Speyer. Die Kraft des gemeinsamen Glaubens als friedliches Werkzeug gegen das Zerstörerische in der Welt zu nutzen, dazu rief Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann am Sonntag im Pontifikalamt zur Wallfahrt der muttersprachlichen Gemeinden auf. Dieses zelebrierte er mit Seelsorgern der verschiedenen Gemeinden aus der Diözese im Speyerer Dom.
Ein außergewöhnliches und eindrucksvolles Bild zugleich bot sich zwischen den ehrwürdigen Mauern der Kathedrale. Eine Vielzahl von Mitgliedern unterschiedlicher muttersprachlicher Gemeinden hatte sich in landestypischen Trachten neben den deutschstämmigen Gläubigen eingefunden. Auf dieses Miteinander wies Bischof Wiesemann hin: „Es ist etwas Besonderes, wenn aus unterschiedlichen Nationen die eine Kirche wieder anschaulich wächst und wir spüren, dass wir eine Weltkirche sind.“
So wenig wie persönliche Barrieren gab es bei der Eucharistiefeier auch sprachliche Grenzen. Ob es die Apostelgeschichte auf Ukrainisch, die Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Petrus auf Vietnamesisch oder die gesangliche Kommunionbegleitung auf Kroatisch war: Der gemeinsame Glaube an Gott half zu verstehen. Und er bot besondere Momente für diejenigen, die einer anderen muttersprachlichen Gemeinde angehörten.
Die nigerianische Gabenprozession wurde zum Ausdruck unendlicher Lebensfreude im Gedenken an den Erlöser. Vietnamesische Frauen und Kinder drückten ihre Ehrfurcht vor Gott in einem Tanz aus, brachten ihm verschiedenfarbige Blumen als besondere Gaben dar. Dem ukrainischen Gemeindechor oblag die gesangliche Untermalung eines multikulturell strahlenden, feierlichen Gottesdienstes zum Orgelspiel von Domorganist Markus Eichenlaub.
Angelehnt an das Evangelium aus Johannes 10 sprach Bischof Wiesemann in seiner Predigt den schmalen Grat zwischen Vertrauen und Vorsicht an, den die meisten Menschen heute gehen. Dass oft die Angst vor Fremdem dominiere und der Eintritt ins Haus als Sinnbild der eigenen Persönlichkeit verwehrt werde, sei nicht zuletzt verletzenden Begebenheiten geschuldet. „Die Menschheit ist an der Türschwelle bereits verwundet“, sagte Wiesemann. Auf das Evangelium bezogen verwies er jedoch auf Jesus als „Tür zu den Schafen“. Einen Hirten wie ihn zu haben, der die Menschen selbst über die sensibelste Stelle des eigenen Lebens führt, sei eine Gewissheit des Glaubens.
„Jesus selbst ist da. Er ist kein religiöser Guru, der uns ins Schlepptau nehmen will und kein Machthaber, dem es am Ende nicht um die Menschheit geht“, machte Wiesemann deutlich und erinnerte daran, dass Jesus selbst das geschlachtete Lamm, ein Opfer der Gewalt, gewesen sei.
„Aber die Kraft der Liebe Gottes ist stärker als alle Verletzungen durch die Brutalität dieser Welt“, stellte der Bischof heraus. Er rief dazu auf, selbst bei allen politischen Entwicklungen hin zum Rückzug in die eigene Nation, den Schritt hin zu Begegnungen mit anderen zu wagen. „Nur so können wir wachsen, auch über uns hinaus“, betonte Wiesemann. Es gebe es zwar viele muttersprachliche Gemeinden, aber nur den einen Christus, der in allen Herzen ist. „Wir sind verbunden durch seinen Geist“, so der Bischof.
Im Anschluss an das Pontifikalamt waren alle zur offenen Begegnung in der Vorhalle des Domes eingeladen, die von der ukrainischen Gemeinde ausgerichtet wurde. Der Abschluss der Wallfahrt führte zum mehrsprachigen Rosenkranzgebet am frühen Nachmittag ins Kloster St. Magdalena.
Text / Foto: Susanne Kühner