Von der Linie bis zur Straße
Von dem ersten Entwurf für eine Straße bis zum Abschluss der Bauarbeiten ist es ein langer Weg. Straßen sollen wirtschaftlich gebaut werden und müssen ein hohes Maß an Sicherheit bieten. Während der Planung gilt es, viele und teils widersprüchliche Interessen in Einklang zu bringen. Dazu zählen Anforderungen beispielsweise der Bürger, der Wirtschaft und der Umwelt.
Bedarfspläne
Grundlage für Neubau und Erweiterung von Bundesfernstraßen ist der Bedarfsplan. Hier sind die Projekte eingestellt, die gebaut oder erweitert werden sollen. Sie werden in verschiedene Dringlichkeitsstufen eingeteilt. Mit der Aufnahme eines Projektes in die höchste Priorität wird gleichzeitig der Planungsauftrag an die Straßenbauverwaltung erteilt – in Rheinland-Pfalz ist das der Landesbetrieb Mobilität.
Linienentwurf und Raumordnerischer Entscheid
Wurde eine Strecke in die erste Dringlichkeitsstufe des Bedarfsplans aufgenommen, kann der LBM mit der Planung beginnen. Dabei ist der erste Schritt der Linienentwurf. Darin wird der grobe Verlauf der geplanten Straße skizziert und die Verknüpfungsstellen mit dem schon vorhandenen Straßennetz festgelegt. Schon beim Linienentwurf gilt es, verschiedenste Belange – von den Interessen der Landesentwicklung bis hin zur Umweltverträglichkeit – in Einklang zu bringen. Deshalb werden mehrere mögliche Varianten untersucht und miteinander verglichen. Institutionen und Behörden (Bezirksregierungen (SGD), Kreise, Kommunen, Versorgungs- und Verkehrsunternehmen, Wasserverbände, etc.) erhalten dann die Möglichkeit, zu den Linien Stellung zu nehmen. Dann entscheidet das zuständige Ministerium über die verbindliche Linienführung („Raumordnerischer Entscheid“) – in Rheinland-Pfalz ist es das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung. Bei Bundesfernstraßen wird zudem das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung beteiligt. Hier muss dem Raumordnerischen Entscheid zugestimmt werden („Linienbestimmung“).
Unter Raumordnung ist die planmäßige geografische Ordnung von größeren Landgebieten zu verstehen. Damit gewährleistet ist, dass der Lebenraum optimal genutzt wird, Städte, Regionen, Bundesländer und damit das gesamte Bundesgebiet in Gebiete mit ähnlichen räumlichen Gegebenheiten und Zielsetzungen gegliedert. Leitvorstellung der Raumordnung ist, die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an die vorhandenen Flächen mit ihren ökologischen Funktionen in Einklang zu bringen. Um diese Leitvorstellung zu erreichen, sind raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen abzustimmen. Widersprüchliche Interessen und Ansprüche an den Raum sind abzuwägen und die auftretenden Konflikte auszugleichen. Die Ergebnisse der Raumordnung werden in zusammenfassenden und übergeordneten Planwerken festgehalten.
Bei raumbedeutsamen Großvorhaben (z. B. Fernstraßen, Energieleitungen, Kraftwerke, Flugplätze, große Einkaufszentren) ist zu klären, ob diese mit den Erfordernissen der Raumordnung vereinbar sind und ob diese mit anderen Planungen und Maßnahmen abgestimmt werden können bzw. mit diesen verträglich sind. Häufig werden dabei mehrere Standort- bzw. Trassenvarianten beurteilt.
Dies geschieht im Rahmen eines Raumordnungsverfahrens, durch das sichergestellt werden soll, dass sich das raumbedeutsame Geschehen im jeweiligen Planungsraum im Einklang mit der festgelegten Gesamtplanung und ohne Kollision mit anderen räumlichen Aktivitäten vollzieht. Ziel des Raumordnungsverfahrens ist die Festlegung einer den raumordnerischen Erfordernissen entsprechende Linienführung/Trasse oder eines Standortes.
Der Bund hat den Ländern freigestellt, ob bzw. wie sie die Öffentlichkeit im Raumordnungsverfahren beteiligt. Da in Rheinland-Pfalz die Raumordnung als bürgernahe Aufgabe begriffen wird, erfolgt gemäß § 17 Abs. 7 LPlG die Öffentlichkeit am Verfahren beteiligt.
Das Raumordnungsverfahren schließt mit einem raumordnerischen Entscheid ab, der die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Erfordernissen der Raumordnung (ggf. unter Auflagen) feststellt oder ablehnt. Diese Entscheidung hat keine unmittelbare Rechtswirkung, sie muss jedoch von allen Trägern nachfolgender Planungen berücksichtigt und in die Abwägung mit einbezogen werden. Auf Grundlage des Entscheids wird in den nachfolgenden Planungsphasen das Vorhaben weiter konkretisiert. Der Raumordnerische Entscheid ist Grundlage für Baurechtsverfahren wie z. B. Planfeststellungs- und anderweitige Genehmigungsverfahren.
Die eigentliche Entscheidung über die rechtliche Zulässigkeit solcher (raumbedeutsamer) Vorhaben sowie ggf. die Festlegung konkreter Auflagen, Abgrenzungen erfolgt erst im nachfolgenden Zulassungs- oder Genehmigungsverfahren. Auch in diesen Verfahren werden die Pläne einen Monat lang öffentlich ausgelegt und betroffene Privatpersonen können Einwendungen gegen das Vorhaben geltend machen.
Ablauf eines raumordnerischen Verfahrens
Entwurfsplanung
Liegt der "Raumordnerische Entscheid" vor, steht die verbindliche Linienführung fest und die Details können ausgearbeitet werden. Auch der Entwurf muss verschiedenen Anforderungen gerecht werden. Umwelt, Sicherheit, Leistungsfähigkeit und nicht zuletzt auch die Wirtschaftlichkeit der neuen Straße müssen berücksichtigt sein. Die Entwurfsunterlagen enthalten neben einem Erläuterungsbericht unter anderem einen technischen Straßenentwurf, landespflegerische Begleitpläne, Gutachten sowie Kostenschätzungen.
Abhängig von der Höhe der Kosten genehmigt entweder das Ministerium des Inneren, für Sport und Infrastruktur des Landes Rheinland-Pfalz oder das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung den Detailentwurf.
Vor der Genehmigung wird der Entwurf jedoch noch einem Sicherheitscheck unterzogen. Ein speziell geschulter und nicht in das Projekt involvierter Bauingenieur – der Auditor – begutachtet den Entwurf und weist auf eventuelle Mängel hin. Ein solches Sicherheitsaudit ist verbindlich für die Genehmigung.
Planfeststellung
Der genehmigte Entwurf, erweitert um die Grunderwerbsunterlagen, ist nun Grundlage des Planfeststellungsverfahrens. Bei der Planfeststellung handelt es sich um das übliche Baugenehmigungsverfahren für den Straßenbau. Bundes-, Landes- oder Kreisstraßen dürfen grundsätzlich nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt (also genehmigt) wurde. Dies ist notwendig, da all diejenigen, die von dem Straßenbauprojekt betroffen sind, die Möglichkeit haben müssen, ihre Belange zu vertreten. Dazu müssen die zugehörigen Planunterlagen ausgelegt werden. Innerhalb einer festgelegten Frist können dann die Betroffenen Einwendungen erheben. Diese Einwendungen sowie die Stellungnahmen der Behörden können während eines sogenannten Erörterungstermins gemeinsam diskutiert werden. Die Aufgabe der Planfeststellungsbehörde besteht darin, zwischen den unterschiedlichen Interessen abzuwägen. Sie prüft die Einwände und entscheidet letztlich darüber, ob das Bauvorhaben in der vorgelegten Weise, gegebenenfalls mit Auflagen, zulässig ist. Gegen die abschließende Entscheidung – den Planfeststellungsbeschluss – kann Klage erhoben werden. Gegebenenfalls kann auch anstelle eines Planfeststellungsverfahrens ein Plangenehmigungs- bzw. Abstimmungsverfahren vollzogen werden.
Mehr zur Planfeststellung finden Sie hier.
Finanzierung
Liegt Baurecht für eine neue Straße vor, muss deren Finanzierung über die jährlichen Bauprogramme der jeweiligen Träger der Baulast – also Bund, Land, Kreis oder Gemeinde – sichergestellt werden. Dabei ist zu prüfen, ob die verfügbaren Gelder ausreichen, um neben den bereits laufenden Baumaßnahmen auch das neue Straßenbauprojekt finanzieren zu können. Ansonsten muss der Baubeginn eventuell verschoben werden.
Bau
Ist nun auch die Finanzierung sichergestellt, werden die Detailplanungen für die Bauwerke erstellt. Hierin wird festgelegt, wie beispielsweise eine Brücke genau aussehen soll. Anschließend werden die Bauarbeiten nach einem gesetzlich geregelten öffentlichen Verfahren ausgeschrieben. Baufirmen können sich bewerben, das beste Angebot erhält den Zuschlag. Die Bagger können rollen und die Straße kann gebaut werden.