Im Jahr 1597 ermahnte Pfalzgraf Karl von Pfalz-Birkenfeld (1560 – 1600) seine „lieben kinder und nachkommen“ in seinem Testament, bei „der göttlichen warheit, und geoffenbarten wort gleichförmig und bestendig zu bleiben“. Für ihn selbst fußte dieses Vermächtnis auf der Kirchenordnung (1557 ff.) und der testamentarischen Verfügung seines Vaters, Herzog Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken (1526 – 1569), worin dessen Söhne darauf verpflichtet wurden, treu zum orthodoxen Bekenntnis der Augsburger Konfession zu stehen. Zudem wies Pfalzgraf Karl seine Erben an, seine beträchtliche Büchersammlung zu erhalten und „mit etwas gutten büchern“ zu vermehren.
Diese bis zur französischen Revolution genuin gewachsene Büchersammlung, die nicht als Repräsentationsbibliothek, sondern bereits im 16. Jahrhundert als öffentliche Studienbibliothek angelegt war, ist bis heute als überregional bekannte „Bibliotheca Bipontina“ als Altbestand des Zweibrücker Standorts des Landesbibliothekszentrums Rheinland-Pfalz erhalten geblieben.
Am theologischen Bestand der von Pfalzgraf Karl gesammelten Werke, für den noch heute der originale Katalog überliefert ist, wird in der aktuellen Ausstellung die Sozialisation des Fürsten und seine bekenntnismäßige Entwicklung hin zum überzeugten Lutheraner durch unterschiedliche Schwerpunkte beim Buchkauf nachvollzogen.
Pfalzgraf Karls Lebensweg führte ihn, immer gerade rechtzeitig, zu den unterschiedlichsten Brennpunkten der Entwicklung und Verbreitung des großen lutherischen Einigungswerkes, der Formula Concordiae (FC).
Erzogen von seinem Bruder, Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg, dem lebenslangen energischen Verteidiger der FC, kam Karl zur Erziehung gerade in jener Zeit an den kursächsischen Hof, als Kurfürst August zum vehementen Befürworter des Einigungsprozesses wurde. Seine enge Beziehung zur kurfürstlichen Familie befestigten den Jugendlichen nicht nur in seinem lutherischen Bekenntnis, sondern prägte seine bibliophilen Neigungen. 64 Bände des berühmtesten Renaissancebuchbinders Jakob Krause zeugen noch heute in Zweibrücken hiervon. Etwa zur Zeit der Unterschrift seines Vormunds, Kurfürst Ludwig VI. von der Pfalz, unter die Vorrede der FC studierte Pfalzgraf Karl in Heidelberg und wurde 1580 Universitätsrektor. Spätestens seit dieser Zeit sammelte er die wichtigsten Publikationen über die aktuellen theologischen Entwicklungen sehr bewusst. Besonders die bedeutendsten kontroversen Schriften wurden von ihm gekauft und thematisch und chronologisch stimmig in Sammelbänden gebunden. Handschriftliche Signaturen und Kommentare des Fürsten bezeugen sein Interesse.
Bei der Regierungsübernahme der Pfalzgraf Karl zugefallenen Hinteren Grafschaft Sponheim, die er sich mit Baden teilte, begannt er, sein seit dem Reformationsbefehl von 1557 lutherisches Territorium durch ein strenges Kirchenregiment, dem Vermächtnis des Vaters entsprechend, zu festigen. Selbst während seines diplomatischen Dienste und die Statthalterschaft in der Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach (1587-1594) – auch hier war er mit Fragen der lutherischen Bekenntniskonformität befasst – sorgte Pfalzgraf Karl durch Visitationen und Pfarrkonvente für die Stärkung des Glaubens im eigenen Territorium.
Hierzu hatte Pfalzgraf Karl allen Grund, war sein Territorium doch eine lutherische Enklave, umgeben von Katholiken und Reformierten.
Wenngleich sich der hochgebildete und weltläufige Pfalzgraf gründlichst über alle religiösen Strömungen informierte und auch seine Pfarrer in Verordnungen ermahnte, keine intolerante, provozierende Polemik von der Kanzel zu äußern, wurden gerade diese Multiplikatoren ständig hinsichtlich ihrer „Rechtgläubigkeit“ überprüft. Die Rezeptionsfähigkeit von Texten, eines der wichtigen Prinzipien des Protestantismus, wurde gefördert. Allerdings unterlag die Kenntnis wichtiger Literatur der Zugangsbeschränkung, dass Bücher für die mäßig verdienenden Pfarrer und Lehrer kaum erschwinglich waren. Hier schuf der bibliophile Birkenfelder Fürst Abhilfe, indem er seine beträchtliche eigene Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich machte.
Die Ausstellung stellt mit dieser Sammlung einerseits eine lutherische Bibliothek vor, in der zur Festigung des eigenen Bekenntnisses Informationen über unterschiedlichste religiöse Entwicklung tradiert wurden, eine veritable „Rüstkammer des Glaubens“. Andererseits spiegelt sie die Entwicklung eines südwestdeutschen Fürsten parallel zum innerlutherischen Einigungsprozess wider. Dabei wird deutlich, dass aus Gründen der Staatsräson innerhalb der Grafschaft rigide gegen Nichtlutheraner vorgegangen wird und dabei z.B. das reformierte Herzogtum Pfalz-Zweibrücken als „Feindbild“ dargestellt wird. Diese öffentliche Intoleranz ändert sich jedoch im politischen Miteinander und persönlichen Bereich. Handelt es sich bei dem Zweibrücker Herzog doch um den Bruder Pfalzgraf Karls, den die ansonsten lutherische Familie spätestens nach der Publikation seines reformierten Katechismus 1588 zwar immer wieder zu beeinflussen sucht, zum „rechten Glauben“ zurückzukehren, ansonsten die publikatorische „Discordia“ jedoch nicht die übrigen Gemeinsamkeiten stören lässt.
Landesbibliothekszentrum/Bibliotheca Bipontina
Bleicherstr. 3 – 66482 Zweibrücken
Tel. 06403/16403 – bipontina@lbz-rlp.
Öffnungszeiten: Montag – Freitag: 8 –13 Uhr
Montag, Mittwoch, Freitag: 14 – 17 Uhr
Führungen sind nach rechtzeitiger Vereinbarung möglich
Kontakt: Dr. Sigrid Hubert-Reichling
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