Der Pavillon der Fachhochschule Koblenz auf der BUGA 2011 befindet sich im Ausstellungsbereich �Vielfalt des Lebens � Lernen von der Natur�. Der Ausstellungsbereich besteht aus mehreren Gärten; das Thema dieses Gartens lautet �Vielfalt als Vorbild � Bionik�.
Mit den Baumaßnahmen zur BUGA 2011 in Koblenz musste notgedrungen in den Lebensraum der heimischen Fledermäuse eingegriffen werden. In der Stadt wurde dies zum öffentlich und heiß diskutierten Thema, und es war übereinstimmend oberstes Ziel, diesen Eingriff möglichst behutsam zu gestalten.
Dieses Thema wurde zur Entwurfsgrundlage für den Pavillon der FH Koblenz. Der Pavillon soll dabei die Anwendung der Prinzipien der Bionik in der Architektur darstellen und verdeutlichen.
Die Echo-Ortungsrufe der Fledermäuse sind für den Menschen unhörbar; mit relativ einfachen technischen Mitteln können sie hörbar gemacht werden.
Diese hörbar gemachten Ortungsrufe des �Abendseglers� (einer heimischen Fledermausart) wurden mit Hilfe einer Musik-Bearbeitungssoftware als Oszillogramm dargestellt; daraus ergab sich die grafische Darstellung der Schalldruckpegel der Ortungsrufe in Abhängigkeit von der Zeit. Aus diesem Oszillogramm wurde der Grundriss der Struktur abgeleitet.
Mit digitalen Methoden wurde aus diesem Grundriss am Rechner eine doppellagige Hänge-Stützform berechnet. Diese Formen sind optimal für die Lastabtragung geeignet und kommen deshalb in der Natur sehr häufig vor. Dieses bionische Prinzip wird hier auf den Entwurf der Konstruktion angewandt.
Diese digital ermittelten Formen können heutzutage zur räumlichen Kontrolle mit Hilfe eines 3-D-Plotters im verkleinerten Maßstab als Modell gedruckt werden (�Rapid Prototyping�). Antonio Gaudí und Frei Otto fertigten seinerzeit dafür noch Hängemodelle aus Ketten. Hier wurde das Hängemodell nur noch im Nachhinein aus Gründen der Veranschaulichung des Entwurfsprozesses gebaut. Um die Vergleichbarkeit zum Gipsmodell herzustellen, ist das hier Bild des Hängemodells um 180° gedreht.
Es lag nahe, den Pavillon aus dem natürlichen und nachwachsenden Rohstoff Holz zu konstruieren. Der Werkstoff Holz bringt hier seine Vorzüge überzeugend ins Spiel:
Holz ist recycelbar und weist eine positive Öko-Bilanz auf. Außerdem sollte die Konstruktion von Studierenden selbst montierbar und demontierbar sein. Die einfache Bearbeitungsmöglichkeit und das geringe Gewicht von Holz bilden dafür die optimale Grundlage.
Um die Konstruktion in Holz auszuführen, muss die nach bionischen Prinzipien gefundene Fläche in ein aus Stäben zu konstruierendes Gebilde zerlegt werden. Dazu wurde die Hängeform in parallele Schnitte aus drei Ebenen zerlegt; diese drei Ebenen stehen jeweils im Winkel von 60° zueinander.
Damit wird ein weiteres bionisches Prinzip angewandt, denn so entsehen räumlich stabile Dreiecks- und Sechseckraster, die in der Natur ebenfalls häufig vorkommen (Bienenwaben, Kieselalgen, Blütenformen etc.).
Die Verdichtungen des Maschenrasters bzw. die Abstände der Schnittebenen richten sich, ebenfalls den Prinzipien der Natur folgend, nach der Größe der statischen Beanspruchung in dem jeweiligen Bereich.
In jeder der Schnittebenen wurde mit Hilfe eines räumlichen Stabwerksprogramms ein Stabnetz generiert, welches aus Obergurt, Untergurt und diagonalen Füllstäben besteht. Auf den folgenden Bildern sind exemplarisch die Füllstäbe sowie die Stäbe einer äußeren Gurtebene dargestellt.
Dieser Datensatz wurde gleichzeitig für das Aufstellen der prüfbaren statischen Berechnungen der Konstruktion verwendet.
Die komplette Planung wurde so auf Basis eines durchgängigen digitalen �workflow� umgesetzt: Ein millimetergenauer Basis-Datensatz des kompletten Stabwerks mit ca. 6.000 Stäben und allen Anschlussexzentrizitäten, aufgebaut mit RSTAB, einem Statik-Stabwerksprogramm, bildete den Dreh- und Angelpunkt der kompletten Objekt- und Tragwerksplanung einschließlich Visualisierungen: Der komplette Stabsatz wurde im letzten Bearbeitungsschritt aus dem Stabwerks-Programm in das Visualisierungsprogramm exportiert und dort weiterbearbeitet. Die Zimmerei arbeitete auf Basis der aus dem digitalen workflow exportierten Daten.
Die einzelnen Bauteile sind kurze, handliche Holzstäbe mit einheitlichem Querschnitt in Modullängen, die mit einer bewusst gewählten Low-Tec-Technologie zusammengeschraubt werden. Mit Hilfe dieser Low-Tec-Fertigung wird eine mit High-Tec-Entwurfsmethoden konstruierte Struktur realisiert, die zudem recycelbar und mehrfach verwendbar ist.
Da auf einheimische Hölzer zurückgegriffen werden sollte, wurde die Konstruktion aus Latten aus Douglasie, einem heimischen und sehr witterungsbeständigem Material, zusammengeschraubt.
Vor der Umsetzung in die Realität war es von großer Wichtigkeit, die Baubarkeit, die Geometrie und die Fügungen im Modell zu testen. In der Schreinerei der Hochschule bauten die Studierenden deshalb ein 1:1-Modell des schwierigsten Bereichs mit der dichtesten Stablage und der gegensinnigen Krümmung. Die Erfahrungen aus diesem mock-up flossen später in die Umsetzung der realen Struktur ein.
Auf dem Boden der Struktur wird das Oszillogramm der Ortungsrufe der Fledermaus mit LED-Leuchtstreifen abgebildet; über Lautsprecher werden die hörbar gemachten Ortungsrufe ausgesendet. Über Bewegungsmelder gesteuert aktivieren die Besucher sowohl die LED-Leuchtstreifen wie auch die Aussendung der akustischen Signale.
Nach Ende der Ausstellungszeit auf der BUGA wird der Pavillon demontiert und auf dem Campus der FH Koblenz auf der Karthause in Koblenz wieder aufgebaut (dann mit auf Dauerhaftigkeit ausgelegten Fußpunkten, was für die Dauer der BUGA-Ausstellung nicht erforderlich war).
Der Pavillon ist auf der BUGA ein Anziehungspunkt für Jung und Alt und hat sich schnell zu einem Publikumsmagneten entwickelt.
- Förderkreis der Fachhochschule Koblenz e.V.
- Stiftung Zukunft der Sparkasse Koblenz
- Pütz Beratergruppe Wirtschaftsprüfer Steuerberater
Projektbeteiligte:
Objekt- und Tragwerksplanung:
ilcom � Institut für leichte Konstruktionen und Material
Fachhochschule Koblenz, Fachbereich Bauwesen
Prof. Dr.-Ing. Manfred Feyerabend
Prof. Dr.-Ing. Arch. Markus Holzbach
Jennifer Böhm B.A., Simon Görgen, Raunahi Hamo, Andreas Meister, Constantin Müller B.A., Kristina Mülligann B.A., Natalie Münch B.A., Alexander Schumann, Chao Yang.
Planung Licht und Ton:
Fachhochschule Koblenz
Fachbereich Mathematik und Technik
Prof. Dr. Jens Bongartz
Dipl.-Ing. Alexander Jenal M. Sc.
Thomas Giese
Martin Krings
Bauherr:
Fachhochschule Koblenz
Konrad-Zuse-Str. 1
56075 Koblenz
Holzbauarbeiten:
Schlag & Pröbstl Zimmerei ⋅ Holzbau ⋅ Holzhandel
Waldstr. 16
56414 Herschbach / OWW
Betonarbeiten:
Dickopf-Bau GmbH & Co. KG
Bleichstr. 31
56249 Herschbach
Datum der Fertigstellung:
März 2011