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Thaleischweiler (Gemeinde
Thaleischweiler-Fröschen, Kreis Südwestpfalz)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Thaleischweiler bestand eine jüdische Gemeinde bis um
1910. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1801 und 1808 je 86 jüdische Einwohner (16,4 % der
Gesamteinwohnerschaft), 1825 99 (13,3 %), 1848 143 (in 25 Familien), 1875 101,
1900 37..
Um 1810 werden folgende jüdische Haushaltsvorstände genannt (teilweise
in Klammer die Berufsangaben): Salomon Auer, Raphael Bloch, Salomon Deutschmann,
Samuel Deutschmann (Gebrauchtwarenhändler), Schmuel Feiß, Jacob Frank, Marx
Frank, Moses Frank (Kleinhändler), Marianne Hirsch, Jacques Kern, Isaac Lesem (Kleinhändler), Judith Lesem Witwe,
Leopold Mayer, Jacques Nathan (Kleinhändler), Zacharias Schwarz, Abraham Stern
(Gebrauchwarenhändler), Michel Stern (Gebrauchtwarenhändler).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge
(s.u.), eine Religionsschule (in einem 1854 gekauften und zu einem
Schulhaus umgebauten Gebäude), ein rituelles Bad und einen Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Alfred Weil (geb.
18.10.1895 in Thaleischweiler, vor 1914 in Pirmasens wohnhaft, gef. 28.10.1918).
Um 1924, als zur
jüdischen Gemeinde nur noch 12 Personen gehörten (0,8 % von insgesamt etwa
1.500 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Isidor Levy, Samuel Levy und
Lazarus Lesem. Die Gemeinde mit den in Thaleischweiler und Thalfröschen
lebenden jüdischen Einwohnern hatte sich bereits seit 1910 der jüdischen
Gemeinde Höheneinöd angeschlossen.
Von den in Thaleischweiler geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Johanna Altmann geb.
Lesem (1889), Martha Grünewald geb. Kahn (1891), Lina Guttmann geb. Kahn
(1866), Markus Herzberger (1866), Bertha (Barbara) Kahn geb. Kahn (1863), Julius
(Joseph) Kahn (1862), Rosel Kahn (1895), Babette Leib geb. Lesem (1882), Elsa Levy geb.
Teutsch (1888), Hans Levy (1913), Ilse Karola Levy (1909), Johanna Levy geb.
Levy (1861), Irma Rosenberg geb. Lesem (1884), Sara Sternheimer geb. Kahn
(1867), Emilie Trautmann geb. Kahn (1896), Rosa Wendel geb. Kahn (1877).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1879
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Oktober 1879:
"Die israelitische Religionslehrerstelle zu Thaleischweiler (Pfalz)
ist erledigt und wird hiermit zur Bewerbung ausgeschrieben. Mit derselben
ist zugleich der Vorbeter- und Schächterdienst verbunden. Die
Gehaltsbezüge sind: Bar aus der Kultuskasse 500 Mark, Kasual-Gebühren
(veranschlagt) 200 Mark. Außerdem geräumige, freie Wohnung mit 1/2
Morgen Obst- und Pflanzgarten dabei.
Bewerber wollen ihre mit den erforderlichen Zeugnissen belegten Gesuche
innerhalb 4 Wochen a dato persönlich - und zwar an einem Samstage -
dahier einreichen.
Thaleischweiler (Bayern), 26. Oktober 1879. Der Synagogen-Vorstand:
M. Kahn". |
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Feier zum 50jährigen Bestehen des Wohltätigkeitsvereines
Chewre Kedische (1889)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Dezember 1889: "Thaleischweiler,
18. Dezember (1889). Gestern Abend, als am 1. Chanukkafeste, vereinigte
ein solennes Festmahl die Mitglieder des dahier bestehenden israelitischen
Wohltätigkeitsvereins (Chewre Kedische) in der Wohnung des
Synagogenvorstandes Herrn Samuel Kahn II. zur Feier des 50jährigen
Bestehens dieses Vereins, welche Feier denn auch in schönster Weise
verlief. Die Stimmung der Gemüter war eine solch' animierte, dass sie die
Mehrzahl der Festgäste bis gegen Tagesanbruch gefesselt hielt. Namentlich
trugen zu dieser gehobenen Feststimmung einige Vereinsmitglieder bei, die
durch sehr beifällig aufgenommene Vorträge neues Leben und Begeisterung
für den Verein zu wecken wussten; es sind dies die Herren Josef
Reinheimer, Julius Kahn und der Synagogenvorstand. - War diese Feier
einerseits eine zeitgemäße, so gereichte sie andererseits dem Verein
auch zum Segen, indem derselbe nunmehr neu belegt und durch den Zugang
neuer Mitglieder verstärkt in das 2. halbe Jahrhundert seines Bestehens
einschreitet. Hoffen wir auch, dass wie dermalen noch einige derjenigen
Mitglieder vorhanden sind, die vor 50 Jahren den Verein begründet haben,
- die Herren Abraham Franck und Jakob Reinheimer, beide Greise über 80
Jahre - dermaleinst bei der Feier des 100jährigen Jubiläums* ebenfalls
noch Mitglieder vorhanden sein mögen, die Zeugen dieser Feier gewesen.
Wünschen wir unserem edlen Vereine bis dahin 'Wachsen, Blühen und
Gedeihen!'". |
* die Feier hätte 1939 stattfinden
müssen. |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum 83. Geburtstag des Kriegsveterans Isidor Levy
Artikel in der "CV-Zeitung" vom 3. Oktober 1930: "Die
'Pirmasenser Zeitung' vom 25. September bringt zum 83. Geburtstag unseres
Mitgliedes Isidor Levy in Thaleischweiler einen Artikel, in dem es heißt:
Der letzte Veteran 1870/71 von Thaleischweiler, Isidor Levy, begeht morgen
in geistiger Frische und verhältnismäßiger körperlicher Rüstigkeit
seinen 83. Geburtstag. Levy ist am 26. September 1847 in Wallhalben
geboren. Er erlernte bei seinem Vater das Bleichschmiedehandwerk, das in
dieser Familie traditionell ist, denn vier Generationen waren
Blechschmiede. Vor dem 70er Kriege war Levy einige Jahre in Amerika zur
handwerklichen Weiterausbildung, ebenso aus gleichem Grunde längere Zeit
in Frankreich. Den Feldzug 1870/71 machte er beim, 5. Bayerischen
Jägerbataillon mit. Von seiner Teilnahme an der Schlacht bei Sedan, dem
Gefecht bei Bagneux (13. Oktober 1870) und dem Ausfallgefechte von Paris
erzählt er heute noch Einzelheiten. Im Jahre 1874 machte er sich in
Thaleischweiler selbständig und betrieb sein Handwerk noch bis vor
wenigen Jahren." |
Zur Geschichte der Synagoge
Bei dem bis heute erhaltenen Gebäude der ehemaligen Synagoge
in Thaleischweiler handelt es sich um ein ursprüngliches Wohnhaus, das 1827/28
zu einer Synagoge umgebaut wurde. Am 23. Januar 1826 hatte die jüdische
Gemeinde Thaleischweiler ein Gesuch an die königlich-bayerische Regierung der
Pfalz in Speyer gerichtet, man wolle eine Synagoge und einen Schulsaal für die
Jugend mit einer Lehrerwohnung erbauen. Die Behörde reagierte offenbar nicht
auf das Gesuch, sodass die jüdische Gemeinde am 25. Mai 1827 erneut ein
Bitte zum Bau der Synagoge nach Speyer schickte. Man habe bereits ein Haus
gekauft, das man zu einer Synagoge umbauen wollte. Erst ein drittes Gesuch am 28.
Juni 1827 veranlasste das königliche Landkommissariat zu einer Antwort.
Zunächst wurde nur die Einrichtung einer Synagoge genehmigt. Vermutlich wurden
beim Umbau des Haus die bis heute charakteristischen Rundbogenfenster
eingebaut. Beim Synagogengebäude handelt es sich um einen Bruchsteinbau
mit Satteldach.
Über das gottesdienstliche Leben in der Synagoge Thaleischweiler liegen aus
jüdischen Periodika bislang keine Berichte vor. Bereits Ende der 1830er-Jahren
wurden offenbar liberale Reformen im gottesdienstlichen Leben durchgeführt, die
unter dem Einfluss des damaligen Bezirksrabbiners Oppenheim (Pirmasens) standen.
Über seine Bemühungen in dieser Richtung liegt ein Artikel von 1839, in dem
unter anderem über eine gemeinsame Konfirmationsfeier von jüdischen Kindern
aus Thaleischweiler, Rodalben und - in der Synagoge in
Pirmasens - berichtet wird.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. Juli 1839. Pirmasens
(Pfalz). 14. Juli (1839). Die Synagoge zu Pirmasens stets gewohnt, andern
Synagogen mit der Fackel der Aufklärung voran zu leuchten, hat in neuerer Zeit
abermals einen bedeutenden Vorsprung gewonnen. Durch die Bemühung des
ausgezeichneten Bezirksrabbinen Herrn Oppenheim hat sich ein vierstimmiges
Gesang-Chor gebildet, bestehend aus einigen vierzig Personen israelitischer
Jugend beiderlei Geschlechts, welcher durch unermüdliche Übungen Gesangstücke
aufführt, die der größten Kirchengemeinde Ehre machen würden. Jeden Sonntag
sowie jeden Feiertag, wenn ein deutscher Vortrag gehalten wird, - und dies
geschieht sehr häufig – werden von dem Chor die erbaulichsten Lieder in
deutscher Sprache vorgetragen, die meistens aus dem württembergischen für
Israeliten bestimmten Gesangbuch entnommen sind; bei jeder Trauung, die immer in
der Synagoge stattfindet, wird das Brautpaar von dem Chor mit Gesang empfangen,
und auch vor und nach der Traurede, sowie vor und nach dem Trauungsakt werden
angemessene Lieder mit Musikbegleitung abgesungen. So hat die deutsche Sprache
dahier Eingang in die Synagoge gefunden, ohne dadurch die Hebräische zu verdrängen.
Das Konfirmationsfest aber, welches den 25. Mai letzthin gefeiert wurde, setzte
diesem Allen die Krone auf. Die Konfirmanden waren, mit denen von der Gemeinde
Rodalben und Thaleischweiler
hinzugezogenen, zehn an der Zahl, drei Mädchen und sieben Knaben. Die begleitende Musik wurde von den angesehensten und ausgezeichnetsten
christlichen Musikfreunden hiesiger Stadt ausgeführt, und die christlichen
Lehrer beider Konfessionen wirkten im Chor bei Absingung der dabei abgehaltenen
fünf Lieder zu Erhöhung desselben mit. Der Bezirksrabbine bestieg die
geschmackvolle, mit passenden Inschriften versehene Kanzel – die wir auch ihm
verdanken, und welche eine Zierde der Synagoge ist – und hielt eine geist- und
gemütvolle, der Feier vollkommen entsprechende Rede an seine Gemeinde, für
welche sie gleich rührend, wie voll Erbauung für die anwesenden Christen war.
Sodann wurde die Prüfung der Konfirmanden vorgenommen. Die Jugend beantwortete
die an sie gerichteten Fragen so richtig, mit Präzision und Ausdruck, mit Gefühl
und Wärme, dass es für jeden unverkennbar war, dass sie auch verstehen, fühlen
und erfassen alle die Lehren, zu denen sie sich öffentlich bekannten. Nach
einer feierlichen Anrede an die Konfirmanden legten diese ihr Gelübde ab, der
Rabbine betete für sie auf eine erhebende Weise und sprach den priesterlichen
Segen über sie aus. Das Fest endete mit Absingung des 150. Psalms in hebräischer
Sprache nach der Melodie in der Zeitung des Judentums von 1838. Die höheren –
weltlichen und geistlichen – Beamten, sowie sonstigen Honoratioren hiesiger
Stadt, die alle Lieder mitsangen, erhöhten und verherrlichten durch ihre
Anwesenheit noch mehr, das uns unvergessliche neue Fest, um welches wir, wie
sich ein Altgläubiger aussprach, reicher geworden.
Je seltener jetzt in der Gemeinde Israelis die volle Anerkennung der Verdienste
eines Geistlichen sich findet, desto tiefer fühlen wir den Dank, den wir dem
unsrigen schulden, nachdem er die Veredlung des innern und äußern
Gottesdienstes, die Bildung des Chors, die Verschönerung im Innern des
Synagoge, die Ordnung bei Leichenbegängnissen, sowie den Leseverein ins Leben
gerufen. – |
Auf Grund der stark zurückgegangenen Zahl der
Gemeindemitglieder wurde die Synagoge in Thaleischweiler nur bis 1912 für die
Gottesdienste am Ort genutzt. 1915 gab es in Thaleischweiler nur noch 15, in
Thalfröschen noch 4 jüdische Einwohner. Damals besuchten die an den beiden
Orten lebenden Juden bereits die Gottesdienste in Höheinöd.
Das Synagogengebäude wurde 1913 an den Schuhfabrikanten August Ludy verkauft,
der bis 1932 Eigentümer war. In diesem Jahr erfolgt ein Besitzerwechsel,
gleichfalls 1953.
Adresse/Standort der Synagoge: Klostergasse
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Fotos
(Quelle für die sw-Fotos: O. Weber s. Lit. S. 246)
Das Gebäude der ehemaligen
Synagoge
Ende der 1920er-Jahre |
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In den 1920er-Jahren war im
Gebäude
keine Synagoge mehr untergebracht |
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Das Gebäude der
ehemaligen
Synagoge 1993 |
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Trotz der
vorgenommenen Umbauten erinnern die Rundbogenfenster
an die Vergangenheit des Gebäudes |
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Das Gebäude der ehemaligen
Synagoge im Februar 2008
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 23.2.2008) |
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Das
Synagogengebäude in derzeit offenbar unbewohntem Zustand |
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Fotos von
2011
(Fotos: Bernhard Kukatzki) |
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Ansichten
des ehemaligen Synagogengebäudes (wie oben) |
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Erinnerung an
die Deportationen
(Foto: Bernhard Kukatzki, Aufnahme von 2013) |
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Grabstein
für Joseph Kahn aus Thaleischweiler (1862-1940) in Gurs; Joseph Kahn
wurde am 20./22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert, wo er am 1. Dezember
1940 umgekommen ist. |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Festbuch zur 750-Jahr-Feier der Ortsgemeinde
Thaleischweiler-Fröschen. Pirmasens 1987 (S. 377-393: Das Judentum in
Thaleischweiler, von Gerhard Reischmann). |
| Otmar Weber: Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter
besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südpfalz. Hg. von der
Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz in Landau. 2005.
S. 243-247. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 362 (mit weiteren Literaturangaben).
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n.e.
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