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Wöllstein
mit Siefersheim (VG
Wöllstein, Kreis Alzey-Worms)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Wöllstein, das in früheren Jahrhunderten zu Kurmainz
gehörte, bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit Ende des 18. Jahrhunderts zurück.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1803 drei jüdische Familien mit zusammen 10 Personen, 1824 24
jüdische Einwohner (in fünf Familien), 1861 39 (2,5 % von insgesamt 1.553
Einwohnern), 1880 67 (4,2 % von 1.603), 1895 95, 1900 67 (3,9 % von 1.730), 1910
51 (2,8 % von 1.838). Zur jüdischen Gemeinde in Wöllstein gehörten auch
die im benachbarten Siefersheim lebenden
jüdischen Personen: 1824-30 6 jüdische Einwohner, 1905 10. In Siefersheim gab
es im wesentlichen zwei jüdische Familien mit den Familiennamen Keller und
Seligmann.
Die jüdischen Familien in Wöllstein und Siefersheim lebten überwiegend in
sehr einfachen wirtschaftlichen Verhältnissen.
An der früheren Präparandenanstalt in Wöllstein, in der künftige
Lehrer auf die Ausbildung am Lehrerseminar ausgebildet wurden, sind auch
jüdische Schüler ausgebildet worden. Sie konnten danach beispielsweise im
Lehrerseminar in Alzey aufgenommen werden.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule
(Religionsschule) und ein Friedhof. Möglicherweise
gab es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeitweise einen eigenen
jüdischen Lehrer am Ort, der auch als Vorbeter und Schochet tätig war.
Nachweise hierfür wurden jedoch noch nicht gefunden. Spätestens in der Zeit
nach dem Ersten Weltkrieg wurden die jüdischen Kinder der Gemeinde in Religion
durch den jüdischen Lehrer aus Fürfeld
unterrichtet. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Bingen.
Um 1924, als zur Gemeinde 44 Personen gehörten (2,5 % von insgesamt 1.748
Einwohnern), waren die Vorsteher S. May II, Adolf May und Simon May. Die
Gemeinde hatte keinen eigenen Lehrer mehr. Den Religionsunterricht der damals fünf schulpflichtigen jüdischen Kinder erteilte Lehrer Moses Mayer aus Fürfeld.
1932 waren die Gemeindevorsteher Simon May (1. Vors.), Adolf May (2.
Vors.) und ein Herr Mendel (3. Vors.). Weiterhin kam der Lehrer aus Fürfeld
(inzwischen der aus Polen stammende Schama Neumann) zum Unterricht der im Schuljahr 1931/32 zwei
jüdischen Kindern nach Wöllstein.
1933 lebten 45 jüdische Personen in Wöllstein (2,4 % von insgesamt 1.879
Einwohnern). In
den folgenden Jahren sind die meisten der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. In die USA konnten sieben
Personen emigrieren, fünf nach Argentinien; andere verzogen innerhalb von
Deutschland (insbesondere nach Frankfurt). Letzter Gemeindevorsteher war 1937
Eugen Mendel. Er konnte mit Familie noch auswandern. Beim Novemberpogrom 1938
wurde der Betsaal demoliert; auch Wohnhäuser der jüdischen Familien wurden
überfallen und beschädigt. Unter den Tätern waren ortsfremde, aber auch
Schüler der damaligen Bürgerschule in Wöllstein. In der Nacht vom 10. auf den
11. November 1938 wurde
der Schächter der Gemeinde und langjähriges Mitglied des Gemeindevorstandes Adolf May
durch SS-Leute grausam ermordet; der Mord wurde in der Presse als Selbstmord
dargestellt und konnte auch nach 1945 auf Grund anhaltenden Schweigens vor Ort
über diesen Fall nicht aufgeklärt werden. 1939 wurden noch sechs jüdische Einwohner gezählt.
Im September 1942
wurden von Wöllstein aus neun jüdische Personen in die Vernichtungslager des Ostens deportiert.
Von den in Wöllstein geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Berta Alexander geb.
Kaufmann (1885), Johanna Allmeier geb. Kahn (1881), Karoline Blum geb. May
(1876), Emma David geb. Kaufmann (1878), Marta Wilhelmine Henle geb. Strauss
(1892), Rosa Hertz geb. May (1884), August Kahn (1866), Flora Kaufmann (1897),
Frieda Kaufmann geb. Streifler (1893), Hermann Kaufmann (1882), Karl Kaufmann
(1893), Ludwig Kaufmann (1894), Mina (Minna) Kaufmann geb. Wolf (1861), Moritz
Kaufmann (1891), Willi Kaufmann (), Richard Simon Keller (1926), Adolf May
(1864), Henriette May (1869), Jakob May (1891), Julie May (1864), Ludwig May
(1867), Pauline May (1871), Hedwig Michel geb. Kaufmann (1881), Ernestine
Müller geb. Vogel (1892), Isaak Nachmann (1875), Josef Nachmann (1904),
Karoline Neuberger geb. Kaufmann (1864), Sophie Oppenheimer geb. May (1863),
Emilie Rosenthal geb. May (1894), Irma Strauß (1895), Georg Ludwig Vogel
(1882), Klara Wolfeiler geb. Kahn (1871).
Aus Siefersheim sind umgekommen: Mathilde Fuld geb. Seligmann
(1870), Adolf Keller (1872), Mathilde Keller geb. Adler (1884), Otto Friedrich
Keller (1877, vgl. Kennkarte unten), Richard Simon Keller (1926), Franziska Rosenthal geb. Seligmann
(1867).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Ein jüdischer Einwohner möchte
Glockengeläut zu einer Beisetzung - Kritik eines Rabbiners (1890)
Anmerkung: Der unterzeichnende Rabbiner Dr. Mannheimer schreibt einen längeren Beitrag
aus Lauenburg in Pommern
Artikel
aus der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 11. September 1890: "Indem ich meinen Heimatgenossen diese Zeilen
mitteile und ihnen dadurch eine baldige Erlösung von dieser 'Landplage' (sc.
die antisemitische Bewegung') in Aussicht stelle, mahne ich sie aber auch
andererseits an jene Stelle obigen Briefes, die es ihnen von Neuem zur
Pflichtmacht, keine antisemitischen Hetzereien zu provozieren, wie es
leider, nach einem heute angelangten Zeitungsbericht in Wöllstein
(Rheinhessen) geschehen ist, wo ein Jude vom Bürgermeister und Pfarrer
verlangte, dass bei der Beerdigung seines Vaters die Glocken der
christlichen Kirche geläutet werden sollten, und da dies verweigert
wurde, einen 'Schmähartikel' losließ über 'Intoleranz'. Dies war
einfach die richtigste Handlungsweise des Herrn Bürgermeisters und
Pfarrers, dagegen die des Juden eine verwerfliche, der jüdischen Sitte
widersprechende. Wenn solche Dinge vorkommen, dann sind die Betreffenden
selbst für die Folgen verantwortlich. Rabbiner Dr. Mannheimer." |
Aufnahmen im jüdischen Lehrerseminar
Alzey und in der Präparanden-Anstalt Wöllstein (1911)
Anmerkung: in Hessen gab es im 19. Jahrhundert drei
Präparanden-Anstalten (in Lich, Lindenfeld und Wöllstein), die auf das
Schullehrer-Seminar vorbereiteten.
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 17. März
1911: "Alzey (Rheinhessen). Mit Schluss des Schuljahres steht
wiederum eine große Anzahl von jungen Leuten vor der wichtigen
Lebensfrage der Berufswahl. Es seien deshalb diejenigen , die sich dem
Lehrerstande zu widmen beabsichtigen, darauf aufmerksam gemacht, dass in
dem hiesigen Großherzoglichen Schullehrer-Seminar auch Nichthessen
Aufnahme finden. Die jüdischen Seminaristen erhalten durch den Rabbiner
von Alzey Unterricht, sowohl in allen religions-wissenschaftlichen, als
auch in den hebräisch-rabbinischen Lehrfächern, außerdem werden sie vom
Gemeindekantor im Kantorate vorgebildet. Zur praktischen Betätigung ist
den Seminaristen im Jugend- und Gemeindegottesdienste, sowie in der
Religionsschule Gelegenheit geboten. Reichlich bemessene Stipendien stehen
zur Verfügung. In den letzten Jahren fanden sämtliche jüdischen
Abiturienten im Staatsdienste Verwendung.
Die mit dem hiesigen Seminare in Verbindung stehenden Präparanden-Anstalt
befindet sich in Wöllstein bei Alzey. Auch hier ist für
Religionsunterricht und Stipendien Sorge getragen." |
Kennkarten
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarten
zu Personen,
die in Wöllstein geboren sind |
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KK (Mainz 1939) für Adolf
Kahn
(geb. 25. September 1864 in Wöllstein),
Lehrer i.R., |
KK (Mainz 1939), für Hermann
Kaufmann (geb. 16. Mai 1882 in Wöllstein),
Kaufmann, wohnhaft in Mainz, am 30. September 1942 deportiert
ab
Darmstadt vermutlich nach Treblinka, umgekommen |
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Kennkarte
des in Siefersheim
geborenen Otto Keller |
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KK (Mainz 1939) für Otto
Friedrich Keller (geb. 29. März 1877
in Siefersheim), Kaufmann, wohnhaft in Mainz, am 27.
September 1942 deportiert ab Darmstadt in das Ghetto
Theresienstadt, wo er am 27. Januar 1943 umgekommen
ist |
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Zur Geschichte der Synagoge
Vor 1850 war ein Betsaal
im Haus des Kaufmanns Klingenschmidt eingerichtet, danach im Haus der jüdischen
Familie May.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde der Betraum von Nationalsozialisten gestürmt
und demoliert.
Beim früheren Haus der jüdischen Familie May, in dem sich der Betsaal befand,
handelt es sich um ein Wohnhaus, das im Kern ein Renaissancebau ist und daher
1995 unter Denkmalschutz gestellt wurde.
Adresse/Standort der Synagoge: Kreuznacher
Straße 5 (Angabe aus der Publikation des Landesamtes s.Lit.)
Fotos
Zur jüdischen
Geschichte in Wöllstein liegen - außer zum Friedhof - noch keine Fotos /
Abbildungen vor;
über Hinweise oder Zusendungen freut sich der Webmaster
der "Alemannia Judaica"; Adresse siehe Eingangsseite. |
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Erinnerungen
Eintrag im
Gästebuch einer (nicht mehr bestehenden) Website zu Wöllstein
(Quelle)
am 10. Dezember 2007 von Roberto Esteban
May (Argentinien):
Mein Vater Bernhard (Bernd, 1914 - 1995), mein Onkel Kurt (1917 - 2007), sowie meine
Großmutter Berta May geb. Fürth (1889 - 1970) mussten aufgrund der NZ-Verfolgung vor dem 2. Weltkrieg Deutschland verlassen und nach Buenos Aires (Argentinien) auswandern. Ich denke die Namen aller damaligen jüdischen Wöllsteiner sollten auf dieser Seite
(sc. der Website zu Wöllstein) eingetragen werden, und nicht nur als eine Anzahl (45) erwähnt werden.
Ich war vor ca. drei Jahre in Wöllstein und habe bei dieser Gelegenheit das Haus meiner
Großeltern und Familie von außen besichtigt sowie auch das Grab meines Großvaters und
Urgroßeltern May besucht.
Ich konnte leider nur einige Stunden in Wöllstein verbringen, wo ich Freunde meines Vaters besuchte. Habe den jüdischen Friedhof in perfektem Zustand aufgefunden. |
Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
Februar 2019:
Erinnerungsarbeit mit
Schülerinnen und Schülern
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Artikel
in der "Rhein-Zeitung" vom 25. Februar 2019:
"Wöllstein. Auf den Spuren der Reichspogromnacht
Besonderer Geschichtsunterricht für die Zehntklässler der Realschule plus
Rheinhessische Schweiz.
Im Rahmen des Geschichtsunterrichts besuchten Schüler des 10. Schuljahres
der Realschule plus Rheinhessische Schweiz Wöllstein mehrere Schauplätze der
schrecklichen Reichspogromnacht in Wöllstein. Initiiert hatte wie im Vorjahr
dieses außergewöhnliche Unterrichtserlebnis Geschichtslehrer Tobias Röhlich
in Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Wöllsteiner Schulrektor Bernt
Antweiler, der sehr interessante Informationen zu den einzelnen Orten gab.
Darunter gehörten Häuser damaliger Juden sowie der
Judenfriedhof in Wöllstein. Die
Schüler hörten wissbegierig als auch nachdenklich zu und stellten immer
wieder interessierte nachfragen. Die Realschule plus Wöllstein bedankt sich
bei Herrn Antweiler, der wieder dieses tolle dreistündige Angebot machte und
so den Geschichtsunterricht bereicherte".
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 413-414. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 209-210. |
| Dieter Hoffmann: "...wir sind doch
Deutsche". Zu Geschichte und Schicksal der Landjuden in Rheinhessen.
Hg. Stadt Alzey. Alzey 1992. S. 263-264. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 395 (mit weiteren Literaturangaben).
|
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Woellstein Hesse.
Established in 1820, the Jewish community numbered 95 (about 5 % of the total)
in 1895, including members from nearby Siefersheim. Only 16 of the 45 Jews who
lived there in 1933 managed to emigrate.
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