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Gewalt gegen Frauen – drei Klientinnen von SOLWODI erzählen

Menschenhandelsopfer

Anna*, Menschenhandelsopfer: "Ich hatte keine Wahl."
Ich kam mit sechs Jahren ins Kinderheim. Meine Mama hatte mich auf eine heiße Kochplatte gesetzt. Ein Kinderheim in Rumänien, das ist nicht nett, das ist nicht wie in Deutschland.
Ich wollte immer zu meiner Mama zurück. Mit 14 bin ich vom Kinderheim weggelaufen, zu ihr. Ich wollte sie kennenlernen. Ich war noch nicht lange dort, da hat sie gesagt: "Komm’ wir geh’n mal zum Onkel." Aber das war kein Onkel. Der Mann hat ihr Geld gegeben. Dann war sie weg. Wir sind in den Puff. Da waren viele Männer. Sie haben mir Drogen in die Getränke gemischt. Weglaufen konnte ich nicht, der Mann war immer da. Ich hatte keine Wahl. Wenn ich nicht gemacht hab`, was die wollen, gab es Schläge oder nichts zu essen. Viel schlafen durfte ich nicht.
Ich bekam ein Kind. Das haben die mir weggenommen. Wo es heute ist, weiß ich nicht. Einmal kam ein Freier, ein Deutscher, der mir helfen wollte. Er nahm mich mit nach Deutschland. Dort musste ich ins Bordell, für ihn. Er hat mich auch geschlagen. Von Anfang an hab’ ich meine Hoffnung nur aufgegeben. Ich hab’ immer die Augen nur zugedrückt.

Anna konnte bei einer Razzia entkommen. Sie lebt heute in einer Schutzwohnung von SOLWODI.

 

Ehrverbrechen

Milena*, von Ehrenmord bedroht: "Ich wollte nur noch weg."
Als meine Familie mich zwang zu heiraten, war ich 17. Als Armenierin in Deutschland kannst du nicht einfach sagen: Ich will ihn nicht. Es genügt, wenn der Mann dich heiraten will. Mein Mann wollte auch deutsche Papiere. Ich musste mit ihm schlafen, um zu beweisen, dass ich noch Jungfrau bin. Es war, als ob jemand mich vergewaltigte. Ich habe ihn richtig gehasst. Wenn ich nicht mit ihm schlafen wollte, hat er mich geschlagen. Ich habe mich dann in einen anderen jungen Mann verliebt und bin ich mit ihm abgehauen. Nach ein paar Tagen habe ich meine Eltern angerufen und ihnen erzählt, ich sei mit einer Freundin weggelaufen. Sie baten mich zurückzukommen, versprachen mir, ich müsste nicht zurück zu meinem Mann. Mein Onkel holte mich vom Bahnhof ab und sagte: "Wenn ich dein Vater wäre, hätte ich dich gleich hier umgebracht." Zuhause wartete die ganze Familie. Mein Cousin schlug mich ins Gesicht, mein Vater prügelte mich, warf mich auf den Boden, wie ein Stück Dreck. Ich schrie, aber keiner tat etwas. Ich habe gezittert und konnte nichts fühlen. Das habe ich bis heute, ich kann nichts fühlen.

Milena konnte von einer Mitarbeiterin des Sozialamtes gerettet werden und bekam mithilfe von SOLWODI eine neue Identität.

 

Prostitution

Gina*, Prostituierte: "Wie komm ich hier nur raus?"
Der Gedanke auszusteigen kam immer wieder mal, irgendwann hält man es einfach nicht mehr aus. Ich habe keine Zukunftsperspektive, ich werde älter, irgendwann werde ich nichts mehr verdienen. Das Geschäft ist sowieso schwieriger geworden. Es gibt immer mehr Frauen, die das immer billiger machen. Auch Flatrate-Bordelle machen das Geschäft schwieriger. Die Arbeit an sich empfinde ich als menschenunwürdig. Man wird behandelt wie ein Stück Fleisch, bedroht, leidet Schmerzen, selbst wenn man sagt, ich möchte das nicht. Ich habe immer das Gefühl das Bordell ist eine Welt für sich. Dort ist Anschaffen normal, Drogen sind normal, Alkohol ist normal, Gewalt ist normal. Draußen ist das nicht normal. Man muss sein ganzes Leben lang lügen. Das ist eine richtige Lebenslüge. Ich habe keine Chance, dabei habe ich das Glück Abitur zu haben, ich bin deutsche Staatsbürgerin, aber kein seriöser Arbeitgeber würde mir jemals einen Job anbieten. Sogar auf dem Arbeitsamt hat man mir das gesagt. Mit diesem Stigma werde ich mein Leben lang herumlaufen. Die einzige Perspektive ohne Prostitution ist Hartz IV und ein Riesenschuldenberg.

Gina wird von einer SOLWODI Beratungsstelle beim Versuch des Ausstiegs begleitet.

 

*Alle Namen und Orte wurden zur Sicherheit unserer Klientinnen geändert

Artikel Nr. 6 von 10 in: 30 Jahre engagiert - Mai 2015
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