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Pressemitteilung: Eröffnung der neuen SOLWODI-Beratungsstelle in Fulda am 23. Januar 2015

Hirzenach, den 22.01.2015  

Schwerpunkt der Beratung sind Zwangsheirat und Ehrverbrechen
Am Freitag, den 23. Januar 2015, wird die neue SOLWODI-Beratungsstelle in Fulda offiziell eröffnet. Erstmals wird die Menschenrechts- und Hilfsorganisation damit auch in Hessen vertreten sein. Thematisch konzentriert sich die neue Beratungsstelle auf Ehrverbrechen und Zwangsheirat. Aber die Fachberatung steht auch anderen, von Gewalt betroffenen Personen mit Migrationshintergrund zur Verfügung. Auf den Weg gebracht wurde das Projekt von einem Bündnis lokaler und regionaler Akteure, der Stadt und dem Landkreis Fulda sowie den Landkreisen Vogelsberg und Hersfeld-Rotenburg.
Zu Beginn der Eröffnungsfeier wird Dr. Heiko Wingenfeld, der erste Kreisbeigeordnete des Landkreises Fulda, die geladenen Gäste begrüßen. Im weiteren Verlauf wird Schwester Dr. Lea Ackermann, die Leiterin und Gründerin von SOLWODI, die Gesamtorganisation vorstellen. Zudem wird die Leiterin des zunächst auf drei Jahre angelegten Pilotprojekts, Kerstin Krüger, einen kurzen Einblick in ihre Arbeit geben und zur Besichtigung der Räumlichkeiten einladen. Für Abwechslung sorgt ein kleines Rahmenprogramm mit Lesung und Musikvideo.
Schwester Dr. Lea Ackermann ist froh über den neuen Standort in Fulda. Besonders schätzt sie das außergewöhnliche Engagement der Bündnispartner vor Ort – denn gerade in Bezug auf die speziellen Schwerpunkte, Ehrverbrechen und Zwangsheirat, sieht sie großen Handlungsbedarf. "Der Begriff ‚Ehre‘, wie er manchen Kulturen zu Grunde liegt, wird leider auch in Deutschland als Machtinstrument missbraucht. Im Namen der sogenannten Familienehre werden Frauen unterdrückt. Ehre – das heißt für Frauen vor allem: alles wird sexualisiert. Schon ein einziger falscher Blick genügt, um die Ehre zu beschmutzen. Weigert sich die junge Frau oder das noch minderjährige Mädchen, den von ihren Eltern ausgewählten Mann zu heiraten, ist die Ehre beschmutzt. Gleiches gilt für eine Frau, die sich scheiden lassen will: Sie beschmutzt die Ehre – auch dann, wenn sie in der Ehe massive Gewalt und Misshandlung erlebt." Grundsätzlich ist am Verlust der Ehre also immer die Frau "schuld" – sogar bei einer Vergewaltigung. Im Verständnis dieser Kulturen ist es Aufgabe des Mannes, wieder Ehre und Ordnung herzustellen. Dafür darf er auch Gewalt einsetzen. Im schlimmsten Fall ist selbst ein Mord gerechtfertigt.
Ein Ehrenmord in der eigenen Nachbarschaft? Für Anwohner ist das ein kaum zu fassender Schock. Doch meist hat dieser plötzliche Ausbruch von Gewalt eine lange Vorgeschichte. Eine Vorgeschichte, die sich unbemerkt, im Verborgenen abspielt. Schon früh werden Mädchen aus stark patriarchal geprägten Kulturen unterdrückt und kontrolliert. Fügen sie sich dem Willen der Familie nicht, werden sie gedemütigt und unter Druck gesetzt.
So wie zum Beispiel die junge Frau aus Pakistan, die sich vor einigen Jahren hilfesuchend an SOLWODI wandte. Nach ihrer Berufsausbildung in Deutschland sollte sie zur Zwangsverheiratung nach Pakistan geschickt werden. Dabei hatte sie Kindheit und Jugend in Deutschland verbracht, fühlte sich hier heimisch und westlichen Werten verbunden. Sie wehrte sich offen gegen das Vorhaben ihrer Familie und wurde dafür mehrfach von Bruder und Vater zusammengeschlagen.
Wie schwer es ist, aus dieser Gewaltspirale auszubrechen, weiß Renate Hofmann aus langjähriger Erfahrung. Die Leiterin der SOLWODI-Beratungsstelle in Bad Kissingen hat das Projekt in Fulda mit geplant. "Frauen und Mädchen, die zwangsverheiratet werden sollen, stecken in einem unerträglichen Dilemma. Viele, die bei SOLWODI Hilfe suchen, glauben, dass sie nur zwei Möglichkeiten haben: ‚Entweder ich nehme mir das Leben oder ich muss mich dem Willen meiner Familie beugen.‘ Wir zeigen ihnen, dass es noch ganz andere, echte Alternativen gibt." Damit dies gelinge, sei ein umfassendes Hilfsangebot mit langfristiger Begleitung durch eine Vertrauensperson notwendig. Schließlich müssten die Frauen und Mädchen oft erst lernen, was Eigenständigkeit bedeutet. "Eigene Entscheidungen treffen, eine Wohnung mieten, rechtliche Fragen klären, einen Beruf erlernen oder einen Arbeitsplatz finden – all das kann man nicht einfach von heute auf morgen.", erklärt Hofmann. In erster Linie braucht die Neuorientierung offenbar Zeit – Zeit, die manchmal nicht mehr da ist. Menschen, die akut bedroht werden, müssen mitunter von jetzt auf gleich in eine sichere Unterkunft gebracht werden. In solchen Fällen kann SOLWODI auf ein bundesweites Netzwerk mit insgesamt sieben Schutzwohnungen und siebzehn Fachberatungsstellen zurückgreifen.
Die junge Deutsch-Pakistanerin hatte übrigens Glück im Unglück. Eine besondere Rolle spielte dabei ihr hilfsbereiter Arbeitgeber. Der Chef vermittelte ihr nicht nur den Kontakt zu SOLWODI, sondern unterstützte auch die Vorbereitung ihrer Flucht aus der Familie. Am Tag nach ihrer Abschlussprüfung konnte sie dann mit Hilfe von SOLWODI in eine andere Stadt umziehen und dort ein neues Leben beginnen. Obwohl es für sie damals ein harter Schritt war, den Kontakt zur Familie abzubrechen, ist sie heute froh darüber: "Endlich kann ich leben wie jede normale deutsche Frau, kann Freunde haben und – was für mich das Schönste ist: Verreisen. Auf der Welt gibt es so viel mehr zu erleben, als nur die Angst vor einer erzwungenen Zukunft in Pakistan."

Für Fotos, Rückfragen und  Interviewanfragen kontaktieren Sie bitte:
SOLWODI
Pressearbeit
SOLWODI Deutschland e.V.
Propsteistr. 2
56154 Boppard-Hirzenach

Tel.: 06741 - 2232

presse[at]solwodi.de

Hinweis für die Redaktionen:

Gerne können Sie Sr. Dr. Lea Ackermann, Gründerin von SOLWODI, für Fragen oder Interviews zu diesem Thema kontaktieren.

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SOLWODI Deutschland e.V. "SOLidarity with WOmen in DIstress – Solidarität mit Frauen in Not" ist ein Verein, der Frauen in Notsituationen hilft und ist Anlaufstelle für ausländische Frauen, die durch Sextourismus, Menschenhandel oder Heiratsvermittlung nach Deutschland gekommen sind. Der Verein ist überparteilich und überkonfessionell. Gegründet wurde SOLWODI 1985 in Kenia und 1987 in Deutschland. In Deutschland ist SOLWODI mit inzwischen 17 Beratungsstellen, einer Kontaktstelle und sieben Schutzwohnungen für ausländische Frauen und Mädchen, die hier in Not geraten sind, vertreten.



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