Dirk Biewers at Kühne & Nagel, Luxemburg
Im Sommersemester 2008 habe ich mein sechsmonatiges Pflichtpraktikum bei Kühne + Nagel S. à r. l. in Luxemburg absolviert. Kühne + Nagel (KN) unterhält in Luxemburg insgesamt 8 Standorte. Der Hauptsitz des Unternehmens befindet sich in Contern, ca. 15 km südlich der Hauptstadt Luxemburg. Daneben existieren noch weitere Büros am Cargocenter des Flughafens, wo die Abwicklung der Luftfrachtsendungen stattfindet.
Ich wurde während meines Praktikums am Hauptsitz Contern eingesetzt und war dort für den Bereich „Corporate Network & Supply Chain Engineering“ in der Abteilung „Operations Technology & Solutions Engineering“ (OTSE) tätig. Es handelt sich hierbei um eine Stabsstelle, die direkt der Kühne + Nagel Konzernleitung in Schindellegi (Schweiz) unterstellt ist. Das OTSE-Team in Luxemburg besteht insgesamt aus neun Mitarbeitern und einem Praktikanten. Anders als die operativen Bereiche Landverkehre, Luftfracht, Seefracht und Lagerwesen erbringt die Abteilung OTSE eher strategische und analytische Leistungen für das Unternehmen. Es stellt sich die Frage, warum gerade das kleine Land Luxemburg (ca. 477.000 Einwohner) als Standort für das OTSE-Team gewählt wurde. Dies kann damit begründet werden, dass die Unternehmenssparte Lead Logistics Solutions (LLS) für die Region Mittel- und Westeuropa mit einem Controlling Center hier stark vertreten ist und wir gerade für diesen Bereich sehr viele Projekte bearbeiten. Aus diesem Grund beschloss die Konzernleitung in der Schweiz, die Abteilung OTSE direkt hier zu positionieren, um die Arbeitsabläufe zu erleichtern. Daneben ist auch die Kontraktlogistik ein grosser Auftraggeber unserer Abteilung. Meine Tätigkeit war sehr abwechslungsreich, da ich immer an der Bearbeitung von verschiedenen Projekten beteiligt war und unterschiedliche Teilaufgaben übernommen habe. Die Hauptaufgabe der Abteilung besteht aus Projektarbeit, daneben werden auch noch Kostenkalkulationen durchgeführt. Das Ziel der Projektarbeiten ist es, für die Kunden der Sparten Kontraktlogistik und Lead Logistics Solutions optimale Standorte für die Produktion und Lagerung (Warehousing) zu finden und die Logistiknetzwerke unserer Kunden genauer unter die Lupe zu nehmen. Dazu zählt die Beurteilung von bestehenden und der Aufbau bzw. das Design von neuen Logistiknetzwerken. Zu Beginn eines Projekts erhalten wir von unserem Auftraggeber bzw. Kunden die für die Analyse benötigten Daten und Informationen in Form von Excel- oder Access-Datenbanken. Es handelt sich in der Regel um Auftrags- und Sendungsdaten aus einem ERP-System des Kunden, die von uns analysiert und interpretiert werden. Außerdem werden die Waren- und Informationsflüsse in Form von Präsentationen visualisiert. Im ersten Schritt wird zunächst die Ausgangssituation („Baseline“) dargestellt. Im nächsten Schritt, der so genannten Designphase, werden ausgehend von der Ausgangssituation ein oder mehrere Szenarien entworfen. Es kann auch vorkommen, dass der Kunde uns ein Modell vorgibt und wir die Machbarkeit prüfen. Dabei geht es in den meisten Fällen darum, Einsparungspotentiale („Savings“) zu identifizieren und bestehende Netzwerke auf Basis der ermittelten Kosten zu optimieren. Zum Schluß werden die Ergebnisse dem Kunden in einem Workshop in Form einer Präsentation vorgestellt.
Für den Zeitraum des Praktikums bin ich bei Bekannten untergekommen. Ich hatte dort ein kleines Zimmer mit eigenem Bad und einer kleinen Küche. Die Wohnung lag wie mein Arbeitsplatz auch etwas außerhalb der Hauptstadt Luxemburg und die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln war optimal. Somit bin ich relativ günstig untergekommen, denn im Allgemeinen sind die Lebenshaltungskosten in Luxemburg höher im Vergleich zu Deutschland. Insbesondere die Mietpreise sind sehr hoch. Wer hier nach einem Zimmer in einer WG sucht, muss mit Kosten zwischen 400 bis 600 EUR rechnen. Unter den Internetadressen www.appartager.lu oder www.easyroommate.com findet man Angebote. Auch auf dem digitalen Marktplatz www.luxweb.lu sind Angebote und weitere Informationen rund um Luxemburg zu finden. In der Wochenendausgabe der Tageszeitung „Luxemburger Wort“ werden Angebote veröffentlicht, allerdings in den meisten Fällen in französischer Spräche, da Französisch die offizielle Amtssprache des Landes ist. Die Preise für den öffentlichen Nahverkehr waren jedoch im Vergleich zu Deutschland unschlagbar günstig. Eine Monatskarte („Öko-Pass“) für die landesweite Benutzung von Bus und Bahn kostete nur 40 EUR.
Das Arbeitsklima bei KN war sehr angenehm und mit meinen Kollegen habe ich mich vom ersten Tag an sehr gut verstanden. Meine Kollegen waren immer sehr nett und hilfsbereit und legten sehr großen Wert darauf, mich in ihre Projekte zu integrieren und aktiv zu beteiligen. Insbesondere das Verhältnis zu meinen Vorgesetzten war überraschend locker. Die Unterschiede in der Hierarchiestufe waren bei der täglichen Arbeit kaum wahrzunehmen. Verständnisprobleme gab es eigentlich nie, da alle sehr gut Englisch und auch Deutsch sprachen, da einige meiner Kollegen auch aus Deutschland stammten. Diejenigen, die nicht aus Deutschland stammten (z.B. Frankreich oder Kolumbien), konnten sehr gut Englisch und auch ein wenig Deutsch sprechen. Da die Unternehmenssprache sowieso Englisch war, wurden alle Dokumente, E-Mails, Newsletter und Präsentationen ausnahmslos auf Englisch verfasst. Mit meinen Kollegen habe ich auch hin und wieder etwas in meiner Freizeit in Luxemburg unternommen, aber dazu später mehr. Im Alltag konnte man sich ohne größere Probleme verständigen, da die luxemburgische Landessprache („Letzebuergesch“) sehr der deutschen Sprache ähnelt und man es nach einer gewissen Eingewöhnungszeit auch versteht. Daneben werden in den Schulen Deutsch und Französisch als Pflichtsprachen unterrichtet. Selbst mit meinen etwas dürftigen Französischkenntnissen kam ich gut durch den Alltag. Die anfängliche Sprachbarriere im Alltagsleben stellte bald kein Problem mehr dar, weil es in Luxemburg ganz normal ist, dass mehrere Sprachen auch auf der Straße gesprochen werden. Auch aus interkultureller Sicht war das Praktikum sehr hilfreich, da ich häufigen telefonischen und direkten Kontakt zu unseren indischen Kollegen vom Network Engineering Team in Neu-Delhi hatte und sehr gut die kulturellen Unterschiede bei ihren Aufenthalten in Luxemburg feststellen konnte.
Auch das Freizeit- und Kulturangebot in der Stadt Luxemburg war sehr umfangreich. Da Luxemburg 2008 als Kulturhauptstadt Europas auftrat, gab es sehr viele öffentliche Veranstaltungen kostenlos zu sehen. In der Luxemburger Altstadt, liebevoll von den Einheimischen „Im Grund“ genannt, hat man eine große Auswahl an Restaurants, Bars, Pubs und traditionellen Kneipen, was meine Arbeitskollegen und ich insbesondere bei der im Zeitraum des Praktikums stattfindenden Fußball-Europameisterschaft 2008 oft ausgenutzt haben. Gerade bei diesen Events hat man gemerkt, dass Luxemburg mittlerweile sehr interkulturell geprägt ist. Besonders viele Einwohner immigrierten in den 1960er und 1970er Jahren aus Portugal und Italien, weil die boomende Luxemburgische Wirtschaft damals viele Arbeitskräfte benötigte. Daneben stellen auch die Franzosen einen Großteil der ausländischen Bevölkerung. Dazu kommen täglich ca. 100.000 Grenzgänger aus den benachbarten Ländern Deutschland, Frankreich und Belgien, die in Luxemburg arbeiten, aber in ihren Heimatländern wohnen. Da auch die Europäische Kommission und der Europäische Gerichtshof ihren Hauptsitz hier haben, sind auch noch viele weitere Nationen, jedoch in kleinerem Umfang, hier vertreten. An der Stadt Luxemburg selbst ist mir der große Kontrast zwischen der historischen Altstadt und dem modernen neuen Stadtteil „Kirchberg“ aufgefallen. Die Altstadt mit ihren vielen historischen Gebäuden und den alten Festungsanlagen aus dem späten Mittelalter zieht vor allem die Touristen an, was man auch an den Preisen dort merkt. Der Stadtteil „Kirchberg“ existiert erst seit Ende der 1980er Jahre und wurde quasi aus dem Boden „gestampft“. Hier findet man das moderne Luxemburg, was vor allem wegen seiner Bedeutung als Finanzplatz bekannt ist. Viele Banken und Finanzdienstleister sind hier angesiedelt und das Stadtbild ist durch moderne Bauten mit Glasfassaden geprägt. Auch für die Freizeitgestaltung wurde hier viel getan, indem ein riesiges Einkaufs- und Unterhaltungszentrum gebaut wurde. Somit kann man auch nach Feierabend noch etwas mit seinen Kollegen unternehmen. Vor allem das Kino-Angebot ist hervorragend, denn im Multiplex-Kino „Utopolis“ laufen alle Filme nur in der Originalsprache, d.h. in fast allen Fällen in Englisch, was für die Verbesserung des Sprachverständnisses sehr vorteilhaft ist. Daneben gibt es viele internationale Restaurants, z.B. auch ein Brasilianisches, die man unbedingt besuchen sollte. Studentisches Leben wie in anderen deutschen Großstädten ist in Luxemburg leider noch nicht weit verbreitet, da Luxemburg erst seit wenigen Jahren über eine eigene Universität verfügt und das Studienangebot noch recht begrenzt ist. Deshalb hat es noch nicht viele Studenten nach Luxemburg gezogen und die meisten Luxembuger studieren in Belgien, Deutschland und Frankreich.
Ich kannte Luxemburg schon recht gut im Vorfeld des Praktikums, doch durch das Praktikum hatte ich die Möglichkeit, die landestypischen Eigenheiten noch besser kennen zu lernen. Die neuen Eindrücke, die ich gewonnen habe waren sehr positiv und ich könnte mir durchaus vorstellen nach dem Studium hier zu arbeiten und zu leben. Insbesondere der freundliche und unkomplizierte Umgang der Luxemburger mit anderen Nationalitäten war einfach toll. Durch meinen Aufenthalt hier konnte ich auch meine Französischkenntnisse wieder etwas auffrischen. Ich kann es jedem nur empfehlen das Praxissemester im Ausland zu verbringen, weil es eine persönliche Bereicherung ist, eine gewisse Zeit fern der Heimat zu verbringen und Erfahrungen mit anderen Kulturen zu sammeln. Insbesondere der tägliche Tagesablauf unterscheidet sich manchmal recht deutlich vom deutschen Alltag, was wie ich finde auch positiv sein kann. Es war natürlich auch vorteilhaft, dass viele Luxemburger auch die deutsche Sprache beherrschten.
Ich möchte mich an dieser Stelle nochmals beim Team Sprachen/Internationales, für die Unterstützung bei der Bewerbung und Beantragung des Erasmus-Stipendiums bedanken.