Prostitution traumatisiert – SOLWODI drängt auf besseres und spezialisiertes Therapieangebot in Rheinland-Pfalz.
"Viele Frauen in der Prostitution sagen: ‚Ich mache in zwei, drei Monaten mit meinem Körper das große Geld, dann höre ich auf!’ – Ich kenne keine, die das geschafft hätte. Diese Erfahrungen verzeiht die Seele nie. Gerade in Deutschland hat sich die Prostitution, seit ich Mitte der Neunziger gekommen bin, auf unvorstellbare Weise verändert. Seit das hier ein Job wie jeder andere sein soll, glauben die Männer: ‚Es ist erlaubt, also ist es o.k. Und schließlich bezahle ich ja dafür!’ Die Praktiken, die die Männer in Deutschland inzwischen für selbstverständlich halten, sind entwürdigend. Es gibt immer wieder solche, die das Undenkbare einfordern. Prostitution ist heute mehr denn je Mord an der Seele." - Jana Koch-Krawczak, geboren 1973 in Nordpolen, schrieb das Buch „Du verreckst schon nicht!“ über ihre Zeit in der Prostitution und hilft heute Frauen beim Ausstieg
Trauma und Prostitution – das ist ein zentraler, jedoch gerade in Deutschland kaum verstandener Zusammenhang. Ein Trauma ist ein persönlich katastrophales Ereignis, das allein kaum zu bewältigen ist: Die/der Betroffene fühlt sich existentiell bedroht und in höchstem Maße ausgeliefert.
"Prostitution ist kein Beruf wie jeder andere", so etwa Lutz-Ulrich Besser vom Zentrum für Psychotraumatologie und Traumatherapie Niedersachsen. "Dieser sehr intime Vorgang, wenn ein ‚Freier’ in den Köper einer Frau eindringt – auch wenn dies vermeintlich einvernehmlich geschieht – wird überhaupt nur erträglich, wenn die Frau ihre Empfindungen und Gefühle vom Bewusstsein abspaltet."
Viele Frauen in der Prostitution haben das schon als Kind gelernt: 65 bis 95 Prozent der Frauen in der Prostitution waren als Mädchen Opfer sexueller Gewalt. Angst, Ekel, Schmerz überstehen sie nur, weil sie lernen, sozusagen neben sich zu stehen, gar nicht mehr sie selbst zu sein. Und das über Jahre hinweg. Gleichzeitig halten viele Opfer sich für wertlos und geraten in eine psychische Abhängigkeit vom Zuhälter. So ist die Beziehung zwischen Opfer und Täter gerade durch die Traumatisierung über Jahre stabil, der Ausstieg für die Frauen kaum möglich.
Ein spezialisiertes Therapieangebot für betroffene Frauen gibt es bisher in Rheinland-Pfalz nicht. Um das zu ändern, haben sich nun das Landeskrankenhaus in Andernach, die Rheinhessen-Fachklinik Alzey und SOLWODI zusammengefunden. Gemeinsam wollen Psychologen, Ärzte und Fachberaterinnen ein eigenes Behandlungskonzept entwickeln, speziell auch für Migrantinnen mit Traumafolgestörungen. Denn nur, wenn Panik- und Angstattacken, selbstverletzendes Verhalten, Depressionen und andere psychische Störungen als Folge der Prostitution verstanden, anerkannt und behandelt werden, können die Frauen ein Leben in Würde und Freiheit aufbauen.
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