Die Vielfalt von Finanzinstrumenten am Beispiel der Put-Option
Was eine Aktie ist, ist heute allgemein bekannt, aber wissen Sie, was eine Option, ein Future oder ein Swap ist? Diese sogenannten Finanzinstrumente werden heute auf den internationalen Finanzmärkten mit großem Kapitaleinsatz gehandelt. Jede größere Bank, jede Fondsgesellschaft und jede Vermögensverwaltung eines größeren Unternehmens ist mit der Vielfalt dieser Finanzinstrumente vertraut. Im Verlauf Ihres Studiums lernen Sie die verschiedenen Finanzprodukte kennen, Sie erfahren, warum es diese Instrumente gibt und über welche Eigenschaften sie verfügen.
Betrachten Sie etwa folgende Put-Option. Dieses Finanzinstrument gibt Ihnen das Recht, eine bestimmte Aktie S an einem zukünftigen Zeitpunkt T, der Fälligkeit der Option, zu einem heute bereits festgelegten Preis K, dem Ausübungspreis, zu verkaufen. Sie haben das Recht zu verkaufen, nicht aber die Pflicht. Warum könnten Sie an einem derartigen Wertpapier interessiert sein? Stellen Sie sich dazu vor, daß Sie einen größeren Geldbetrag in Aktien investiert haben, sich aber dagegen versichern möchten, daß der Wert der Aktie einbricht und Sie dadurch empfindliche Vermögenseinbußen hinnehmen müssen. Eine derartige Versicherung können Sie mit Put-Optionen realisieren. Denn stellen Sie sich vor, daß Ihre Aktie S heute einen Wert von € 100 besitzt. Kaufen Sie nun für jede Ihrer Aktien eine Put-Option mit Fälligkeit T in einem Jahr und Ausübungspreis K=100, so brauchen Sie sich um Ihr Vermögen nicht zu sorgen. Ihre Situation in einem Jahr sieht nämlich wie folgt aus: Ist der Kurs der Aktie kräftig gestiegen, so freuen Sie sich über Ihren Vermögensgewinn und darüber, daß Sie Ihre Versicherung nicht in Anspruch nehmen müssen. Bricht der Aktienkurs jedoch auf etwa € 60 ein, so können Sie Ihre Versicherung einlösen, alle Ihre Aktien an den Emittenten der Optionen zum Preis von € 100 verkaufen und Ihr Vermögen bewahren.
Wenn sie jedoch in einer Bank arbeiten, die Optionen verkauft, so müssen Sie sich fragen, für welchen Preis Sie Put-Optionen anbieten möchten. Denn Sie tragen nun ein erhebliches Risiko, müssen Sie doch gegebenenfalls Aktien viel teurer kaufen, als sie aktuell an den Finanzmärkten erhältlich sind. Wie also läßt sich der Wert einer Option bestimmen und wie könnten Sie sich gegen die durch den Verkauf einer Option entstehenden Risiken absichern? All dies sind sowohl mathematisch als auch konzeptionell hochinteressante Fragestellungen und Bestandteil des Studiums der Wirtschaftsmathematik.
Um Ihnen einen ersten Eindruck zu geben betrachten wir ein einfaches, aber wichtiges Modell. Wir wissen nicht, wie sich der Aktienkurs in Zukunft entwickeln wird, aber wir nehmen an, daß wir die möglichen Entwicklungen kennen. Wir vereinfachend an, daß es für unsere Aktie bei Fälligkeit T der Option nur zwei verschiedene mögliche Preise gibt! Entweder fällt der Aktienkurs von heute, S(0)=100, auf S(T,1)=90 oder er steigt auf S(T,2)=120. Hier bezeichnet also S(T,1) den einen möglichen Preis der Aktie zum Fälligkeitszeitpunkt T, und S(T,2) die andere Möglichkeit des Preises der Aktie bei Fälligkeit T. Wir kennen nun zwar die möglichen Preisentwicklungen der Aktie, wissen aber nicht, welche der Möglichkeiten zum Zeitpunkt T eintreten wird. (Diese Modellannahmen sind ein Kompromiß zwischen den beiden extremen Positionen, überhaupt keine Aussagen über eine unsichere Zukunft machen zu können und im anderen Fall die Aktienkurse der Zukunft exakt vorhersagen zu wollen.)
Nun betrachten wir eine Put-Option mit Ausübungspreis € 100. Fällt der Aktienkurs auf € 90, so können wir die Aktie mit Hilfe unserer Option dennoch für € 100 verkaufen. Daher ist die Put-Option in diesem Fall € 100 - € 90 = € 10 wert. Steigt dagegen der Aktienkurs auf € 120, so bringt uns die Put-Option nichts ein, da wir am Markt beim Verkauf unserer Aktie € 120 erzielen, während die Aktie über unsere Put-Option nur € 100 einbringen würde. Die Frage ist nun, was die Put-Option heute, zum Zeitpunkt 0, wert ist.
Die Schlüsselidee zur Beantwortung dieser Frage besteht darin, ein Portfolio zu konstruieren, das aus a € und aus b Aktien besteht. Die Anteile von Geldanlage und Aktien sollen so bestimmt werden, daß sich das Portfolio genau so verhält, wie die Put-Option. Dies bedeutet
Legen wir also € a an, so verzinst sich dieses Kapital bei Fälligkeit zu a(1+r)^T und dies ist unabhängig davon, wie sich der Aktienkurs entwickelt. Beim Aktienkurs haben wir angenommen, daß es zwei mögliche Entwicklungen gibt. Im ersten Fall sinkt er auf S(T,1)=90 und im zweiten angenommenen Fall steigt er auf S(T,2)=120. Vernachlässigen wir zur Vereinfachung der Rechnung die Verzinsung und setzen r=0, so erhalten wir die folgenden beiden Gleichungen
a + 90 b = 10
a +120 b = 0
mit den beiden Unbekannten a und b. Die Lösung dieses Gleichungssystems lautet
a = 40
b = -1/3.
Das Portfolio 40 - 1/3 S hat heute den Wert 40-100/3=6.67, da der Aktienkurs heute den Wert S(0)=100 besitzt. Da das Portfolio von einer Put-Option nicht zu unterscheiden ist, muß auch der Wert der Put-Option mit dem Wert des Portfolios übereinstimmen. Damit haben wir den Preis der Put-Option zu € 6.67 bestimmt.
Hier ergeben sich eine Reihe von Fragen. Was bedeutet beispielsweise -1/3 Aktien und wie läßt sich dies realisieren? Warum haben zwei Finanzinstrumente, die sich gleich verhalten, auch den gleichen Wert? Und wie läßt sich dieses einfache Modell auf realistischere Situationen verallgemeinern? Wie können Annahmen darüber gemacht werden, welche Aktienkurse als die in einem Jahr möglichen betrachtet werden? All diese und viele andere aktuelle und praxisrelevante Fragestellungen werden im Rahmen des Studiums der Wirtschaftsmathematik in Remagen eingehend behandelt.