Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia
Judaica
Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und
bestehende) Synagogen
Übersicht:
Jüdische Kulturdenkmale in der Region
Bestehende
jüdische Gemeinden in der Region
Jüdische
Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur
und Presseartikel
Adressliste
Digitale
Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zurück zur Übersicht "Synagogen in Unterfranken"
Röttingen (Landkreis Würzburg)
Jüdische Geschichte
Übersicht:
Zur Geschichte der
jüdischen Gemeinde
In Röttingen, das bis 1345 den Herren von Hohenlohe,
danach dem Hochstift Würzburg gehörte, sind Juden seit der zweiten Hälfte des
13. Jahrhunderts nachweisbar. 1282 schuldete das Kloster Schöntal einem Juden
zu Röttingen 140 Pfund Haller (= Heller).
1298 wurden die Juden in Röttingen beschuldigt, eine
Hostie geschändet zu haben. Ein Metzger oder Edelmann ("Ritter")
namens Rindfleisch (in neueren Darstellungen auch korrekter: 'Rintfleisch'), der in Röttingen ansässig war, fiel daraufhin am
20. April 1298 mit einer gesammelten Horde über die Röttinger Juden her und
erschlug 21 von ihnen. Von Röttingen breitete sich die Verfolgung über ganz
Franken und die angrenzenden Regionen aus und führte zur Vernichtung von 146
jüdischen Gemeinden (sogenannte "Rindfleisch-Verfolgung"
bzw. "Rintfleisch-Verfolgung").
In Röttingen konnte sich in den folgenden Jahren wieder
eine jüdische Gemeinde bilden, die im Zusammenhang mit der Verfolgung unter den
Brüdern Armleder am 29. oder 30. Juli 1336 vernichtet wurde. Danach gibt es
keine Nachrichten mehr über die Juden in Röttingen.
Bis Oktober 1988 gab es in der Pfarrkirche Sankt Kilian ein Ölgemälde,
auf welchem die sog. "Hostienschändung" durch Juden unter der
Überschrift "Geschichte der siegenden Wahrheit" in sechs Bildern und
mit der darunter stehenden Inschrift "Der gestraften Bosheit. Dieses
geschah hier in Röttingen im Jahre 1288" dem Kirchenbesucher kommentarlos
gezeigt wurde. Im Oktober 1988 wurde dieses antijüdische Werk aus der
Pfarrkirche entfernt (dazu Bericht unten).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
In jüdischen Periodika des 19./20.
Jahrhunderts finden sich keine Berichte zur jüdischen Geschichte in
Röttingen. |
Über die Entfernung des Ölgemäldes aus der
Röttinger Kirche (Bericht von 1988)
Artikel
in den "Fränkischen Nachrichten" vom 22. Oktober 1988: "'Kirchliche
Judenhetze?' Umstrittenes Ölbild in Röttinger Pfarrkirche war Stein des
Anstoßes. Gemälde inzwischen entfernt / 'Aus ökumenischer Gesinnung'.
Röttingen. Wurde auf einem Bild in der Pfarrkirche Sankt Kilian in
Röttingen bis vor kurzem 'kirchliche Judenhetze' betrieben? Mehr als ein
Jahr lang kämpfte die 'Gesellschaft für christlich-jüdische
Zusammenarbeit in Unterfranken' darum, dass die umstrittene Darstellung
aus dem Gotteshaus verschwand. Jüngst wurde das Bild abgenommen. Die
Röttinger fühlen sich zu Unrecht des Judenhasses verdächtigt.
Der 'Stein des Anstoßes' war das Ölbild auf Leinwand im Wanghaus der
Kirche, das in mehreren Bildern wie ein Comic-Strip die Geschichte eines
Hostienschändung erzählt, die sich 1288 in Röttingen zugetragen haben
soll. Ein Mesner stiehlt und verkauft der Legende zufolge eine geweihte
Hostie an zwei Juden. Die Juden durchstechen die Hostie mit dem Messer,
und Blut quillt heraus. Erschreckt werfen die Täter die Hostie in die
Tauber, aus der sie Nonnen in Tauberrettersheim wieder herausfischen. Auf
dem letzten Bild enden die Juden auf dem Scheiterhaufen.
'Das Bild ist eine Judenhetze', urteilte der Vorsitzende der
israelitischen Kultusgemeinde Würzburg, David Schuster. Über ein Jahr
lang bemühte sich die 'Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit
in Unterfranken' darum, dass das Bild aus dem katholischen Gotteshaus in
Röttingen verschwindet. Jüngst wurde das umstrittene Ölbild vom Haken
genommen.
'Ich beglückwünsche die katholische Kirche dazu, dass ein solcher
Schritt möglich war', sagte Studiendirektor und evangelischer Pfarrer Kurt-Wenzel
Backe, wie David Schuster im Vorstand der Gesellschaft für
christlich-jüdische Zusammenarbeit. Die Kirche solle sich 'von Ballast
trennen, der sie unglaubwürdig macht', meinte Backe.
Indes: So ganz problemlos ging die Trennung von dem Bild nicht vonstatten.
'Wenn unser Herr Pfarrer nicht gewesen wäre, hätten wir Röttinger uns
quergelegt', sagte eine einflussreiche Kirchgängerin auf Anfrage. Der
Bischof persönlich habe dem Geistlichen nahegelegt, das Bild wegzunehmen,
bis jetzt sei 'keine Spur von Judenhass in Röttingen' festzustellen,
'aber jetzt könnte ein Judenhass in Röttingen entstehen', meinte die
Frau.
Wenn sich Pfarrer Michael Etzel dem 'Befehl' des Bischofs widersetzt
hätte, wäre eine 'Strafversetzung' die mögliche Folge gewesen. Jetzt
sei das Bild 'an einem sicheren Ort'. Wo, darüber schweigen sich die
Röttinger aus. Auch das beschreibt die Stimmung unter den Gläubigen in
dem idyllischen Tauberstädtchen.
'Ich hab mich immer rausgehalten', sagte Bürgermeister Günter Radolf.
'Das Bild ist weggenommen, mehr sag ich nicht', lehnte der
Pfarrgemeinderatsvorsitzende Hans Wißmann jede Stellungnahme ab. Und
Pfarrer Michael Etzel wehrte ebenfalls den Gesprächsansatz mit den Worten
ab: 'Das Bild ist weg, damit ist die Sache erledigt.'
'Die Röttinger sind verärgert, weil man ihnen Antisemitismus vorwirft',
schätzte Generalvikar Heribert Brander vom Bischöflichen Ordinariat die
Stimmung in Röttingen ein. Die Diözese habe 'aus echter ökumenischer
Gesinnung' das Anliegen der christlich-jüdischen Gesellschaft
unterstützt, sagte Brander. Allerdings sei dem Seelsorger keineswegs die
Strafversetzung angedroht worden, falls er sich nicht dem Willen des
Ordinariats beuge. Statt in einer katholischen Kirche solle das Bild in
einem Museum oder einem Institut zur Erforschung des Aberglaubens im
Mittelalter seinen Platz haben, forderten Historiker. Denn, davon gehen
die Geschichtswissenschaftlicher aus, die Bildergeschichte hat sich nicht
wirklich zugetragen. Solche Schauergeschichten seien im Mittelalter in
vielen Orten erfunden und verbreitet worden, um die Judenverfolgungen zu
rechtfertigen. gle." |
Fotos:
(Fotos: Hahn; schwarzweiße Aufnahmen in der Kirche ca. 1985;
farbige Aufnahmen am 16.11.2003)
Die Judengasse in Röttingen,
Erinnerung an die mittelalterliche Ansiedlung |
|
|
|
Die Judengasse liegt
unmittelbar rechts des Rathauses von Röttingen;
rechts das Straßenschild |
In der Judengasse mit
Blick
zum Rathaus |
|
|
|
Die Kirche in Röttingen mit
dem ehemaligen Bild zur angeblichen Hostienschändung der Juden
Röttingens |
|
|
|
Die Kirche von Röttingen |
Das Bild
"Geschichte der siegenden Wahrheit der gestraften Bosheit -
dies
geschah hier in Röttingen 1288" (gemeint: 1298) |
|
|
|
|
|
|
Der Inhalt der verlogenen
Hostienschändungsgeschichte: Eine
Hostie wird in der Kirche gestohlen |
Die Hostie wird an einen Juden
für teures Geld verkauft |
Juden beim Vollzug von
Praktiken
an der Hostie, mit denen der
Leib Christi gequält werden soll |
|
|
|
|
|
|
|
Nachdem die Hostie weggeworfen
wurde, ist sie von frommen Nonnen
gefunden worden |
Die schuldigen Juden
enden auf
dem Scheiterhaufen |
Seit einigen Jahren: Das
Gemälde
aus der Kirche ist entfernt; nur noch
2 Haken an der Wand
erinnern. |
|
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,2 S. 719-720 |
| Artikel zu "Rindfleisch" in: The Jewish Encyclopedia (englisch):
hier
anklicken |
| Friedrich Lotter: Die Judenverfolgung des 'König
Rintfleisch' in Franken um 1298. Die endgültige Wende in den
christlich-jüdischen Beziehungen im deutschen Reich des Mittelalters. In:
Zeitschrift für Historische Forschung 4 (1988). S. 385-422. |
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|