Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zurück zur Übersicht "Synagogen in Mittelfranken"
Strüth (Stadt Ansbach,
Mittelfranken)
Jüdische Geschichte / DP-Lager - "Kinder-Kibbuz"
Übersicht:
Zur jüdischen Geschichte in Strüth
In Strüth gab es zu keiner Zeit eine jüdische Gemeinde. Auch lebten bis 1945
keine jüdischen Personen/Familien am Ort.
Erst 1946 kam es zu einer jüdischen Niederlassung mit der Einrichtung eines
Lagers für jüdische Displaced Persons (DPs, KZ-Überlebende, Flüchtlinge aus
Osteuropa) in Strüth. Dieses Lager war für jüdische Waisenkinder im Januar 1946
in der heutigen Rangau-Klinik, einer ehemaligen Lungenheilanstalt in Strüth,
eingerichtet worden. Es wurde bekannt als "Kinder-Kibbuz von Ansbach" bekannt
wurde.
Informationen nach dem Wikipedia-Artikel zu Strüth: Als das Lager in
Strüth am 27. Januar 1946 offiziell seine Arbeit aufnahm, waren 360 Kinder und
Jugendliche registriert, am 31. März 1946 bereits 440 Personen. Unklar ist, ob
damals alle oder nur ein Teil der Kinder und Jugendlichen aus Ungarn kamen (auf
der Webseite After the Shoah: Strüth – Der Kinder-Kibbuz von Ansbach ist von
etwa 200 jüdischen Waisenkindern die Rede, die in Ungarn den Holocaust überlebt
hatten).
Über die Vorgeschichte eines Teiles der Kinder berichtete Rafi Ben Zur, ein
Mitglied der Gruppe: 'Unsere Geschichte beginnt, als das Ghetto Budapest am 18.
Januar 1945 von den russischen Truppen befreit wurde. Ich war 14, mein Bruder
13, völlig allein, mitten im Chaos, ohne zu wissen, was ich tun sollte. Wir
folgten größeren Kindern und rannten vor dem brennenden Ghetto davon, während
die Kämpfe noch andauerten. Später wurden wir von der zionistischen Bewegung
Dror Habonim abgeholt, die sich noch in der Anfangsphase ihrer Organisation
befand. Sie suchten nach einsamen, hungrigen Kindern, verloren in der großen
Stadt, ohne jemanden, der sie ernährte. Zu dieser Zeit wussten wir nichts vom
Zionismus oder von Palästina, und Zionismus bedeutete für uns Nahrung und
Unterkunft, jemanden, der Sie wäscht und Ihnen Kleidung und Schuhe gibt. Die
Organisation brachte uns in den südlichen Teil Ungarns, ernährte uns, bis wir
wieder Menschen wurden (nach dem Krieg waren wir nur noch Skelette), und sie
fingen an, uns über den Zionismus und Palästina aufzuklären.' (Rafi Ben Zur: DP
Camp of Children in the sanatorium "Strüth / Strueth by Ansbach). Obwohl Rafi
Ben Zur und sein Bruder wieder mit ihrem zur Zwangsarbeit gezwungenen Vater
zusammenfanden, war es ihnen unmöglich, ein normales Familienleben aufzubauen.
'Alles um uns herum erinnerte uns an die Vergangenheit. Die Demütigung,
Diskriminierung, die Gräueltaten, der Hass und das Töten. Wir wollten ein neues
Leben beginnen, in einer neuen, von uns gebauten Heimat, wo wir als freie
Menschen leben und uns verteidigen können. Dieser starke Wille führte uns zurück
zur zionistischen Bewegung und schließlich nach Palästina (später Israel).' Vor
Palästina lag Strüth, wo die Gruppe im Dezember 1946 eintraf. Der Weg dahin war
von einer zionistischen Gruppierung organisiert worden. Auf geheimen Wegen
erreichten die Flüchtlinge von Budapest aus Wien und gelangten schließlich in
das oberbayerische DP-Lager Ainring und von da aus nach Strüth. Die Kinder und
Jugendlichen fanden, so Rafi Ben Zur, ein von der UNRRA gut organisiertes
DP-Camp für Kinder vor, das von einem Team amerikanischer Soldaten mit
einheimischem Fachpersonal effizient geführt worden sei. Von den schon zitierten
440 Bewohnern des Camps am 31. März 1946 hätten etwa 20 Prozent zum Personal
gehört und im Garten, in der Küche, in der Backstube sowie in der Wäscherei
gearbeitet oder sich um die Sicherheit des Lagers gekümmert sowie die Kinder und
Jugendlichen, die zwischen sechs und 18 Jahre alt waren, unterrichtet. Die
Bedingungen waren für damalige Verhältnisse offenbar ziemlich gut, wie sich an
den Erinnerungen von Mosche Weiss, einem weiteren ungarischen Waisenkind, über
seinen Aufenthalt in Strüth zeigt. 'Für uns war es aber ein Paradies, nach den
Jahren des Hungers' – auch wenn sich der Aufenthalt hier länger hinzog als
beabsichtigt. 'Die Jungen und Mädchen nutzten die Wartezeit und bereiteten sich
– gemäß den am Kollektiv ausgerichteten links-zionistischen Idealen – auf ihr
späteres Leben in Palästina vor. Einundzwanzig Lehrer der Lagerschule
unterrichteten Hebräisch, Englisch, Palästinakunde und Geschichte. Ihre Freizeit
verbrachten die Kinder im jüdischen Sportverein beim Boxen, Tischtennis oder auf
dem Fußballplatz. Schon bald spielte die Elf von Hapoel Ansbach in der
fränkischen DP-Liga mit Makkabi Fürth, Kadima Schwabach und weiteren neun Klubs
um die Meisterschaft im Bezirk Franken.'
Zwischen Strüth und anderen großen DP-Lagern gab es einen grundlegenden
Unterschied: 'Das Kinderheim Strüth war eine selbstverwaltete jüdische Insel
mitten in Deutschland. […] Hier entstand ein als Kibbuz geführtes Kinderheim.'
Diese 'Insel' verließ eine erste Gruppe etwa eineinhalb Jahre nach ihrem
Eintreffen in Strüth und machte sich illegal auf die Reise nach Palästina.
Einige erreichten ihr Ziel, viele wurden jedoch zurückgeschickt oder in
englischen Lagern auf Zypern interniert. Auch unter den Passagieren des Schiffs
Exodus, dessen Verlassen im Juli 1947 von den Briten in Haifa verhindert wurde,
befand sich eine kleine Gruppe von Waisenkindern aus Strüth. 'Erst im Mai 1948
erfüllte sich der Traum vom eigenen Staat, und die Juden konnten ungehindert
nach Israel immigrieren. Das Ansbacher Kinderlager wurde im April 1949
geschlossen.'
Der damals 12-jährige Joel Feldmann, ein Junge aus dem Kinder-Kibbuz von
Ansbach, war einer der vielen Laiendarsteller in Fred Zinnemanns Film Die
Gezeichneten (Originaltitel: The Search). Über die Dreharbeiten zu dem 1947
gedrehten Film berichtete er in dem Dokumentarfilm In den Ruinen von Nürnberg
von Jim G. Tobias aus dem Jahr 2015. Der gleiche Autor hatte bereits 2001 den
Dokumentarfilm Die vergessenen Kinder von Strüth gedreht, in dem in Israel
lebende Kinder und Betreuer aus dem Kinder-Kibbuz zu Wort kamen.
Auf dem Gelände der ehemaligen Lungenheilanstalt und des nachfolgenden
Kinder-Kibbuz Strüth befindet sich heute die Rangauklinik, eine
Lungenfachklinik.
Einzelne Berichte/Presseartikel zur Geschichte des Kinder-Kibbuz von Strüth
Artikel von Thies Marsen in BR 24 vom 10.
März 2024: "Neubeginn im Land der Täter - Jüdische Waisen in Franken.
Die Geschichte ist bisher kaum bekannt: Im Januar 1946 strandeten über 300
zumeist jüdische Kinder und Jugendliche aus Ungarn in Mittelfranken. Sie
hatten mit viel Glück die Shoah überlebt, nun fanden sie Zuflucht in Strüth
bei Ansbach.
Die Zeit in Strüth sei die schönste in seiner Kindheit gewesen, erinnert
sich Shlomo Arad zurück. Und Asher Bar-Nir sagt: 'Als wir dort ankamen, war
es, als würden wir geradewegs in den Himmel kommen. Bislang war unser Leben
von Hunger bestimmt. Wir hatten immer Hunger. Plötzlich kamen wir an einen
Ort, wo es Kakao gab und Brot, weißes Brot. Es war wirklich wie im
Paradies.' Und Gad Willmann beschreibt die Zeit in Strüth als eine Zeit des
'Aufatmens'.
Nach dem Zweiten Weltkrieg organisierten zionistische Gruppen von Osteuropa
aus Kindertransporte nach Palästina. Auf ihrer Reise ins Gelobte Land
strandeten im Januar 1946 über 300 zumeist ungarische Kinder und Jugendliche
in Mittelfranken: Sie hatten mit viel Glück die Shoah überlebt, nun fanden
sie vorübergehend Zuflucht im Gebäude der Lungenheilanstalt Strüth bei
Ansbach. Wo die Diakonie Neuendettelsau heute eine Spezialklinik für
Lungenerkrankungen betreibt, fand sich damals auf dem Gelände eines
Sanatoriums das erste jüdische Children's Center im besetzten Deutschland,
betrieben vom Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen.
Jüdische Kinder, wartend im Land der Täter. Da die britische
Mandatsmacht in Palästina Juden direkt nach dem Krieg die Einreise
verwehrte, mussten die Kinder und Jugendlichen im Land der Täter ausharren,
so wie viele erwachsene Überlebende auch. Denn den Staat Israel gab es zu
diesem Zeitpunkt noch nicht. Vor allem in der amerikanischen Zone entstanden
'DP-Lager', Auffanglager für 'Displaced Persons', heimatlose Überlebende der
NS-Gräuel. Nach dem Krieg strandeten allein in Bayern weit über 100.000
solcher DPs. Und die mussten irgendwo untergebracht werden. Die
US-amerikanische Militärregierung beschlagnahmte dafür zahlreiche Immobilien
in ganz Bayern: Kasernen, Bauernhöfe, Klöster, Krankenhäuser, wo die
sogenannten Displaced Persons unterkamen. So entstanden Dutzende kleinere
Kibbuzim, aber auch große Lager etwa in Landsberg am Lech oder Föhrenwald
bei Wolfratshausen südlich von München.
Forschung geht von 1,5 Millionen ermordeter jüdischer Kinder aus.
Verena Buser leitet als Historikerin am Western Galilee College in Israel
das Projekt 'Children after War, Holocaust and Genocide', das sich mit dem
Schicksal jüdischer Kinder nach Krieg und Shoah befasst. Sie sagt: 'Die
akademische Forschung geht davon aus, dass circa 1,5 Millionen jüdische
Kinder während der Shoah ermordet wurden. Das heißt allein aufgrund der
Tatsache, dass sie jüdisch sind.' Dennoch haben tausende jüdische Kinder den
Vernichtungswahn der Nationalsozialisten überlebt – etwa weil sie von ihren
Eltern noch rechtzeitig per Kindertransport nach Großbritannien geschickt
oder in die Obhut christlicher Familien oder Klöster gegeben wurden, wo sie
unter falschem Namen lebten. Andere tauchten unter.
17 Lager für unbegleitete minderjährige Geflüchtete. Die Historikerin
Verena Buser sagt, nach der Befreiung Deutschlands hätten in vielen
DP-Lagern wie in Föhrenwald, Landsberg und Feldafing Kinder mit ihren Eltern
oder Angehörigen eine erste Bleibe gefunden. 'Es gab aber auch eine ganz
große Zahl unbegleiteter Minderjähriger, elternloser Kinder und
Jugendlicher, für die extra die sogenannten Children's Center, United
Nations Children’s Center eingerichtet wurden.' Allein in der
US-amerikanischen Zone habe es 17 Lager für Kinder gegeben, elf davon
ausschließlich für jüdische Kinder. Das erste dieser Art war eben das in
Ansbach, in Strüth. Die meisten dieser Kinder sind inzwischen verstorben.
Nürnberger Historikern gelang vor Jahren, einige der ehemaligen Bewohner des
Waisenhauses in Israel aufzuspüren und zu interviewen, etwa Asher Bar-Nir.
Es habe dort Unterricht gegeben, erzählte er, Sportangebote und Theater.
'Wir spielten mit den Kindern, kümmerten uns um sie. Ja, wir waren so etwas
wie ihre Eltern.' Den Alltag hätten sie sich selbst organisiert nach ihren
Vorstellungen. 'Wir lebten in einer anderen Welt, in einer eigenen,
unabhängigen Gesellschaft.' Und trotzdem: Vor allem nachts seien die Ängste
wieder hochgekommen, die Kinder seien wieder eingeholt worden von den
schrecklichen Erlebnissen, die hinter ihnen lagen, erinnerte sich einst die
inzwischen ebenfalls verstorbene Leah Gadisch. Sie arbeitete damals als
Betreuerin und Hebräischlehrerin in Strüth – obwohl auch sie kaum älter war
als ihre Schützlinge: 'Die Kinder hatten viele Ängste und Depressionen. Sie
haben ins Bett gemacht. Obwohl die Kinder tagsüber fröhlich und ausgelassen
waren, spürte man deutlich, dass sie ihre Eltern verloren hatten.'
Ein unbekanntes Kapitel bayerische Geschichte. In Strüth selbst, wo
Hunderte traumatisierte Kinder und Jugendliche nach Jahren der Verfolgung,
des Hungers und der Zwangsarbeit wieder zurück in ein einigermaßen normales
Leben gefunden haben, erinnert heute nichts mehr an dieses besondere Kapitel
der deutschen Geschichte. Der jüdische Neubeginn im Land der Täter ist in
Ansbach praktisch unbekannt, bestätigt der langjährige Stadtarchivar Werner
Bürger. 'Mir ist in den ganzen, vielen Jahren meiner Tätigkeit eigentlich
nie etwas bekanntgeworden.' Auch Unterlagen gebe es nicht in der Stadt
Ansbach."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur
| Zeev W. Mankowitz: Life Between Memory and Hope.
Cambridge University Press, Cambridge 2002, ISBN 0-521-81105-8. |
| Leo Schwarz: Report on the Children’s Center
Strüth bei Ansbach. Yidisher visnshaftlekher institut (YIVO) / Displaced
persons camps in Germans (DPG), 1945, S. 225. |
| N. N.: Survey of the Life of the Kibbutz in Strüth, ohne
Jahr. |
| Jim G. Tobias/Nicola Schlichting: Heimat
auf Zeit. Jüdische Kinder in Rosenheim 1946 - 47. Zur Geschichte des "Transient
Children's Center" in Rosenheim und der jüdischen DP-Kinderlager in Aschau,
Bayerisch Gmain, Indersdorf, Prien und Pürten, ANTOGO Verlag, Nürnberg 2006,
ISBN 978-3-938286-31-9. |
| |
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|