Mainz, 06. Mai 2015
Hilfs- und Menschenrechtsorganisation präsentierte 30 Jahre Arbeit für Frauen in Not und die aktuelle Arbeit im rheinland-pfälzischen Landtag
Zum ersten Mal in der nun 30-jährigen Geschichte präsentierte SOLWODI sich im Rahmen eines Parlamentarischen Abends. Keine theoretischen Vorträge, sondern praktische Einblicke – das bot die Menschenrechts- und Hilfsorganisation den Parlamentariern des rheinland-pfälzischen Landtags am 6. Mai 2015. Im Wappensaal des Landtags wurde die aktuelle Arbeit des Vereins zum Schutz von Frauen, die Opfer von Menschenhandel, Zwangsprostitution oder Gewalt im Namen der "Ehre" geworden sind, vorgestellt. Landtagspräsident Joachim Mertes hatte den Abend ermöglicht. Alle Fraktionen des Landtags waren vertreten und zeigten großes Interesse an den Themen.
Bereits beim Sektempfang hieß Sr. Dr. Dr. h.c. Lea Ackermann, Gründerin und Vorsitzende von SOLWODI, mit großer Freude und Dankbarkeit die zahlreich eintreffenden Gäste willkommen, darunter den Gastgeber, Landtagspräsident Joachim Mertes (SPD), die Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Julia Klöckner und die Staatssekretärin Margit Gottstein (Bündnis 90/Die Grünen).
Auch der Sportbereich war prominent vertreten mit Karin Augustin, Präsidentin des Landessportbundes Rheinland-Pfalz, und Walter Desch, Präsident des Fußballverbandes Rheinland.
Sehr herzlich begrüßte Sr. Lea auch die Sängerin und Schauspielerin Margit Sponheimer und nicht zuletzt den ARD-Moderator Holger Wienpahl, der professionell durch das Programm führte.
In seiner Eröffnungsrede betonte der Landtagspräsident, wie wichtig das Engagement von SOLWODI gerade vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse sei: "Wir lesen zurzeit jeden Tag von den Todesfällen im Mittelmeer. Die Not der Flüchtlinge, die auf seeuntüchtigen Schiffen unter Lebensgefahr versuchen, Europa zu erreichen, darf keinen Menschen kalt lassen." Frauen seien dabei – sofern sie es überhaupt bis nach Europa schafften – besonderen Gefahren ausgesetzt, so Mertes, denn: "Frauen fehlt es oftmals an schulischer oder beruflicher Ausbildung. Sie werden daher leichter zu Opfern von Menschenhändlern. Misshandlungen, Zwangsheiraten oder Zwangsprostitution gehören zu den Erfahrungen allzu vieler Frauen, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Europa gekommen sind. Für diese Frauen setzt sich SOLWODI ein, sowohl in Europa als auch in Afrika."
"30 Jahre SOLWODI bedeuten 30 Jahre erfolgreiche Arbeit
für Frauen in Not."
Allen haupt- und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen, die sich für die vielfältigen Aufgaben bei SOLWODI engagieren, sprach der Landtagspräsident sehr herzlich seinen Dank aus.
"30 Jahre SOLWODI bedeuten 30 Jahre erfolgreiche Arbeit für Frauen in Not. Seit der Gründung 1985 in Kenia hat SOLWODI sich zu einer international bekannten Menschenrechtsorganisation entwickelt, deren Arbeit enorm facettenreich ist", sagte Staatssekretärin Margit Gottstein in ihrer Begrüßungsrede. Im Namen der Landesregierung dankte sie Sr. Lea für ihr "großartiges Engagement und ihre imponierende Lebensleistung."
Sr. Lea hob in ihrer kurzen Ansprache dankbar hervor, dass ihre Arbeit ohne die vielen engagierten Förderer sowie die haupt- und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen nie zu leisten gewesen wäre. Zudem richtete sie ein großes Dankeschön an alle Beteiligten, die den Parlamentarischen Abend ermöglicht hatten. Den Abend selbst widmete sie den betroffenen Frauen: "Wir haben heute Stimmen mitgebracht, Menschen zu Gast, die viel besser berichten können als ich selbst, warum die Arbeit von SOLWODI wichtig ist. Sie hören heute von Frauen, die Unsagbares erlebt und erlitten haben. Diesen Frauen gebührt unsere Aufmerksamkeit und unser Respekt." So stimmte Sr. Lea auf die folgende, von Holger Wienpahl moderierte, Podiumsdiskussion ein.
Jenseits von Klischees und einfachen Antworten berichteten Dr. Frank Matthias Rudolph, Chefarzt für Psychosomatik und ärztlicher Direktor der Mittelrhein-Klinik Bad Salzig, und die SOLWODI-Mitarbeiterin Regine Noll von ihren Erfahrungen mit schwer traumatisierten Klientinnen.
Dr. Rudolph erklärte dabei eindringlich den in öffentlichen Diskussionen oft vernachlässigten Zusammenhang zwischen Traumata und Prostitution. "Prostitution ist Gewalt, kein Gewerbe", stellte er gleich zu Beginn klar und verglich den Härtegrad der psychischen Schäden, die Frauen in der Prostitution erleiden, mit dem von Afghanistan-Heimkehrern.
Die Perspektive einer Betroffenen zeigte einerseits ein Filminterview, in dem eine Frau, Mitte Zwanzig und Klientin von SOLWODI, ihre nahezu hoffnungslosen Ausstiegsversuche aus der Prostitution beschrieb. "Ich habe keine Zukunftsperspektive, ich werde ja auch älter, irgendwann werde ich nichts mehr verdienen. Die ‚Arbeit‘ an sich empfinde ich als menschenunwürdig und -verachtend. Man wird behandelt wie ein Stück Fleisch", so die junge Frau. Sie würde gerne aussteigen, sieht aber keine Chance.
Mit Jana Koch-Krawczak war andererseits eine Betroffene vor Ort, die in der Lage ist, öffentlich über ihr Leben zu sprechen. Sie veröffentlichte 2013 ihre Biographie unter dem Titel "Du verreckst schon nicht. Wie mich meine Mutter in die Kriminalität und Prostitution trieb".
Koch-Krawczak hat den Ausstieg geschafft, engagiert sich nun für Frauen in der Prostitution und versucht, ihnen beim Ausstieg zu helfen.
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion konnten die Gäste mit zahlreichen SOLWODI-MitarbeiterInnen direkt ins Gespräch kommen.
Gelegenheiten zum Austausch boten insbesondere die Informationsstände mit Roll-Ups, gespendet von der Firma APA Neuwied, zu verschiedenen Themen, wie "Gewalt im Namen der ‚Ehre‘" oder zum "Rückkehr- und Reintegrationsprogramm" für Migrantinnen, die in ihr Heimatland ausreisen wollen oder müssen.
Gemeinsam mit den engagierten UnterstützerInnen zeigte SOLWODI an diesem Abend, wie wichtig ein auf die Bedürfnisse der häufig traumatisierten Frauen zugeschnittenes Schutz-, Beratungs- und Therapieangebot ist.
Der parlamentarische Abend war Auftakt verschiedener Jubiläums-Veranstaltungen, mit denen SOLWODI sich im Jahr des 30-jährigen Bestehens einer breiteren Öffentlichkeit vorstellt.