Die Stolpersteinverlegungen hatten für den Verein sogar einen positiven Effekt. Aus den Arbeitsgruppen kamen Monika Kraft
(Crumstadt) und Pia Kramer (Groß-Gerau) zum Förderverein. Sie wurden am Dienstag einstimmig als Beisitzerinnen gewählt.
Nach der Bundestagswahl gebe es jetzt ein neues Feld der Auseinandersetzung.
'Die Geschichte hört nicht auf', sagt Ullrich. Er spielte deutlich auf die AfD an, ohne ihren Namen zu erwähnen.
Zum Abschluss der Versammlung ging Ullrich auf die Gedenkstunde der Kornsandmorde ein. Nachkommen der Opfer seien traumatisiert, da sie den Tätern oder deren Nachkommen auf der Straße begegneten. Außerdem litten sie unter der Missachtung ihrer Mitbürger in Nierstein. Der Gedenkstein sei als authentischer Ort wichtig."
Link
zum Artikel
Das Gedenken steht beim Förderverein jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau an erster Stelle (Main-Spitze, 22.03.2018) |
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Oktober 2018:
Erste Verlegung von
"Stolpersteinen" in Erfelden |
Artikel von Ute Sebastian in "echo-online.de"
(Regional Ried-Echo) vom 29. Oktober 2018: "In Erfelden werden die ersten
neun Stolpersteine verlegt.
Mit Gedenksteinen, die jetzt im Bürgersteig der Bahnstraße liegen, erinnern
Stadt Riedstadt und Förderverein für jüdische Geschichte an die Familien
Kahn und Sternfels.
ERFELDEN - Am Samstag hat der Kölner Künstler Gunter Demnig in
Erfelden an zwei Standorten neun neue Stolpersteine verlegt. Damit wanderte
das Gedenk-Projekt erstmals in den Stadtteil Erfelden, wo die jüdische
Gemeinde in den 20er Jahren verhältnismäßig groß war. Die dank des
Fördervereins für Jüdische Geschichte und Kultur aufwendig restaurierte
Synagoge in der Neugasse ist lebendiges Zeichen für das ehemals aktive
jüdische Leben im Ort. Zusätzlich werden nun die kleinen Betonwürfel mit den
Messingtafeln an jene Menschen erinnern, die in der Zeit des
Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den
Suizid getrieben wurden. Die Gedenkfeier fand in der Rheinstraße vor der
'Krone' statt, denn vor den betroffenen Anwesen in der Bahnstraße wäre zu
wenig Raum dafür gewesen.
Der behinderte Max Kahn stirbt in der Tötungsanstalt. Bürgermeister
Marcus Kretschmann zeigte sich in seinem Grußwort erschüttert über die
aktuellen Geschehnisse in Deutschland, insbesondere in Chemnitz, wo nach
einem Tötungsdelikt aus Rassenhass Jagd auf Ausländer, Polizei und
Journalisten gemacht wurde. Er forderte: 'Wir sollten fast 80 Jahre nach dem
Nazi-Terror nicht mehr derart verführbar sein.' Er erinnerte aber auch
daran, dass die Verbrechen der Nationalsozialisten nur möglich waren, weil
Menschen, die anders waren, von der breiten Bevölkerung ausgegerenzt und zu
Sündenböcken gemacht wurden. Diese Neigung hätten die Menschen immer noch.
Ausgegrenzt wurde auch die Familie von Issak Kahn, der einst in der
Bahnstraße 3 eine Rindsmetzgerei mit Viehhandel betrieb. Wegen
anti-jüdischer Repressalien blieben ab 1932 die Kunden aus. Keiner kaufte
mehr bei Juden. Die sechsköpfige Familie musste schließlich 1936 das Haus
verkaufen und floh nach Nashville/Tennessee. Mitglieder der Projektgruppe
für die Stolpersteinverlegungen berichteten bei der Gedenkfeier auch über
das Schicksal einzelner Familienmitglieder. Besonders hart traf es den
behinderten Sohn Max, der mit zwölf Jahren in eine Heil- und Pflegeanstalt
kam. Von dort aus wurde er 1941 in die 'Tötungsanstalt' Hadamar deportiert
und dort ermordet. Sein Stolperstein soll zu einem späteren Zeitpunkt
verlegt werden, da die biografischen Daten noch von Hadamar bestätigt werden
müssen.
DIE AKTION: In Riedstadt und Gernsheim hatten die Stadtverordneten im
Jahr 2012 beschlossen, sich an der Aktion 'Stolpersteine gegen das
Vergessen' des Kölner Künstlers Gunter Demnig zu beteiligen. Dabei werden
auf dem Gehweg vor dem letzten frei gewählten Wohnsitz von Opfern des
Nationalsozialismus Gedenksteine eingelassen. Nur wenige Meter weiter, in
der Bahnstraße 22, wohnte bis zu seinem Tod 1933 Simon Sternfels II.
Er lebte vom Handel mit Vieh, Butter und Öl und besaß dafür einen Planwagen,
mit dem er auch die Erfelder Handballer des Turnvereins zu ihren Spielen
fuhr. Der Mann war also – wie vermutlich auch seine Familie – fest in die
Ortsgemeinschaft eingebunden. Ab 1933 gingen auch die Einkünfte seiner
Familie wegen des Boykotts jüdischer Geschäfte massiv zurück. Am 23. März
1936 wurde der Sternfelssche Besitz schließlich zwangsversteigert. Dem
älteren Sohn Isidor war bereits 1936 die Flucht nach Buenos Aires gelungen.
Der jüngste Sohn Sigismund musste mit seiner Mutter Rosa nach Frankfurt in
ein sogenanntes Judenhaus ziehen. Auch er konnte noch 1936 flüchten – nach
New York. Rosa Sternfels blieb jedoch in Frankfurt und musste ab 1941 den
Judenstern tragen. Am 1. September 1942 wurde sie nach Theresienstadt
deportiert und dort am 26. September ermordet."
Link zum Artikel |
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März 2019:
Zweite Verlegung von
"Stolpersteinen" in Erfelden |
Artikel in der "Bürstädter Zeitung" vom
14. März
2019: "13 neue Stolpersteine erinnern in Erfelden an drei Familien
Sie wurden vertrieben oder ermordet, die Mitglieder der Familien
Sternfels. Am 25. März verlegt Künstler Gunter Demnig die Stolpersteine.
Insgesamt sind es dann 121 in Riedstadt.
ERFELDEN. Sie waren anerkannte Geschäftsleute, Nachbarn oder
Schulfreunde. Erst von der Nazi-Ideologie verblendete Menschen sorgten in
den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts dafür, dass die Juden auch in
Erfelden verfolgt, zur Flucht getrieben oder gar ermordet wurden. Mit ihrer
Synagoge in der heutigen Neugasse bereicherte die jüdische Gemeinde Erfelden
bis zur vollständigen Auslöschung das gesellschaftliche Leben.
Am Montag, 25. März, um 15.30 Uhr, werden zum zweiten Mal
Stolpersteine im Riedstädter Stadtteil verlegt, um an das Schicksal dreier
jüdischer Familien zu erinnern, die alle Sternfels heißen. Der Kölner
Künstler Gunter Demnig will 13 Stolpersteine vor drei Häusern in der
Wilhelm-Leuschner-Straße verlegen. Die Riedstädter Projektgruppe hat die
Lebensschicksale der 'verschwundenen Nachbarn' recherchiert. Bereits im
Oktober 2018 waren in dem Stadtteil neun Steine verlegt worden. Insgesamt
wird es dann in Riedstadt 121 Gedenksteine geben, erläutert der städtische
Pressesprecher Rainer Fröhlich. Mit einer weiteren Gedenksteinverlegung im
Herbst werde das im Februar 2014 begonnene Projekt beendet. In der
Wilhelm-Leuschner-Straße 18 betrieb Julius Sternfels ein Geschäft
für Manufakturwaren. 1899 heiratete er Frieda Bruchfeld aus
Crumstadt und bekam mit ihr zwei Söhne,
Siegfried und Ludwig. Durch den Boykott von jüdischen Geschäften musste
Julius Sternfels Mitte 1936 sein Geschäft aufgeben. Er verkaufte alles zu
Schleuderpreisen und zog nach Frankfurt. Siegfried starb früh. Ludwig stieg
1924 in das Geschäft seines Vaters in Erfelden ein. 1932 heiratete er
Elisabeth Theresia Levi aus Haßloch in
der Pfalz. Das Paar zog nach Haßloch, wo Tochter Luci geboren wurde. Am 7.
Oktober 1936 gelang der jungen Familie die Flucht über Genua mit dem Dampfer
Dunlio nach Kapstadt. Die Familie wohnte in Johannesburg und Ludwig
eröffnete dort 1940 ein eigenes Geschäft. Doch erst nach 1945 verbesserten
sich seine finanziellen Verhältnisse. Die Eltern Julius und Frieda
flüchteten ebenfalls und lebten bis zu ihrem Tod in Johannesburg.
August Sternfels, der in der Wilhelm-Leuschner-Straße 40
wohnte, wurde dagegen am 10. November 1938 bei der Reichspogromnacht
inhaftiert und ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht. 1942 kam er nach
Theresienstadt, wo er am 27. Dezember 1942 ermordet wurde. Seine Frau
Helene, geborene Fuld aus Schaafheim,
war schon 1935 gestorben. Den vier überlebenden Kindern Arthur, Selma, Irma
und Kary gelang die Flucht nach Amerika. Kary Sternfels, verheiratete
Schönfeld, kam Jahre später nach Deutschland zurück und starb mit 101 Jahren
in Frankfurt. An der dritten Adresse, Wilhelm-Leuschner-Straße 65,
wohnten Abraham Sternfels IV. mit Frau Janette und drei Söhnen.
Die Feierstunde im Hof der Stiftung Soziale Gemeinschaft Riedstadt
(Wilhelm-Leuschner-Straße 21) moderiert der Vorsitzende des Fördervereins
für Jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau, Walter Ullrich. Auch
Bürgermeister Marcus Kretschmann wird sprechen."
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April 2019:
Schüler spenden "Stolperstein" für
Max Kahn |
Artikel von Dirk Winter in "echo-online.de"
vom 13. April 2019: "Schicksal von Max Kahn soll Mahnung sein. Schüler
der Klasse 10e der Riedstädter Martin-Niemöller-Schule spenden Stolperstein
für den in Hadamar ermordeten Jugendlichen.
ERFELDEN - 'Hier wohnte Max Kahn, Jahrgang 1924, ermordet 7.2.1941':
Eine Messingplatte auf einem zehn Kubikzentimeter großen Pflasterstein
enthält unter anderem diese Gravur. Es ist ein 'Stolperstein gegen das
Vergessen', ein Projekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig. Eingelassen
wurde der Betonquader im Bürgersteig vor dem Gebäude in der Erfelder
Bahnstraße 3 – dem letzten frei gewählten Wohnort der Kahns. Für weitere
Mitglieder der Familie Isaak und Paula Kahn, die 1936 vor den antijüdischen
Repressalien im Nazi-Deutschland nach Nashville (USA) floh, sind dort im
Oktober 2018 bereits solche Erinnerungssteine verlegt worden. Jener für Max
folgte erst jetzt, weil damals noch nicht all seine Lebensdaten vorlagen. Er
wurde nur 16 Jahre alt. Der behinderte Junge musste sterben, weil er den
Nationalsozialisten in ihrem Rassenwahn als 'lebensunwert' galt. Geistig
Behinderte und psychisch Kranke wurde der 'Gnadentod gewährt', wie es Hitler
in einer Tötungsermächtigung verharmloste. Auch Max Kahn geriet in dieses 'Euthanasie'-Programm.
Also wurde er nach Aufenthalten in Heimen und der sogenannten
Zwischenanstalt Weilmünster nach Hadamar transportiert, um dort in der
Gaskammer der Tötungsanstalt umgebracht zu werden. Schüler der Klasse 10e
der Riedstädter Martin-Niemöller-Schule (MNS) haben nicht nur seine
Biografie recherchiert, sondern auch die 120 Euro kostende Patenschaft für
den Stolperstein übernommen. Die Gedenkveranstaltung umrahmte
MNS-Musiklehrer Reiner Schuchmann mit Klezmermusik. Die Klasse 10e machte
deutlich, wie sehr Nazi-Schergen ihre späteren Opfer zu entmenschlichen
suchten. Aus Menschen wurden Nummern, mit Filzstift auf den Körper
geschrieben. Von Wert waren ihren Henkern nur noch Goldzähne, die den
Leichen herausgebrochen wurden. MNS-Schulleiter Martin Buhl sagte: 'Das
Schicksal von Max und allen anderen Opfern der MS-Diktatur muss uns auch
heute Mahnung sein, dass jeder Mensch das Recht auf Leben und Angenommensein
hat. Und das vollkommen unabhängig von Hautfarbe, Herkunft, Religion,
Beeinträchtigungen oder Besonderheiten.' Buhl sieht jeden in der heutigen
Gesellschaft gefordert, achtsam zu sein, dass dieses Recht gewahrt bleibt.
Und deshalb sprach er sich ausdrücklich gegen rechtspopulistische Positionen
aus, die 'Menschenrechte und damit unsere offene, freiheitliche Demokratie'
infrage stellen. Die Geschichte von Max Kahn und der Stolperstein, der an
ihn erinnert, solle unter anderem eines vor Augen führen: Dass sich die
Barbarei der Nazi-Herrschaft niemals wiederholen dürfe. Dies sei eine
gesellschaftliche Verantwortung. 'Erinnerung soll wachsam halten, das ist
auch eine Aufgabe der Schule', sagte Erster Stadtrat Albrecht Ecker (SPD).
Deshalb freue es ihn besonders, dass sich die Klasse 10e im Unterricht mit
der Thematik beschäftigt habe. Dazu gehörte auch ein Besuch der Gedenkstätte
Hadamar, wo 15 000 Menschen den Euthanasie-Verbrechen der Nazis zum Opfer
fielen. Am Projekt 'Stolpersteine' beteiligt sich Riedstadt seit 2012, wie
Ecker ausführte. Die Organisation und Koordination habe die Stadt dem
Förderverein jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau übertragen.
'Mit den Stolpersteinen bekommt die Erinnerungskultur ein ganz neue
Qualität', sagte Ecker: 'Sie sind da, wo Menschen jeden Tag unterwegs sind,
und meistens mitten in der Stadt.'"
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Oktober 2019:
Vorerst letzte Verlegung von
"Stolpersteinen" in Erfelden |
Artikel in "echo-online.de" vom 18. Oktober
2019: "Vorerst letzte Stolpersteinverlegung in Erfelden. Gunter Demnig
verlegt am 26. Oktober in Erfelden Stolpersteine für die beiden Schwestern
Sternfels und die Familie May.
EERFELDEN - (red). Die Schwestern Jenny und Martha Sternfels sind
in Erfelden aufgewachsen und führten gemeinsam das von den Eltern geerbte
Geschäft mit Kolonial-, Glas- Haushaltswaren und Versicherungen in der
heutigen Neugasse 61. Doch ab dem Jahr 1933 wurde das Geschäft
boykottiert und die jüdischen Schwestern schikaniert. Nun werden für die
beiden Frauen, die 1934 ihr Geschäft verkaufen und 1935 nach Tel Aviv in
Palästina fliehen mussten, am Samstag, 26. Oktober, in Erfelden zwei
Stolpersteine verlegt. Die Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunter Demnig
erinnern inmitten früherer Wohnorte an die Opfer des Nationalsozialismus,
die ausgegrenzt, verfolgt, zur Flucht getrieben oder ermordet wurden.
Jenny arbeitete in Palästina als Hausangestellte. Sie heiratete den Tischler
Erich Elijah Hammerstein und bekam mit ihm drei Kinder. Nach drei
Schlaganfällen in drei Jahren starb sie im Jahr 1948.
Ihre Schwester Martha vertrug die Hitze in Tel Aviv nicht und erkrankte an
Gelbsucht. Ihre erste Ehe mit Rudolf Erich Germersheimer wurde geschieden.
1943 heiratete sie den Gärtner Otto Shimon Stern. Aus dieser Ehe gingen zwei
Kinder hervor: Sohn Ilam Alexander und Tochter Nomi Frida, geboren 1944 und
1950 in Tel Aviv. Martha Stern, geborene Sternfels, starb am 6. August 1987
in Tel Aviv.
Demnig wird am 26. Oktober außerdem auf der Bahnstraße 10 vier
Stolpersteine für die Familie May verlegen. Dort wohnte Isidor May mit
Ehefrau Selma und den Kindern Elsa (geboren 1919) und Max (geboren 1921) und
betrieb ein Geschäft mit Lagerhalle für Viehhäute. Bereits 1936 verkaufte er
Hofreite mit Geschäft sowie die Lagerhalle und emigrierte 1937 in die USA,
nach Nashville, Tennessee. In den USA arbeitete der bis zu der
Judenverfolgung erfolgreiche Geschäftsmann Isidor May in der Sockenfabrik
May Hosiery Mills in Nashville und fegte dort Böden. Isidor May starb 1955,
die Ehefrau Selma 1979. Tochter Elsa arbeitete zunächst in Nashville und
verrichtete Schreibarbeiten. Später zog sie nach Chicago, wo sie ihren
späteren Ehemann John Herzfeld kennenlernte. John ging zur US Armee und das
Paar zog mehrmals innerhalb des Landes um. Im Frühjahr 1944 wurde John im
Kriegsgebiet im Pazifik stationiert und die schwangere Elsa kehrte zu ihren
Eltern nach Nashville zurück, wo ihr Sohn Bob im Oktober 1944 geboren wurde.
Elsa und John lebten bis 1996 in Nashville, dann zogen sie nach Montgomery,
Alabama, wo auch Sohn Bob lebte. John starb 2003, Elsa 2012. Max zog
ebenfalls nach Chicago und ging zur US Armee. Nach Kriegsende kehrte er nach
Nashville zurück. Er arbeitete dort zunächst als Einkäufer für Kaufhäuser
und zog dann nach Memphis, Tennessee. Er heiratete die Holocaustüberlebende
Rosemary Cremer, zog 1960 wieder nach Nashville zurück und eröffnete ein
Bekleidungsgeschäft. Sie hatten zwei Kinder, Rick und Emily. Max starb 1973,
Rosemary 1998.
Mit der Veranstaltung wird das Projekt in Riedstadt nach elf
Verlegeterminen mit Demnig weitgehend abgeschlossen. Vermutlich im
Frühjahr 2020 soll vor der ehemaligen Synagoge in Erfelden noch eine Art
Schiene mit Hinweis auf die religiöse Stätte in den Bürgersteig eingelassen
werden."
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 166. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 137. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 116-117. |
| Angelika Schleindl: Verschwundene Nachbarn.
Jüdische Gemeinden und Synagogen im Kreis Groß-Gerau. Hg. Kreisausschuss
des Kreises Groß-Gerau und Kreisvolkshochschule. Groß-Gerau 1990. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 170-171. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 81-82. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Erfelden
Hesse. Twenty-five Jews were living there in 1828, but the community was
not established until 1875, when it numbered around 50 (6 % of the total). Most
Jews left before 1937.
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