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Unterleinach (Gemeinde
Leinach, Kreis Würzburg)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(diese Seite entstand insbesondere durch Auswertung
der Arbeit von Sabrina Steinmetz, s.Lit.)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Unterleinach bestand eine jüdische Gemeinde bis 1885.
Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. Jedoch lebten
bereits seit dem 15. Jahrhundert Juden / jüdische Familien am Ort. In
den Zinsregistern von Unterleinach aus den Jahren 1421 und 1492
werden bereits mehrere Juden in Unterleinach genannt. Auch in Verzeichnissen der
folgenden Jahrhunderte (Gült- und Zinsbücher von 1470 bis 1723, u.a. des
Brunnbacher Hofs in Würzburg) finden sich ständig Nennungen von jüdischen
Ortsbewohnern. Bereits seit dem 15. Jahrhundert begegnen als (Familien-)Namen
u.a. Freudenberger und Ber/Bär.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts nahm die Zahl der jüdischen Einwohner
langsam zu. 1774 werden vier Juden (jüdische Familien) am Ort genannt:
Schmul Jud, Hona Jud, Samuel Jud, Berlein Jud.
Zwischen 1773 und 1812 erhielten folgende Juden Schutzbriefe, die
im Staatsarchiv Würzburg noch erhalten sind (in Klammer die Namensbezeichnung
laut Matrikelliste 1817 s.u.): Berlein Samuel 1773 [= Bär Strauß], Moyßes
Bär 1800 [= Moises Strauß], Simon Moyses von Urspringen 1812 [= Moises Frank],
Hejum Samuel 1812 [= Haium Heß].
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Unterleinach auf
insgesamt sechs Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorsteher
genannt ( mit
neuem Familiennamen, Erwerbszweig und Familienverhältnisse): Bär Strauß
(Viehhandel und Geldverleih, 65 Jahre alt, mit Frau, Tochter und Sohn;
Nachfolger auf dieser Matrikelstelle war 1826 Faust Freudenberger,
Seifensieder und Lichterzieher), Moises Strauß (Handel mit Vieh, Tuch,
Leder, Geldverleih, 40 Jahre alt, mit Frau, vier Töchtern, zwei Söhnen), Jakob
Strauß (Viehhandel und Geldverleih, 29 Jahre alt, mit Frau und Tochter), Sandel
Freudenberger (49 Jahre, mit Frau, drei Söhnen, einer Tochter), Moises
Frank (Spezerei-, Vieh- und Lederhandel, Schnittwarenhandel, 31 Jahre alt
mit Frau, einer Tochter und drei Stiefkindern), Haium Heß (Handel mit
Vieh und Leder, 32 Jahre alt, mit Frau und zwei Töchtern). Eine weitere
Matrikelstelle wurde 1819 für Maier Strauß (Feldbauer) eingerichtet . Ohne
Matrikelstelle war zunächst Faust Freudenberger, der jedoch wie erwähnt 1826
auf der Stelle von Bär Strauß nachrückte. Über der Normalzahl der
Matrikelstellen wurden in den folgenden Jahren in Unterleinach aufgenommen 1832
Lazarus Freudenberger (lebt von der Landwirtschaft) und 1834 Löw Frank
(Seilermeister).
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1815 39 jüdische Einwohner (in sieben Familien), 1832 55, 1834 63,
1871 49. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der jüdischen
Einwohner durch Aus- und Abwanderung zurück. Unter anderem ist 1852 Frank
Abraham nach Amerika ausgewandert.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge
(s.u.), eine jüdische Schule (Religionsschule) und ein rituelles Bad (in
der früheren mittelalterlichen Badstube im Haus Nr. 6 unterhalb der Kirche;
nach 1911 als Wasserwerk verwendet; Gebäude steht noch in der Zellinger
Strauße). Die Toten der Gemeinde wurden im jüdischen Friedhof in Laudenbach
beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein
Lehrer angestellt, der auch als Vorbeter und Schochet tätig war: seit 1809 war
Lehrer der Gemeinde Henoch Maier, ab 1817 Mathes Gabriel Schwanfelder. 1840 wird
als Lehrer ein Herr Goldschmied genannt, 1853 Joseph Klein.
Die letzten jüdischen Leinacher sind um 1885 verzogen, überwiegend nach
Karlstadt.
Von den in Unterleinach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Carl (Karl)
Freudenberger (1868), Julius Freudenberger (1880), Meyer (Maier) Freudenberger
(1860), Richard Ferdinand Freudenberger (1882), Marianne Heß (1870), Amalie
Maier geb. Strauß (1880), Marianne (Merina) Marx geb. Freudenberger
(1873).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
In jüdischen Periodika des 19. Jahrhunderts
wurden noch keine Berichte zu Unterleinach gefunden. |
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und Vorsänger
Lehrer Ephraim Wolf in Unterleinach wechselt als
Religionslehrer und Vorsänger nach Miltenberg und Eichenbühl (1867)
Anzeige im "Königlich Bayerischen Kreis-Amtsblatt von
Unterfranken und Aschaffenburg" vom 22. Februar 1867:
"Durch Regierungs-Entschließung vom 12. Februar laufenden Jahres ad
Num. 9272 wurde die Aufstellung des Ephraim Wolf, bisher
Religionslehrer zu Unterleinach, königlichen Bezirksamts
Würzburg, als Religionslehrer und Vorsänger der kombinierten
israelitischen Schulgemeinde Miltenberg
- Eichenbühl, königlichen Bezirksamts Miltenberg, genehmigt."
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Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst (um 1800) war ein Betraum im Haus des Juden Schmul
vorhanden ("Schmuhls Häuschen", Haus Nr. 78 1/2, zwischen Riedstraße
und der ehemaligen Synagoge). 1815 beschloss die jüdische Gemeinde den
Bau einer Synagoge. Es wurde ein relativ geräumiges Gebäude erstellt mit einem
hohen Betsaal, in dem eine Empore für die Frauen eingerichtet war. Sie befand
sich hinter dem landwirtschaftlichen Anwesen von Moses Strauß im sogenannten
"Judenhof" Nr. 97-99 (Bereich Hauptstraße 4-6).
Wie lange die Synagoge als Gotteshaus verwendet wurde, ist nicht bekannt. Nach
dem Wegzug der jüdischen Familien um 1885 kam das Gebäude in
Privatbesitz, seit 1916 in den Besitz der bürgerlichen Gemeinde. Im Ersten
Weltkrieg wurden einige Zeit französische Kriegsgefangene in dem Gebäude
untergebracht. Später wurde hier Eichenschälrinde eingelagert. Nach 1933
wurde im Synagogengebäude das Armenhaus eingerichtet. 1955 wurde im
Betsaal eine Zwischendecke eingezogen. Mehrere Landwirte konnten im Erdgeschoss
eine Gemeinschaftskühlanlage für Fleisch einrichten. Nachdem diese nicht mehr
gebraucht wurde, stand das Gebäude leer. 1988 beschrieb Israel Schwierz das
damalige Gebäude so: "Bausubstanz insgesamt noch fast vollständig
erhalten; alle Fenster und Türen im Original erhalten; Spuren des Aron
Hakodesch gut erkennbar; verputzte große steinerne Fläche (Denkmal?) links von
der Eingangstür; in dem Ort heute noch ein ganz hervorstechendes
Gebäude!"
Nachdem das Gebäude der ehemaligen Synagoge wiederum in Privatbesitz war, wurde
es 1991 abgebrochen. Die Steine wurden als Gartenmauern verwendet. Der Verbleib
eines Chuppasteines (Hochzeitssteines) ist nicht bekannt.
Die Anbringung einer Gedenktafel für die jüdische Gemeinde in der Nähe der
ehemaligen Synagoge wurde im Mai 2009 im Gemeinderat Leinach auf Vorschlag von
Sabrina Steinmetz beschlossen. Der Vorschlag für den Text der Gedenktafel ist:
"Zur Erinnerung an die Jüdische Kultusgemeinde Unterleinach (1421-1885).
Ihre Synagoge befand sich von 1815 - 1991/1992 in unmittelbarer
Nähe." Die Gedenktafel wird in den nächsten Wochen/Monaten am neu
gestellten Dorfplatz in der Nähe der ehemaligen Synagoge angebracht.
Nachtrag zum Verbleib der Kultgegenstände aus der Synagoge in
Unterleinach: die Tora und die steinernen Gebotstafeln wurden um 1885 nach
Karlstadt gebracht und im Betsaal des Haus der Familie Strauß (heute
Hauptstraße 24) untergebracht. Dort blieben sie bis 1935, der weitere Verbleib
ist unbekannt.
Adresse/Standort der Synagoge: hinter dem
landwirtschaftlichen Anwesen in der Rathausstraße 1.
Fotos
(Fotos von Israel Schwierz, um 1988)
Die ehemalige Synagoge
vor dem Abbruch |
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Rückseite der ehemaligen
Synagoge |
Vorderseite der ehemaligen
Synagoge |
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Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte
2008:
Facharbeit zur jüdischen
Geschichte in Unterleinach |
Artikel von Wolfgang Jung in der
"Mainpost" vom 17.2.2009: "LEINACH - Sabrina und die vergessenen Leinacher
Landjuden
Sabrina Steinmetz erforschte das Leben der Landjuden in ihrem Heimatdorf
Sabrina hat als Schülerin des Würzburger Friedrich-Koenig-Gymnasiums eine bemerkenswerte Facharbeit geschrieben, Titel:
"Jüdische Kultusgemeinde Unterleinach – unsere vergessenen Bürgerinnen und Bürger".
"...sei ein jüdischer Mann so erzürnt gewesen, dass er ein Schächtermesser in die Buche stieß, und ein Wunder soll geschehen sein:
Dreimal habe eine klagende Stimme "o weh!" gerufen, die Messerspitze sei blutig gewesen, ebenso das Marienbildnis. Der Jude mit dem Schächtermesser aber soll zum Christen bekehrt worden
sein". Sabrina vermutet, dass die Leinacher Juden an den Folgen dieser Mär zu leiden hatten, wie Würzburger und Röttinger Juden unter ähnlichen Gräuelgeschichten. Was zu jener Zeit tatsächlich im Ort geschah, weiß sie nicht: Zu dürftig ist die Nachrichtenlage.
Weil sie "keine halben Sachen" machen wollte, untersuchte sie historische und kulturelle Hintergründe im Land und erklärte mit ihnen Leinacher Vorgänge.
Zum Beispiel, wie die Dienstmagd Sanna Rosenbusch zu ihrem Nachnamen kam. Im Jahr 1812, berichtet Sabrina, forderten die Behörden die Juden auf, sich mit deutschen Nachnamen registrieren zu lassen.
Viele seien der Willkür von Beamten ausgeliefert gewesen, die ihnen Namen zuwiesen.
"In Wien zum Beispiel ging man bei der Namensvergabe sehr systematisch vor, täglich wechselte der Vergaberhythmus.
An einem Tag wurden die Namen nach Farben vergeben, am nächsten Tag wählte man die Pflanzenwelt als
Grundlage." Die jüdischen Leinacher wurden 1813 in Würzburg vorgeladen, zur Erklärung der neuen Namen.
Die selbst gewählten Nachnamen Miltenberger und Wertheimer habe das Bayerische Landgericht nicht zugelassen, weswegen sich zwei Leinacher ein zweites Mal einen neuen Namen suchen mussten.
"Äußerst unglücklich", schreibt sie, seien die Folgen des vierten Laterankonzils der lateinischen Kirche von 1215 gewesen. Da beschlossen 1200 Bischöfe und Äbte, Juden hätten eine besondere Tracht zu tragen.
Christen dürften mit ihnen nicht an einem Tisch essen und nicht als Dienstboten für sie arbeiten.
Die Kirchenoberen verboten den Christen außerdem das Zinsgeschäft. Geld verleihen durften Juden weiterhin, so wurde das Geschäft des Wucherers ein jüdisches.
"Wuchern", erklärt Sabrina, "bedeutete zunächst nur, Geld gegen Zinsen
ausleihen." Extrem hohe Zinsen seien rechtmäßig und üblich gewesen, "weil viele Kredite nicht zurückgezahlt werden konnten beziehungsweise keine Sicherheiten zur Verfügung
standen". 200 Jahre später durften auch Christen wieder Geld verleihen, aber die Juden hatten ihren schlechten Ruf als
"Wucherer" weg. Sabrina fand heraus, dass in Unterleinach die katholische Kirche Kredite vergab, unter anderem an Juden: 25 Gulden an Berla Jud im Jahr 1800; 1819/20 zahlte Sundel Freudenberger für geliehenes Kapital von 31 Gulden 15 Kreuzer Zins.
Das vierte Laterankonzil verbot Juden, öffentliche Ämter, landwirtschaftliche oder handwerkliche Berufe auszuüben. Lediglich Bäcker und Metzger durften sie werden, um die jüdischen Gläubigen zu versorgen.
So blieb ihnen neben dem Geldgeschäft nur der Handel. Wer das nicht konnte, litt Not. Sabrina berichtet, viele Landjuden hätten am Existenzminimum gelebt.
In Leinach lebten Christen und Juden – wie fast überall – mehr nebeneinander als miteinander. Die Einhaltung der 613 Gebote und Verbote ihres Glaubens prägte den Tagesablauf der Juden, vielen Christen war das nicht koscher.
Sabrina brachte Spannungen zwischen christlichen und jüdischen Leinachern zutage, entstanden aus dem Einhalten der religiösen Ruhetage, dem samstaglichen Sabbat und dem Sonntag.
Im Gemeindearchiv Unterleinach steht geschrieben, die Christen hätten den Juden 1793 verboten, am Sonntag während des Gottesdienstes den Ziehbrunnen zu benutzen, um Lärm zu vermeiden.
Unter Strafandrohung trugen sie ihren jüdischen Nachbarn auf, sich an Sonn- und Feiertagen während der Gottesdienste in ihren Häusern aufzuhalten.
Sabrina entdeckte eine Reihe rechtlicher, wirtschaftlicher und sozialer Beeinträchtigungen der jüdischen
Leinacher. "Nicht verwunderlich" sei, "dass die Landjuden Ende des 19. Jahrhunderts ihr Glück in den Städten versuchen wollten.
Sie erhofften sich dort in größeren jüdischen Gemeinschaften bessere Chancen und
Perspektiven."
90 Seiten umfasst die Facharbeit, zusammengetragen in Archiven, Gesprächen mit Historikern und E-Mail-Verkehr mit dem 85-jährigen New Yorker Reiner J. Aumann, dem Gatten von Edith Freudenberger, deren Vorfahren aus Unterleinach stammen.
Sabrina hat die Bestnote bekommen und Ehrungen, unter anderem vom Leinacher Bürgermeister Uwe Klüpfel und vom Münchner Verein
"Bayerische Einigung", der, so steht es in der Satzung, "die kulturellen Werte Bayerns der
Vergangenheit" erhalten und pflegen will. Sabrina Steinmetz, inzwischen 19 Jahre alt, studiert mittlerweile Sozialversicherungsmanagement in Bonn. Als Historikerin wären ihr die beruflichen Aussichten zu schlecht gewesen.
So, sagt sie, erlerne sie einen sozialen Beruf und hat mit Schicksalen zu tun.
"Ich kann Menschen helfen – hoffentlich." Um die jüdischen Leinacher wieder ins Gedächtnis des Ortes zu rufen, regte sie an, eine Hinweistafel auf die einstige Synagoge aufzustellen. Bürgermeister Klüpfel sagt, er könne sich das
"gut vorstellen". |
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Rezension von Israel Schwierz in
Würzburg: SABRINA STEINMETZ: " JÜDISCHE KULTUSGEMEINDE UNTERLEINACH – unsere vergessenen Bürgerinnen und Bürger". Leinach 2008.
Auf dem Gebiete des heutigen Regierungsbezirks UNTERFRANKEN gab es schon immer die meisten jüdischen Kultusgemeinden in BAYERN: bereits im Mittelalter wurden viele durch Pogrome und Vertreibungen ausgelöscht, es entstanden auch wieder neue. Aber nicht nur durch Gewalt oder staatliche Erlasse verschwanden Gemeinden – manche lösten sich auch ganz einfach durch den Wegzug der Mitglieder von allein auf. Dieses Schicksal widerfuhr auch der Jüdischen Kultusgemeinde UNTERLEINACH, die ungefähr vom 18. Jahrhundert (möglicherweise auch schon früher, denn bereits 1421 werden Juden in UUNTERLEINACH urkundlich erwähnt) bis zum Jahre 1885 existierte.
Zeitungsartikel über "Stolpersteine" in WÜRZBURG hatten das Interesse der in UNTERLEINACH – heute LEINACH – wohnenden Abiturientin SABRINA STEINMETZ geweckt, auch in ihrem Heimatort nach Spuren jüdischen Lebens zu suchen. In der Ortschronik aus dem Jahre 1999 von CHRISTINE DEMEL wurde sie fündig. So entschloss sie sich, eine Facharbeit in Geschichte mit dem Thema "Jüdische Kultusgemeinde in UNTERLEINACH" zu erstellen. Das Ergebnis ihrer Forschungsarbeit ist eine erstaunliche Dokumentation.
Eingeleitet wird die Arbeit mit einer detaillierten Inhaltsübersicht , dem sich ein erstes kurzes Kapitel anschließt, in welchem die Autorin darlegt, wie sie zu dem Thema ihrer Facharbeit gelangt ist und unter welchen erschwerten Bedingungen sie bei der Spurensuche für die Dokumentation vorgehen musste.
Ein weiterer ausführlicher Abschnitt beschäftigt sich mit dem Leben der Landjuden in Mainfranken: hier kann man viele interessant Details über die rechtlichen Beschränkungen (Schutzbriefe - Judenregal", Matrikelparagraphen und Probleme bei der Annahme von Familiennamen), die erwerbswirtschaftlichen Beeinträchtigungen und über den gesellschaftlichen Status der Juden (Außenseitertum, Selbstisolierung und antisemitische Gerüchte und Klischees) erfahren.
Der dritte große Teil der Arbeit ist der Spurensuche im heutigen LEINACH gewidmet: SABRINA STEINMETZ dokumentiert sehr anschaulich alles Wissenswerte über die 1815 erbaute Synagoge, die nach dem Wegzug der jüdischen Bevölkerung aus dem Ort mehrfach den Besitzer wechselte. Obwohl sie 1988 als Bauwerk noch fast vollständig erhalten war (alle Fenster und Türen waren erhalten, ebenso die Nische des Ahron Hakodesch und eine verputzte Fläche links der Eingangstür, möglicherweise ein Chuppastein) wurde sie 1991/92 abgerissen. Auch die Mikwe, ursprünglich eine mittelalterliche Badstube, die 1745 von CASPAR FREUDENBERGER als jüdisches Ritualbad erworben wurde und ab 1911 der Gemeinde UNTERLEINACH als Wasserwerk diente, wird ausführlich in Wort und Bild dargestellt. Beschrieben werden ferner die Schulverhältnisse, die Lage der ehemaligen jüdischen Häuser im Ort (mit Ortsplan und Lagebezeichnung ehemaliger jüdischer Häuser) sowie die Beerdigungskultur (die Juden von UNTERLEINACH beerdigten ihre Toten auf dem jüdischen Friedhof von LAUDENBACH bei KARLSTADT). Besonders interessant ist die Auswertung amtlicher Register von 1421 bis 1876: Gült- und Zinsbücher, besonders aber die kompletten Geburts- (1811 – 1876), Sterbe- (1811 – 1873) und Trauregister (1812 – 1873).
Ein Viertes Kapitel der Arbeit befasst sich mit der aus UNTERLEINACH stammenden Familie FREUDENBERGER: Sehr einfühlsam berichtet SABRINA STEINMETZ über das Leben der Familie vor dem Dritten Reich, die erfolgreichen Bemühungen der Eltern, alle ihre acht Kinder aus NS-Deutschland in Sicherheit zu bringen und schließlich den Tod von RICHARD FREUDENBERGER s.A. 1941 im KZ DACHAU und den seiner Frau GUTTA s.A. 1942 im Vernichtungslager AUSCHWITZ.
In einem letzten Abschnitt erklärt die Autorin nach einem kurzen Rückblick über ihr Werk die Absicht, bei den Behörden ihres Heimatortes einen Antrag zu stellen, damit diese in irgendeiner Form – z.B. als "Stolperstein" – auf dem neu geschaffenen Platz des Ortes an die jüdische Geschichte der Gemeinde erinnern.
Ein ausführlicher Anhang – bestehend aus Literatur- und Quellenverzeichnis, mehreren transkribierten Originalurkunden aus dem Leben der Juden in UNTERLEINACH sowie aus einigen Photokopien runden diese in der Tat sehr eindrucksvolle Dokumentation harmonisch ab.
Es wundert nicht, dass die Arbeit im Gutachten des Friedrich-Koenig-Gymnasiums WÜRZBURG mit der Höchstpunktzahl und der Note "sehr gut" beurteilt wurde. Die Autorin erhielt für ihre hervorragende Facharbeit auch den Preis des Jahres 2008 des Vereins der Freunde des Friedrich-Koenig-Gymnasiums WÜRZBURG und den Sonderpreis der Bayerischen Einigung e.V. der Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V.
Mit ihrer Dokumentation hat SABRINA STEINMETZ nicht nur eine hervorragende Facharbeit erstellt. Sie hat darüber hinaus auch die vor weit über einem Jahrhundert aufgelöste Jüdische Kultusgemeinde UNTERLEINACH dem dauernden Vergessen entrissen und ihr ein bleibendes Denkmal gesetzt. Dafür gebührt ihr tiefer Dank und höchste Anerkennung. |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 120. 1992² S. 128. |
| Christine Demel: Abschnitt zur Geschichte der Juden
in Unterleinach. In. Leinach. Geschichte - Sagen - Gegenwart. Leinach 1999
S. 429-440 (die Verfasserin behandelt hier die Geschichte der
Unterleinacher Juden von den ersten Nachweise bis zur Auflösung der
israelitischen Kultusgemeinde - 1421-1885, sowie das Schicksal der Leinacher
Juden nach ihrer Übersiedlung nach Karlstadt am Main bis zur Shoa, Hinweis
von Joachim Braun, Würzburg). |
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 264-265. |
| Sabrina Steinmetz: Jüdische Kultusgemeinde
Unterleinach - unsere vergessenen Bürgerinnen und Bürger. Facharbeit
Geschichte - Friedrich-König-Gymnasium Würzburg. Kollegstufenjahrgang
2006/08. Eigenverlag 2009.
diese Arbeit wurde veröffentlicht im "Mainfränkischen Jahrbuch für
Geschichte und Kunst" Würzburg 2010 S. 313-370. |
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