In Kaiserslautern bestehen zwei jüdische Friedhöfe innerhalb des
Hauptfriedhof
Die Toten der jüdischen Gemeinde Kaiserlautern wurden zunächst in Mehlingen
beigesetzt. Bei Beerdigungen fuhren die Kaiserslauterer Juden den Sarg bis zu einem Holzhof in der Mannheimerstraße und hielten hier die Zeremonien ab. Dann wurde der Tote zum Friedhof nach
Mehlingen verbracht.
1858 konnte die jüdische Gemeinde einen eigenen
Friedhof in Kaiserslautern am
"Kahlenberg" eröffnen (Flurstück 2451/2). 1870 wurde neben diesem
jüdischen Friedhof ein Soldatenfriedhof eröffnet. Seit 1874 wurden die
Grundstücke um den jüdischen Friedhof mit Flächen des neuen christlichen
Friedhofes der Stadt belegt (heutiger Hauptfriedhof nördlich der Mannheimer Straße).
Damit war der jüdische Friedhof die Keimzelle des heutigen
Hauptfriedhofes.
Die Friedhofsfläche
umfasst 33,10 ar. Aus der NS-Zeit liegen keine Mitteilungen über Schändungen
des Friedhofes vor, doch ereignete sich eine solche bereits im Sommer
1928:
Friedhofschändung 1928
Mitteilung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Juli 1928: "Auf
dem jüdischen Friedhof in Kaiserslautern sind über 30 Grabsteine
umgeworfen und Gräber demoliert worden. Es ist dies die 58te Gräberschändung
(sc. seit 1923) in Deutschland."
Der Friedhof wurde auch nach 1945 belegt. Nach den Beisetzungen in den
Jahren 2008/2009 ist der Friedhof voll belegt.
Seit 2009 besteht ein neuer jüdischer Friedhof:
Pressemitteilung
der Stadt Kaiserlautern von 24. April 2009: Neuer Jüdischer Friedhof wird der Jüdischen Kultusgemeinde übergeben
Bürgerinnen und Bürger sind herzlich eingeladen
Zum Festakt im Rahmen der offiziellen Übergabe des Neuen Jüdischen Friedhofs an die Jüdische Kultgemeinde der Rheinpfalz am kommenden Sonntag, 26. April 2009, um 11:30 Uhr sind auch die Bürgerinnen und Bürger herzlich eingeladen.
Der alte Jüdische Friedhof auf dem Hauptfriedhof in Kaiserslautern besteht seit 150 Jahren. Der erste jüdische Bürger wurde 1858 auf dem jüdischen Friedhof im Osten der Stadt beigesetzt. Die Christen wurden seinerzeit noch auf dem städtischen Friedhof an der Friedenstraße bestattet, der 1834 eingerichtet worden war. Somit gilt der Jüdische Friedhof als Keimzelle des Hauptfriedhofes, denn dieser hat sich erst 1874 aus diesem entwickelt.
Seitens der Stadtverwaltung wurde nun eine neue Fläche angelegt, denn das ursprüngliche Areal von 3.300 Quadratmetern bot keine
Beisetzungsmöglichkeiten mehr. Der Neue Jüdische Friedhof wird nun offiziell bei einem kleinen Festakt übergeben. In diesem Rahmen sind Grußworte seitens der Stadt, einem Rabbiner, von den Vertreterinnen und Vertretern der christlichen Kirchen sowie von der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz geplant.
Aus der Geschichte des Friedhofes
Probleme mit der Gestaltung der gemeinsam von Christen und
Juden zu nutzenden Friedhofshalle (1902 / 1903)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 30. Dezember 1902: "Kaiserslautern, 19. Dezember (1902).
Im gestrigen Stadtrat stand die Frage der Anbringung eines Kreuzes an der
zu erbauenden Leichenhalle zur Verhandlung. Die Angelegenheit gewann
erhöhtes Interesse durch verschiedentliche Eingaben der beiden
kirchlichen Behörden christlicher Konfession, die ihrerseits entschieden
für die Anbringung der Kreuzes eintraten und für den Fall einer
negativen Vorbescheidung ihrer Memoranden einmütig erklärten, von jeder
kirchlichen Funktion in der künftigen Leichenhalle absehen zu müssen.
Diesen Erklärungen stand ein Gesuch des Bezirksrabbiners gegenüber, der
hinwiederum die strikte Erklärung abgab, dass der israelitische Ritus ein
solches Zeichen und Merkmal einer christlichen Konfession nicht gestatte.
An der langen Besprechung, die sich über die Frage naturgemäß
entspinnen musste, beteiligten sich zunächst ein sozialdemokratischer
Vertreter und die beiden Stadträte israelitischer Konfession: während
ersterer aus Prinzip und vom interkonfessionellen Standpunkte aus für die
Weglassung der Kreuzes eintrat, sprachen letztere in gleichem Sinne aus
Gründen des religiösen Friedens und betonten besonders, dass die Frage
eine Sache der politischen Gemeinde Kaiserslautern sei und als solche
nicht verquickt werden dürfe mit konfessionellen Rücksichten. Das
Institut der Leichenhalle sei eine medizinisch-hygienische, aber keine
religiöse Einrichtung; man solle die Vorteile der Leichenhalle doch Allen
zugute kommen lassen und nicht einen, wenn auch kleinen Teil von ihren
Wohltaten ausschließen. Letzteres aber wäre durch Anbringung eines
Kreuzes tatsächlich der Fall. Mehrere Redner der christlichen Parteien
stellten sich ihrerseits auf den Standpunkt, dass hier die verschwindende
Minderheit gegenüber der erdrückenden Mehrheit zurücktreten müsse,
wenn man in Betracht zieht, dass jährlich 800 bis 900 Christen, dagegen
durchschnittlich kaum 5 (in diesem Jahre waren es allerdings 12) Juden
beerdigt würden. Nach weiteren Erörterungen schien man der von
christlicher Seite beantragten namentlichen Abstimmung nahe zu sein, als
ein Vorschlag auf Rückweisung der ganzen Angelegenheit an den
Bauausschuss gemacht wurde, der alsbald Annahme fand. Der Bauausschuss
wird nun auftragsgemäß Mittel und Wege zu einer alle Teile
befriedigenden Lösung suchen. Das ist, meint die 'Pf.Pr.' ungefähr
gleichbedeutend mit einer Änderung der jetzt fertig vorliegenden Pläne,
oder, wenn die Frage in der gleichen Form wieder zur Verhandlung kommen
sollte, mit der Annahme der Forderung der kirchlichen Behörden
christlicher Konfession.
(Wir sind, wie unseren Lesern bekannt, Gegner der Kommunalfriedhöfe, wie
aber die Sache hier nun einmal liegt, sind wir der Meinung, dass die
israelitische Gemeinde eine eigene Leichenhalle errichte, zu deren
Erbauung der Stadtrat voraussichtlich einen Beitrag geben werde.
Redaktion)."
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Januar 1903: "Kaiserslautern,
7. Januar (1903). Hierselbst hat bekanntlich das Rabbinat Einspruch
erhoben gegen die Anbringung eines Kreuzes auf der Leichenhalle. Dieser
Einspruch ist jetzt zurückgezogen worden. In der Stadtratssitzung wurde,
wie die ‚Pf.Pr.’ berichtet, eine Zuschrift des Rabbinats verlesen, in
der die Bitte ausgesprochen war, für den Fall der obligatorischen
Verbringung der Leichen in die Leichenhalle den jüdischen Einwohnern noch
so viel Zeit vom Todesfall bis zur Verbringung zu lassen, dass die
rituellen Waschungen noch in der Wohnung vorgenommen werden können,
sodass die Leichenhalle hierzu nicht in Anspruch genommen zu werden
brauchte; im Übrigen möge man den Wünschen der überwiegenden Mehrheit
entsprechen. Nach längerer Verhandlung wurde entsprechend den Wünschen
der protestantischen und katholischen Gemeinden beschlossen, das Kreuz
unmittelbar vor dem Eingang der Leichenhalle unterhalb der Frontspitze
anzubringen. Ein hiernach gestellter Antrag des Stadtrates Dr. Rübel, für
die Israeliten eine isolierte Zelle zu erbauten, wurde, um eine unnötige
Erörterung zu vermeiden, dem Bauausschuss zur weiteren Behandlung überwiesen.“
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 16. Januar
1903: "Kaiserslautern, 31. Dezember (1902). Die Frage der
Anbringung eines Kreuzes auf der Leichenhalle kam in heutiger Sitzung des
Stadtrates wieder zur Sprache. Nach einem eingelaufenen Schreiben des
hiesigen Rabbinats leistet die israelitische Kultusgemeinde auf eine
eigene Zelle in der Leichenhalle zur Vornahme der rituellen Waschungen
Verzicht. Der Bauausschuss hat sich mit dem Antrag Ruelius-Hohnsänger
wegen Anbringung eines Kreuzes auf der Schutzhalle mit (Betsaal)
beschäftigt. In der Sitzung stimmten 5 für Anbringung und 5 dagegen.
Eine längere Debatte entsteht auch heute wieder. Klement (Sozialdemokrat)
richtete scharfe Ausfülle gegen die Geistlichkeit, die einen unerhörten
Druck ausgeübt habe und ersucht um Ablehnung des Kreuzes, da die
israelitische Minderheit vergewaltigt werde. Bürgermeister Dr. Orth
bemerkt hierauf, dass von einer Vergewaltigung keine Rede sein könne und
empfiehlt den Antrag Ruelius-Hohnsänger zur Annahme. Es kommt nun zur
Abstimmung. Für die Anbringung eines Kreuzes stimmten 15, dagegen 4
Mitglieder, 2 enthielten sich der Abstimmung. Die Anbringung eines Kreuzes
an der Frontspitze über dem Eingang der Schutzhall (und Betsaal) ist
somit genehmigt. Für die Israeliten soll ein Separat-Eingang geschaffen
werden. Dr. Rübel beantragte nun die Erbauung einer eigenen abseits von
der Leichenhalle stehenden Zelle für die Israeliten. Die Sache wird an
den Bauausschuss verwiesen. (Übrigens hat auch ein jüdisches Blatt 'Die
deutsche israelitische Zeitung' in Regensburg, Distriktsrabbiner Dr. J.
Mayer, (in Nr. 52) unumwunden erklärt, dass die Juden im Unrecht seien
und als 'kleine Minderheit der großen Mehrheit nicht ansinnen könnten,
dass diese an ihrer Leichenhalle auf das Symbol ihrer Religion verzichten
sollten. Es sei bedauerlich, wenn hierin den religiösen Gefühlen der
Christen nicht Rechnung getragen würde. Die Juden sollten sich eine
eigene Leichenhalle bauen mit städtischem Zuschuss.".
Lage der Friedhöfe
Beide Friedhöfe befinden sich im Hauptfriedhof an der
Mannheimer Straße; in der Karte unten sind sie eingetragen mit "jüdischer
Friedhof" und "jüdischer Friedhof neu".
Links:
Karte des Hauptfriedhofes Kaiserslautern mit Eintragung der beiden
jüdischen Friedhofsflächen
Fotos
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 17.6.2009)
Blick auf den inmitten des
allgemeinen
Friedhofes liegenden jüdischen Teil
Blick vom Eingangstor
über den Friedhof
"BEIT OLAM -
Jüdischer Friedhof Kaiserslautern
- bestehend seit 1858"
Blick vom Eingangstor die
neuesten Gräberreihen
Vom Eingangstor
aus erreicht man zunächst neuere Gräberreihen.
Der Friedhof ist
bis auf wenige Gräber voll belegt. Auf dem rechten Foto
sieht man neue
Beisetzungen (2008/2009)
Auffallend
gewachsener Baum - auffallend großes Grabmonument für
Helene Wilhelmine
Tuteur geb. Loeb
Blick entlang des Mittelweges
zum
älteren Teil (Gräber aus der zweiten
Hälfte des 19.
Jahrhunderts)
Grabstein im Vordergrund für
Nettchen Fröhlich (1860-1920) und
Rosalie Fröhlich (1866-1957)
Teilansicht mit teils hohen
schwarzen Obelisken - charakteristisch
für die Zeit um 1900
Blick auf Grabsteine der
1930er-Jahre.
Die Fläche ist bis über die Höhe der
Grabeinfassungen zur
leichten Pflege
aufgefüllt.
Grabsteine in der
vorderen Reihe von links für Julius Kahn (1831-1902) und
Jakobine Kahn
geb. Becker (1833-1903) mit "segnenden Händen" der Kohanim; in
der Mitte für Leo Kahn (1884-1902), gestaltet als "abgebrochene
Säule" für einen
viel zu früh Verstorben; rechts für Isaak Hecker
(1819 Mehlingen - 1902
Kaiserslautern) und Frau Fanny Hecker geb. Kahn
(1830-1911)
Auffallend im
Friedhof mehrere hohe Grabsteine mit großen Engelsfiguren, Grabstein
links
Grabstein für Justizrat Salomon Frenckel (1819-1908) und Karoline
Frenckel geb. Levi
(1823-1895), Grabstein rechts für Adolf Rosenbaum
(1851-1936?) und Johanna Rosenbaum
geb. Felsenthal (1854-1907) sowie
"unser heiß geliebtes, unvergessliches einziges Kind:
Ida
Rosenbaum" (1878-1896).
Grabstein für Dr. Dr. Paul
Tuteur (1881-1952)
und Lotte Tuteur-Metzger (1902-1968) mit
Gedenkinschrift für die in Auschwitz
ermordeten Kinder Carola (1925-1945)
und Claus (1927-1945)
Grabstein für
Jeanette Kehr
geb. Kahn (1823-1906)
Engel auf
Grabstein von Franz Kehr (1817-1891)
Grabstein für Joseph Kehr
(1821-1885)
und Lina Kehr geb. Götz (1845-1926)
Grabstein für Simon Mayer
(1842-1894)
und Henriette Mayer geb. Bauer (1853-1932)
Grabstein links
(abgebrochene Säule) für Johanna Vendig (1871-1890), rechts für Raphael
Vendig (1835-1917) und Sara Vendig
geb. Weinschenk (1828-1908)
Teilansichten des
älteren Friedhofsteiles mit den Grabsteinen der
2. Hälfte des 19.
Jahrhunderts