Thomas Gies at MUHIL Health Centre, India
Im Vorfeld des Praktikums mussten zahlreiche Vorbereitungen getroffen werden, Ziel war schließlich ein anderer Kontinent, Tausende von km entfernt. Es beginnt natür-lich mit der Kontaktaufnahme mit der Praktikumsstelle, deren Vertreter sich im Früh-jahr 2004 in Deutschland aufhielten. Nach Verständigung über meine Aufgaben und Abschluss des Praktikumsvertrages stellte sich die Frage der Finanzierung. Ich habe die Möglichkeit eines Reisekosten-Stipendiums bei Inwent wahrgenommen. Zusätz-lich konnte ich die Leistungen des Auslands-BAföG-Amtes in Anspruch nehmen. Hier ist es allerdings notwendig, den Aufenthalt im außereuropäischen Ausland so zu be-gründen, dass er eine notwendige Ergänzung zum Studium darstellt. (Bei solchen Fragen der Finanzierung empfiehlt es sich unbedingt, mit dem Bereich Spra-chen/Internationales Kontakt aufzunehmen.)
Südindien ist sowohl landschaftlich als auch kulturell eine äußerst attraktive Gegend, in der eigentlich alles anders ist als hier. So erlebt man zu jeder Zeit seines Aufent-haltes Dinge, die einen zum Erstaunen bringen und in die man sich aus der Ferne nicht unbedingt hineindenken kann. Damit meine ich nicht nur überfüllte Busse, wo man oft nur noch mit einem Fuß einen Platz auf der untersten Treppenstufe bekom-men hat oder die ständigen Stromausfälle, Wasser aus Dorfbrunnen, viele, viele Kin-der und das pulsierende Leben rund um die Hindu-Tempel. Vielmehr sind die kultu-rellen Unterschiede das Interessante. Ein Beispiel: „Der Inder“ ist ein Familien-mensch, der sich innerhalb seiner Großfamilie geborgen fühlt und sich niemals vor-stellen kann, alleine zu leben. Sein Handeln orientiert sich nur am Wohlergehen der Familie. Dass ich als einzelner Europäer mich ohne meine Familie in Indien aufgehal-ten und umhergereist bin, war immer wieder Gesprächsthema.
Die Religion ist in Indien ein zentraler Faktor. Sie bestimmt den Lebensrhythmus des Landes und hat maßgeblichen Einfluss auch auf ökonomische Entscheidungen gan-zer Unternehmen. Mein Unternehmen, das MUHIL Health Centre, ist eine katholi-sche, nicht-staatliche Einrichtung. Sie versteht sich als Stütze für die Kastenlosen der indischen Gesellschaft. Diese Gruppe erfährt tagtägliche soziale Benachteiligungen, den Ausschluss von jeglicher gesundheitlicher Versorgung und Bildung. Die Schwer-punkte des Unternehmens sind die gesundheitliche Betreuung dieser Menschen und deren Unterrichtung in alternativen Anbaumethoden, um unabhängiger von dem un-vorhersehbaren Monsum zu werden.
In der ersten Zeit meines Aufenthaltes wurden mir nach und nach die einzelnen Be-reiche und Mitarbeiter des Unternehmens vorgestellt. Ich begleitete diese, übernahm erste Aufgaben. Dabei lernte ich einen gänzlich anderen Arbeitsrhythmus kennen. Die deutsche Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit habe ich zuweilen sehr vermisst. Im weiteren Verlauf arbeitete ich im Büro, erstellte beispielsweise ein Budget für ein Summercamp for Children. Das Praktikum war abwechslungsreich und vielfältig, während eines Teils meines Aufenthalts hatte ich sogar die Gelegenheit, zusammen mit meinem Vorgesetzten die umliegende Provinz zu bereisen.
Fazit: Jedem, der bereit ist, in einer völlig anderen Welt zu leben, kann ich prinzipiell einen Aufenthalt in Südindien empfehlen. Weitere Voraussetzung ist, dass man gro-ße Hitze gut ertragen kann. Besonders im interkulturellen und sprachlichen Bereich konnte ich große Fortschritte machen und habe Erfahrungen gemacht, die mich wohl mein Leben lang begleiten werden.