Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Strüth (Stadt Ansbach, Mittelfranken)
Jüdische Geschichte / DP-Lager - "Kinder-Kibbuz"

  

Übersicht: 

bulletZur jüdischen Geschichte in Strüth  
bullet Einzelne Berichte/Presseartikel zur Geschichte des Kinder-Kibbuz von Strüth   
bulletLinks und Literatur   

      
Zur jüdischen Geschichte in Strüth
    
    
In Strüth gab es zu keiner Zeit eine jüdische Gemeinde. Auch lebten bis 1945 keine jüdischen Personen/Familien am Ort.  
 
Erst 1946 kam es zu einer jüdischen Niederlassung mit der Einrichtung eines Lagers für jüdische Displaced Persons (DPs, KZ-Überlebende, Flüchtlinge aus Osteuropa) in Strüth. Dieses Lager war für jüdische Waisenkinder im Januar 1946 in der heutigen Rangau-Klinik, einer ehemaligen Lungenheilanstalt in Strüth, eingerichtet worden. Es wurde bekannt als "Kinder-Kibbuz von Ansbach" bekannt wurde.   
 
Informationen nach dem Wikipedia-Artikel zu Strüth: Als das Lager in Strüth am 27. Januar 1946 offiziell seine Arbeit aufnahm, waren 360 Kinder und Jugendliche registriert, am 31. März 1946 bereits 440 Personen. Unklar ist, ob damals alle oder nur ein Teil der Kinder und Jugendlichen aus Ungarn kamen (auf der Webseite After the Shoah: Strüth – Der Kinder-Kibbuz von Ansbach ist von etwa 200 jüdischen Waisenkindern die Rede, die in Ungarn den Holocaust überlebt hatten).
 
Über die Vorgeschichte eines Teiles der Kinder berichtete Rafi Ben Zur, ein Mitglied der Gruppe: 'Unsere Geschichte beginnt, als das Ghetto Budapest am 18. Januar 1945 von den russischen Truppen befreit wurde. Ich war 14, mein Bruder 13, völlig allein, mitten im Chaos, ohne zu wissen, was ich tun sollte. Wir folgten größeren Kindern und rannten vor dem brennenden Ghetto davon, während die Kämpfe noch andauerten. Später wurden wir von der zionistischen Bewegung Dror Habonim abgeholt, die sich noch in der Anfangsphase ihrer Organisation befand. Sie suchten nach einsamen, hungrigen Kindern, verloren in der großen Stadt, ohne jemanden, der sie ernährte. Zu dieser Zeit wussten wir nichts vom Zionismus oder von Palästina, und Zionismus bedeutete für uns Nahrung und Unterkunft, jemanden, der Sie wäscht und Ihnen Kleidung und Schuhe gibt. Die Organisation brachte uns in den südlichen Teil Ungarns, ernährte uns, bis wir wieder Menschen wurden (nach dem Krieg waren wir nur noch Skelette), und sie fingen an, uns über den Zionismus und Palästina aufzuklären.' (Rafi Ben Zur: DP Camp of Children in the sanatorium "Strüth / Strueth by Ansbach). Obwohl Rafi Ben Zur und sein Bruder wieder mit ihrem zur Zwangsarbeit gezwungenen Vater zusammenfanden, war es ihnen unmöglich, ein normales Familienleben aufzubauen. 'Alles um uns herum erinnerte uns an die Vergangenheit. Die Demütigung, Diskriminierung, die Gräueltaten, der Hass und das Töten. Wir wollten ein neues Leben beginnen, in einer neuen, von uns gebauten Heimat, wo wir als freie Menschen leben und uns verteidigen können. Dieser starke Wille führte uns zurück zur zionistischen Bewegung und schließlich nach Palästina (später Israel).' Vor Palästina lag Strüth, wo die Gruppe im Dezember 1946 eintraf. Der Weg dahin war von einer zionistischen Gruppierung organisiert worden. Auf geheimen Wegen erreichten die Flüchtlinge von Budapest aus Wien und gelangten schließlich in das oberbayerische DP-Lager Ainring und von da aus nach Strüth. Die Kinder und Jugendlichen fanden, so Rafi Ben Zur, ein von der UNRRA gut organisiertes DP-Camp für Kinder vor, das von einem Team amerikanischer Soldaten mit einheimischem Fachpersonal effizient geführt worden sei. Von den schon zitierten 440 Bewohnern des Camps am 31. März 1946 hätten etwa 20 Prozent zum Personal gehört und im Garten, in der Küche, in der Backstube sowie in der Wäscherei gearbeitet oder sich um die Sicherheit des Lagers gekümmert sowie die Kinder und Jugendlichen, die zwischen sechs und 18 Jahre alt waren, unterrichtet. Die Bedingungen waren für damalige Verhältnisse offenbar ziemlich gut, wie sich an den Erinnerungen von Mosche Weiss, einem weiteren ungarischen Waisenkind, über seinen Aufenthalt in Strüth zeigt. 'Für uns war es aber ein Paradies, nach den Jahren des Hungers' – auch wenn sich der Aufenthalt hier länger hinzog als beabsichtigt. 'Die Jungen und Mädchen nutzten die Wartezeit und bereiteten sich – gemäß den am Kollektiv ausgerichteten links-zionistischen Idealen – auf ihr späteres Leben in Palästina vor. Einundzwanzig Lehrer der Lagerschule unterrichteten Hebräisch, Englisch, Palästinakunde und Geschichte. Ihre Freizeit verbrachten die Kinder im jüdischen Sportverein beim Boxen, Tischtennis oder auf dem Fußballplatz. Schon bald spielte die Elf von Hapoel Ansbach in der fränkischen DP-Liga mit Makkabi Fürth, Kadima Schwabach und weiteren neun Klubs um die Meisterschaft im Bezirk Franken.'
Zwischen Strüth und anderen großen DP-Lagern gab es einen grundlegenden Unterschied: 'Das Kinderheim Strüth war eine selbstverwaltete jüdische Insel mitten in Deutschland. […] Hier entstand ein als Kibbuz geführtes Kinderheim.' Diese 'Insel' verließ eine erste Gruppe etwa eineinhalb Jahre nach ihrem Eintreffen in Strüth und machte sich illegal auf die Reise nach Palästina. Einige erreichten ihr Ziel, viele wurden jedoch zurückgeschickt oder in englischen Lagern auf Zypern interniert. Auch unter den Passagieren des Schiffs Exodus, dessen Verlassen im Juli 1947 von den Briten in Haifa verhindert wurde, befand sich eine kleine Gruppe von Waisenkindern aus Strüth. 'Erst im Mai 1948 erfüllte sich der Traum vom eigenen Staat, und die Juden konnten ungehindert nach Israel immigrieren. Das Ansbacher Kinderlager wurde im April 1949 geschlossen.'
Der damals 12-jährige Joel Feldmann, ein Junge aus dem Kinder-Kibbuz von Ansbach, war einer der vielen Laiendarsteller in Fred Zinnemanns Film Die Gezeichneten (Originaltitel: The Search). Über die Dreharbeiten zu dem 1947 gedrehten Film berichtete er in dem Dokumentarfilm In den Ruinen von Nürnberg von Jim G. Tobias aus dem Jahr 2015. Der gleiche Autor hatte bereits 2001 den Dokumentarfilm Die vergessenen Kinder von Strüth gedreht, in dem in Israel lebende Kinder und Betreuer aus dem Kinder-Kibbuz zu Wort kamen.

Auf dem Gelände der ehemaligen Lungenheilanstalt und des nachfolgenden Kinder-Kibbuz Strüth befindet sich heute die Rangauklinik, eine Lungenfachklinik. 
    
    
Einzelne Berichte/Presseartikel zur Geschichte des Kinder-Kibbuz von Strüth    

Artikel von Thies Marsen in BR 24 vom 10. März 2024: "Neubeginn im Land der Täter - Jüdische Waisen in Franken.
Die Geschichte ist bisher kaum bekannt: Im Januar 1946 strandeten über 300 zumeist jüdische Kinder und Jugendliche aus Ungarn in Mittelfranken. Sie hatten mit viel Glück die Shoah überlebt, nun fanden sie Zuflucht in Strüth bei Ansbach.
Die Zeit in Strüth sei die schönste in seiner Kindheit gewesen, erinnert sich Shlomo Arad zurück. Und Asher Bar-Nir sagt: 'Als wir dort ankamen, war es, als würden wir geradewegs in den Himmel kommen. Bislang war unser Leben von Hunger bestimmt. Wir hatten immer Hunger. Plötzlich kamen wir an einen Ort, wo es Kakao gab und Brot, weißes Brot. Es war wirklich wie im Paradies.' Und Gad Willmann beschreibt die Zeit in Strüth als eine Zeit des 'Aufatmens'.
Nach dem Zweiten Weltkrieg organisierten zionistische Gruppen von Osteuropa aus Kindertransporte nach Palästina. Auf ihrer Reise ins Gelobte Land strandeten im Januar 1946 über 300 zumeist ungarische Kinder und Jugendliche in Mittelfranken: Sie hatten mit viel Glück die Shoah überlebt, nun fanden sie vorübergehend Zuflucht im Gebäude der Lungenheilanstalt Strüth bei Ansbach. Wo die Diakonie Neuendettelsau heute eine Spezialklinik für Lungenerkrankungen betreibt, fand sich damals auf dem Gelände eines Sanatoriums das erste jüdische Children's Center im besetzten Deutschland, betrieben vom Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen.
Jüdische Kinder, wartend im Land der Täter. Da die britische Mandatsmacht in Palästina Juden direkt nach dem Krieg die Einreise verwehrte, mussten die Kinder und Jugendlichen im Land der Täter ausharren, so wie viele erwachsene Überlebende auch. Denn den Staat Israel gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Vor allem in der amerikanischen Zone entstanden 'DP-Lager', Auffanglager für 'Displaced Persons', heimatlose Überlebende der NS-Gräuel. Nach dem Krieg strandeten allein in Bayern weit über 100.000 solcher DPs. Und die mussten irgendwo untergebracht werden. Die US-amerikanische Militärregierung beschlagnahmte dafür zahlreiche Immobilien in ganz Bayern: Kasernen, Bauernhöfe, Klöster, Krankenhäuser, wo die sogenannten Displaced Persons unterkamen. So entstanden Dutzende kleinere Kibbuzim, aber auch große Lager etwa in Landsberg am Lech oder Föhrenwald bei Wolfratshausen südlich von München.
Forschung geht von 1,5 Millionen ermordeter jüdischer Kinder aus. Verena Buser leitet als Historikerin am Western Galilee College in Israel das Projekt 'Children after War, Holocaust and Genocide', das sich mit dem Schicksal jüdischer Kinder nach Krieg und Shoah befasst. Sie sagt: 'Die akademische Forschung geht davon aus, dass circa 1,5 Millionen jüdische Kinder während der Shoah ermordet wurden. Das heißt allein aufgrund der Tatsache, dass sie jüdisch sind.' Dennoch haben tausende jüdische Kinder den Vernichtungswahn der Nationalsozialisten überlebt – etwa weil sie von ihren Eltern noch rechtzeitig per Kindertransport nach Großbritannien geschickt oder in die Obhut christlicher Familien oder Klöster gegeben wurden, wo sie unter falschem Namen lebten. Andere tauchten unter.
17 Lager für unbegleitete minderjährige Geflüchtete. Die Historikerin Verena Buser sagt, nach der Befreiung Deutschlands hätten in vielen DP-Lagern wie in Föhrenwald, Landsberg und Feldafing Kinder mit ihren Eltern oder Angehörigen eine erste Bleibe gefunden. 'Es gab aber auch eine ganz große Zahl unbegleiteter Minderjähriger, elternloser Kinder und Jugendlicher, für die extra die sogenannten Children's Center, United Nations Children’s Center eingerichtet wurden.' Allein in der US-amerikanischen Zone habe es 17 Lager für Kinder gegeben, elf davon ausschließlich für jüdische Kinder. Das erste dieser Art war eben das in Ansbach, in Strüth. Die meisten dieser Kinder sind inzwischen verstorben. Nürnberger Historikern gelang vor Jahren, einige der ehemaligen Bewohner des Waisenhauses in Israel aufzuspüren und zu interviewen, etwa Asher Bar-Nir. Es habe dort Unterricht gegeben, erzählte er, Sportangebote und Theater. 'Wir spielten mit den Kindern, kümmerten uns um sie. Ja, wir waren so etwas wie ihre Eltern.' Den Alltag hätten sie sich selbst organisiert nach ihren Vorstellungen. 'Wir lebten in einer anderen Welt, in einer eigenen, unabhängigen Gesellschaft.' Und trotzdem: Vor allem nachts seien die Ängste wieder hochgekommen, die Kinder seien wieder eingeholt worden von den schrecklichen Erlebnissen, die hinter ihnen lagen, erinnerte sich einst die inzwischen ebenfalls verstorbene Leah Gadisch. Sie arbeitete damals als Betreuerin und Hebräischlehrerin in Strüth – obwohl auch sie kaum älter war als ihre Schützlinge: 'Die Kinder hatten viele Ängste und Depressionen. Sie haben ins Bett gemacht. Obwohl die Kinder tagsüber fröhlich und ausgelassen waren, spürte man deutlich, dass sie ihre Eltern verloren hatten.'
Ein unbekanntes Kapitel bayerische Geschichte. In Strüth selbst, wo Hunderte traumatisierte Kinder und Jugendliche nach Jahren der Verfolgung, des Hungers und der Zwangsarbeit wieder zurück in ein einigermaßen normales Leben gefunden haben, erinnert heute nichts mehr an dieses besondere Kapitel der deutschen Geschichte. Der jüdische Neubeginn im Land der Täter ist in Ansbach praktisch unbekannt, bestätigt der langjährige Stadtarchivar Werner Bürger. 'Mir ist in den ganzen, vielen Jahren meiner Tätigkeit eigentlich nie etwas bekanntgeworden.' Auch Unterlagen gebe es nicht in der Stadt Ansbach."  
Link zum Artikel  

    
      

Links und Literatur

Links:  

bulletWebsite der Stadt Ansbach     
bulletWikipedia-Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Strüth_(Ansbach)        

Literatur   

bulletZeev W. Mankowitz: Life Between Memory and Hope. Cambridge University Press, Cambridge 2002, ISBN 0-521-81105-8.
bulletLeo Schwarz: Report on the Children’s Center Strüth bei Ansbach. Yidisher visnshaftlekher institut (YIVO) / Displaced persons camps in Germans (DPG), 1945, S. 225.
bulletN. N.: Survey of the Life of the Kibbutz in Strüth, ohne Jahr.
bulletJim G. Tobias/Nicola Schlichting: Heimat auf Zeit. Jüdische Kinder in Rosenheim 1946 - 47. Zur Geschichte des "Transient Children's Center" in Rosenheim und der jüdischen DP-Kinderlager in Aschau, Bayerisch Gmain, Indersdorf, Prien und Pürten, ANTOGO Verlag, Nürnberg 2006, ISBN 978-3-938286-31-9. 
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Stand: 30. Juni 2020