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5.3 Leistungen für Opfer von Menschenhandel

Opfer aus der EU haben in Deutschland ein Aufenthaltsrecht und erhalten grundsätzlich Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch SBG II bzw. SGB XII, insbesondere nach den §§ 47 ff. SGB XII (Hilfen zur Gesundheit  http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_12/BJNR302300003.html ). Oft verweisen die Behörden EU-Angehörige auf die unzureichenden Leistungen des AsylbLG verwiesen. Das ist rechtswidrig.

Für Menschenhandelsopfer aus Drittstaaten gilt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG das Asylbewerberleistungsgesetz ( http://www.gesetze-im-internet.de/asylblg/__1.html ). Dieses Regelungswerk ist als Rechtsgrundlage problematisch, denn sein Hauptzweck liegt in der Abschreckung von Personen, die über vorgetäuschte Asylgründe den höheren Sozialleistungsstandard in Deutschland in Anspruch nehmen möchten. Die Unterstützung ist in vielfacher Hinsicht defizitär:

- Nach § 3 AsylbLG gilt das "Sachleistungsprinzip", demzufolge Leistungen in der Regel nur in Form von Wertgutscheinen erbracht werden. Nur in Ausnahmefällen wird davon abgewichen. Selbst wenn den Frauen Geld ausgezahlt wird, reicht der Betrag bei weitem nicht aus, um die Kosten einer Rechtsberatung oder auch nur für Fahrten zur Beratungsstelle oder zu Deutschkursen zu decken. Hier müssen die unterfinanzierten Fachberatungsstellen einspringen und die Kosten übernehmen

- Die Kostenerstattung für medizinische Maßnahmen nach § 4 Abs. 1 AsylbLG ist auf akute Erkrankungen beschränkt. Weitergehende Hilfen für Opfer sexueller Gewalt gemäß § 6 Abs. 2 AsylbLG setzen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG voraus. § 25 Abs. 4 a AufenthG oder gar die Bedenkzeit nach § 59 Abs. 7 AufenthG sind nicht miteinbezogen. Damit fallen die meisten Opfer von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung nicht unter diesen Leistungstatbestand. Die für traumatisierte Opfer notwendige psychotherapeutische Behandlung wird daher von den Behörden regelmäßig verweigert. Dadurch verschlechtert sich die psychosoziale Situation der Frauen, obwohl eine Zeugenaussage vor Gericht nur möglich ist, wenn sie in einer möglichst stabilen gesundheitlichen und seelischen Verfassung sind.

- Nach § 15 a AufenthG ( http://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004/__15.html ) ist die Unterbringung in Sammelunterkünften vorgesehen, was schon deshalb kontraproduktiv ist, weil sie dort nicht vor den Hinterleuten des Menschenhandels geschützt werden können. Auch die weitere Begleitung und Betreuung durch die Fachberatungsstellen wird dadurch nicht erleichtert. Hinzukommt als praktisches Problem vor allem für die Polizei und die Fachberatungsstellen die Schwierigkeit, eine Behörde zu finden, die die Kosten übernimmt. In der Regel ist die Behörde an dem Ort für die Sachleistungen zuständig, an dem das Opfer von der Polizei aufgegriffen wurde. Allerdings erweist es sich häufig als schwierig, wenn nicht gar unmöglich, Sachleistungen zuzustellen, wenn das Opfer an einem entfernten Ort untergebracht ist. Müssen Betroffene aus Sicherheitsgründen mehrfach den Aufenthaltsort wechseln, kommt es zu unproduktiven Streitigkeiten zwischen Kommunen und Ämtern über die Kostentragung. Häufig werden erhebliche Kräfte der Beratungsstellen dadurch gebunden, dass sie sich für die unkundigen Opfer durch den Verwaltungsdschungel kämpfen müssen (vgl. auch Periodischer Sicherheitsbericht der Bundesregierung, 2006, S.464 
(http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Veroeffentlichungen/2_periodischer_sicherheitsbericht_langfassung_de.pdf?__blob=publicationFile) .

Seit Jahren ignoriert die Politik Forderungen der Fachberatungsstellen für eine bessere Unterstützung der betroffenen Frauen. Dabei entsprechen diese Forderungen den internationalen Maßstäben des Menschenrechtsschutzes. So zählt Art. 12 Abs. 1 der Europaratskonvention Nr. 197 (http://conventions.coe.int/Treaty/EN/Treaties/Html/197.htm) eine ganze Liste von Maßnahmen zum Schutz der Opfer "bei ihrer körperlichen, psychischen und sozialen Erholung" auf. Einbezogen sind "die Gewährleistung von Bedingungen, unter denen ihr Lebensunterhalt sichergestellt ist, durch Maßnahmen wie angemessene und sichere Unterkunft sowie psychologische und materielle Hilfe" (Buchst. a) und "medizinische Notversorgung" (Buchst. b). Ebenso enthält Art. 11 der Richtlinie 2011/36/EU ( http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32011L0036:DE:NOT ) konkrete und verbindliche Vorgaben für die Unterstützung der Opfer unabhängig von ihrer Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden. So muss der Staat die Mittel zur Sicherstellung des Lebensunterhalts, eine geeignete und sichere Unterbringung, die notwendige medizinische Behandlung einschließlich psychologischer Hilfe sowie Dolmetscherleistungen finanzieren (Abs. 5). Nach Abs. 7 schenken die Mitgliedstaaten „Opfern mit besonderen Bedürfnissen besondere Beachtung, wenn diese besonderen Bedürfnisse sich insbesondere aus der Möglichkeit einer Schwangerschaft, ihrem Gesundheitszustand, einer Behinderung, einer geistigen oder psychischen Störung oder aus anderen schwerwiegenden Formen der psychologischen, körperlichen oder sexuellen Gewalt, denen sie ausgesetzt waren, herleitet“. Schließlich garantiert Art. 12 Abs. 2 Zugang zu unentgeltlichem Rechtsbeistand, auch zur Geltendmachung einer Entschädigung. Recht und Praxis in Deutschland sind weit von diesen Vorgaben entfernt.

 


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