Kontakte und Beratung
Auf der Flucht vor Gewalt, Verfolgung oder Krieg sind im letzten Jahr viele Menschen nach Deutschland gekommen. Sie haben alles verloren und sind unter lebensbedrohlichen Umständen geflohen. Die besonders schutzbedürftige Zielgruppe der Flüchtlingsfrauen ist meist noch größeren Gefahren ausgesetzt als Männer – sie erleben oft nicht nur im Heimatland, sondern auch auf ihrem Fluchtweg brutale Gewalt (oft werden sie Opfer von Vergewaltigung, Menschenhandel, geschlechtsspezifischer Verfolgung, weiblicher Beschneidung etc.). In Deutschland benötigen sie zu verschiedenen Anliegen psychosoziale oder rechtliche Beratung. So können wir 24 Fälle benennen, in denen sich Frauen direkt oder über Dritte an uns gewandt und um Beratung gebeten haben.
Telefonische Beratung
Zahlreichende Asylsuchende leiden infolge geschlechtsspezifischer Gewalterfahrung im Herkunftsland. Auf der Flucht sind sie schwerwiegenden und unbedingt zu behandelnden körperlichen sowie psychischen Belastungen ausgesetzt. Durch das Asylbewerberleistungsgesetz bestehen insbesondere in Bezug auf psychosoziale Unterstützung gravierende Versorgungslücken. SOLWODI ist deshalb auch für eine telefonische Erstberatung für die Frauen da, um sie zu ihren geschlechtsspezifischen und aufenthaltsrechtlichen Problemen entsprechend zu beraten.
Zudem beraten wir auch andere Institutionen im Hinblick auf den Umgang mit Opfern von Menschenhandel, Gewalt in der Ehe oder Gewalt im Namen der Ehre. Ebenfalls aktuell ist die Thematik der „Loverboys“. So hatten wir im vergangenen Jahr Kontakt zu verschiedenen Polizeidirektionen, Migrationsdiensten, diversen Beratungsstellen und Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen usw.
Schutzhaus
Die Plätze im SOLWODI-Schutzhaus konnten schnell belegt werden und das Haus war bereits im August voll belegt. Aufgrund interner Entscheidungen wurde im Oktober 2016 ein anderes Objekt bezogen. Das neue Haus beherbergt zurzeit vier Frauen und fünf Kinder. Zwei weitere Frauen sind extern untergebracht, werden aber täglich durch die Sozialarbeiterinnen betreut.
Die in Boppard aufgenommenen Frauen sind 18 Jahre und älter, teilweise mit ihren Kindern. Sie kommen hauptsächlich aus den sogenannten Balkan-Staaten, wie Albanien, Bulgarien und Bosnien. Eine weitere Frau kam aus Gambia zu uns. Ihre Erfahrungen können geprägt sein von extremer Armut, Arbeitslosigkeit, familiären oder sozialen Problemen bis hin zu körperlicher und seelischer Gewalt. Oft kommen sie aus patriarchalischen Strukturen, die meistens Grund für Zwangsverheiratungen und andere Formen von Gewalt sind. Hinzu kommen Belastungen durch den oft ungeklärten Aufenthaltsstatus, die Sorgen um die Bestreitung des Lebensunterhaltes sowie Perspektivlosigkeit.
Die hoch heterogene Gruppe der Frauen weist jedoch Gemeinsamkeiten auf. Sie alle haben ihr Herkunftsland und ihre Herkunftsfamilie verlassen. Sie stehen bei uns am (Neu-)Anfang, nachdem ihre Existenz zerstört wurde. Sie alle haben traumatisierende Erlebnisse zu verarbeiten und daraus ergeben sich besondere Bedürfnisse. Auf diese Bedürfnisse gehen wir strukturell und im Rahmen unserer psychosozialen Betreuung ein.
Der Begleitungsprozess im Schutzhaus gliedert sich in eine Clearingphase, in der nach dem IST-Zustand geschaut wird. Schnell klärt sich, welche grundlegenden Angelegenheiten bearbeitet werden müssen. Dann folgt die Phase der Stabilisierung. Diese hat zum Ziel, die Frauen soweit zu befähigen, dass sie eine Zukunftsperspektive entwickeln können. Im Anschluss werden die Frauen unterstützt, ihre Selbstständigkeit zurückzuerlangen. Bei Bedarf bieten wir ebenfalls eine ambulante Nachbetreuung an, wenn die Frauen nach dem Auszug im Einzugsgebiet bleiben. Alternativ bauen wir ein Hilfenetzwerk auf, um eine sichere Zukunft zu ermöglichen.
Ein Fallbeispiel
Im Sommer 2016 nahm die Polizeidirektion Koblenz Kontakt zu uns auf und bat uns, eine junge Frau aus Bulgarien aufzunehmen. Diese war Opfer eines Menschenhändlers zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung geworden und wurde längere Zeit misshandelt und zur Prostitution gezwungen. Nachdem sichergestellt war, dass ihre körperlichen Verletzungen versorgt waren, konnte sie anonym in unserem Schutzhaus untergebracht werden. Schnell fand sie Kontakt zu den anderen Frauen, die sich gegenseitig unterstützten. Die junge Frau entschied sich nach unserer Beratung dazu, bei der Polizei Strafanzeige zu stellen. Ihr Zustand stabilisierte sich langsam.
Nach einem vierwöchigen Aufenthalt kehrte die junge Frau mit Hilfe des Rückkehrprojektes zu ihrer Familie und ihrem einjährigen Kind nach Bulgarien zurück. Da sie in dem Strafprozess als Zeugin geladen war, kehrte sie kurzzeitig in unser Schutzhaus zurück. SOLWODI begleitete die Frau nicht nur bei der Organisation der Reise, sondern stellte auch die psychosoziale Prozessbegleitung sicher.
Anne Heidrich und Magdalena Koch
Propsteistr. 2
56154 Boppard
Tel: 06741 - 980 76 76
Fax: 06741 - 980 76 77
boppard@solwodi.de