Ruanda - aus dem Jahresbericht 2015
Situation in Ruanda
1994 ermordeten in Ruanda innerhalb von nur 100 Tagen ruandische Hutu-Milizen zwischen 800.000 und einer Million Menschen: der „schnellste Völkermord der Geschichte", wie es zynisch heißt. Begangen wurde er an Ruandern, die zur Volksgruppe der Tutsi zählen. Aber auch Angehörige der ruandischen Hutu, die beim Töten nicht mitmachen wollten, fielen systematisch aufgehetzten Hutu-Horden zum Opfer.
Gemessen an der Gesamtbevölkerung leben in keinem anderen Land der Welt so viele Waisen wie in Ruanda. Die kleine ostafrikanische Republik hat circa 8,6 Millionen EinwohnerInnen. 42,3 Prozent sind jünger als 14 Jahre, und laut einer aktuellen UNICEF-Studie haben 825.000 dieser Kinder weder Mutter noch Vater. Zum einen ist diese Situation bedingt durch die traurigen Folgen des Genozids; zunehmend handelt es sich aber auch um Kinder, deren Eltern an Aids, Malaria, Tuberkulose und anderen Infektionskrankheiten gestorben sind. Hunger und Mangelernährung beeinträchtigen das Immunsystem; zudem ist die arme Bevölkerung medizinisch schlecht versorgt: ein Arzt bzw. eine Ärztin für 24.000 Menschen, durchschnittliche Lebenserwartung 46 Jahre.
Das Witwen- und Waisenprojekt 2008
In Zusammenarbeit mit der Pfarrei Saint Famille (die Kirchengemeinde gehört zur Erzdiözese in Kigali und umfasst 85 Pfarrgemeinden) unterstützt SOLWODI seit fast 15 Jahren Witwen, die zusätzlich zu ihren eigenen Kindern, Waisenkinder aufgenommen haben, sowie elternlose Mädchen, die ihre jüngeren Geschwister betreuen. Solche Familienverhältnisse sind nicht die Ausnahme, sondern fast schon die Regel: In Ruanda sind 34 Prozent aller „Familienvorstände" verwitwete oder allein erziehende Mütter und ältere Schwestern. SOLWODI hilft diesen Frauen beim Aufbau eines kleinen Geschäfts zum Verkauf von Gemüse, Obst oder Holzkohle, womit sie ihren Lebensunterhalt finanzieren können. Die finanzielle Hilfe erfolgt in Form von Mikrokrediten in Höhe von 45 - 50 Euro. Die Kredite werden mit 1 % Zinsen zurückgezahlt, die Rückzahlungsbeträge werden für weitere Kredite bzw. Nahrungsmittel an alte und behinderte Menschen ausgegeben. Die Frauen schließen sich in Gruppen zusammen und unterstützen sich gegenseitig, praktizieren Solidarität und erleben die schützende Gemeinschaft. In 2008 bestanden 14 Gruppen mit durchschnittlich 5 bis 6 Frauen.
Nach wie vor besteht das Problem der Verbannung der KleinhändlerInnen in die Außenbezirke der Stadt oder aufs Land. Sie werden unter Druck gesetzt; es ist ihnen verboten, ihre Waren an dezentralen Orten in der City zu verkaufen. Nicht einmal auf den Vorhöfen ihrer Häuser – wenn diese nicht schon im Rahmen der Stadterneuerung abgerissen wurden – ist ihnen Handel erlaubt. Sieben Kilometer vom Stadtzentrum entfernt wurde eine riesige Markthalle errichtet, in der alle KleinhändlerInnen zentriert wurden. Die Flächen für die Marktstände in der Halle müssen für umgerechnet 6 Euro pro Quadratmeter im Monat angemietet werden, was zu teuer ist; denn dabei ist zu berücksichtigen, dass das durchschnittliche Einkommen eines der so genannten „Kinderhaushalte" mit einer älteren Schwester als „Familienvorstand" sich auf 50 Euro-Cent am Tag beläuft.
Schulgeld für Waisen
Im Jahr 2008 wurde für 182 SchülerInnen der Schulbesuch ermöglicht. Hierfür wurden die Schulgebühren inklusive Schulspeisung übernommen und je nach Bedürftigkeit auch die Kosten für Schulbücher und Anfahrt zur schulischen Einrichtung. 15 SchülerInnen absolvierten erfolgreich den Sekundarabschluss I.
Neues Projekt in 2009
Nach langer Vorbereitung wurde im Oktober 2009 schließlich ein neues Projekt begonnen, um für die Familien eine langfristige Einkommensmöglichkeit zu schaffen. Es wurden 25 Kleingruppen mit 5 bzw. 6 Personen gegründet, die gemeinsam eine Arbeitsinitiative zum Erwirtschaften des Lebensunteraltes bilden. Die Mitglieder der einzelnen Gruppen wohnen räumlich in der Nähe. 17 Gruppen haben beschlossen jeweils ein Stück Land zu pachten, Gemüse anzubauen, um es anschließend verkaufen zu können. 7 Gruppen betreiben Schaftzucht und eine Gruppe stellt Honig her.
Jede Gruppe erhielt ein Startkapital zum Erwerb von Sämereien, zur Zahlung der Pacht einer Landparzelle, zum Ankauf von Schafen und der notwendigen Materialien. Die Gruppenmitglieder haben einen Vertrag unterschrieben, der den Erhalt der zur Verfügung gestellten Summe bestätigt. Der Vertrag verpflichtet:
1. zum Handeln und Arbeiten für das Wohl der Gruppe und der Gemeinschaft
2. mit den Ärmsten zu teilen, wenn das Projekt Erträge bringt
3. regelmäßig Berichte zu erstellen
Der Vertrag wird von einem Projektkomitee, das zur Abwicklung des Projektes eingesetzt wurde, und dem Verantwortlichen der Gruppe unterschrieben. Das Komitee begleitet die Durchführung des Projektes sammelt die Berichte und versucht bei Problemen unterstützend einzugreifen.
Insgesamt nehmen 127 Personen an diesem Projekt teil. Die Nachhaltigkeit des Projektes ist durch die landwirtschaftliche Produktion und die Verantwortlichkeit in der Gruppe gegeben.