Ein Bericht von SOLWODI München
Jungen Mädchen in Nigeria wird eine bessere Zukunft in Europa versprochen. „Madams“ übernehmen die Vermittlerrolle: Sie kümmern sich um Papiere, organisieren die Reise und veranlassen, dass die Frauen einen Voodoo-Eid schwören, der sie hindert, Hilfe zu erbitten und sie verpflichtet, "Reisekosten" bis zu 75.000 € zu zahlen.
Die Frauen machen sich meist auf einem beschwerlichen Landweg nach Europa. Oft ist die Reise mit Entbehrungen und sexueller Gewalt verbunden, doch für eine Umkehr ist es zu spät. Aus dem versprochenen Job in einem europäischen Land wird ein Leben in der Prostitution. Manchmal schaffen die Frauen es, sich schnell zu befreien, aber auch ein Zeitraum von bis zu sechs Jahren ist nicht ungewöhnlich. Gegen Ende landen sie im Asylverfahren. Scham, Angst und Schuldgefühle hindern sie, sich zu öffnen. Wenn es ihnen gelingt, ihre Geschichte zu erzählen, geben wir eine fachliche Stellungnahme und Gefährdungseinschätzung ab. Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge werden zwar seit September 2016 laufend Termine vergeben, die Anhörungen werden aber meist nicht von einem Sonderbeauftragten für Menschenhandel durchgeführt. Hinzu kommt, dass Anhörer und Entscheider häufig verschiedene Personen sind. Es folgen Ablehnungen: Kein Flüchtlingsstatus, kein subsidiärer Schutz, kein Abschiebehindernis. Obwohl das BAMF eine Rückkehr nach Nigeria für zumutbar hält, ist die Situation vor Ort für die Frauen in vielerlei Hinsicht gefährlich.
Ein Bericht von SOLWODI Bad Kissingen
Wir erhielten den Anruf einer Ehrenamtlichen aus dem Flüchtlingsbereich: Sie mache sich Sorgen um eine nigerianische Frau und ihre 7-jährige Tochter. Beide hatten einen Ablehnungsbescheid erhalten, erfolglos geklagt. Die in Europa geborene Tochter soll in ein für sie gefährliches Land. Vor diesem Hintergrund ist die Frau bereit, darüber zu sprechen, wie sie hierher kam: In einem Schlauchboot wurde sie von Nordafrika nach Sizilien gebracht, in Italien zur Straßenprostitution gezwungen. Aus Scham und Angst berichtete sie zunächst beim BAMF nur von Boko Haram. Sie berichtete auch, dass die Tochter als kleines Mädchen nach Nigeria gebracht werden sollte, um beschnitten zu werden. Deshalb flüchtete sie nach Deutschland.
Wir wollen versuchen, einen Asylfolgeantrag zu stellen und eine Anhörung bei einer BAMF-Sonderbeauftragten für Opfer von Menschenhandel und einer weiblichen Dolmetscherin zu erhalten. SOLWODI wird eine fachdienstliche Stellungnahme einreichen. Der Fall macht deutlich, wie wichtig es ist, Aufklärung in Flüchtlingsunterkünften zu leisten, damit Opfer von Menschenhandel identifiziert werden. Das einjährige Projekt "Einheitliche Beratungsstandards für weibliche Drittstaatsangehörige in der Erstaufnahme", das von der Agnes-Philippine-Walter-Stiftung und der UNO-Flüchtlingshilfe gefördert wird, ermöglicht unserer Fachberatungsstelle, Flüchtlingsfrauen in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften zu betreuen und zu beraten.
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