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Friedhöfe in Bayern"
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Davidstern und Symbol des abgeknickten jungen Baumes
auf dem Grabstein von Gontarz Sala
Feldafing (Kreis
Starnberg)
Jüdische Geschichte / DP-Lager /
Jüdischer Friedhof
(erstellt unter Mitarbeit von Otmar Frühauf, Breitenthal)
Zur jüdischen Geschichte in Feldafing
In Feldafing gab es zu keiner Zeit - ausgenommen
zwischen 1945 und 1953 die unten beschriebene DP-Gemeinde - eine jüdische
Gemeinde.
Im 19./20. Jahrhundert lebten zeitweise wenige jüdische Personen am Ort.
Das Gedenkbuch des Bundesarchives Berlin nennt zu jüdischen Opfern der NS-Zeit
aus Feldafing:
- Emma Betty Charlotte Bonn (geb. 5. Februar 1879 in New York als
Tochter des Bankier Wilhelm Bonn und seiner Frau Emma geb. Heidelbach, siehe
Wikipedia-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Bonn, lebte seit 1913 als
Schriftstellerin in Feldafing. Sie war seit Jahren schwerkrank und seit 1929
bettlägerig. Am 30. Mai 1942 wurde sie von Feldafing über München in der Ghetto
Theresienstadt deportiert, wo sie am 24. Juni 1942 umgekommen ist. Ihr
literarisches Werk wurde u.a. von Thomas Mann geschätzt und gelobt. Sie schrieb
unter anderem den biographischen Roman "Das Kind im Spiegel".
Siehe Seite in der Website der Gemeinde Feldafing über die "Villa Bonn" in
Feldafing Dr.-Appelhans-Weg 2:
https://www.feldafing.de/index.php/tourismus-in-feldafing/sehenswuerdigkeiten/roseninsel/32-tourismus/rundgang/zwischen-kirche-und-park/225-villa-bonn
Weitere Informationen mit Nennung von Werken der Schriftstellerin siehe
http://altneu.han-solo.net/osfia/tng_wordpress/getperson.php?personID=I12704&tree=Hohenems
Dazu eine Seite des Kunst- und Museumsvereins Starnberger See e.V.: "Hörbuch
"Das Kind im Spiegel' von Emma Bonn:
https://kmv-starnberger-see.de/portfolio/kmv-hoerbuch/
Dazu werden im Gedenkbuch des Bundesarchivs an Opfern genannt (weitere
Informationen liegen nicht vor):
- Simon Jaskowitz (geb. 17. November 1923 in Minsk/Russland),
wohnhaft in Feldafing, Todesdatum 1. Mai 1945.
- Rosa Schochet (geb. 8. Juli 1875 in Wien).
Zur Geschichte des DP-Lagers und des Friedhofes
Vom Mai 1945 bis März 1953 gab es
auf dem Gelände der ehemaligen Reichsschule der NSDAP ein jüdisches Camp (DP-Camp
Feldafing), in dem befreite KZ-Opfer lebten, die auf ihre Auswanderung nach
Israel oder in andere Länder warteten. Es handelte sich mit gleichzeitig bis zu
6.000 Personen um das größte DP-Lager der amerikanischen Zone (November 1945
3.500 Bewohner, August 1946: 4.200, September 1947: 4.034, Oktober 1948: 2.887). Das Lager stand
unter Selbstverwaltung und verfügte über eine Vielzahl kultureller
Einrichtungen (Kindergarten, Volksschule, Berufsschule, Bibliothek, Theater),
religiöser Einrichtungen (Synagoge, Religionsschule, Koschere Küche, Jeschiwa,
rituelles Bad) und sogar über eigene Währung, dem Feldafinger
Dollar.
Informationen siehe http://www.after-the-shoah.org/feldafing-juedisches-dp-lager-jewish-dp-camp/
Besuch von General Eisenhower im Lager Feldafing (1945)
Artikel in der Zeitschrift "Der Aufbau"
vom 28. September 1945: "General Eisenhower inspiziert die
jüdischen Lager.
General Dwight D. Eisenhower befindet sich laut Bericht des
Nachrichtendienstes der amerikanischen Armee in der amerikanisch besetzten
Zone Deutschlands auf einer Inspektionsreise durch die Lager für die 'displaced
persons', in denen viele Juden einstweilen noch konzentriert sind. Er
unternimmt diese Inspektion, wie der erwähnte Nachrichtendienst angibt,
auf Ersuchen des Präsident Truman.
In dem Bericht wird auch die interessante Tatsache enthüllt, dass General
Eisenhower zusammen mit General Patton Ehrengäste beim Jom
Kippur-Gottesdienst im Lager Feldafing, das 5000 Juden beherbergt, gewesen
sind. Eisenhower hat den Internierten, wie der Bericht hervorhebt, selber
erklärt, er besuche das Lager auf Anregung von Präsident Truman, um ein
wahres Bild der Lebensbedingungen der Juden in Deutschland zu gewinnen.
Der amerikanische Oberkommandierende versicherte gleichzeitig den
Insassen, dass alles Erdenkliche geschehen werde, um ihnen jene Sicherheit
zu geben, die die Juden nach so vielen Jahren härtester Prüfungen
verdient hätten". |
Die zwischen 1945 und 1953 meist auf Grund der Folgen der KZ-Zeiten Verstorbenen wurden
auf einem neben dem christlichen Friedhof angelegten jüdischen Friedhof
beigesetzt. Besonders in der ersten Zeit des Lagers starben viele Personen
(Mai/Juni 1945), auch auf Grund einer damals ausgebrochenen Typhus-Epidemie. Ein Denkmal mit der
(nicht korrekten) Inschrift ist vorhanden: "Hier ruhen
unzählige Opfer jüdischen Glaubens. Sie wurden in den Jahren 1933-1945 durch
Nazischergen ermordet".
Auf dem Friedhof sind nach den im Standesamt Feldafing vorhandenen Listen 112 Gräber vorhanden.
Doch wurden nach neueren Forschungen der Historikerin Marita Krauss hier
mindestens 158 Menschen beigesetzt. Bei 130 Gräber kann eine namentliche
Zuordnung vorgenommen werden. Auf zwei Gräbern sind noch Namen erkennbar (siehe
Fotos unten), wobei es sich um KZ-überlebende Frauen handelte, die bei einem
Autounfall ums Leben kamen. Auffallend sind zwei Grabhäuschen; in einem könnte
Rabbi Baruch Hakohen beigesetzt worden sein.
Der Friedhof wurde am 1.
Oktober 1950 vom Präsidenten des Landesentschädigungsamtes Philipp Auerbach als
"KZ-Ehrenhain" eingeweiht.
Das Friedhofsgrundstück ist von einer Mauer mit schmiedeeisernem Tor und von
Hecken umgeben. Der Friedhof macht nur auf den ersten Blick einen gepflegten
Eindruck. Zahlreiche ursprünglich stehende Grabsteinplatten liegen im Gras,
einzelne Grabsteine sind nicht mehr am ursprünglichen Grabplatz. Viele
Grabsteine sind stark verwittert und unlesbar geworden.
Die Sanierung des Friedhofes wird 2024/25 auf Grund eines vom Landesamt
für Denkmalschutz und Vertretern des Landesverbandes der bayerischen
israelitischen Gemeinden erarbeiteten Sanierungskonzeptes vorgenommen. Die
Sanierung wird mit Fördermitteln aus einem Denkmalschutzprogramm des Bundes
sowie über Stiftungen und Zuschüssen von Seiten der Gemeinde Feldafing
finanziert. Die Tafel des bisherigen Gedenksteines im Eingangsbereich wird
durch eine neue ersetzt, wobei die bisherige Tafel eingelagert wird.
Hinweis auf Fotos aus dem DP-Camp Feldafing
(Quelle: United States Holocaust Museum)
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Eine der Baracken im
DP-Camp Feldafing |
Talmud-Tora-Schule unter
Leitung von Rabbinern |
Auf dem Weg zur
Beisetzung
eines Verstorbenen |
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Hinweis: das
United States Holocaust Museum
verfügt über eine größere Anzahl von Fotos aus Feldafing. Sie können
eingesehen werden über die Eingabe des Suchbegriffs "Feldafing"
auf der entsprechenden Seite
mit Suchfunktion der Website. |
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Vgl. Artikel von
Katja Sebald in der "Süddeutschen Zeitung" vom 30. April 2020: "Lager für
Displaced Persons in Feldafing: Aufbruch ins Leben
Tibor Diamantstein wurde bei Tutzing aus einem Todeszug befreit und als
einer der ersten Bewohner ins DP-Lager nach Feldafing gebracht. Der
renommierte Immunologe wollte nie als Holocaust-Überlebender definiert
werden. Seine Tochter Eva erforschte die Geschichte des Ortes.
'Ich wollte den Deutschen zeigen, dass ich ein Mensch bin', antwortete Tibor
Diamantstein kurz vor seinem Tod auf die Frage seiner Tochter, warum er in
Deutschland geblieben war. Er hatte mehrere Konzentrationslager überlebt und
wurde am 30. April 1945 von amerikanischen Soldaten bei Tutzing aus einem
Häftlingszug befreit. Der damals 16-Jährige gehörte zu den ersten Bewohnern
des Lagers Feldafing für sogenannte Displaced Persons (DP) - Menschen, die
durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft und den Krieg ihre Heimat
verloren hatten. Im Jahr 2000 kam seine Tochter Eva Diamantstein als
Stipendiatin ins Künstlerhaus Villa Waldberta nach Feldafing, um an ihrem
Theaterstück 'Nachtmahl' zu arbeiten, einem Projekt über NS-Täterinnen. Sie
blieb ein Jahr, recherchierte zur Geschichte des Ortes und suchte nach
Zeitzeugen. Rückblickend sagt sie: 'Es war für mich, als ob sich ein Kreis
schließt.'..."
Link zum Artikel (mit Fotos) https://www.sueddeutsche.de/muenchen/starnberg/feldafing-lager-displaced-persons-holocaust-1.4892740
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Artikel von Katja
Sebald in der "Süddeutschen Zeitung" vom 1. Mai 2020: "Lager für
Displaced Persons in Feldafing: Ignorierte Weltgeschichte
Von Ende April 1945 an kommen jüdische KZ-Häftlinge in Feldafing unter.
Eisenhower und Ben-Gurion besuchen das Camp, der junge Leonard Bernstein
dirigiert dort ein Konzert. Doch bisher hat es noch keine Gedenkfeier der
Gemeinde gegeben.
'Ich wurde in Bayern befreit, zwischen Tutzing und Feldafing', erinnert sich
Ernest Landau. Der 1916 in Wien geborene Journalist hatte mehrere
Konzentrationslager überlebt. 'Wir befanden uns gerade auf einem Transport,
der irgendwo ins Tirolische gehen sollte, glaube ich, jedenfalls in die
Berge, in eine sogenannte Werwolfstellung. Aber so weit kam es nicht. Es war
der 1. Mai, der Abend des 1. Mai 1945, wir befanden uns zwischen Tutzing und
Seeshaupt, auf der Bahnstrecke, in einem Zug, der aus lauter Güterwaggons
bestand. Ungefähr hundert Menschen waren in jedem dieser Waggons
eingepfercht.' Es war wohl nicht der 1. Mai, sondern der Abend des 30.
Aprils 1945, als amerikanische Soldaten Ernest Landau und seine
Mitgefangenen befreiten. Sie wollten die völlig entkräfteten, kranken oder
schwer verletzten Menschen zunächst in Tutzing unterbringen, wurden dann
aber auf die leer stehenden Gebäude der 'Reichsschule der NSDAP' in
Feldafing aufmerksam gemacht. Dort richteten sie eines der ersten Lager für
sogenannte Displaced Persons (DP) ein - Überlebende des Holocaust, die durch
die nationalsozialistische Gewaltherrschaft und den Krieg entwurzelt waren.
Sie fanden noch die Kleidung der NS-Schüler in den Schränken. Erst 75 Jahre
danach hätte es am Wochenende vom 8. bis zum 10. Mai die erste
Gedenkveranstaltung zur Gründung des DP-Lagers geben sollen - das Programm
fällt nun wegen der Corona-Pandemie aus. Federführend für die Organisation
war ein Arbeitskreis um die Feldafinger Historikerin Eva-Maria Herbertz und
die Künstlerin Claudia Sack. Herbertz hatte auch ein Projekt mit Schülern
der Gymnasien in Tutzing und Starnberg angestoßen, das nun ebenfalls auf Eis
liegt. Sack hatte über verschiedene Netzwerke Kontakt zu einigen der
insgesamt 750 Menschen aufgenommen, die zwischen 1946 und 1951 im DP-Lager
geboren wurden. Einige der ehemaligen 'Feldafing-Babys', die heute in den
USA und in Israel leben, wollten mit ihren Familien kommen. 'Wir haben
ungefähr 15 Gäste erwartet', sagte Sack..."
Link zum Artikel (mit Fotos) |
Lage des Friedhofes
Im Norden von Feldafing, unmittelbar beim allgemeinen Friedhof: am Ende der
Friedenstraße links hinter dem Verwaltergebäude (hier auch Parkmöglichkeit)
Link zu den Google-Maps
(der Pfeil markiert die Lage des
Friedhofes)
Größere Kartenansicht
Fotos
(Fotos: Otmar Frühauf, Breitenthal, Fotos vom Juli 2010)
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Aufgang zum
Friedhof |
Weg zum Mahnmal |
Blick vom Friedhof
auf Feldafing |
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Mahnmal
mit alter Inschrift: "Die friede- und heimatlos - nun ruhen - in
Abrams Schoß" und
Inschriftentafel: "Hier ruhen
unzählige Opfer Jüdischen Glaubens.
Sie wurden in den Jahren 1933-1945 durch Nazischergen ermordet".
Die Inschrift ist
missverständlich, da die auf dem Friedhof Beigesetzten
erst 1945 und danach an den
erlittenen furchtbaren Strapazen bzw. auf
Grund der Haftfolgen gestorben sind. |
Blick vom
Friedhof
auf Feldafing |
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Teilansicht |
Gräberfeld mit
kleinen Grabplatten |
Weg durch den
Friedhof |
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Teilansicht |
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Umgestürzte
Grabsteine |
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Teilansicht
des sich in insgesamt schlechtem Zustand befindlichen Friedhofes |
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Einzelne
Grabsteine; viele der ursprünglich stehenden Grabsteine liegen auf dem
Boden,
wodurch der Verwitterungsprozess noch beschleunigt wurde. |
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Einzelner
Grabstein |
Teilansicht |
"Verschwundene"
Grabsteinplatte |
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Teilansicht |
Grabmal
für den Rabbiner (Gaon) Baruch Bar David HaKohen Kaplan
mit "segnenden Händen" der Kohanim |
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Einzelne
Grabsteine |
Grabstein
für Renia Fizhman
(1922 - 4.10.1945) |
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Grabstein für
Gontarz Sala
(1926 - 4.10.1945) |
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Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
Juli 2020:
Über den jüdischen Friedhof in
Feldafing
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Artikel von Katja Sebald
in der "Süddeutschen Zeitung" vom 15. Juli 2020:
"Gedenken: Das vergessene Massengrab auf dem jüdischen Friedhof
von Feldafing
Am Rande der Begräbnisstätte, die jetzt unter Denkmalschutz gestellt worden
ist, sind Zwangsarbeiter bestattet worden. Wie sie ums Leben kamen, ist
bislang unbekannt.
Kann ein Friedhof ein schöner Ort sein? Der jüdische Friedhof in Feldafing
war bis vor kurzem ein wunderschöner, ein beinahe verwunschener Ort der
Stille - obwohl er unauflöslich mit der NS-Geschichte des Orts verbunden
ist: Er entstand in den Jahren zwischen 1945 und 1949, als sich auf dem
Gelände der ehemaligen Reichsschule der NSDAP in Feldafing ein Camp für
jüdische Displaced Persons (DPs) befand, also für durch den Holocaust
entwurzelte Menschen. Auf dem Friedhof wurden weit mehr als hundert Menschen
jüdischen Glaubens bestattet. Die meisten von ihnen waren ehemalige
KZ-Häftlinge, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit an den Folgen des
ihnen zugefügten Leids starben. Zeitweise lebten mehr als 6000 jüdische DPs
in Feldafing. Die Überlebenden haben auf einem Mahnmal einen Fluch
hinterlassen..."
Link zum Artikel |
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Juli
2024: Der jüdische
Friedhof in Feldafing wird restauriert - neue Erkenntnisse zur Geschichte
des Friedhofes |
Artikel von Sylvia Böhm-Haimerl in der
"Süddeutschen Zeitung" vom 9. Juli 2024: "NS-Opfer am Starnberger See.
'Es ist wichtig, dass die Leute ein Gesicht bekommen'.
Der jüdische Friedhof in Feldafing ist lange nicht so gepflegt worden, wie
es die religiöse Tradition vorsieht. Das soll sich nun ändern. Grundlage
dafür bilden Forschungen der Historikerin Marita Krauss.
Der denkmalgeschützte jüdische Friedhof in Feldafing liegt am Hang mit Blick
bis zu den Alpen. Es ist ruhig hier, nur das Brummen der Insekten ist zu
hören, die die Wiesenblumen umschwärmen. Doch die Idylle trügt: Die Namen
auf den Gräbern und Gedenksteinen sind nicht mehr zu lesen. Zahlreiche
Grabsteine sind umgefallen oder zerbrochen, die Gedenksteine vom Gras
überwuchert.
Knapp 80 Jahre, nachdem die ersten Gräber auf dem Areal entstanden sind,
soll der jüdische Friedhof nun saniert werden. Nach Angaben der
Bundestagsabgeordneten Carmen Wegge (SPD) und Michael Kießling (CSU) wurden
46 886 Euro an Fördermitteln aus dem Denkmalschutz-Sonderprogramm des Bundes
zugesagt. Weitere 40 Prozent der auf insgesamt 100 000 Euro kalkulierten
Kosten werden von Stiftungen übernommen, zehn Prozent trägt die Gemeinde.
'Wir haben immer versucht, den Friedhof in Ordnung zu halten, aber wir
wussten nicht, wie der Friedhof zu pflegen ist', erklärt Bürgermeister
Bernhard Sontheim.
Die Aussagen zur richtigen Pflege von jüdischen Grabstätten seien äußerst
widersprüchlich. Man habe nichts falsch machen wollen. Daher ist der
Rathauschef erleichtert, dass jetzt Fachleute vom Landesamt für
Denkmalschutz sowie von der jüdischen Glaubensgemeinschaft für das
Sanierungskonzept verantwortlich sind. Da die Gelder zwar zugesagt, aber
noch nicht ausbezahlt sind, will sich Sontheim für eine vorzeitige
Genehmigung der Pläne einsetzen. Dann könnten die Arbeiten noch in diesem
Jahr beginnen, sodass die Gräber zum 80-jährigen Bestehen im kommenden Jahr
fertig restauriert wären. 'Dieser Schritt, dass der Friedhof saniert wird,
ist großartig', betont die Geschichtsprofessorin Marita Krauss. Sie hat die
Sanierung im Rahmen ihrer Forschungen zur Nazi-Vergangenheit der Gemeinde
Feldafing angestoßen. 'Es ist wichtig, dass die Leute ein Gesicht bekommen.'
Nun gebe man den Toten Namen und würdige die Gräber. Auslöser für ihre
Forschungen zum jüdischen Friedhof war für die Historikerin der Besuch von
Nachkommen der DP-Camp-Bewohner im Jahr 2022. Das Camp war 1945 auf dem
Gelände der ehemaligen Reichsschule der NSDAP in Feldafing als Unterkunft
für Displaced Persons (DP), also vorrangig KZ-Überlebende, errichtet worden.
Die Nachkommen aus den USA seien ratlos gewesen, wo die Gräber ihrer
Angehörigen liegen. Krauss hat nachgeforscht und herausgefunden, dass hier
anstatt der 112 im Standesamt aufgelisteten Verstorbenen 158 Menschen
begraben wurden. 'Es sind viele Leute hier beerdigt, die nicht auf den
Listen auftauchen.' Unterdessen konnte Krauss die Namen von 130 Personen
zuordnen. Auf zwei Grabsteinen sind die Namen noch erkennbar. Es handelt
sich um zwei Frauen, die das KZ überlebt haben und sich im DP-Camp von ihrem
schlimmen Schicksal erholen sollten. Welch eine grausame Ironie, dass sie,
als sie endlich Frieden gefunden hatten, bei einem Autounfall ums Leben
kamen. Überhaupt ist die Anzahl der Verstorbenen im ersten Jahr im Camp sehr
hoch. Schon im Mai 1945 sind innerhalb von einem Monat 63 Tote begraben
worden – so viele wie nie zuvor in Feldafing. Das liegt laut Krauss wohl
daran, dass die KZ-Überlebenden sehr erschöpft waren und deshalb viele
Krankheiten bekamen. Zudem war das Camp mit teilweise bis zu 6000 Personen
überfüllt – durchschnittlich lebten dort 3500 Menschen – und Krankheiten
konnten sich schnell verbreiten. So brach etwa eine Typhus-Epidemie aus und
alle Feldafinger mussten geimpft werden. Insbesondere die Feldsteine auf der
Rasenfläche sind unlesbar geworden. Auf zwei Steinen wurden Marmortafeln mit
Davidstern und Namen angebracht. Doch ist laut Krauss nicht sicher, ob diese
Personen tatsächlich in den Gräbern liegen. Restauratoren, die auf
Schriftbilder spezialisiert sind, werden nun die hebräischen Buchstaben auf
den Grabsteinen erneuern. 'Damit man die Namen wieder erkennen kann',
erklärt die Historikerin. Ein ungelöstes Rätsel sind zwei Grabhäuschen –
denn diese sind auf einem jüdischen Friedhof untypisch. Wer in den Gräbern
liegt, ist im Standesamt nicht verzeichnet. In der damaligen Lagerzeitung
hat Krauss aber entdeckt, dass in einem der Häuschen Rabbi Baruch Hakohen
begraben liegt. Nun sollen die überdachten Gräber vorsichtig im Beisein
eines Rabbis mit einer Kamera befahren werden. Nach Angaben der Historikerin
sind auch nicht-jüdische Camp-Bewohner auf dem Friedhof beerdigt worden.
Diese Personen hatte man später in den Gemeindefriedhof umgebettet, aber die
Gräber nach 15 Jahren wieder aufgelöst. Für diese Toten soll es ebenfalls
eine Gedenktafel geben. 'An die muss man sich auch erinnern, weil sie das
gleiche Schicksal hatten', ist Krauss überzeugt.
Der Friedhof soll eingezäunt werden. Auch die Tafel am Gedenkstein im
Eingangsbereich wird erneuert, denn der dortige Text ist falsch. 'Hier ruhen
unzählige Opfer jüdischen Glaubens. Sie wurden in den Jahren von 1933 bis
1945 durch Nazischergen ermordet', ist darauf zu lesen. Doch der Feldafinger
Friedhof ist erst 1945 entstanden und es wurden ausschließlich Bewohner des
DP-Camps beerdigt. Wie Krauss vermutet, könnten eventuell auch ein paar
Personen begraben sein, die in dem Zug mit den KZ-Überlebenden gestorben
waren, der Anfang Mai 1945 zwischen Tutzing und Seeshaupt ankam. Das will
die Historikerin ebenfalls untersuchen. Die Tafel mit dem falschen Text soll
nun eingelagert werden, denn auch sie gehöre schließlich zur Geschichte,
betont die Historikerin. Das Buch zur Feldafinger NS-Vergangenheit soll im
Herbst 2024 unter dem Titel 'Traum und Albtraum des Feldafinger
Nationalsozialismus' erscheinen und der Bevölkerung vorgestellt werden."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens
in Bayern. 1988 S. 296-297. |
|
Bundeszentrale für politische Bildung (Hg. von
Ulrike Puvogel/Martin Stankowski): Gedenkstätten für die Opfer
des Nationalsozialismus. 1995 S. 131. |
| Simon Schochet [geb. 1926 in Lodz, lebte später als Historiker in Brooklyn
Heights, N.Y.],: Feldafing. Vancouver, November House, 1983. 175 S. [Augenzeugenbericht eines der frühesten Lagerbewohner aus den Jahren 1945-46]. - |
| Ernest Landau: Die ersten Tage in Freiheit. In: Michael Brenner, Nach dem Holocaust. Juden in Deutschland 1945-1950. München 1995. S. 117-28. -
[Augenzeugenbericht]. |
| Hinweis: im Herbst 2024 erscheint eine Publikation unter
dem Titel "Traum und Albtraum des Feldafinger Nationalsozialismus". |
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